[208] An Goldhagen

Bei Uebersendung eines Reitpferdes.


Im Juni 1777.


Hier bringet Heinrich dir, mein Lieber,
Den Rappen; füttre du ihn todt!
Zwar gingen mir die Augen über,
Als er das letzte Stückchen Brod
Mir heute Morgen aus den Händen
Im Stalle fraß; doch, da er mir
Nichts nutz mehr ist, mag er bei dir
Sein Leben nach Gefallen enden.
Soll ich das Roß, das gegen Wien
Die Preußen sonst ins Treffen führte 1,
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Verdammen, nun den Pflug zu ziehn?
Das Roß, das kaum den Sand berührte,
Durch Treibeis wie ein Wallfisch schwamm,
Wenn mich's zu meinem Mädchen führte,
Und dennoch, fromm als wie ein Lamm,
Bei ihrem Streicheln sich nicht rührte;
Dieß alte, brave, treue Pferd,
Sollt' in der Karre künftig gehen?
Nein, Freund, eh' sollt' an meinem Herd'
Kein Topf am Feuer wieder stehen,
Bis ich das Thier, nach seinem Werth',
Auf Lebenszeit versorgt gesehen.
Zum Glück' für mich und für den Blessen,
Brauchst du ihn nöthiger, als ich.
Wir mögen beide nach dem Essen
Gern müßig seyn, allein, indessen
Dein Freund verdaut, erwartet dich
Dein Filial, ja ließe sich
Die Mitternacht von deinem Kleide
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Nicht unterscheiden, läge schier
Der Schnee zwei Schuh' hoch auf der Heide,
Du gingest doch zu Fuß mit Freude,
Verlangt' ein Sterbender nach dir.
Ich aber habe nichts zu gehen,
Als etwa, mich vom Finkenherd'
Bei heiterm Wetter umzusehen:
Und wozu soll mir nun das Pferd?
Dich zu besuchen? Darum sey's!
So oft ich künftig vom Kalmäusern
Pausire, schick' du mir den Greis,
Der Weg und Steg im Harz itzt weiß,
Wie vormals auf den Katzenhäusern 2.

Fußnoten

1 Der verstorbene General Hülsen hatte es ehemals geritten.

2 Wo der General Hülsen eine Zeitlang mit seinem Corps stand.


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. An Goldhagen [2]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E246-8