[386] Ueber das Absterben des Hochgebohrnen Herrn Heinrichs des XIIIten, Grafen zu Reußen

1733.


I.f.N.


So fällt denn unser Haupt? So muß des Landes Ehre,
Des Reußenstammes Preis gleichwohl in Sarg und Grab?
Ach ja! die Schmerzenspost, die ich erschrocken höre,
Dringt meinen Augen Salz, dem Herzen Seufzer ab.
So ists; das Trauerblatt, das wir vorlängst gescheuet,
Stellt sich nach kurzer Frist vor unsern Augen ein.
Die Krankheit, die ihm längst die lange Nacht gedräuet,
Verlacht der Aerzte Kunst und heischt den Leichenstein.
Ich sah schon ganz erstarrt auf jenes Berges Hügeln,
Der unsre Burg bedeckt, des matten Bothen Lauf:
Die Ahndung schreckte schon mit schwarzen Trauersiegeln,
Und endlich hub sein Wort den ganzen Zweifel auf.
Es hieß: der Herr ist todt! und ein beglaubtes Schreiben
Bekräftigte darauf sein trübes Klaggeschrey.
Was Wunder, wenn wir da vor Schrecken sprachlos bleiben?
Denn unser aller Schmerz ist völlig einerley.
Ach! seufzten wir zuletzt: so ist es doch geschehen,
Was unsre Kümmerniß bisher besorget hat:
So fand des Landes Gram, der treuen Diener Flehen,
Bey dir, Barmherziger! für dießmal keine statt?
Warum soll dein Geschick und zürnendes Entschließen,
Zu ganzer Völker Qual so unerbittlich seyn?
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Wie? stellst du, strenger Arm! wenn unsre Thränen fließen,
Das angedrohte Leid nicht mehr, wie vormals, ein?
O nein! der edle Stamm der hochgepriesnen Reußen
Verliert sein ältstes Haupt, das eine Stütze war;
Ja, was wir unsern Schmuck und unsre Krone heißen,
Liegt starr, entseelt und kalt auf einer Todtenbaar.
Der Nestor unsrer Zeit, an Weisheit und Verstande,
Den Wissenschaften klug, Erfahrung reif gemacht;
Dem der Geschichte Licht, von mehr als einem Lande,
Von jedem Reich der Welt, die Staatskunst beygebracht;
Ein rathender Ulyß in Regimentsgeschäfften,
Der über alles Glück und Unglück Meister blieb,
Und jedes Ungemach, mit ungemeinen Kräften
Und festgesetzter Brust, beherzt zurücke trieb;
Ein Titus seines Volks, an Sanftmuth und Verschonen,
Der sich die Gnade stets zur Richtschnur auserwählt;
Ja, wär es keine Pflicht, die Laster scharf zu lohnen,
So hätt er wahrlich gern auch diese losgezählt.
So ächzen Stadt und Land, die Berge sammt den Flüssen,
So seufzet Hof und Volk und jeder Unterthan;
Die Elster selber stockt in ihren Wassergüssen,
Weil die erstarrte Fluth nicht freudig wirbeln kann.
Die Saale rinnt ganz matt in ihren krummen Gängen,
Ihr murmelndes Geräusch verstummt vor Mattigkeit:
Nur bloß der Trauerton von unsern Klaggesängen
Verdoppelt seinen Schall, und dringt noch eins so weit.
Das ächzende Metall auf unsern Thürmen stöhnet,
Das Erz der Glocken klagt und seufzt ohn Unterlaß:
Und da sich alles so nach seinem Haupte sehnet,
Macht mir der Kummer ja die Wangen billig naß.
Mir, der ich mehr an ihm, als sonst ein Mensch, verlohren,
Mir, dessen Vater schon so manche Gnad empfieng:
Mir, den die Mutter fast zu seinem Knecht gebohren,
Mir, dem es gar zu wohl in seinen Diensten gieng.
O! sollte hier der Mund die Gnadenproben zählen,
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Die vierzehn Jahre lang mein treues Herz ergetzt:
So würd, ich weis gewiß, es mir an Worten fehlen,
Und ich vollbrächte nie, was ich mir vorgesetzt.
Mein Glücks- und Schutzgestirn ist unser Graf gewesen,
Mein Thau und Sonnenschein war seine Gnad und Huld;
Drum läßt mein frommer Kiel hier diesen Nachruhm lesen:
Ich bleibe bis ins Grab in seiner steten Schuld.
Der Höchste lohne dir in jenem Freudensaale,
Was deine milde Brust hienieden Guts gethan;
Und labe dich dafür mit jenem Abendmahle,
Wobey nichts Sträfliches zu Tische sitzen kann.
Dieß eine, theurer Graf! erleichtert unsern Kummer;
Dieß eine tröstet uns bey überhäufter Pein:
Es wird dein ächter Sohn in unserm Trauerschlummer,
Dein wahres Ebenbild, des Landes Sonne seyn.
Es stralt ja schon der Glanz der väterlichen Tugend
Aus seinem Angesicht, aus Wort und That hervor:
Und so verjüngst du dich fast selbst in seiner Jugend,
Ja steigst, als Phönix, neu, aus deiner Asch empor.
Der Himmel segne denn sein gnädiges Regieren,
Und mach ihm stets die Last der neuen Herrschaft leicht:
Bis ihn des Vaters Lob und hoher Preis wird zieren,
Bis er die Ewigkeit durch gleichen Ruhm erreicht.
Dein Bild, erhöhter Graf! dein theures Angedenken
Entweicht aus meiner Brust, so lang ich lebe, nicht.
Ja, wird man einst auch mich in kühlen Staub versenken:
So denkt die Asche noch an ihre Schuld und Pflicht.

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TextGrid Repository (2012). Gottsched, Johann Christoph. Gedichte. Gedichte. Elegien. Ueber das Absterben Herrn Heinrichs des XIIIten. Ueber das Absterben Herrn Heinrichs des XIIIten. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E4B5-B