[668] Georg Gloger
Decas Latino-Germanicorum Epigrammatum
1631

1. General Tylli tractierete vmb Leipzigische Ergebung ins Todtengräbers Hause

Was kan man anders wol beym Todtengräber machen,
Als dingen vmb die Bahr' vnd andre Leichen-Sachen?
Drümb weil auch Tyllen ahnt', er würde müssen weichen,
Vnd nun zu Leipzig hier bestellen seine Leichen:
So ging' er selbst mit Fleiß, ohn alle Schew vnd Schämen
Ins Todtengräbers Haus, vnd ließ ein Maß ihm nehmen
Zum Sarg vnd zu der Gruft, besah auch selbst die Bahre,
Den Kirchhof vnd den Ort, der gegenüber ware.
Vnd zwar er solte fast gar wol gethan dran haben:
Denn ihn der Todten-Mann bald müssen mit begraben.
Ja wär er in der Flucht so feste nicht gewesen,
So wär er auch allhier, wie Schönberg, schon genesen.
Nun ist er itzt gleich fort, so muß er doch beklagen,
Daß er drey Schösse hab', vnd sey aufs Haupt geschlagen.

2. In cladem Lipsiacam

Hæc acies prima est, hæc et victoria prima,
Lipsiacæ Synodi quam retulere manus.
Qui non Italicis potuit succumbere campis,
Non, ubi victrici Mosa cachinnat aqua,
Westfalicus nec ubi sua proluit arva Visurgis,
Nec rapidus qua Albis rura cruore rigat,
Huc ruit ut meritas sumat pro crimine pœnas
Nec nisi Lipsiaca clade perire potest.
Mollia Lipsiacis primordia cœpit in agris,
Lipsiacis crevit, Lipsiacisque stetit,
His defensa fuit Bona Caussa, et sanguine utrimque
Multo firmata est, area testis erit.
Area tota cruor, et plurima mortis imago,
Tota sepulcretum, tota cadaver iners.
[669]
I nunc, atque bonam dedisce lacessere caussam
Tylliades; qui illam vindicat, ultor adest.

3. Auf die Leipzigische Schlacht

Diß ist die erste Schlacht, diß ist das erste Siegen,
Das auf den werthen Schluß zu Leipzig ist verbracht.
Der in Italien vorhin nicht kunt erliegen;
Nicht, wo die kühne Maaß itzt ihres Feindes lacht;
Der an dem Weserstrom vnd blutgefärbtem Strande
Der Elbe kaum mit Noth entriesse, dringt hier ein,
Vnd holt ihm die Gebühr von seiner Thaten Schande.
Er hat sonst nirgends nicht geschlagen sollen seyn,
Als nur bey Leipzig hier. Hier hat die gute Sache
Den ersten Grund gelegt, hier wuchse sie auch auf,
Hier griffe sie zum Schwert, vnd suchte Schutz vnd Rache
Durch vieler Tausent Blut, das beyden gienge drauf.
Die Wahlstatt sagt es aus, die wie ein Blut vnd Eyter,
Ein vielgestalter Tod, vnd wüstes Beinhaus steht.
Geh hin nun, Tylli, geh, vergreif dich hier nicht weiter;
Denn der die Sache schützt, dir auf den Fersen geht.

4. Epitaphium in locum prælii

Hic locus, hic acies, hic urna, et grande sepulchrum est,
Quo sequior cecidit, sed Bona Caussa stetit.

5. Überschrift auf die Wahlstatt

Hier ist der Wahlstatt Ort, die Gruft vnd das Erliegen
Der falsch- vnd bösen Sach'; hier ist der Guten Siegen.

6. In tonitru et iridem post triumfatos hostes facta

Fallimur? an divos præsentes noscimus ipsos?
Noscimus, et tanto stabimus auxilio.
Non obscura vides palmæ documenta futuræ;
Omnia nec dubiis emicuere notis.
Post stratas acies, post partos hoste triumfos
Annuit impluvio sole per æthra deus.
Ter tonat, et placido per sudum murmure nutat,
Verbaque grandiloquus ter glomerata facit.
[670]
Ter tonat, et subitis sunt facta silentia rebus,
Iris et innubi roscida visa polo est.
Hostes, quis dubitet, nutu haud cecidisse superno?
Signa stetere polo: signa stetere solo.
Credimus, et divos præsentes noscimus ipsos,
Firmiter ac horum stabimus auxilio.

7. Auf das Donnern und den Regenbogen, so sich nach der Schlacht begeben

Wie? sehen wir denn selbst die Götter vns zugegen?
Sie sinds, vnd ihre Hülf' vns weiter wird geschehn.
Die Zeichen, daß wir viel noch werden Feind' erlegen,
Sind gut, vnd lassen sich durch gute Deutung sehn.
Denn als die Schlacht ward aus, vnd nun die Feind' erlagen,
Da gabe Gott fast selbst sein Ja vnd Willen drein,
Als sich bey heller Luft dreymal der Donnerwagen
So sanfte hören ließ, als soltens Worte seyn.
Dreymal vnd weiter nicht. Hierauf wurd Alles stille,
Vnd sah am Himmel man den Regenbogen gehn.
Wie solte nun der Sieg nicht seyn des Herren Wille,
Weil vmb vnd über vns so klare Zeichen stehn?
Wir gläuben festiglich, daß Gott sey selbst zugegen,
Vnd seine große Macht werd' vnsre Feind' erlegen.

8. Ad Lipsiam liberatam

O uno dominis biduo regnata duobus
Mœstamque et lætam, Lipsia, passa vicem!
Quis tibi bellacis cernenti robora sensus
Ferrea Tylliadis? terror et angor erat.
Quis, cum prospiceres victricia Saxonis arma,
Hostis et effugium? nil nisi plausus erat.
O plaudas longum, nec te meminisse dolores
Tam molles pigeat, gloria major erit.
Nam victrix volitat latum nunc fama per orbem:
Saxonis est Philyra, Tyllius at cecidit.

9. An das erlösete Leipzig

Du zwierbeherschte Stadt, fast inner zweien Tagen,
Die du von Vngelück vnd Glücke weist zu sagen,
[671]
Wie war dir wol zu Muth, als Tylli dich vmbrange
Mit Wagen, Heer vnd Macht? Furcht, Angst vnd Noth mich drange.
Wie, als dich wieder frey dein Siegesfürste machte,
Vnd schlug den Feind ins Feld? da frewt' ich mich vnd lachte.
O frewe lange dich! vnd laß dich ja nicht tawren,
Daß dieser Ehr vnd Ruhmbs noch weit nicht werde trawren.
Denn itzt fährt Fama hin, in aller Welt zu sagen,
Daß Leipzig Sächsisch sey, vnd Tylli ganz geschlagen.

10. Als Leipzig nicht daheime war

Als Tylli newlich kam vor diese Stadt gezogen,
Vnd suchte Leipzig hier, war gleich es ausgeflogen,
Vnd mit dem ganzen Schmuck vnd Geiz- vnd Hoffartgeist
Vnd was man sonsten sagt, das Leipzig sei, verreist.
Diß thete Tyllen weh, vnd wolt' ihn fast verdriessen,
Daß er an Leipzig nicht sein Müthlein solte büssen.
Doch war es gut vor vns. Denn wär ein solches Nest,
Wie dieser Vogel sucht, in dieser Stadt gewest,
Wir wären nimmermehr so gnädig durchgekommen.
So ware zwar Gefahr, doch schonte Gott der Frommen,
Die hier verblieben warn, vnd nahm sich ihrer an,
Daß Niemand sattes Lob darfür ihm sagen kan.

11. Triga virtutum Tyllianarum in vitia degenerata

Tripla Tylliades nuper virtute cluebat:
Quem sic dotatum præ reliquis referunt.
Prima fuit, zonam numquam solvisse pudicam.
Non titubasse mero mentiruo, altera erat.
Tertia, se nullo passum stratagemate cladem,
Ac hostes natum vincere posse suos.
Et credo et verum est. Virtutibus integer istis
Constitit, et technæ nil nocuere truces.
Grandia virginitas nam præmia salva reportat;
Atque sui victor vincere multa potest.
Cautaque decipitur numquam qui cymbia lambit;
Nam sobrium pone est provida cura virum.
Pocla sed innocuo sumsit dum mista cruore,
Et nymfæ solvit vincula Saxonicæ,
Stare acie nescit, nec pristina robora versat.
Cogitur ast hosti terga dedisse suo.
[672]
Nam non consilio regitur mens sanguine lauta,
Vapulat et casti raptor ubique sinus.
Delicto hinc proprio, toto nunc audit in orbe
Helluo, scortator Tylliadesque fugax.

12. Generals Tylli drey Tugenden in Laster verkehret

Noch newlich rühmbte man, der Tylli sey beschryen
Von dreyen Tugenden, vor andern ihm verliehen.
Zum ersten, daß er nie ein Weibesbild berührt.
Vors andre hätt' ihn auch kein Trunk noch Rausch verführt.
Zum dritten hätt' er gar in keiner Schlacht verloren,
Vnd wäre von Natur zum Siegen nur geboren.
Ich glaubs, vnd ist auch war. Durch solcher Tugend Kraft
Hat weder Macht noch List an ihm gar viel geschafft.
Denn keusche Jungfrawschaft stets ihre Lohnung findet,
Vnd wer sich selbst beherscht, auch ander' überwindet.
So gleichsfals, wer sich recht vor Vollsein hüten kan,
Der bleibt vor seinem Feind' ein vngeschlagner Mann.
Nachdem er aber sich an Blutschuld vollgesoffen,
Vnd an der Sachsen Magd die Keuschheit abgeloffen,
So kan er in der Schlacht nicht mehr, wie sonst bestehn,
Vnd muß vor seinem Feind' in stetem Fliehen gehn.
Denn wer sich blutvoll säuft, hat gar kein recht Geschicke,
Vnd wer Jungfrawen schändt, hat weder Stern noch Glücke.
Drümb heißt er billich nun, wie ers verdienet hat,
Ein Hurer, Trunkenpolt vnd flüchtiger Soldat.

13. Sic vinci, egregium

Quod se non aliis prosterni Tyllius armis
Hactenus est passus, quam, bone Adolphe, tuis,
Gratificatus eo sibi soli est, fama parata
Ne caderet, caderet si leviore manu.
Nunc quamvis cecidit, solatur adorea casum,
Non nisi se regis occubuisse manu.

14. So überwunden werden ist rühmlich

Daß Tylli keinem nicht bisher hat wollen weichen,
Als König dir allein, das hat er ihm gethan,
Damit sein hohes Lob nicht etwa möcht' erbleichen,
Wenn einem Niedrigern er sich macht' vnterthan.
[673]
So, ob er schon erliegt, kan doch mit Rhum er sagen,
Daß nur ein König hab' ihn können niederschlagen.

15. Sic vincere et vinci gloriosum

Gustavo major vix crevit gloria, quam cum
Tylliadis celeri robora Marte necat.
Nec magis egregio potuit succumbere fato
Tylliades, quam cum cessit, Adolphe, tibi.
Est magnum siquidem invicto succumbere regi,
Regium et invictum sternere Tylliadem.
Sic sua victori, sua victo gloria surgit:
Hic strage, is palma clarus ubique manet.

16. Also überwinden und überwunden werden ist löblich

Es hat der König kaum ein grösser Lob erworben,
Als wenn er Tyllen schlägt, den großgemachten Held.
Vnd ist auch Tylli fast nicht besser je verdorben,
Als, da er, König, dir mußt räumen Mann vnd Feld.
Denn Königen allein ist rühmlich vnterliegen,
Vnd königlich, wenn man den Niegeschlagnen schlägt.
So jeder seinen Preis vnd Lob darvon noch trägt:
Den rühmbt die grosse Schlacht, vnd den das grosse Siegen.

17. In regem invictissimum

Qualis erit Suecus vester? timidissimus ille?
Dicebat nuper Tyllica turba mihi.
Sumo stylum dextra, lævaque prehendo tabellam,
Pingo triumfahtis mille tropæa ducis.
Duco manu primum caput insuperabile bello
Pelidæ, victor qualis ab hoste redit.
Victrici meritos auroque et fronde capillos
Advelo, præfert regia sceptra manus.
Hinc dextra palmas pingo, laurusque superbas,
Et pendo hostiles postibus exsuvias.
Gemmifero chlamydes palmatas læva metallo
Armaque pulvereo fœda cruore tenet.
Addo triumfales invicto Marte rubricas,
Milleque cæsorum nomina mille ducum.
Hinc galeas, parmas, pompas, currusque jugales,
Quæque triumfantes debita dona decent.
[674]
Ordine queis tandem longo post terga revinctæ
Succedunt gentes, collaque serva juga;
Et tabulam monstrans, Suecus fortissimus, inquam,
Qualis erit vultis cernere? talis erit.

18. Auf den unüberwindlichsten König

Was wird in künftig denn wol ewer Schwede machen,
Der vnbeherzte Mann? sagt Tyllens Volk zu mir.
Ich nahme zu der Hand den Reißzeug vnd Papier,
Malt einen Siegesherrn mit allen Siegessachen.
Das Haupt Achilles war, wenn er die Feinde schluge,
Vnd nach verrichter Schlacht zu Hause kommen war.
Ich wandt ihm grünes Laub vnd Gold in seine Haar,
Vnd in der rechten Hand er einen Scepter truge.
Zur Rechten prangten her viel Palm- vnd Lorbeersprossen,
Vnd die erworbne Beut' hier auf der linken Hand,
Viel palmgeformbte Röck' vnd steingesticktes Wand,
Auch Waffen, die noch frisch vom Staub vnd Blute flossen.
Sonst schrieb' ich oben an die Thaten vnd die Kriege,
Die Namen vnd das Volk, das nieder war gemacht.
Vergaß die Wagen nicht, die Helmbe, Schild vnd Pracht,
Wie der Triumf erheischt, vnd üblich ist im Siege.
Drauf viel gefangen Volk vnd überwundne Sachen
In langer Reye ziehn. Ich nam es hin mit mir,
Legt' ihnen das Gemäld' vnd ganze Tafel für;
Hier, sagt' ich, könnt ihr sehn, was wird der Schwede machen.
[675]

Notes
Erstdruck: Decas Latino-Germanicorum Epigrammatum. Zehen Lateinische und Deutsche Epigrammata, [o.O.] 1631.
License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Gloger, Georg. Decas Latino-Germanicorum Epigrammatum. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-DB44-D