[374] Minnesänger

Geschrieben nach Abschluß der ersten Auflage des Quickborn im Herbst 1852


Das Laub beginnet fallen,
Und Winter naht mit Macht.
Ergeht an dich die Frage:
Was hast du für dich bracht?
Hast du der rothen Äpfel?
Hast du der süßen Birn?
Hast du voll goldner Halme
Die Scheuern bis zur Firn?
Hast Hölzer auf dem Boden?
Im Keller süßen Trunk?
Dann fürcht dich nicht zu sehre,
Fürrath hast du genung.
Ich sah die Liljen blühen,
Dazu die Heideblum,
Die Nachtigall im Walde
Die sang des Maien Ruhm.
Da blühte mein Gemüthe
Allauf aus schwerem Leid,
Gemahnte mitzusingen
Des Maien Herrlichkeit.
[375]
Und sangen wir selbander,
Frau Nachtigall und ich.
Da nahm sie aber Flügel
Und flog zum Himmelrich.
Und flog zum blauen Himmel,
Sah fröhlich allumher,
Und flog zu neuen Blumen
Gen Süden über Meer.
Nun stand ich fast betroffen
Und rief: Frau Muhme, halt!
Da stand ich ganz alleine
Zu singen in dem Wald.
Es fehlt mir sehr an Schwingen,
Sonst flög ich gerne mit,
Sonst flög ich mit gen Süden,
Wenn ich zwei Flügel hätt.
Ich habe schier versäumet
Der Früchte einzufahn.
Doch der die Liljen kleidet,
Wird mich nicht durfen lan.
[376]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Groth, Klaus. Gedichte. Quickborn. Minnesänger. Minnesänger. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-0A50-0