[209] An Herrn Karl Fasch, Königl. Kammermusikus, und Stifter der Sing-Akademie zu Berlin

Gehen die Künste nach Brod, dann muß es sie weiter nicht kümmern,
Wen am Ziele der Ruhm mit Amaranten bekränzt.
Weinend müssen sie dann die Flügel des Genius binden,
Der, überlassen sich selbst, sonst Ideale verfolgt,
Die, von keinem erreicht, nur dem im dünneren Aether
Sichtbar werden, der hoch über den Pöbel sich schwingt.
[210]
Aber wenn er im Volk', gebunden, hier unten verweilet,
Bringt er zur Erde uns nichts neues vom Himmel herab.
Was der reiche Dünkel ersinnt, sich selber zu schmeicheln,
Führt, verwünschend sich selbst, sträubend der Genius aus.
Gehen die Künste nach Ruf, dann muß es sie weiter nicht kümmern,
Was erheischt die Natur, oder der Kritiker wünscht.
Dann so wird die Stadt zur Welt, die Zeitung zur Nachwelt;
Gaffender Menge Geklatsch: Genius, Regel, Modell!
Ach! sie würdigen sich herab zu Putzmacherinnen;
[211]
Einer Bertin 1 Ruf ist nur ihr äußerstes Ziel.
Bildete nicht selbst Nahl aus theurem Marmor Carara's,
Für der Familie Gold, Hindelbanks gnädigen Herrn,
Und behängte den Schultheiß von Bern – so wollten's die Erben –
Bunt mit Fahnen und Helm, Wapen und Orden und Speer?
Aber der Fremde, schüttelt den Kopf, blickt lächelnd und kalt hin,
Während der Küster ihm stolz Ahnen und Kosten summirt.
Doch der Genius hat in einem bescheidenen Sandstein'
Kunst und Künstler dafür gleich auf der Stelle gerächt.
[212]
Schneller, erleichternd die Müh', die wieder erwachende Langhans
Aus dem Grabe zu ziehn, strecket des Reisenden Arm
Unwillkührlich sich ihr entgegen; aber sein Mitleid
Wandelt, erkennend den Stein, schnell in Erstaunen sich um.
Hätt' auch Mozart nicht die Schikanedersche Plattheit,
Unsinn mit unter sogar, schon in der Prosa gefühlt,
Nun so mußte doch wohl bei so genannten Gesängen
Sein melodisches Ohr minder nicht leiden, als der,
Den im Trabe die Post auf einem Damme von Knüppeln,
Packen und Fässer im Tanz', rasselnd mit Ketten, erreicht.
[213]
Du, der weder um Gold, noch um das Bravo der Menge,
Je dich kümmerst, o Fasch! der du die Tugend und Kunst,
(Beide reichen bei dir sich wie Verlobte die Hände,)
Nur um ihrer selbst willen zu lieben, beschwurst,
Und zwölf Lustern lang den Schwur hast treulich gehalten:
Beide flechten sie einst deinen nicht welkenden Kranz!
Wer Zerstreuung sucht, ist immer begierig nach Neuem,
Das dem inneren Sinn' tieferes Prüfen erspart;
Mehr der Blumen Zahl, als ihre vollendete Färbung,
Mehr ihr buntes Gemisch, als ihr harmonischer Kranz,
[214]
Mehr der betäubende Hauch des fremden Gewächses im Treibhaus',
Als der Rose Duft, ziehet den Flüchtigen an.
Zehenmal hörest du drum die neuesten Stoppen undSchöneich,
Als ein einzigesmal Hagedorn nennen und Uz.
Eher umschwirret darum in hundert Koncerten ein krauses
Mengsel von Tönen dein Ohr, ohne zu finden dein Herz,
Als dich ein einziges mal der alte Zauberer Händel
Oder Graun ins Chor seliger Geister versetzt.
Aber zum Glücke belohnt die Kunst sich selbst, wie die Tugend.
Nichts ist am Ende doch schön, nichts überlebet uns selbst,
[215]
Nichts befriediget uns schon hier, als einzig das Wahre.
Was ist wahrer als du, einfache, schöne Natur!
Du verschuldest ja nicht die italienischen Blumen,
Aefft der Fabrikant sklavisch, dich Schöpferin! nach,
Daß vor der Farben Gemisch, grell, wie auf ostindischem Zitze,
Und vor der Ranken Gewirr, Flora die Augen verschließt.
Du, ihr Priester, o Fasch! du kleidest die Göttin als Göttin,
Nicht mit Flitterstaat, wie sich die Buhlerin schmückt;
Durch Charakter und Geist kann die nicht Herzen gewinnen;
[216]
Wenn sie das Auge denn nur listig zu täuschen versteht.
Werde nicht müde, o Fasch! der Göttin länger zu dienen,
Und an ihrem Altar' Jüngling' und Mädchen zu weihn.
Jedes Opfer verschönert ihr Herz. Sie lernen durch Töne,
Sonst der Zerstreuung geweiht, stärken der Tugend Entschluß;
Fühlen, wie lieblich es ist, dem danken, der die Natur schuf,
Denn des Trostes bedarf selten ihr Blüthenmond noch.
Aber des Sommers Gewitter und kalte Stürme des Herbstes
Sind auch ihnen nicht fern. Werden, der Nachtigall gleich,
[217]
Sie verstummen alsdann? Nein! deiner Weisen gedenkend,
(Wer mit dem Herzen sie hört, nimmer vergisset sie der,)
Hören sie minder das Rollen des Donners, das Rauschen des Sturmwinds,
Dein erhabner Psalm fürchtet vor beiden sich nicht.
Wandle noch lange, mein Fasch! die Bahn des stillen Verdienstes.
Auch die längeste selbst dünket den Freunden zu kurz.
Haben mit Trauergesang sie einst zur Ruhe geleitet,
Der durch sanften Ton Herzen beruhiget hat,
O so wird doch nicht ihr Dank wie die Töne verhallen,
[218]
Nicht verdorren der Baum, den du zum Blühen gebracht.
Früchte reifen auf ihm, trotz unserm rauheren Clima,
Groß und süß, wie kaum Rom und Neapel sie zeugt.

Fußnoten

1 Eine sonst berühmte Putzmacherin in Paris.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. Gedichte. Episteln. Zweiter Teil. An Herrn Karl Fasch. An Herrn Karl Fasch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E18C-3