[38] Ode auf das zweyte protestantische Jubelfest, welches wegen des zu Augspurg übergebenen Bekenntnisses Evangel. Fürsten und Stände, gefeyert ward

Im Jahre 1730 den 25sten Junius


Continuent superi plenis Christiana triumphis,

Jubila, successusque novos successibus addant!

Avg. Bvchnervs, In Carm. Saecul.


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Seht! Babel wankt, und sinkt, und fällt,
Daß Grund und Catacomben beben;
Nun kann der Kreis der hart geplagten Welt
Sein sorgenfreyes Haupt erheben.
Der sieben Berge Glanz und Pracht
Versinkt in Schutt und Graus und Nacht,
Die Metze schmeißt den Zauberkelch in Stücken:
Ha! stolzes Weib, nun wirst du dich
Nicht mehr so frech und lästerlich
Durch den ergeizten Putz der reichsten Buhler schmücken.
O! welch ein Heulen und Getümmel
Erhebt das Reich der Finsterniß!
Dort fliegt ja noch der Engel durch den Himmel,
Der uns aus solchen Schatten riß.
Man hört die Jubelstimme schallen:
Sie fällt! sie fällt! sie ist gefallen;
Gefallen ist die große Wunderstadt!
Die durch den Wein der Hurereyen,
Bey List und Zwang und Schmäucheleyen,
Die Völker aller Welt bisher bezaubert hat.
Gestürztes Rom! Wo ist nunmehr
Des Thieres große Macht auf Erden?
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Welch Königreich wird künftighin so sehr
Verführt, bestrickt, bezaubert werden?
Wer nimmt dein schnödes Zeichen an;
Da die den Schandfleck abgethan,
Die sonst dieß Maal mit Stolz und Eifer trugen?
Nur weg damit von Stirn und Hand!
Des Himmels Zorn ist schon entbrannt
Auf alle, die sich sonst zu deiner Rotte schlugen.
Wie dort vom Klange der Posaunen
Ganz Israel und Josua,
Bey Jericho, zwar froh, doch mit Erstaunen,
Schloß, Thurm und Bollwerk sinken sah;
Man läßt ein Feldgeschrey erschallen,
Und seht, so Thor als Mauren fallen;
Wiewohl kein Mensch die Hand daran gelegt:
So fällt auch Babels Pracht und Schöne,
Bloß durch ein kräftiges Getöne
Des ewigstarken Worts, das Erd und Himmel trägt.
Geht aus, aus der verbannten Stadt,
Erlöste! flieht aus Babels Thoren!
Des Gräuels Wust, dem sie geopfert hat,
Hat Ansehn und Gewalt verlohren.
Berühret nichts, was sie geweiht;
Es ist der Afterheiligkeit
Verworfne Frucht und Misgeburt zu nennen;
Des Aberglaubens blinde Brut
Mag, wie sie gern im Dunkeln ruht,
Sich in Aegyptens Nacht von Gosens Sonne trennen.
Was siehst du doch in deinen Zimmern?
Was siehst du, finstrer Vatican?
Was hilft es dir, daß tausend Lampen schimmern,
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Da keine dich erleuchten kann?
Wie lange soll auf den Altären
Das trübe Licht der Kerzen währen,
Das aller Welt des Irrthums Leitstern war?
Hinaus mit dem verwünschten Scheine!
Der Wahrheit heitrer Stral alleine
Vertreibt die Finsterniß und macht die Kirche klar.
Aus dir, gepriesnes Sachsenland!
Entspringt das Licht der reinen Lehre.
Du hast das Tocht des Glaubens angebrannt,
Das sonst fast gar erloschen wäre.
Aus deinen Mauren, Wittenberg!
Entsteht das unerhörte Werk:
Die Tyber selbst erstaunt vor deiner Elbe.
Die Engelsburg erbebt vor dir;
Der Riegel bricht, es springt die Thür;
Es wanket Grund und Dach und Pfeiler und Gewölbe.
Den Tag soll keine Zeit vergessen,
Als dort, auf seinem Kaiserthron,
Der fünfte Karl im Fürstenrath gesessen,
Karl, Deutschlands loberfüllter Sohn.
Die holde Majestät der Blicke
Verspricht Germanien ein Glücke,
Dem keines gleicht, davon es sonst geblüht;
Karl ist ein zwiefachgroßer Kaiser,
Indem er zwar auf Lorberreiser,
Doch auf den Glauben auch mit heiterm Geiste sieht.
Ihr Fürsten! auf! denn euer Mund
Muß itzt den ganzen Weltkreis lehren.
Hier thut getrost des Glaubens Inhalt kund;
Nord, Ost und Westen wird euch hören.
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Seyd keck und voller Freudigkeit,
Ihr sprecht hier für die Christenheit;
Vollendet dann, wozu euch Gott erkohren.
Durch euch muß hier ein Werk geschehn,
Dazu die Vorsicht euch ersehn,
Bevor euch die Natur ans Licht der Welt gebohren.
Es schützt euch Ansehn, Stand und Würde,
Gewalt und Abkunft, Volk und Land;
Der Fürstenhut und die Regentenbürde
Hat euch ja nicht den Muth entwandt.
Das Schwert umgürtet euch die Lenden,
Ergreift es mit beherzten Händen,
Vertheidigt euch, dafern man euch verletzt.
Seyd fertig, Blut und Haupt zu wagen!
Denn hier sein Leben feil getragen,
Ist christlicher, als Gott der Ruhe nachgesetzt.
Ihr thuts. Die Wahrheit steht euch bey,
Ihr kämpft, und siegt, und triumphiret.
Der Feinde Wuth und wüste Raserey
Hat eure Großmuth nicht gerühret.
Euch dankt das frohe Lutherthum!
Euch giebt die halbe Welt den Ruhm!
Euch wird man noch nach tausend Jahren ehren!
Euch preiset auch dieß Lied;–- Doch nein!
Weil Ehre, Dank und Preis allein
Dem Vater alles Lichts im Himmel zugehören.
Wer kennt nicht Luthers Geist und Feuer,
Melanchthons sanfte Lindigkeit?
Die beyderseits, bey diesem Ungeheuer,
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Ihr Haupt gewagt, und nichts gescheut.
Wenn jener brannte, dieser dämpfte;
Der eine löwenmüthig kämpfte,
Der andre stets auf Friedenspuncte sann:
Wer hats so weislich angefangen,
Erdacht, beschlossen und verhangen,
Daß ein so widrig Paar dennoch zuletzt gewann?
Dort trotzt ein fester Heldenmuth;
Hier bebt ein halbverzagter Glaube:
Dort spottet man der ärgsten Feinde Wuth;
Hier kriecht die Blödigkeit im Staube
Die Eintracht sah der Zwietracht gleich:
Sie störten beyde Babels Reich,
Theils durch Gewalt, theils durch ein kluges Weichen.
Gott selbst! Gott selbst hat das versehn!
Nur dergestalt konnt es geschehn,
Das vorgesteckte Ziel der Schlüsse zu erreichen.
Kein Mensch, so weit sein Witz auch langet,
Langt hier mit seiner Vorsicht zu.
Wer trieb das Werk, damit itzt Zion pranget,
O höchste Weisheit! sonst als du?
Aus tausend wundervollen Werken,
War leichtlich Hand und Kraft zu merken,
Die alles trieb, bedacht, erhielt und that.
Beschämte Spötter! weicht zurücke,
Ihr seyd zu schwach; drum kehrt die Blicke
Auf eurer Einfalt Trost, den eiteln Bilderstaat.
Fallt nieder, murmelt, schlagt die Brust,
Zerstoßt die Stirn, erzwinget Zähren,
Zerpeitscht den Leib, dem Heiligen zur Lust;
Er wird sich schon geneigt erklären.
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Küßt hundertmal ein faules Bein,
Den schnöden Raub vom Rabenstein,
Den der Betrug in Gold und Glas geschoben;
Vergöttert Lumpen, Asch und Koth,
Die man für Krankheit, Schmerz und Tod,
Zur Panacee bestimmt und heilig aufgehoben.
Hängt Kutten um, erhandelt Messen,
Zieht Glocken, räuchert, bethet an,
Schlagt Kreuzer vor, enthaltet euch vom Essen,
Zeigt, daß die Andacht hungern kann.
Noch mehr: manch Gaukelspiel erscheine,
Der Mutter Gottes Auge weine.
Es fließe dort das Blut vom Januar.
Was hilfts? bey tauber Götzen Ohren
Ist Seufzen und Gebeth verlohren;
Denn todtes Holz und Stein nimmt keiner Ehrfurcht wahr.
Sagt, läßt sich noch kein Helfer sehn?
Erscheint kein Heiliger auf Erden?
Will Nepomuck, durch euer heißes Flehn,
Noch nicht gerührt, nicht günstig werden?
Umsonst! Ein lahmer Lojola,
Ist, statt der Himmelsbürger da?
Iberien heckt seinen neuen Orden.
Der stützet Roms zerbrochnen Stuhl,
Der zeucht das Thier aus seinem Pfuhl,
In den es schon gestürzt und fast vergraben worden.
Wie sonst durch Sonnenschein und Regen,
Bey angebrochner Frühlingszeit,
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Der Gärten Pest, die ganz erstarrt gelegen,
Die schnöde Raupenbrut gedeiht;
Sie kriecht aus ihrem engen Neste,
Und breitet sich durch Laub und Aeste,
Auf jedes Blatt, auf alle Knospen aus,
Und kehrt durch ihr verwägnes Wüthen,
Den Schmuck der hoffnungsvollen Blüthen,
Ja Stengel, Zweig und Stamm in Abscheu, Wust und Graus.
So wuchs auch die beschorne Schaar
Der kaum entstandnen Lojoliter;
Und fraß darauf, so bald sie zeitig war,
Der Königreiche Mark und Güter.
Europa wird ihr unterthan;
Ein Heer, das niemand zählen kann,
Beschwert den Kreis der überschwemmten Erden.
Nunmehr ist weder Hülf noch Rath!
Es haßt und scheut sie Fürst und Staat,
Wiewohl, es ist zu spät davon befreyt zu werden.
Weh euch! ihr armen Protestanten,
Weh euch! denn die Gefahr ist groß.
Flieht Haab und Gut, gleich Mördern und Verbannten;
Wo nicht, so kehrt in Babels Schooß.
Auf euch ist ihre Wuth erhitzet,
Ihr tückerfülltes Auge blitzet,
Sie drohen euch mit Flammen, Strick und Stahl!
Der Untergang ist euch geschworen;
Ihr fleht umsonst, ihr seyd verlohren!
Es donnert schon in Rom des Bannes Wetterstral.
Nein! Zion soll und wird bestehn,
So lange Mond und Sonne scheinen.
Doch Babels Macht muß endlich untergehn;
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Und sollten alle Mönche weinen.
Lucern droht ihm den neuen Fall,
Es droht ihm dort in Portugall
Ein weiser Held, der seine Rechte schützet.
Nur frisch gewagt! Das Lateran
Hat seinen Donner weggethan,
So daß kein Bannstral mehr auf Feind und Ketzer blitzet.
Dort, wo die Welt im Eise wohnet,
Blüht auch das Evangelium.
Da, wo der Dän und Schwed und Preuße thronet,
In Chur- und Liefland herrscht sein Ruhm.
Ein Theil der Reußen und Sarmaten,
Ein Theil von Stambols weiten Staaten,
Halb Deutschland, Schweiz und Holland nimmt es an.
Pannonien, die Britten, Schotten,
Virginier und Hottentotten,
Sammt Coromandels Volk sind ihm schon zugethan.
O! möchte seiner Lehren Blitz
Der Länder Ueberrest durchdringen;
Und überall der Pfaffen Aberwitz,
Des Aberglaubens Macht bezwingen!
O müßte noch der Theil der Welt,
Den Mahomet gefesselt hält,
Den hellen Glanz der Wahrheit einst erblicken!
O sollt auch jenes Südenland,
Das kein Columbus noch erfand,
Die Tempel durch den Dienst des wahren Gottes schmücken!
Wie ist mir? meiner blöden Blicke
Geschwächter Stral verstärket sich.
[47]
Wie wohl ist mir! Ein günstiges Geschicke
Erhört den Wunsch und tröstet mich.
O welch ein Schauplatz läßt sich sehen!
Denn was noch künftig soll geschehen,
Wird mir entdeckt, und stellt sich völlig dar.
O süßer Anblick! schöne Zeiten!
Ich seh, ich sehe schon vom weiten,
Was jedermann gewünscht, was kaum zu hoffen war.
Ich sehe schon den Tyberstrom
Die Herrschaft geistlicher Tyrannen,
Mit Muth und Kraft aus dem gedrückten Rom,
Aus ganz Hesperien verbannen.
Ich sehe Tempel und Altar,
Und Mönch und Pfaffen in Gefahr,
Den Bilderdienst, das Fegefeuer schwinden.
Kein Pabst ist mehr, kein Cardinal;
Der Klöster ungeheure Zahl,
Die Wust und Staub bedeckt, ist gar nicht mehr zu finden.
Die Wahrheit herrscht und triumphiret,
Sie hat der Lügen Schwarm gedämpft;
Der Sonnenstral, der ihre Scheitel zieret,
Das Reich der Finsterniß bekämpft.
Man sieht bey ihren Reichsgenossen,
Die schönsten Tugendzweige sprossen,
Die stetig blühn, stets voller Früchte stehn:
Der Thorheit Samen ist verdorben,
Die Brut der Laster ausgestorben,
Und ihr erwünschter Thron soll niemals untergehn.
[48]
Erscheine bald, du güldne Zeit!
Beschleunigt euren Lauf, ihr Tage!
Daß einst die Welt, mit froher Dankbarkeit,
Von unsrer Wünsche Nachdruck sage.
O wäret ihr schon itzo da!
O! wären wir euch schon so nah,
Als unser Herz es wünschet und begehret!
Das Pabstthum wäre schon verbannt,
Der Muselmann ganz unbekannt,
Der Jud und Heide selbst zu Zions Gott bekehret.
Vesuv und tausend Schwefelgrüfte,
Die Wälschland längst den Fall gedräut,
Verdoppelten die flammenreichen Düfte,
Bey Zions erster Jubelzeit.
Der Zunder tiefverborgner Schläuche
Zerriß der Erden hohle Bäuche,
Und öffnete der Berge wüsten Schlund;
Er drohte Babel zu verwüsten,
Und that dem Sitz des Antichristen,
Schon dazumal die Glut der Rache Gottes kund.
Zwar itzo schont des Himmels Huld,
Auch seiner Wahrheit tolle Feinde.
Die Langmuth hat mit ihrem Trotz Geduld,
Und schützt indessen ihre Freunde.
Doch wacht dereinst sein Eifer auf,
So wird sein Arm der Bosheit Lauf,
Mit leichter Müh, durchaus zu hemmen wissen.
Alsdann wird Trotz und Widerstand
Vor solcher starken Allmachtshand,
Wie Dampf, in reiner Luft, gar bald verschwinden müssen.
[49]
Herr! der du einst das schnöde Toben
Des unbekehrten Sauls besiegt;
Durch Blitz und Ruf sein Schnauben aufgehoben,
Womit er dich zuvor bekriegt:
Ach! strale doch mit hellem Lichte
Auch Zions Feinden ins Gesichte,
Bis ihre Wuth von deiner Gnade weicht;
Bis Tyger, Lämmer, Scorpionen,
Und Tauben bey einander wohnen,
Und deiner Weisheit Schluß den vollen Zweck erreicht.
Dort fängt bereits der Orient
Die Wissenschaften an zu lieben;
Die doch bisher nur bloß der Occident,
Europens bester Theil, getrieben.
Der Moscowit und die Türkey
Vergißt der alten Barbarey,
Und sucht und liebt den Flor der freyen Künste.
So giengs auch hier, eh Luther kam.
Verstand und Witz macht Völker zahm,
Und jede Kunst gereicht dem Glauben zum Gewinnste.
Verschonet doch, ihr rauhen Zeiten!
Verschonet doch dieß schlechte Blatt;
Der späten Welt, wo möglich, anzudeuten,
Was man von ihr gehoffet hat.
Ihr neuen Völker! werft die Blicke
Auf unser Alterthum zurücke;
Ahmt unsrer Lust und Jubelfreude nach:
Ja übertrefft uns, wenn ihr könnet.
Vieleicht wird euch das Glück gegönnet,
Die Frucht gereift zu sehn, so itzt die Knospen brach.
[50]
Es herrscht itzt Karl, der Deutschen Lust,
Der selber Zions Rechte schützet.
In Pohlen herrscht ein sächsischer August,
Der Zions Mauren oft gestützet.
Der große Wilhelm, Friedrichs Sohn,
Besitzt der Preußen Königsthron,
Und Brandenburg, die Freystadt der Verbannten.
Hannovers Chur und Engelland
Regiert Georgs des andern Hand.
So stark ist euer Schutz, ihr sichern Protestanten!
Wie lob ich Schwedens Haupt aus Hessen?
Wie Gothens weisen Friederich?
Wie Dännemark? und was ich fast vergessen,
Dich, Würtemberg, und Braunschweig, dich?
Genug; die müden Seyten schweigen.
Der Wahrheit sey dieß Lied ganz eigen,
Und allem dem, so ihren Fortgang liebt;
Dir, Herrscher dieser Welt, vor allen:
O welch ein Glück! wenn dirs gefallen,
Was hier die Poesie zum Jubelopfer giebt.

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