[252] An Lilla

Gestern bedeckte dein Haar ein röthlicher Puder und Salben,
Federn vom Reiher und Strauß, Blumen und Spitzen und Band.
Heute seh' ich es schwarz, gleich Fäden von seidenem Atlaß,
Sehe, nicht minder erstaunt, daß es die Hüfte dir küßt.
Gestern verhüllte das Fell von einer cyprischen Katze,
Und ein Segel von Flor, mächtig sich blähend, die Brust;
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Heut errath' ich sogleich, das Auge werde so wenig
Durch den Busen getäuscht, als durch die Lippen das Herz.
Gestern berührte der Saum, – der Blumenstickerin Schöpfung –
Selbst die Sohle des Schuhs, der sich vermuthen nur ließ;
Heut überrasch' ich dich im Morgenröckchen, du Holde,
Und du tanzest sogar mit dem chinesischen Fuß'!
Gestern fanden dich schön die Kammerfräulein der Fürstin;
Schöner finden dich heut Grazien, Amor und ich.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. An Lilla. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-DEBE-5