27. Äsop und die Tiere

Lockmann 1 oder auch Äsop,
(Denn man weiß nicht, wer von beiden
Höher seinen Geist erhob,
Nackte Wahrheit einzukleiden
In gefälliges Gewand,)
Oder Vater Adam stand
Unter Tieren,
Auf zwei Beinen, oder vieren,
Stand, und fragte: Wollt ihr dienen?
Meinem Weibchen, oder mir?
Nein! antwortet' ihm ein Stier!
Löw' und Tiger sahn den kühnen
Tier-Befrager, schwiegen still,
Fragten aber mit den Mienen:
Ist ein Tier, was dienen will?
Alle flogen auseinander
Ins Gefild' und in den Wald,
Fürchtend einen Alexander,
Suchend sichern Aufenthalt.
Und man nahm nach tausend Jahren
Seine Freiheit erst dem Stier,
Unsern Helfer, welchem wir
Keine saure Mühe sparen!
Hat er, endlich matt und alt,
Viel gepflügt und viel gefahren,
Wird er von uns aufgestallt,
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Und, so viel er haben will,
Geben dann wir ihm zu fressen;
Dann hält er dem Schlachter still;
Dann wird er von uns gegessen!
O du Löw', ist das nicht gut?
Stünd' ein Löwe nur von weiten,
Ha! spräch' er mit Heldenmut,
Laßt uns für die Freiheit streiten,
Brüder! Brüder! bis aufs Blut!

Fußnoten

1 Nach arabischer Sage ein Weiser vor Mohamed, dem eine Fabelsammlung zugeschrieben wurde.


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Gleim, Johann Wilhelm Ludwig. 27. Äsop und die Tiere. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-DA5B-3