[346] An Herrn Hofrath Wagnern, des Leipz. Consist. ältesten Beysitzern, bey der Magisterpromotion Seines ältesten Herrn Sohnes

1731.


Wie sehr ich dich bisher, mein Wagner! hochgeschätzt,
Wie sehr mich dein Verstand und redlich Herz ergetzt,
Und kurz, dein tugendhaft, gelehrt und kluges Wesen,
Laß ich zum erstenmal in diesen Zeilen lesen.
Ich hätt es längst gethan, aus Antrieb meiner Pflicht,
Es fehlte mir dazu an Lust und Vorsatz nicht:
Allein, ich wünschte stets, mit sehnlichem Verlangen,
Mehr Anlaß, als bisher, zur Lobschrift zu empfangen.
Ich dringe mich nicht gern durch Schmäucheleyen ein,
Mein Griffel wollte nur der Wahrheit Herold seyn;
Und wartete mit Fleiß auf öffentliche Proben,
Um deine Trefflichkeit auch öffentlich zu loben.
Daran gebrach es mir. Denn ob dir wohl kein Tag,
Kein Augenblick vergeht, der nicht bezeugen mag,
Wie nützlich dein Bemühn der Stadt, dem Vaterlande,
Und Sachsens Nachbarn ist; indem man mit Bestande
Gar wohl behaupten kann, daß deinen Witz und Fleiß
Halb Deutschland schon genießt, und sehr zu rühmen weis:
So war doch dieses mir, wenn ich dich loben wollte,
Kein sattsamer Beweis, der andern zeigen sollte,
Warum ich dich gerühmt. Die Welt verlangt was mehr,
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Und giebt uns eher nicht ein gütiges Gehör,
Als bis man öffentlich was sonderbares findet,
Worauf man denn das Lob berühmter Häupter gründet.
Daher geschieht es denn, daß oft ein Namensfest,
Oft noch was wenigers, den Anlaß finden läßt,
Zu preisen, wen man ehrt. Allein das heißt gezwungen:
Drum hab ich meinen Reim dir so nicht aufgedrungen.
Das nächstverwichne Jahr versprach mir schon sehr viel;
Das Schicksal zeigte mir das längstgesuchte Ziel,
Indem ich schon vernahm, daß endlich Wunsch und Hoffen,
Durch dein vergrößert Glück vollkommen eingetroffen.
Man sprach, der Sachsen Haupt, (welch ein gerechter Held!)
Augustus, hätte dich in seinen Rath gestellt,
Der Hof und Land regiert. Es war auch kein Gedichte,
Die Wahrheit schützte selbst das flüchtige Gerüchte.
Du hattest in der That die Ehre längst verdient,
Ob deine Demuth gleich sich niemals recht erkühnt,
So hoch empor zu sehn; und gar das Glück zu zwingen,
Durch Gunst und Geld, den Lohn für dein Verdienst zu bringen.
Wie rühmlich war dirs nun, was dazumal geschah,
Daß Hof und König selbst auf jeden Vorzug sah,
Der dich vor andern schmückt; und, ohne dich zu fragen,
Die neue Würde dir aus Gnaden angetragen.
Allein hier zeigte sich auch die Bescheidenheit,
Die deine Tugend ziert. Das Gift der Eitelkeit
Hat dich wohl nie befleckt. Du pflegst durch bunte Schaalen,
Darinn der Kern gebricht, der Welt nichts vorzupralen.
Und hast du diesen nur, so achtest du es nicht,
Wenn gleich von außen dir ein großer Schein gebricht.
So gieng es denn auch hier. Du warest schon zufrieden,
Mit dem, was dir das Glück und dein Verdienst beschieden;
Und schienest, da sich schon des Alters Vorspiel zeigt,
Zu keiner Aenderung der Lebensart geneigt:
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Zumal es besser bleibt, verdienen, und nicht haben;
Als leer an Würden seyn, und sich an Titeln laben.
So ward indessen mir der Anlaß auch geraubt,
Den ich, zu deinem Ruhm, zu haben schon geglaubt.
Ich schwieg also bisher, und lernte mit Ergetzen,
Dein Wesen, theurer Mann! fast täglich höher schätzen.
Dein Bruder, der wie du, des Landes Wohlfahrt stützt,
Gerechtigkeit und Recht durch manchen Ausspruch schützt,
War ebenfalls, wie du, ein Gegenstand der Augen,
Und konnte mir, nebst dir, zum Musterbilde taugen;
Zum Muster, daß sich noch ein tugendhafter Mann,
Durch Fähigkeit und Fleiß zu Ehren bringen kann.
Doch mußt ich alles das noch allezeit verschweigen,
Und dorft es eher nicht, als heute, deutlich zeigen.
Denn itzt erscheint der Tag, da dein geschickter Sohn
Minervens Liebling wird; indem des Fleißes Lohn,
Der schöne Lehrerschmuck im Philosophenorden,
Mit allgemeinem Ruhm auch ihm zu Theil geworden.
Ganz Leipzig sieht dabey die wohlgerathne Frucht,
Das schönste Probestück von Wagners kluger Zucht;
Des Vaters Ebenbild in seines Sohnes Jugend,
Und diesen auf der Spur der väterlichen Tugend.
Man siehts und lobet dich, und rühmt den Sohn zugleich,
Und wer nicht neidisch ist, wird an Vergnügen reich;
Und wünscht der Vaterstadt viel Väter deinesgleichen,
Viel Söhne, wie dein Sohn, dem tausend Söhne weichen.
Ich merke, daß man hier vieleicht den Einwurf macht:
Es sey kein Lob für dich, was ich hier ausgedacht.
Das hieße gar nicht viel, den Sohn dahin zu führen,
Wo soviel andre stehn, und sich mit Lorbern zieren;
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Und wo die Würdigkeit nicht stets allein gemacht,
Daß ihnen solcher Schmuck vor andern wird gebracht.
Das sey kein großer Ruhm, den Sohn nach zwanzig Jahren
Magistermäßig sehn; nachdem man oft erfahren,
Daß hier und sonsten oft ein funfzehnjährig Kind,
Bey dem Verstand und Witz noch gar nicht zeitig sind,
Der weisen Pallas Ring, nicht ohne Ruhm, gewonnen:
Und also hätt ich dir ein schlechtes Lob ersonnen.
Jedoch, was ich gethan, ist mit Bedacht geschehn.
Ich habe deines Sohns Geschicklichkeit gesehn,
Und seinen Fleiß erkannt, und dich und ihn gepriesen,
Wenn beyder edles Thun sich so gesetzt erwiesen;
Nicht gar zu sehr geeilt, wie so viel andre thun,
Die nachmals müde sind, und desto länger ruhn:
Nein, sondern Schritt vor Schritt die rechte Bahn gegangen,
Um desto sicherer zum Zwecke zu gelangen.
Das wird gewiß geschehn; man sieht es schon voraus.
Erfreue dich dabey, du hochgeschätztes Haus!
In kurzem wird die Welt aus tausend Früchten lesen,
Wie edel dieses Reis, wie schön sein Stamm gewesen.

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TextGrid Repository (2012). Gottsched, Johann Christoph. Gedichte. Gedichte. Poetische Sendschreiben. An Herrn Hofrath Wagnern. An Herrn Hofrath Wagnern. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E4E8-C