[88] Zweites Buch

1. Der Löwe und die drei Tiger

1756.


Ein Löwe schlummerte, die Sorge für sein Reich,
Und seiner Völker Ruh, ließ ihn nicht ruhig schlafen,
Er lag, wie auf den Sprung, gefaßt auf jeden Streich,
Die Feinde seines Reichs zu schrecken, und zu strafen.
Drei Tiger sahen ihn. Der eine sprach. Seht da,
Das ist die rechte Zeit, den Feind zu überfallen,
Der uns zu mächtig ist; sein Reich gehört uns Allen;
Wir wollens teilen, wir! Die andern sagten: Ja!
Sie machten einen festen Bund,
Beschworen ihn. – Der Schwur, so still des ersten Mund
Ihn lispeln mochte, kam in des Monarchen Ohr,
Der lauschend lag, kaum glaubte, was geschah. –
Der zweite Tiger schwur. Was that der Löwe da?
Er flog, als wie ein Strahl des Blitzes, schnell hervor,
Saß auf des dritten Tigers Nacken,
Schon eh' er schwur, hielt ihn,
Bekam den ersten nur mit einer Klau zu packen;
Der zweite nahm die Flucht, und nannte noch im Fliehn
Den Löwen klug, trieb ein Gespötte
Mit den Verwundeten, sprach trabend neben her:
Wir hätten ihn, wenn Er
Den Angriff abgewartet hätte! 1

Fußnoten

1 S. die Staats- und Kriegs-Geschichte vom Jahr 1756.

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TextGrid Repository (2012). Gleim, Johann Wilhelm Ludwig. Gedichte. Fabeln. Zweites Buch. 1. Der Löwe und die drei Tiger. 1. Der Löwe und die drei Tiger. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D98F-4