[118] [124]Auf einer nahen Anverwandtin Tod

Der Frühling meiner Zeit und Anfang erster Tage
Verschwand in Angst und Ach und rauher Traurigkeit/
Mein Weinen und Verstand bejammerte die Plage/
Die mir auf dieser Welt die rauhe Noth bereit.
So bald sich die Vernunft fand in ein besser Wesen/
Und der gezierte Leib zu etwas Kräfften kam/
Lernt ich der Menschen Leid aus fremden Unfall lesen/
Aus dem ich eigne Furcht und Hoffnung an mich nahm/
Bald brach der Jammer an mit ungeheurem Leiden/
Das schnelle Wetter fiel auf mich noch zarte Blum/
Man zwang von Grab und Haus der Eltern mich zu scheiden/
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Und gab in fremde Macht mein freyes Eigenthum.
Da hab ich Welt und Tod bey zweyer Männer Leichen/
Und in der Einsamkeit der Freunde Treu erkennt.
Ach Menschen! eure Gunst stirbt eh als wir erbleichen/
Gleich wie der Thau verraucht wenn nun der Mittag brennt.
Der Schmertzen grimme Qual/ des Vaterlandes Aschen/
Dieselbe raubten mir die treffliche Gestalt/
Indem ich stets mich must aus heissen Thränen waschen/
Verdorret ich und ward vor meinem Alter alt.
Hier ruh ich dann die hier kaum eine Ruh genossen/
Und finde was umsonst die trübe Welt begehrt:
Das Leben hätt ich wohl noch viel zu früh beschlossen/
Wenn Gott ein bessers mir dort oben nicht beschert.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Gryphius, Andreas. Auf einer nahen Anverwandtin Tod. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-1988-A