[219] An seinen Bedienten

Im März 1778.


Endlich muß ich doch es einmal sagen,
Was ich länger nicht verschweigen kann.
Treuer Heinrich! Von den guten Tagen,
Die du hattest, naht der letzt' heran!
Täglich, siehst du, wachsen meine Jungen
Und die Zahl von ihren Foderungen,
Aber, Heinrich, meine Renten nicht.
Kahl gebürstet hast du meine Kleider,
Und mein Hut, du weist es selber, bricht.
Dennoch, wie so oft du auch den Schneider
Rufest, riefst du doch für mich ihn nicht.
Aber, wenn ich in dem alten Rocke,
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So da steh' an dem Rainettenbaum',
Und die Jungen kommen auf dem Stocke,
Meinen Acten-Riemen statt dem Zaum',
Ihrer Mutter Strumpfband statt der Peitsche,
Angeritten – ha! das geht durchs Mark!
Alle reiche Kleider, die der Deutsche
Von Lyon holt, sind dagegen Quark!
Wie du weist, verschenkt' ich meinen Blessen,
Und doch war der Blesse mir so werth!
Für den Hafer, den er sonst gefressen,
Kauft' ich Fritzen manch gemahltes Pferd 1,
Ging zu Fuß im Feld' umher spatzieren,
War, es wenig achtend, Abends lahm,
Wenn juchheiend nur mit seinen Thieren
Fritz mir im Galopp' entgegen kam,
Aller Nationen Pferde kannte,
Aller Arten Hunde Namen nannte,
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Und vom Tigerthier' in Afrika
Schreckliche Geschichten mir erzählte,
Und mich küssend, und mich streichelnd quälte:
Nun erzähl' du auch mir was, Papa!
Werde, guter Heinrich, drum nicht böse,
Daß ich auch von dir mich trennen muß.
Ich, der nie Fortunens Gürtel löse,
Dem sie selten einen lauen Kuß
Nur erlaubet, soll ich armen Bauren,
Guten Rath, nach Louisdor-Gewicht,
Künftig geben? Und sie kalt bedauren,
Wenn für sie kein fetter Truthahn spricht?
Soll ich um ein Höschen für die Jungen,
Mit dem Schneider lärmen, zanken, drohn,
Bis ich noch zwei Groschen abgedungen,
Ach! vielleicht des Mannes ganzen Lohn!
Willst du mich vor Sonnen-Aufgang wecken,
Noch ein Licht auf meinen Leuchter stecken,
Wann bei keinem Nachbar Licht mehr brennt,
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Jede Meß' ein Büchlein auszuhecken,
Das man in der nächsten nicht mehr kennt?
Sieh! dieß alles, was ich ohne kalten
Schauer, kaum einmal recht denken kann,
Müßt' ich thun, dich länger zu behalten,
Darum fasse dich, und sey ein Mann!
Wolltest du nicht oft von mir sonst wissen,
Was man Weisheit nenne? Höre mich!
Wenn es seyn muß, selbst auch das zu missen,
Was man liebt und schätzet, wie ich dich!
Hast du nichts bei mir gelernt, so lerne
Wenigstens dieß Eine noch von mir;
O! Zufriedenheit folgt in die Ferne
Dann gewiß auf jedem Schritte dir.
Komm' nur morgen früh herauf, und siehe,
Ob ich mich nicht hurtiger, als du,
Ohne Murren ob der kleinen Mühe,
Kleiden will, vom Kopf' bis auf die Schuh'.
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Der du dich für mich des Schlafes gerne,
Wie so süß der dein' auch ist, entschlugst,
Und im hohen Schnee die Blendlaterne
Vor mir her, so rasch und willig trugst,
Als ich die, die ich nun ganz besitze,
Nur zu sehen, keine Nacht mehr schlief,
Und durch Flüss' und Wald, in Frost und Hitze,
Oft mit dir in dunkeln Nächten lief:
O du müssest, wär' er noch so selten,
Doch den Herrn bald finden, der fortan
Freund, wie ich, dir sey, und das vergelten,
Was ich, leider! nur verdanken kann!

Fußnoten

1 Büffon's Naturgeschichte mit illuminirten Kupfern.


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. An seinen Bedienten. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-DFC0-6