[120] Mahomed, der Prophet von Mekka

[121] Personen


Habib-Ebn-Maler, Großemir
Tarrik, Fürst der Sahamiten
Abu-Sofian, Emir der Koreschiten
Abu-Taleb, Oberpriester
Ali, sein Sohn
Mahòmed Abul-Casem
Omar, ein Krieger
Abu-Johl,
Kaled,
Al-Abbas, Koreschiten
Othmann,
Saad,
Zobair,
Nahlid, Mahomeds Freunde
Drei Greise aus Yatreb
Kadischa, Mahomeds Gemahlin
Halima, Sofians Tochter
Die beiden Chöre, in egyptischer Sclavenkleidung
Bürger von Mekka
Bewaffnete
Gefolge und Volk.
[122]

Erster Zeitraum

(Eine Gegend vor Mekka.)

Mahomed und die beiden Chöre.
Mahomed.

Schon Morgen! Wahrlich, ja! jener Purpurstreif im Osten verkündet das Licht des Tages, das schon der Sonne Feuerschoos entquillt. Das Gestirn der Zwillinge, das auf dieser ganzen Reise mich stets begleitet, auf das ich hoffend stets geblickt, erlischt im Morgenstrahl. Zweifaches Leben floß aus diesem Gestirn auf mich herab, und ein Sinnbild war es mir, meines doppelten Lebens, das mich theilweise an die Erde und die Geschäfte der Welt knüpft, und mich theilweise zu dem Ueberirrdischen und zu seltsamen Offenbarungen führt. Wenn die Gestirne um Mitternacht hoch über meinem Scheitel steh'n, so fallen mit ihren senkrechten Strahlen allerlei wunderliche Lichter in meine Seele, die dann verschwinden, wenn die Sterne vom Sonnenlicht verschlungen werden.


(Mahomed wirft sich gedankenvoll auf die Steine nieder.)


Das Chor tritt herzu.

[123] Erstes Halbchor.

Wenn sich der Sonnen Strahlen neigen,
So thut das Thor der Nacht sich auf;
Und aus dem dunkeln Abgrund steigen
Gespenster dann und Traum herauf:
Es herrschen nächtliche Gewalten,
Bethören gern der Menschen Sinn,
Sie hüllen sich in Truggestalten,
Und zerren ihn zum Abgrund hin.
Zweites Chor.

Doch winken auch bei Nacht die treuen Sterne,
Nicht jeder Glanz ist falscher Irrwischschein.
Das dunkle Schicksal spricht aus weiter Ferne,
Drum kann es allen nicht vernehmlich seyn;
Dem tauben Ohre bleibt es ungesprochen,
Dem blöden Aug' verenget sich die Welt;
Den Dingen wird die Hülle weggezogen,
Wenn sich das Licht dem Seheraug' vermählt.
Erstes Chor.

Selig, selig! wer ergründet
Was hier Wahrheit sey und Trug;
Wer des Räthsels Lösung findet,
Denn es bringt der Irrthum Fluch.
Unter allen, die da leben,
Spricht die Zukunft Wen'gen nur;
Viele Worte sind gegeben,
Eines ruft die Geister nur.

(Nahlid tritt auf, das Chor tritt zurück.)

[124] Nahlid, die Vorigen.
Nahild.

Willkommen theurer Gebieter! und Heil und Segen deiner Heimkehr; das müssen gute Götter seyn, die dich so gesund zurückgeleitet haben.


Mahomed.


Sey auch mir willkommen, junger Freund! es ist mir ein Zeichen guter Vorbedeutung, daß Mekka mir zum Morgengruß den liebsten Freund entgegensendet.


Nahild.

O theurer Herr!
Mahomed.

Aber was bringt dich mir so früh entgegen? Was raubt dir den Morgenschlummer?

Nahild.

Cadischa sendet mich zu dir, Abu-Taleb hat die Häupter der Koreschiten noch einmal zusammen berufen, und von ihnen die Bestrafung deiner Beleidiger und deiner Güter Ersatz gefodert; aber sie verweigerten es nach langer Berathung.


Mahomed.


Sie weigerten es? O, es ist ein ungerechtes, tiefgesunkenes Volk, dem sie Sonne unwillig leuchtet und das der Thau des Himmels ungern erquickt.


Nahild.


Dein Oheim bestand auf seiner Foderung, aber sie warfen ihm vor, du habest mit dem Fürsten der Sahamiten geheime Unterhandlung gepflogen, um das zu erlangen, was die Häupter deines Volks dir versagten.


Mahomed.

Und was sagte mein Oheim?

Nahild.

Er schwieg und stand ab von seiner Forderung, denn ihm war wohl bekannt, du habest dich um die Freundschaft der Sahamiten beworben.


[125]

Mahomed.


Nun gut, ich weiß genug von dieser Sache. Was ich thun werde, kann ich dir noch nicht sagen, vielweniger es jetzt berathen. Doch laß uns jetzt von wichtigern Dingen reden.


Nahild.

Wichtigern Dingen für dich?

Mahomed.

Du staunest? Wohl gab es eine Zeit, wo nichts meinen Geist so beschäftigte, als der Wunsch nach rächender Gerechtigkeit für meine gute Sache, wo nichts mir so am Herzen lag, als die Hoffnung, meine stolzen Feinde zu demüthigen. Doch das alles ist nun anders, ein Höheres liegt mir ob und andere Sorgen. Ob die Koreschiten mir Gerechtigkeit widerfahren lassen oder nicht, mir gleichviel, ich bedenke dies, und alle die kleinen Händel, das tägliche Getreibe menschlicher Geschäftigkeit nicht ferner.


Nahild.

Wie versteh' ich das, mein theurer Herr?

Mahomed.

Ich sage dir, ich habe die Reiche und Länder dieser Erde wie Nebel vor meinen Augen vorüber ziehen sehen, und da schien mir Mekka ein so unbedeutender kleiner Fleck, daß es mir unbegreiflich dünkte, wie etwas noch Kleineres als dieses Mekka die Muse meines Geistes stören konnte.


Nahild.

Ich begreife dich nicht.

Mahomed.

Ich habe, seit ich von dir entfernt war, mehr denn hundert Jahre verlebt, denn ich war nicht in der Zeit, nein! über ihr, und sah, wie sie in ihren Strudeln das sterbliche Geschlecht dahin [126] reißt. Doch vernimm, denn dir vertrau' ich, du bist vom Licht erzeugt und hast von der mit ihm vermählten Erde, aus deren Schoos du geboren bist, kein so großes Erbtheil von Sünde und Gebrechlichkeit erhalten, als andere Menschen; dies weiß ich und vertraue dir.


Nahild.


Wie glücklich machst du mich; eines solchen Vertrauens sollt ich werth seyn, und bin doch noch so jung und unerfahren?


Mahomed.


Deine Jugend bürgt mir dafür, daß du des Aethers noch nicht so entwöhnt, mit dem Staube nicht so vertraut bist, als das Alter. Auch deine Unerfahrenheit ist mir lieb. Was würde es mir nutzen, wenn du den nächsten Augenblick klug zu berechnen wüßtest, für jede nächste Verlegenheit ein kleines Mittel hättest; ich muß eine Höhe erklimmen, von der ich Jahrhunderte und Völker überschauen kann, jene zu erforschen, diese zu leiten, diese Weisheit geziemt mir und keine andere.


Nahild.


Was du mir auch vertrauen, was du von mir begehren magst, ich bin ganz dein und deinen Absichten; immer habe ich dich geehrt und mehr geliebt, als alle andere Menschen, heute aber stehest du herrlich und glänzend, wie ein Bote des Himmels, vor mir, und wirkest wie ein Gott in meiner Seele Tiefen.


Mahomed.


Nun wohlan! du bist, wie ich dich wünsche. Vernimm, was lange, lange meine Seele schon gebrütet hat. Ich war ein Knabe noch, als [127] die Häupter unserer Vaterstadt mich erwählten, den geweihten Stein in der heiligen Kaaba an die bestimmte Stelle zu tragen. Der Tag, an dem dieses geschah, war ein großer Tag in meinem Leben. Eh' ich aber zu dem heiligen Geschäft zugelassen wurde, badeten die Priester mich dreimal in reinem Quellwasser und salbten meine Haare mit geweihtem Oehl. Tief und wunderbar wirkten diese Gebräuche auf meinen Geist, ich wähnte mich von den Göttern meines Landes vorzüglich begünstiget, glaubte, sie würden ihrem Lieblinge alle Dinge, die andere Sterbliche nur mit Mühe erlangen, ohne Beschwerde gewähren. Mit diesen Gedanken wuchs ich auf und sah mit mehr als Hoffnung einer glänzenden Zukunft entgegen.


Nahild.

So haben sich die Götter in deinem Schicksal schlecht bewährt.

Mahomed.

Ich ward ein Jüngling, und noch jeden Morgen wandte ich mit brünstigen Gebeten mein hoffendes Auge gen Osten, ob nicht die neue Sonne ein neues Glück mir bringen wollte. Vergeblich! taub blieben jene falschen Götter. Wo keine That ist, da ist keine Kraft, wo keine Wirkung ist, da fehlt das Wirkende. Wenn je ein Vertrauen groß war, so war es das meinige, und doch ward ich betrogen; und ob meine Seele gleich rein war, wie ein Tempel Gottes, und mein Vertrauen fromm, wie die Gebete der Engel, so ward ich doch verworfen. Ich fand meine Freunde treulos, habsüchtige [128] Bösewichter theilten sich in mein Vermögen, und ich mußte, wie ein verlaßner Knecht, Kameele durch den heißen Sand der Wüste treiben und mit schwerer Arbeit und niedrigen Künsten dem kargen Glücke einige sparsame Brosamen abgewinnen; mußte den stolzen Nacken in ungewohnte Knechtschaft beugen und seufzen, wenn ich an die goldnen Träume meiner schönen und freien Jugend dachte, oder mich selbst und die vergangene Thorheit hohnlachend verachten.


Nahild.

Ich schaudre, es zu hören. Dies ist gräßlich!

Mahomed.

Gestorben war jetzt mein Vertrauen, mein Herz wich von den falschen Göttern, ich sank in dumpfe Thierheit zurück und lebte nur in der Armseligkeit meines Berufs; so vergingen Jahre. Einst begab es sich, daß ich mit einer Karawane meines Oheims nach Sirien zog; wir ruhten in dem Vorhofe des Klosters, das in der Wüste von Bosra liegt, die Mönche unterredeten sich mit meinem Oheim; ich, als ein unbemerkter Knecht, wagte es nicht, mich in ihre Gespräche zu mischen; aber der Abt des Klosters, der ehrwürdige Boheira, nahte sich mir, warf sich vor mir nieder und weissagte mir die Herrschaft über Arabien. Mein Oheim behandelte mich seitdem mit vieler Auszeichnung. Das Glück war mir überall günstiger, ich erwarb mir Kadischas Hand, mit ihr Reichthum und Ansehen, und meine Seele war seit jenem Tage ermuntert und belebt. [129] Ich war thätig, machte große Reisen und suchte mir Kenntnisse aller Art zu erwerben, bis eine neue Begebenheit meinem Gemüthe eine andere Richtung gab. Einer meiner Freunde fiel krank darnieder, er sandte mir einen Boten, mir Kunde davon zu geben; als aber der Bote seinen Mund aufthat, wußte ich alles voraus, ja ich hätte ihm jedes seiner Worte in den Mund legen können, und als er ausgesprochen hatte, war es mir, als habe ich diese Begebenheit gerade so schon einmal erlebt. Ich verfiel darüber in ein tiefsinniges Nachdenken, meine Geschäfte, die Gesellschaft, ja selbst Kadischas Zärtlichkeit störten mich, ich suchte die Einsamkeit und brachte ganze Nächte in den Gebirgen dieses Landes zu. Wenn es dunkel wurde und Schatten alle Augen verhüllten, dann wurden die meinigen erst hell, vielerlei Bilder gingen an mir vorüber, sie kamen, ich wußte nicht woher, sie gingen, ich wußte nicht wohin; aber oft fand ich zwischen ihnen und den Begebenheiten der folgenden Tage einen dunklen Zusammenhang, oft aber schienen sie für die Wirklichkeit ganz verlohren; ich dachte viel darüber und oft, aber ich wußte sie damals noch nicht zu ordnen und mir zu eigen zu machen, sie beherrschten mich vielmehr und quälten mich.


Nahild.

Wir glaubten dich damals tiefsinnig.

Mahomed.

Das war ich auch, und wußte nicht, ob ich mich diesen innern Offenbarungen überlassen oder sie wie Nachtgespenster fliehen sollte.


[130] Nahild.

Wie aber erkanntest du ihren Werth oder Unwerth?

Mahomed.

An einem schwülen Tage, da der Samum mit heißem Hauche die Erde versengte, verirrte ich mich in der Wüste, es war hoch am Mittag, als ich das Gebirge zur Hälfte erklimmte und in einem Thale anlangte, das den Horeb und Sinai von einander scheidet; ich fiel in einen tiefen Schlummer, der sich bleiern und drückend über mich ausgoß, vergebens suchte ich mich ihm zu entreißen, seine Umarmung wurde immer schwerer, betäubender. Plötzlich ward ich von fürchterlichen Stimmen erweckt, tiefes Dunkel war um mich her, die Sterne glänzten bleich und die Gipfel Horeb und Sinai unterredeten sich wie Riesenstimmen mit der Nacht und dem blauen Bogen des Himmels, mein innerstes Mark gerann vor Entsetzen, und versunken wär' ich in gräßlichem Wahnsinn, wäre mir von Ost her nicht ein tröstender Engel erschienen. Sein Angesicht strahlte freundlich, wie der Mond auf dem Schilfmeer, und sein Gewand wie das Morgenroth; er berührte meine Stirne und das eisige Schrecken meiner Gebeine entwich, und nun führte er mich auf einen hohen Fels, den eine unermeßliche Ebne umgab. Der Engel gebot mir, und ich warf meinen Stab hinab in das Thal, da verwandelte er sich plötzlich in einen Baum, der hinaufreichte bis an den Mond, er überschattete die ganze Ebne und Völker und unermeßliche Reiche bargen sich unter [131] seinen Zweigen. Der Engel aber sprach zu mir: siehe! glaube! thue! Aber ich antwortete: ich bin ein Sterblicher nur, und dies ist ein unsterbliches Werk. Da nahm der Engel das Herz aus meiner Brust und drückte es gewaltig, bis ihm ein dunkler Tropfen entquoll, es war die irrdische Angst und der Zweifel; und als er das Herz wieder in meine Brust gefügt hatte, war es mir sehr wohl und leicht, denn die enge Schranke der Sterblichkeit war von mir abgefallen. Der Engel ergriff hierauf meine Hand und führte mich in Räume, die noch kein Auge gesehen, ich vernahm Dinge, die noch kein Ohr gehöret hat.


(Lange Pause.)


Ich habe vollendet, Nahlid! was mir zu sagen noch übrig bleibt, wirst du und ganz Mekka von mir hören, wann die Stunde gekommen ist, bis dahin schweige und gehorche.


Nahild.

Wie du gebietest, mein theurer Herr, so will ich thun.

(ab.)


Tarrik, die Vorigen.

Mahomed.

Sey gegrüßt, edler Tarrik, Würdigster deines Volks!

Tarrik.

Ich komme nicht allein dir meine Freundschaft anzubieten, auch Mostasem und Nekared, die andern Fürsten der Sahamiten, vereinigen sich mit mir und bieten dir die Hand zu einem engen Bündnisse.


Mahomed.

Was begehrt ihr Fürsten von mir, und welches Bündniß wollt ihr mit mir schließen?

[132] Tarrik.

Das Volk von Mekka hat uns beleidigt, dir sind die Koreschiten eine billige Genugthuung schuldig geblieben, was können wir, was kannst du nach solchen Ungerechtigkeiten wünschen, als Rache? Was wir gemeinsam erlitten, macht uns zu Brüdern, wir habeneinen Feind und eine gute Sache. Doch was brauch ich dir dies zu beweisen, du hast ja ehemals selber unsern Bund gesucht.


Mahomed.

Ehemals freilich, jetzt aber ist vieles anders; doch sprich, wie soll ich euch nützen?

Tarrik.

Wir bringen unsere vereinigten Heere in die Nähe dieser Stadt, du kehrst dahin zurück, und wenn Zeit und Umstände günstig sind, öffnest du uns die Thore.


Mahomed.

So wollt ihr Mekka zu eurem Eigenthume machen und von den Zinnen dieser Stadt Arabien beherrschen?

Tarrik.

Du irrst, ein solcher Plan überschreitet unsere Kräfte, wir wollen Mekka überfallen, unsere Feinde bestrafen, plündern und uns dann zurücke ziehen in die Wüste, ehe unsre Feinde sich ermannet haben.


Mahomed.


Ehe ich mich für oder gegen euren Plan entschließe, erlaube mir noch einige Fragen. Sage, was treibt dich doch zu dem Bündniß mit Mostasem und Nekared, deinen alten Feinden?


Tarrik.

Der Vortheil des Augenblicks.
Mahomed.

Und wozu glaubst du, daß ihr Bund dir nützen wird?
[133] Tarrik.

Wenigstens dazu, den nächsten Zweck zu erreichen.
Mahomed.

Sag' mir, wie entspann sich doch eure Feindschaft?

Tarrik.

Wir hatten gemeinsame Güter in Yemen zu theilen, sie lockten mich dahin, vereinigten sich gegen mich und brachten mich um meinen Antheil.


Mahomed.


Ich sorge, Tarrik! Mekka möchte für uns ein zweites Yemen werden, ich traue ihnen nicht, haben sie doch dich, den Genossen ihres Ranges, ihren Mitbürger betrogen. Fluch bringt das Bündniß mit Verräthern, sie würden uns schmeicheln, so lange sie unsrer bedürfen, und uns dann verderben; nie würden sie eines Sinnes mit uns seyn, wir nie eines Sinnes mit Bundbrüchigen. Ich sage dir, ich kann nicht der vierte seyn in eurer Verbindung, versucht euer Heil, erobert Mekka ohne mich.


Tarrik.

Rasest du? Nur ein innerer Feind kann einen äußern dieser Stadt gefährlich machen.

Mahomed.

Es kann nicht seyn, dies Bündniß des geraden Sinnes mit dem Betrug ist unnatürlich. Mit dir allein wollt' ich die Welt erobern, jene würden nur unsere Thatkraft hemmen. Was hilft mir ein großer Körper, wenn ich nicht alle seine Glieder beherrschen und, wie ich will, bewegen kann? Ein solcher Körper wäre unser Verein, lauter eigenwillige Glieder ohne Mittelpunkt, ohne lebendigen Zusammenhang, Stockung und innere Gährung würden ihn bald aufreiben.


[134]

Tarrik.


Wahrlich, ich fürchte, du hast Recht. – Aber höre, ich stehe von meinem Plane nicht ab, ich suche mir einen andern Gehülfen, mein Bündniß mit Mostasem und Nekared ist nicht so fest; was der Vortheil verband, darf der Vortheil auch wieder zerreißen. Ich gehe zu ihnen, überzeuge sie von der Unmöglichkeit unsers Vornehmens, und wenn sie in Frieden heimgezogen sind, machen wir gemeinschaftliche Sache.


Mahomed.

Gut. Auf diese Bedingung bin ich dein Bundesgenosse.
Tarrik.

Aber wie? Wann wollen wir Mekka überfallen?

Mahomed.

Das steht noch nicht zu bestimmen, wir müssen einen andern, ganz neuen Plan entwerfen; ich muß erst gesehen haben, wie es in Mekka steht, dann und nicht eher, können wir uns verabreden.


Tarrik.

Gut. Und welche Sicherheit habe ich von dir?
Mahomed.

Ich werde dir noch diesen Abend Geißeln senden, die dich befriedigen sollen.
Tarrik.

Ich bins zufrieden; auf Wiedersehen. Sieg und Mekka!
Mahomed.

Leb wohl, mein edler Tarrik!

(Tarrik ab.)

Wohl mir, das verderbliche Band ist zerrissen; Sieg und Mekka! doch in einem ganz andern Sinne. Immer deutlicher weiß ich nun, was ich soll, drum auf nach Mekka!


(ab.)

[135] Erstes Chor.

Was hab ich schaudernd hören müssen,
Trägt er im Busen solche That?
Verjährter Rache Durst zu büßen
Verkauft er seine Vaterstadt,
Der Mutter Brust kann er verrathen!
Beflecken ihren heilgen Schoos!
In ihrer Kinder Blut ihn baden
Und werden ihrer Schmach Genoß?
Zweites Chor.

Ich sah ihn durch die Wüste irren,
Gedankenvoll und ganz allein
Mit seinem Geist Gespräche führen;
Und bei des Mondes Dämmerschein
Hinab in Pyramiden steigen,
Beschwören dort der Erde Geist:
Ihm das Verborgene zu zeigen
Und wie der Strom der Zeiten fleußt.
Was dort er in der Nacht geschauet,
Das hat mein Auge nicht gesehen;
Ob er den Wesen sich vertrauet,
Die nie den reinen Tag gesehen?
Ob Götter zu ihm niederstiegen?
Ich weiß es selbst zu sagen nicht;
Doch Unschuld ist in seinen Zügen,
Verklärungsglanz im Angesicht.
Erstes Chor.

Erstaunend hab ich ihn gefunden
Dereinst in der Begeistrung Gluth;
Und aufgelößt in einer bunten,
Hochschäumenden, gewalt'gen Fluth
Schien mir sein ganzes Seyn und Leben;
[136]
Er, willenlos und unbewußt,
Schien höhern Mächten hingegeben,
Die so erfüllten seine Brust.
Mir schien die Seele des Propheten
Mit Geistern im Gespräch zu stehn,
Die Augen sah ich wie Kometen
Ihn wild in ihren Kreisen drehn;
Er raßte, wie des Meeres Welle
Gepeitschet von des Nordwinds Macht,
Doch Göttersprüch' wie Blitzeshelle
Durchzuckten seines Wahnsinns Nacht.
Zweites Chor.

Wenn aber die mächtigen
Geister ihn lassen,
Die ihn besessen,
Rafft er erstaunet
Auf sich vom Boden,
Scheinet ermattet,
Als hab' er geboren
Alle die Geister,
Die ihn besessen.
Sey nun verlassen,
Müde und leer,
Sinket in Tiefsinn;
Verworr'ne Gedanken
Trüben das Aug' ihm,
Trüben den Geist.
Erstes Chor.

Aber er faßt sich,
Führet ins Leben
Was ihm geträumet;
Wandelt die Ordnung
[137]
In Traumes Verwirrung;
Der Dinge Bestehen
In Wandel und Flucht.
Zweites Chor.

Auch solche Kräfte muß das Weltall haben,
Das ruhige Bestehen frommt ihm nicht;
Wenn statt der Erde Kinder zu erlaben,
Zerstörung aus dem Schoos der Wolken bricht;
Wenn sich am Strand erzürnte Wogen brechen,
Des Feuers Gluth der Erde Schoos zerwühlt,
Wenn laute Donner durch die Lüfte sprechen,
Und Schmerz, Entsetzen jede Brust erfüllt;
Dann stürzen ein die engen Schranken,
Verschlungen wird die alte Welt,
Doch von dem schöpfrischen Gedanken
Wird eine schön're hergestellt.
Erstes Chor.

Nach Mekka denn, mit ihm zu fechten,
Mit ihm zu sterben, wenn er will;
Mag er mit seinen Göttern rechten,
Ich folge ihm zum kühnsten Spiel.
Beide Chöre.

Mag er mit seinen Göttern rechten,
Wir folgen ihm zum kühnsten Spiel.

(Ein freier Platz in Mekka.)


(Zwei Bürger von Mekka begegnen sich.)

Erster Bürger.

Wo kommt ihr her, Nachbar?
Zweiter Bürger.

Von dem großen Thor, es ist eine Karawane mit persischen Waaren gekommen.
[138] Erster Bürger.

Woher kommt sie, und ist sie reich beladen?
Zweiter Bürger.

Es sind dreißig Kameele, schwer beladen, und noch einige Maulthiere.
Erster Bürger.

Wer führt sie denn?
Zweiter Bürger.

Ein Koreschite, der Mahomed, ihr habt gewiß schon von ihm gehört.

Erster Bürger.

Freilich, wenn es der ist, der vor einigen Jahren unsere reichste Karawane durch Umwege nach Mekka führte, und sie dadurch vor den Plünderungen der Kenaniten und Hamzaniten rettete?


Zweiter Bürger.


Die Aeltesten unserer Stadt waren damals in großer Bedrängniß, denn wären die Karawanen in die Hände der Feinde gefallen, so hätten wir die Hungersnoth in der Stadt gehabt.


Erster Bürger.


Er muß ein hochbegabter Mann seyn, der Mahomed. Wißt ihr noch, wie er im Kriege mit den Kenaniten seinem Oheim den Anschlag gab, die Feinde in den Engwegen des Arafat zu überfallen; der weise Abu-Taleb gehorchte seinem Neffen und schlug die Feinde; ich focht selber mit, diesen Sieg hatten wir ihm allein zu danken.


Zweiter Bürger.


Er ward auch dafür geehrt, sein Name wurde mit einer Lobschrift in der Kaaba aufgehängt, doch das hat ihm viel Feinde und Neider zugezogen. Lebt wohl, Nachbar, ich habe Geschäfte.


(Beide ab.)


[139] Mahomed und Abu-Taleb.

Abu-Taleb.

So ist es denn unwiederruflich, du wirst dem Volke verkündigen, was du mir verkündet hast?
Mahomed.

Es wird gewiß geschehen, wann aber, das ist mir selbst noch nicht klar.
Abu-Taleb.

Eile nicht so sehr, o Mahomed! Gieb dir noch einige Tage reifer Ueberlegung.
Mahomed.

Kann ich auch überlegen, ob der Frühling kommen und die Sonne sich heute in Westen senken soll?

Abu-Taleb.

Ist dies auch eine Antwort? Glaube mir, nicht allein die Stunden wechseln, auch mit ihnen die Gesinnungen der Menschen; und wahrlich, du hast diese That nicht genug bedacht.


Mahomed.


Bedacht? – Ich habe sie gar nicht bedacht, sie ist über mich gekommen; über den Zeiten hat sie geschwebt wie eine Wolke über der Erde, nun aber ist sie reif geworden und träufelt wie Himmelsthau auf mich herab.


Abu-Taleb.

Du kennst dies Volk nicht, wirst es nicht zu gewinnen wissen.
Mahomed.

Was ich bedarf, das werde ich alles finden, wenn es Noth thut.

Abu-Taleb.

Man wird dich verläumden, hassen, verfolgen; und nicht allein dich, auch dein Weib, deine Freunde und alle die dir anhängen.


Mahomed.

Es kann leicht geschehen.

Abu-Taleb.

Es sollte nicht geschehen, sag ich [140] dir; du achtest der Deinen Wohl so gering, daß dich der Gedanke an ihr Verderben nicht zittern macht.


Mahomed.

Ich achte es nicht gering, doch nicht so hoch, als die Stimme, die zu mir spricht.

Abu-Taleb.

So willst du denn die Fackel der Zwietracht in den friedlichen Busen dieser Stadt werfen? Dem Blutvergießen, dem Aufruhr deinen Namen leihen? willst –


Mahomed.

Haltet ein, Oheim! werdet ihr denn nie begreifen, daß von meinem Wollen gar nicht die Rede ist?

Abu-Taleb.

Ich reize deine Ungeduld, vergieb und höre mich nur noch einen Augenblick. Siehe, ich habe dich stets geliebt, ich war der Pfleger deiner Kindheit, der Beschützer deiner Jugend; in dir hoffte ich den Freund, den Trost meines Alters zu finden, aber wehe mir, du zerreißest alle Bande der Menschheit, trittst aus ihrem Verein, um dich auf eine Höhe zu stellen, wo keine Freundschaft, keine Liebe dich erreichen kann, wirst ein Fremdling unter den Deinen, verlassen bin ich nun, abgerissen von dir, das ist der Lohn meiner Liebe.


Mahomed.


Laßt mir eure Liebe werth bleiben, denn wahrlich ich sage euch, fluchen würde ich ihr, verwünschen ich eure Treue, wenn sie lauter zu mir sprechen könnte, als die Stimme Gottes in meiner Brust; nur meine Füße wandeln auf Erden, mein Haupt berührt die Himmel, seht in diesem Sinne ist alles Irrdische mir sehr gering.


[141] (Man sieht vieles Volk in einem langen Zug über den Hintergrund der Scene gehen. Das Chor schließt sich an das Volk.)

Mahomed.

Seht, Oheim! was bedeutet das Gedränge dort? Wohin zieht das Volk?
Abu-Taleb.

Nach dem großen Tempel, ein heil'ges Fest zu feiern.

Mahomed.

Wunderbares Schicksal! warum dies gerade jetzt? – Das Volk versammelt nicht um irrdischer Geschäfte willen, nicht zerstreut von den Sorgen des Lebens; ihre Seelen suchen das Heilige, einen Tempel, eine Gemeinschaft im Göttlichen. Ja, ich soll, ich will ihnen des ewigen Tempels Thore öffnen; jetzt ist der Augenblick gekommen, wo die Erde geschickt ist, den Kuß des Himmels zu empfangen; wohlan denn! ich bin der Priester, der das Menschliche dem Göttlichen vermählt.


(Er geht nach dem Hintergrund.)

Beide Chöre.

Der Zukunft Woge wälzt sich näher,
Geheimnißvoll und fürchterlich,
Doch Götterkraft belebt den Seher,
Den Arm des Schicksals fühlt er sich.
(Mahomed tritt hervor, eine Menge Volks, von Sofian geführt, folgt ihm.)
Mahomed.

Freunde! Mitbürger! ich habe euch berufen mit euch zu reden, nicht wie ein Mensch zu den Menschen, nein, ein höh'rer Geist spricht durch mich zu euch, und er will euch durch mich zum Leben führen; nicht versteh ich der Rede Künste noch Schmeichelei, die die Herzen gewinnt, wie der [142] Geist mir gebietet, so thue ich; jener Geist, den ihr nicht kennt, der dem Abraham verhieß: Ich werde deinen Sohn Ismael zum großen Volke machen, wenn deiner Enkel Herz an mir hanget, der der traurigen Hagar im Sand der Wüste eine Lebensquelle sprudeln hieß, von dem Gott ist euer Herz gewichen, darum sind eure Feinde siegreich, euer Name unberühmt, eure Reichthümer die Beute kühner Räuber. Der Gott, der mich zu euch sendet, ist ein Gott des Sieges, Sclaven dienen ihm nicht, nicht Schwache, Unterdrückte; er macht die Herzen groß, die ihm anhangen, und giebt zweifache Kraft dem Arm, der ihm dienet; er ist mit denen, die ihn lieben, er ist ihnen Trost, Muth, Sieg und Hoffnung, er ist der Schild in ihren Schlachten, das Mark ihrer Gebeine, das Frohlocken ihres Herzens; wie die Wolken schweben über der Erde, so schwebt er über denen, die ihn anbetend erkennen; reiche Ströme des Segens und Wohlthuns gießt er allenthalben auf sie herab, die andere Menschen nicht sehen und schmecken. Er ist ein Gott des Lebens, sein ewiges Seyn strömt in frischen Quellen durch den ganzen Weltkreis, durch alle Räume und alle Himmel. Und diesen Gott habt ihr verlassen? habt ihn zersplittert in eure Götzen, Feuer, Sonne, Mond und Thiere? O der Blindheit! Da ihr seine Glieder anbetet, da entwich sein Geist von euch, darum ist seine Kraft in euch erloschen, darum seyd ihr versunken in dumpfe Thierheit, gefangen in der Zeit, [143] und habt kein ewiges Leben, keinen Himmel und keine Seligkeit; darum habt ihr keine Thatkraft, weil nur Leben ausgeht vom Leben, eure Götzen aber sind todt, ohne Wirkung, ohne Heil für euch.


Erstes Chor.

Ein Gott ists, der aus seinem Munde
Uns hohe Offenbarung spricht.
Zweites Chor.

Vom Himmel kommt die Lebenskunde,
Vom ew'gen Lichte fließt das Licht.

Mahomed.

Tief und immer tiefer würdet ihr versinken in die Schlaffheit der Knechtschaft, in die dumpfe, träge Nacht der Thierheit, wenn nicht der Gott eurer Väter voll Erbarmen auf euch niedersähe. Er will nicht euer Verderben, nein, er will euch erlösen von der Endlichkeit. Darum hat er mich zu euch gesandt, daß ich euch berufen soll in seinem Namen, und euch, die ihr verschmachtet in der dürren Wüste der Zeitlichkeit, tränke mit dem frischen Brunnquell des ewigen Lebens. Höret meine Stimme, daß eure Seelen errettet werden, daß der Gott des Lichtes euch seine Engel sende, denn er will, daß ihr schon jetzt in Andacht, Gebet und Reinigkeit seiner theilhaftig werdet; er will seine Gläubigen nach der Zeit einführen in die Herrlichkeit seiner Himmel, dort wird keine Sorge, kein Gram ihren Geist trüben; Liebe, süßer als alle [144] irrdische, wird ihr Herz erfüllen und immer blühende Schönheit wird sie ewig umfangen. Aber Wehe, zehnfaches Wehe! denen, die die Stimme des Geistes hören und ihr nicht folgen, die in Bosheit und Unglauben verstrickt, ihre Augen und Herzen nicht erheben mögen zum Himmel. Nimmer wird der Friede Gottes ihre Seele erquicken; ihr Geist wohnt in ewiger Nacht, nimmer werden sie die Freundlichkeit Gottes, nimmer die Herrlichkeit der Himmel schauen, und die Süßigkeit der himmlischen Liebe wird nie ihr Herz tränken.


Beide Chöre.

Sie lodern auf, die Himmelsfunken
Vom Hauch des Sehers angefacht,
Der Schleier ist von ihm gesunken;
Und glanzvoll aus der Träume Nacht
Sehn wir zum Heiligthum ihn treten,
Kühn, wie ein priesterlicher Held,
Von jeder Schmach uns zu erretten,
Zu gründen eine neue Welt.

Mahomed.

Die große Stunde ist gekommen, ein neues Gestirn ist über euch aufgegangen, bereitet euch denn würdig vor, es zu schauen. Der Gott eurer Väter verlangt keine Opfer, die die Flamme verzehrt, das Blut eurer Opferthiere erfreuet ihn nicht; aber er verlangt ein reines Herz, daß sein Licht darin wohnen, und glaubige Zuversicht, daß euer Geist sich zu ihm erheben möge. Der Gott, den ich euch verkünde, kann keine Götzen[145] neben sich dulden, er wohnt nicht in einem Tempel oder einem Herzen, das die Abgötterei befleckt hat; darum stoßt die schnöden Altäre um, auf denen ihr euren Götzen sündige Opfer gebracht habt. Reinigt euern Tempel, daß ich euch dort den Geist der Wahrheit und seine Gebote noch ferner bekannt mache. Wer seine Stimme hören, seines Heils theilhaftig werden will, der folge mir dahin, den Gott zu entsühnen, der unwillig auf eure vorige Greuel herabsieht.


Viele Stimmen.

Wir folgen! Wir folgen!
Sofian.

Halt, Mahomed! Volk von Mekka! vergönne mir zu reden.
Mahomed.

Jetzt ist nicht Zeit zu bleiben, und du, Sofian, wirst jetzt nicht reden.
Viele Stimmen.

Nein, er soll nicht reden, er soll nicht reden.
Mahomed.

Folgt mir, meine Freunde.

(Er geht ab, alles Volk folgt ihm, das Chor bleibt zurück.)

Erstes Chor.

Das große Wort es ist gesprochen,
Die That reißt ihn ins Weltgewühl;
Der schnelle Pfeil verläßt den Bogen,
Doch er verfehlet oft sein Ziel,
Das neid'sche Schicksal kann ihn wenden,
Ihn führen in des Schützen Brust,
Sich selber will das Schicksal spenden
Und straft des Menschen Thatenlust.
[146] Zweites Chor.

Jetzt wird sich das Antlitz
Der Erde verwandlen,
Das alte, gewohnte,
Bejahret und häßlich,
Voll trüglicher Mienen;
Nun wird sichs entfalten
In lächelnde Jugend;
Die Schwäche des Alters
Der kränkelnden Zeiten,
Wird muthige Jugend
Vom Hauch der Begeistrung
Zum Leben erweckt.
Erstes Chor.

Ein bunt Gewühl wird nun die Erde werden,
Das Mahoms Traumgesichten gleicht,
Zweites Chor.

Nie sah ich einen Mann wie ihn auf Erden,
Kein Sterblicher hat ihn erreicht.
Drum folg ich ihm, um nimmer ihn zu lassen,
Sollt' ich für ihn das Liebste auch verlassen.

[147] Zweiter Zeitraum

(Der innre Hof von Mahomeds Hause.)


(Mahomed lehnt sich gedankenvoll an einen Baum.)


Das Chor.

Erstes Chor.

Verbraußt sind die Stürme,
Die schäumenden Wogen,
Sie senken die Häupter,
Und schlummern wie Kinder
Im Schooße der Tiefe
In schweigender Ruh.
Zweites Chor.

Der glänzende Mond steigt,
Empor an die Himmel,
Und spiegelt sein Antlitz
Im Busen der stillen,
Der lächlenden Fluth.
Erstes Chor.

Nicht brausende Wogen
Zerreißen sein Bildniß
In schimmernde Funken,
Gar treulich gespiegelt,
Erblickt er sein Lächlen
Im Herzen der Fluth.
[148] Nahlid, Othmann, Ali, die Vorigen.
Mahomed.

Seyd mir willkommen, meine Freunde! Wackrer Othmann! Du, tapfrer Ali, Bändiger der Starken! Du, du, mein lieber Nahlid! Seyd mir alle drei gegrüßt.


Ali.

Du hast uns herbeschieden, was gebietest du?

Mahomed.

Höre! gehorcht! Der Geist hat zu mir gesprochen: Mahomed, kämpfe wider die Abgötterei. Wie nun Gott mir geboten hat, so gebiete ich dir, wirf die schändlichen Götzen, den Lath und Ozza von den Altären des großen Tempels, daß das Heiligthum rein werde, denn ich betrete nicht die Stätte, die von Abgötterei besudelt ist.


Ali.

Dein Wille soll geschehen.
(ab.)
Mahomed.

Und du, Othmann! zieh hin gen Medina, verkündige dem Volk dort: Es ist ein einziger Gott, in dem Himmel und Erde und alle Dinge sind, und Mahomed ist sein Prophet.


(Er reicht ihm ein Pergament.)

Hier, dies Blatt wird dir ferner sagen, was du dort sollst.

(Othmann ab.)

Nahild.

Allen giebst du Aufträge, alle andern dürfen für dich arbeiten, nur ich allein bin dir unnütz?

Mahomed.

Mir ist wohl in deiner Gegenwart, darum bleibe in meinem Hause; laß andre meine Thaten thun, erfreue du mein Herz.

Kadischa, die Vorigen.

Kadischa.


Du bist wieder zu Hause, mein theurer Gemahl? O laß mich immer die Stunden deiner [149] Muse theilen. Du scheinst mir so froh bewegt? Sag, darf ich wissen, was dich vergnügt, daß deine Freude größer werde durch den Zusatz der meinigen?


Mahomed.


Einst, da meine Söhne starben, da war ich sehr traurig, jetzt sind sie mir auferstanden, darum bin ich fröhlich. Gott hat mir die Völker dieser Erde zu Erben meiner Thaten gegeben, hier meinen Nahlid und den tapfern Ali, zu Kindern meines Herzens.


Kadischa.


Wenn du so große Liebe für deine Freunde trägst, mein Gemahl! was wird dir übrig bleiben für Kadischa?


Mahomed.


Die Sonne erwärmt den Orient mit ihren Strahlen, glaubst du, sie werde zu arm seyn, dem Occident zuleuchten?


Kadischa.

Nein, mein Gemahl! sie wird auch ihn erfreuen.
Mahomed.

Darum sey ruhig, Kadischa! viel Sorgen drängen sich zu mir, keine wird vergessen.
(Nahlid setzt sich und liest in einer Pergamentrolle.)
Kadischa.

Mein Herz ist mir so schwer, und ich sollte doch fröhlich seyn! Ist Mahomed nicht mein Gemahl? Und ist mein Gemahl nicht der größte der Menschen? Aber auch in der größten Gefahr; mein Herz wiederholt das so oft, so ängstlich, daß es meinen Muth fast überwältigt.


Mahomed.

Fürchte nichts, die That bedarf meiner, ich werde also jetzt nicht sterben.
Kadischa.

Es giebt mehr Uebel noch, als den Tod.
[150] Mahomed.

Doch so viel Mittel als Gefahren. Der Geist wird mir andeuten, was ich meiden soll.
Kadischa.

Spricht er dir immer? Ist dir immer alles offenbar, was dir zu wissen nützlich wäre?

Mahomed.

Sey ohne Furcht, Kadischa! Doch, ich höre kommen, geh! ein andermal sollst du erfahren, was dir zu hören frommt.


(Kadischa ab.)


Mahomed, Omar, Nahlid.

Mahomed.

Du, Omar, hier? Sey mir willkommen.

Omar.

Wenn du wüßtest, warum ich komme, du würdest mich nicht willkommen heißen. Wisse! ich fodere Rechenschaft.


Mahomed.

Das geziemt dir nicht, Omar!

Omar.

Es ist dir nicht genug, daß du abtrünnig deine Götter verlässest und dem Gesetz Hohn sprichst; nicht genug, daß du das Volk zum Abfall reizest, nein, meine Klage geht mich selbst noch näher an, du hast meine Schwester, die ich liebe, wie das Sehen meiner Augen, bethört, daß auch sie die Götter ihres Landes verläßt und deinen Mährlein nachjagt.


Mahomed.

Ist das alles, was du mir zu sagen hast?
Omar.

Nichts weiter, als daß ich dir fluche.

Mahomed.

Ich danke Gott, daß er deine Schwester durch mich vom Tode der Seele erweckt hat; und weinen möchte ich über deine Blindheit.


[151] Omar.

Ist das deine ganze Entschuldigung?
Mahomed.

Wollte ich mich denn entschuldigen? Wer machte dich das glauben?

(er will abgehen.)

Omar.

Nimm dies für deinen Uebermuth mit.

(Er zuckt den Dolch nach ihm, aber der Dolch entfällt seiner Hand. Pause.)

Mahomed.

Wahrlich, ich sage dir, Omar! mir ist nicht bestimmt durch deine Hand zu fallen.
(ab.)
Omar.

Der Augenblick war günstig! warum lebt er noch? Sonderbar – mein Arm zitterte, meinem Auge schwindelte, ich konnte es nicht vollbringen!


(Pause)

Du noch hier, Nahlid? ich bemerkte dich nicht, was liesest du so eifrig?
Nahild.

Ich lese eine Verkündigung aus dem heiligen Koran.
Omar.

Das sind wohl die Reden eures Mahomed? Laß sehen!

(Er entreißt ihm das Pergament und liest.)

»Ich habe das Wort des Heiles an dich gelangen lassen, nicht um dich im Genuß der irrdischen Güter zu stören; ich verkündige die Barmherzigkeit des Gottes, der die Welten gerufen hat zum Daseyn, und der sein Licht ausgießt über die Himmel.«

Sage, Nahlid! sind das wirklich die Worte deines Propheten?


Nahild.

Zweifle nicht, es sind Mahomeds eigne Worte.
[152] Omar.

Sollte Mahomed so reden können? Ich erstaune! – Laß mich dies Blatt mitnehmen, Nahlid!
Nahild.

Thue damit, wie du willst.

(beide ab.)

Erstes Chor.

Erstaunt seh ich des Sehers Thaten,
Ja, viel bedenkend seh ich sie,
Denn eines kann ich nicht errathen,
Und eins begreif ich ewig nie;
Er scheint mir unbedacht, getrieben
Vom Geist und selber willenlos;
Gehorchend jenen dunklen Trieben,
Erzeugt in der Begeistrung Schooß;
Dann seh' ich staunend, wie er findet
Besonnenheit und Mittel leicht;
Wie er der Menschen Herz ergründet
Und klüglich ihren Willen beugt.
Die Klugheit ist der Sinn der Erde,
Doch der Verzückte kennt sie nicht,
Gebrechlichkeit ist ihr Gefährte,
Der Gotterfüllte braucht sie nicht.
Zweites Chor.

Nicht Ueberlegung ist sein innres Leben,
Er sinnt nicht lange was und wie er will,
Er thut, wie der Moment ihm eingegeben,
Und Gottes Wille ist ihm sein Gefühl;
Sein Seheraug' zeigt ihm der Herzen Gründe,
Lebend'ges Seyn entsprudelt seiner Brust,
Er findet Pfad in jeglichem Gewinde,
Er handelt klug und wird sichs nicht bewußt.

[153] (Ein Vorhof der Kaaba.)

Mahomed, Sofian, Abu-Taleb, Omar, Kaleb und Volk.
Sofian.

Du, Mahomed, giebst dich für einen Propheten aus, du sagst, der Gott der Israeliten und der Christen habe dich zu uns gesandt; wenn es wahr ist, so bekräftige deine Sendung durch Wunder. Ich schwöre dir, wir wollen dir glauben, wenn du in der Wüste einen Garten blühen lässest, oder dem Berg Thaur gebietest, daß eine Quelle in seinen Felsen entspringe.


Mahomed.


Der Gott, der die Himmel trägt, umgiebt euch mit Wundern, er kann größere thun, als die, welche ihr begehret. Aber ich bin nur ein Mensch, gesandt, die Thore des Himmels für euch aufzuthun. Was würde es euch helfen, wenn ich dem Thaur Quellen sprudeln hieße, oder der Wüste geböte, sich grün zu bekleiden, würde darum die Wahrheit wahrer, oder das Schlimme gut werden? Ein böser Geist könnte mir die Macht gegeben haben, solches zu thun.


Kaled.


Wenn du, o Mahomed, ein Seher göttlicher Geheimnisse bist, so beantworte mir eine Frage. In den heiligen Büchern der Juden stehet geschrieben von einem großen Ueberwinder, der da kommen und sich den Aufgang und Niedergang unterwerfen würde. Sage uns, wer ist dieser Ueberwinder?


Mahomed.


Ich will es dir sagen, Kaled! höret [154] mir zu, ihr Männer von Mekka! Es liegt ein Land auf dem Herzen der Erde, die Meere umpfangen es brünstig mit ihren Armen und seine Bäche fließen glänzend wie Silber, und süß, wie Honig, durch die Ebenen. In der Wüste dieses Landes erzeugte der Hauch des Himmels einen Knaben, der bald heranwuchs zum starken Manne; sein ungeheures Haupt war mit dichten Schleiern bedeckt, und sein Kleid rosinroth, wie das Blut der Opferthiere; er saß auf einem Stuhle, den Cherubim trugen, in seiner Linken hielt er eine Gesetztafel, in seiner Rechten ein güldenes Zepter und hundert Lippen sprachen Worte der Weissagung unter seinen Schleiern hervor. Aber die Kinder der Welt traten zu ihm, zerbrachen die Tafel in seiner Linken und entrissen seiner Rechten das güldene Zepter; da veraltete der Mann auf dem Stuhle, er ward schwach und die Lippen der Weissagung verstummten. Aber Gott gebot, da erwuchs ihm ein Sohn, der hatte nur ein Auge, das er immer gen Himmel richtete und die Erde nicht sehen konnte; sein Herz war sehr groß und voll weicher Tropfen; in seiner Linken trug er eine Dornenkrone, in seiner Rechten ein Kreuz, und so durchwandelte er die Erde, wie ein Pilgrim, der an den Hütten der Dürftigen und Niedern anklopft. Und Gott gebot abermals, da erwuchs dem Greise noch ein Sohn, der ist groß und stark, er hat zwei Augen, das eine richtet er gen Himmel, das andere zur Erde; zwei Hörner, gekrümmt wie [155] die Sichel des Mondes, sind auf seinem Haupte, das Mark des Löwen ist in seinen Gebeinen, und in der einen Hand trägt er ein Buch, in der andern ein Schwerdt; dies ist der Held, von dem geschrieben steht: Er wird sich den Niedergang unterwerfen bis zum äußersten Westen, wo die Sonne untergeht in einem Meer von Dunkelheit, und er wird sich den Aufgang unterwerfen bis zu den Völkern, über deren Häuptern die Sonne senkrecht steht. Dies ist der Ueberwinder. Einst wird es euch klar werden nach dieser Zeit, jetzt aber bleibt es euch noch dunkel.


Sofian.


Es geht eine Sage im Morgenlande: Etliche Jünglinge hätten die Wahrheit der Sendung des Jesus von Nazareth im Lande Palästina unter den Heiden bezeuget, da sich aber eine Verfolgung gegen die Secte von Nazareth erhob, hätten sich die Jünglinge in eine Höhle verborgen und da geschlafen; als sie aber erwacht seyen, wäre ihr Land so verändert gewesen, daß sie es nicht mehr erkannt hätten. Sag' uns, Mahomed! ist diese Geschichte wahr? Wie viel Jünglinge waren es, und wo schliefen sie?


Mahomed.


Die Geschichte ist wahr, wie ich sie euch erzählen werde, merkt auf, ihr Männer von Mekka! Jenseits der Meerenge, im großen Lande Lybia, hatte ein Vater sieben Söhne, die sandte er zu wandlen von Mittag gen Mitternacht, und sie gehorchten ihrem Vater und wandelten in der Richtung, [156] die er ihnen befohlen hatte. Sie verkündigten die Güte Gottes durch vielerlei Wohlthat, die sie den Menschen erwiesen, sie tränkten die Durstigen und speisten die Hungrigen, sie kühlten den vor Hitze Verschmachtenden und waren freundlich den Kindern der Menschen. Aber es erhob sich eine große Hitze der Verfolgung wider sie, da fürchteten sich die Jünglinge und sprachen zu einander: Wenn wir mächtig wären, wie unser Vater in der Mitte seines Lebens, so würden wir dem Feinde widerstehen, aber die Kraft unsers Erzeugers ist vertheilet in uns sieben, lasset uns weichen vor dem, dem wir nicht widerstehen mögen. Und die sieben verbargen sich in die Höhle unter dem Sande, und verharrten da, bis die Verfolgung vorüber war; dies wurden sie aber gewahr, als ihr Hund, den sie Anubis nannten, früh erwachte und daherlief vor dem Aufgange der Sonne. Dies ist die wahrhafte Geschichte der sieben Brüder.


Omar.


Noch eine Frage beantworte uns, o Mahomed! Du lehrest deine Schüler, die Seelen der Menschen stürben nicht im Tode, sie kämen in ein Land über dem Grabe. Wie kann aber dies seyn, da doch der Puls im Grabe erstarrt, das Herz aufhört sich zu bewegen, das Auge sich schließet und Verwesung alles verzehret?


Mahomed.


Die Seele des Menschen stirbt nicht mit dem Tode des Leibes, sie verlässet ihn, wenn sein Leben aufgehöret hat; und wenn es die Seele [157] eines Frommen ist, so steigt sie empor in den Raum der Gestirne und bildet sich einen Körper aus Luft; dieser neue Körper hat alle Sinne wie der vorige, nur in einem noch höhern Grade; er wird nie müde, kennt keine Schmerzen und ist voll ewiger Gesundheit, Leben und Jugend. Mit diesem Körper kommen die Gläubigen in das Paradies, den Ort, den Gott für sie bereitet hat, um sie ewig zu erfreuen.


Omar.

Wie aber kannst du dies alles wissen? Nie kam ein Todter zurück, nie sprach das Grab.

Mahomed.

Auch meine Seele war einst von Zweifeln umgeben, Irrthum ängstete meinen Geist; da bat ich zu Gott, er möchte mich erleuchten, und als ich eine Stunde so gebetet hatte, kam der Engel des Herrn zu mir, sein Haupt erreichte die Wolken und seine Stimme war wie das Rauschen der Wasserbäche, die von hohen Felsen herabstürzen. Ich fürchtete mich sehr, aber der Engel hieß mich getrost seyn, er ergriff meine Hand und nahm mich mit sich fort durch den unermeßlichen Raum, bis wir an ein Thor kamen, das da glänzte wie Morgenroth; es that sich auf, und ein Licht, siebenmal glänzender, als das Licht der Sonne, strahlte uns entgegen; verblindet wären fast meine Augen, wenn der Engel mir nicht einen Brunnen gezeigt hätte. Ich beugte mich und schöpfte Wasser, das Wasser aber war purpurroth, und als ich davon getrunken hatte, konnte ich den Glanz dieses Ortes ertragen; der Engel aber sprach zu mir: Dies ist das Paradies, [158] das Gott den Frommen aufbewahret hat, sie nach dem Tode ewig zu erfreuen. Wir gingen weiter, und überall blühten die schönsten Blumen, goldne Früchte glühten unter dunklen Zweigen, die Luft war lau und wohlriechend, wie Wellen von Balsam; der Gesang melodischer Vögel mischte sich in das wohlklingende Rauschen der Bäche, die sich in blumichte Thäler stürzten; alle Farben von Licht ergossen sich bald in breiten Strömen durch die Gegend, und schöne Mädchen, blühend wie der Frühling und voll warmen Lebens, wie der Sommer, bargen sich in die Schatten der Wälder und traten dann wieder lächlend hervor, bald tauchten sie unter in den Silberseen und hoben sich dann wieder aus den Wellen empor, wie Sonnen aus dem Osten. Aber viel Herrlichkeit und Schönheit, die ich dort gesehen, kann ich euch nicht beschreiben, denn über aller Menschen Worte groß ist die Wonne, die dort der Gläubigen wartet. Als der Engel mich aber wieder zurückgeführet hatte zur Erde, sprach er zu mir: Prophet! gehe hin zu den Völkern in Arabia, und verkündige ihnen, wie groß die Barmherzigkeit Gottes sey, sage ihnen aber auch, wie das Verderben die Ungläubigen und Gottlosen verzehren werde, wie die, die es jetzt verschmähen, der Gläubigen Brüder zu seyn, bald ihre Sclaven werden sollen. So sprach der Engel zu mir, und ich sage es euch mit seinen Worten, auf daß ihr hören, glauben und leben möget.


[159] Einige Stimmen.

Wahrlich, Mahomed ist ein Prophet, lasset uns an ihn glauben.
Andere Stimmen.

Ja, er ist ein Prophet, ein Seher.

Sofian.

Du hast wohlgesprochen, Mahomed! wir werden dem hohen Rathe dieser Stadt deine Antworten hinterbringen.


Mahomed.

Thut wie ihr wollt.

(Er geht ab, ein Theil des Volks folgt ihm, der andere verliert sich nach und nach.)

Sofian.

Was ist nun zu thun, ihr Freunde? Ihr sehet, vergeblich ists, ihn aus der Fassung bringen zu wollen.

Kaled.

Ich hoffte, unsere Fragen sollten ihn verwirren, ihn dem Volke in seiner Blöße zeigen, aber er siegt, wir behalten die Schande.


Sofian.


Warum habt ihr mir nicht geglaubt? Ich sagte es euch, solche Mittel sind zu gelinde, denn er spielt den Propheten nicht nur um ihn zu spielen, o nein! er spielt ihn um des Gewinnes halben.


Abu-Taleb.

Es ist nicht so, wie ihr sagt, Sofian! sein Herz ist rein, ich weiß es.
Kaled.

Ihr, Abu-Taleb, könnt hier nicht für unpartheiisch gelten.
Abu-Taleb.

Ich kanns, denn ich bin keiner seiner Jünger.
Sofian.

Ihr seyd so stumm, Omar! gebt doch auch eure Meinung.

Omar.

Ich bin heute nicht zum Rathgeben aufgelegt, [160] ihr seyd weise Männer, beschließet ohne mich, was euch gut dünkt.


(ab.)

Sofian.

Seltsam – sehr seltsam!
Kaled.

Sehr seltsam? und ich fürchte fast –

Sofian.

Laßt uns doch etwas beschließen; seyd nicht so besorgt, ihr Männer! Omar ist leicht bewegt, fürchtet nichts, ich kenne ihn.


Kaled.

Rede du zuerst, weiser Sofian!

Sofian.

Nun so merket auf. Mahomed ist ein Unkraut, das, wenn es nur abgemäht würde, neue Sprossen und eine neue Krone treiben würde, darum sag' ich, verbannt ihn nicht, verbannen wäre wie abmähen, und abmähen würde nur dem Augenblick helfen. Ich wiederhole es euch, er ist ein giftiges Unkraut, das den schönen Garten dieses Landes verdirbt, darum hinweg mit ihm, tödtet ihn, sein Leben ist unser Tod, reißt ihn mit der Wurzel aus, daß alle gerettet werden, mag einer verloren werden.


Abu-Taleb.


Fürchtest du nicht, o Sofian! die Rache des Himmels im Haß und Abscheu der Menschen, da du es wagst, deinen unschuldigen Mitbürger durch ein blutgieriges Wort zu verderben? Hüte dich, dies mörderische Wort noch einmal auszusprechen. Rede du, Kaled! du wirst gerechter seyn.


Kaled.


Auch ich sage wie Sofian, Mahomed ist ein fressender Schade unserm Lande, unserer Religion, unserer Verfassung. Darum verbannet ihn mit all' seinen Anhängern, wir wollen nicht seine Wurzeln [161] ausreißen, aber sie werden verdorren im Unglück, und die Blutschuld kommt nicht über unsere Häupter; darum sag' ich, verbannet ihn aus Mekka.


Abu-Taleb.


Wie seyd ihr hart, ungerecht und von Haß regiert, ihr Männer! Was hat Mahomed gethan, daß er Tod oder Verbannung verdiente? War sein Wandel nicht immer gerecht? War er nicht immer freundlich den Niedern, großmüthig seinen Feinden und barmherzig den Dürftigen? Warum laßt ihr ihn nicht glauben, was er will? Warum vergönnet ihr ihm nicht, die zu Schülern und Freunden anzunehmen, die ihm angehören, und deren Geister sich nach ihm ziehen?


Sofian.


Wenn wir das alles dulden wollten, was du unbedachter Weise von uns foderst, so würde Mekka bald aufhören Mekka zu seyn, der Geist der Zwietracht und der Partheisucht würde wie ein ätzendes Scheidewasser alle Adern des Staatskörpers durchlaufen und ihn auflösen. Nein, Abu-Taleb, dein Wille kann nicht geschehen, denn du bedenkst das Wohl deines Landes sehr schlecht.


Kaled.

Ich gehe und benachrichtige die Väter dieser Stadt von dem, was hier vorgefallen ist.

Sofian.

Und mein erstes und letztes Wort, das ich dem hohen Rathe sagen werde, ist: Tod dem Mahomed! Du, Abu-Taleb! schicke dich in die Zeit, es ziemt einem weisen Manne wohl, sich zu vergessen, wenn von der Rettung aller die Rede ist.


Alle ab.


[162] (Ein Hof in Mahomeds Hause.)


Kadischa, das Chor.

Erstes Chor.

Wolken versammeln sich in der Bläue,
Lagern sich um die Berge herum,
Wogen erheben sich schäumend im Meere,
Drückend hauchet die schweflichte Luft.

Kadischa.

Zu eng wird mir im Hause, die Luft, statt mein Leben zu nähren, will mich ersticken, sagt, ihr Männer! was will diese Unruhe an mir?


Zweites Chor.

Der Sturm ists, der von Norden brauset, –
Doch niedre Blumen knickt er nicht,
Er beuget gern der Bäume Wipfel,
Die stolz auf hohen Bergen stehn.

Kadischa.

Wollt ihr mich vorbereiten auf ein Unglück, das dem theuren Haupte Mahomeds droht? Ihr schweigt; ich les' es doch in euren Mienen und meine Seele ahndet die Gefahr.


Abu-Taleb, die Vorigen.

Abu-Taleb.

Ist Mahomed nicht hier? viel Wichtiges hab' ich ihm zu sagen, laß ihn suchen, Kadischa.
Kadischa.

Sogleich, mein theurer Oheim! Ha! Da ist er schon selbst.
[163]
Mahomed, die Vorigen.
Abu-Taleb.

Nun, Mahomed! Die Zeit ist gekommen, vor der ich dich gewarnt habe. Was Wunder auch! Hast du nicht dem Verderben zugerufen: Verschlinge mich? und dem Unglück: Jage mir nach! Es ist nun so weit gekommen, daß nur ein einziges Mittel dich noch retten kann, und dies ist: Widerrufe, was du dem Volke gelehret hast.


Mahomed.

Es ist so schändlich als unmöglich.

Abu-Taleb.

Nun so schwöre mir, daß du deine Lehre nicht weiter ausbreiten willst; ich versuche dann, dich auf diese Bedingung noch zu retten.


Mahomed.


Wenn ihr mir den Erdkreis geben wolltet, auf daß ich die Wahrheit Gottes den Völkern verschwiege, und wenn mir der Tod unvermeidlich wäre, wenn ich fortführe den Willen Gottes zu verkündigen, so würde ich lieber sterben im Gehorsam gegen den Geist, der meinem Geiste gebietet, als König der Welt seyn und ein Abtrünniger.


Abu-Taleb.


Der Senat ist versammelt, um über dich zu richten, wahrscheinlich wird Verbannung über dich ausgesprochen.


Mahomed.


Verbannung ist ein hartes Wort; traurig ists, wenn der Sohn wie ein Uebelthäter hinausgestoßen wird in die fremde Welt; und doch, ist nicht überall der Himmel über mir, was kann ich fürchten?


[164] Ali, die Vorigen.

Ali.

Sprich, mein Vater! ist Mahomeds Schicksal entschieden?

Abu-Taleb.

Ja. Wisse Mahomed! das Schrecklichste bleibt mir noch zu sagen übrig, ich hoffte dich zu bewegen, ohne dir das Aeußerste zu sagen, aber dein Starrsinn zwingt mich, dir alles zu entdecken. Der hohe Rath konnte nicht einig werden über dein Schicksal, da ergrimmten deine bittersten Feinde, besonders Sofian und Abu-Johl, sie verschworen sich, dich in dieser Nacht zu ermorden.


Ali.

Die schändlichen Verräther, Fluch treffe sie.

Abu-Taleb.

Zehen der angesehensten Männer sind unter den Verschwornen; Al-Abbas, der mit mir war im Blutrath, und nicht einwilligen wollte in die Schandthat, hat es mir gestanden. Du bist verloren, ohne alle Rettung verloren, wenn du nicht fliehest, und zwar noch in dieser Stunde; denn deine Verfolger werden sich in der Abenddämmerung in dein Haus versammlen und dir das Entrinnen unmöglich machen; geh' also noch diesen Augenblick, wenn du nicht widerrufen willst.


Mahomed.

Undankbares Mekka! Ich will in die Wüste fliehen und mich dort verbergen, bis der Sturm vorüber ist.
Ali.

Und ich begleite dich in Tod und Gefahr.
Abu-Taleb.

Auch du willst mich verlassen, mein Ali! mein theurer Sohn!

Ali.

Mächtiger als andere Liebe ist die für den [165] Mahomed, ich kann ihn nicht verlassen, und wehe dem Moslem, der den Propheten jetzt verläßt. Ich gehe, Mahomed! und verkündige deinen Freunden deine Gefahr, in der du schwebst, sie werden dich alle begleiten wollen.


(ab.)
Abu-Taleb.

Meine Seele ist voll Jammer über dein Geschick. Siehe deine Kadischa an, ihre Augen sind voll Thränen, sie kann nicht reden, nur seufzen; ach! uns alle könntest du so leicht durch ein Wort wieder glücklich machen.


Mahomed.

Geh', Kadischa! sey standhaft und lebe wohl.

Kadischa.

Ich werde einen tiefen Schmerz unter meinem Herzen tragen und seine Geburt wird mich tödten. – Lebe wohl denn, mein theurer Gemahl.


(ab.)
Mahomed.

Ich bitte euch, mein Oheim! seyd der Vater, der Tröster meiner Kadischa; freudiger trenne ich mich von euch, als von ihr, denn euch werde ich wiedersehen, sie nimmer.


Abu-Taleb.


So lebe denn wohl! ich will indeß für dein Wohl arbeiten; vielleicht gelingt es mir in deiner Abwesenheit, deiner Feinde Wuth zu dämpfen, schon ihr Mordanschlag wird ihre Sache verdächtig und verhaßt machen, die Haschemiden sind dir geneigt, und viele im Volke erinnern sich noch dankbar deiner vorigen Thaten.


Mahomed.

Gehabt euch wohl, mein Oheim!

(Die Chöre und beide ab.)


[166] (Ein freier Platz vor dem Thore von Mekka.)

(Es versammlen sich viele Anhänger von Mahomed, dann kommt Mahomed, Nahlid, Ali und die Chöre.)
Ali.

Ohne Leid verlasse ich diese gottlose, verfluchte Stadt, die den Propheten Gottes hinausstößt in die Wüste; Mord und Zwietracht müssen verheerend durch ihre Straßen gehen, und Feuer und Schwefel mögen herunterfallen auf dies schändliche Gomorra.


Mahomed.


Fluche deiner Vaterstadt nicht, sie ist heilig, ein Pfand des Glücks, eine Palme des Siegs, ein köstlicher Diamant in der Krone der Erde.


Nahild.

Deine Freunde sind versammelt, o Mahomed! sie kennen deine Gefahr.
(Alle drängen sich um den Mahomed.)
Mahomed.

Meine Freunde! Der Augenblick ist gekommen, da der Himmel eure Treue prüfen will. Meine Feinde haben sich verschworen, mich unter der Hülle der kommenden Nacht zu ermorden, verloren wäre ich gewesen, wenn nicht Gott einen edlen Koreschiten erweckt hätte, mich zu warnen; ja, gepriesen sey die Allmacht unseres Gottes, der einen Retter für seinen Propheten selbst in dem Rathe der Ungläubigen zu finden wußte. Grimmiger und rachsüchtiger werden täglich meine Feinde, ich muß euch daher und die heilige Stadt Mekka verlassen, wenn ich den Koran noch ferner vertheidigen will. Ihr werdet nun allein seyn unter Feinden und Ungläubigen, und meine Stimme wird euch nicht erreichen; [167] schwört mir aber bei unserm Gott, bei dem heiligen Bethaus auf der Höhe Moria und bei dem Grabe unsers Stammvaters Ismael, daß ihr dem Koran treu bleiben wollt in eurem Glauben und eurem Wandel, schwört es mir.


Alle.

Wir bleiben nicht bei deinen Feinden, wir wollen nicht wohnen unter den Gottlosen.

Mahomed.

Wie, meine Freunde! ihr wollt Mekka und alles, was ihr dort besitzet, verlassen? Wollt euch mit mir bei Tage verbergen in Wälder und Gebirge, bei Nacht die Pfade der Gefahr mit mir suchen?


Alle.

Was dir widerfährt, das soll auch uns begegnen, wir wollen alle deine Schicksale theilen.
Beide Chöre.

Liebe meiden,
Haß verdienen,
Wollust fliehen,
Noth erdulden,
Ehre lassen,
Schmach erwerben,
Reichthum spenden,
Armuth haben,
Alles wollen wir für dich.

Ali.

Wir müssen mit dir ziehen, gieng es auch in den Tod, meine Brust sey dein Schild, mein Schwerdt dein Lebensengel.


Mahomed.


Heute, da ich ein heimatloser Flüchtling werde, da ich alles verlassen muß, was sonst den Menschen theuer ist, heute werde ich reicher, [168] glücklicher durch eure Liebe, als meine Widersacher durch ihren Sieg.


(Er will abgehen.)

Halima, die Vorigen.
Halima (Sie nähert sich furchtsam und wirft sich vor Mahomed nieder.)

Schwöre mir, großer Prophet! mich mit dir zu nehmen und mich zu beschützen wie ein Heiligthum, schwöre es mir bei Gott und deinem heiligen Haupte.


Mahomed.

Bist du nicht Halima, die Tochter Sofians, meines Feindes?
Halima.

Ja, ich bins. Doch dein Erstaunen macht mir bange, ist denn, was ich thue, so ungeheuer?
Mahomed.

Ich staune nicht ob deiner That, nein, die Fügung Gottes ist so wunderbar.

Halima.

Vernimm, was mich bewogen hat, dir zu folgen. Seit du wieder in Mekka bist, hörte ich nur des Hasses Lippen deinen Namen nennen, aber auch das, was die Feindschaft von dir sprach, erregte eine tiefe Sehnsucht in mir, dich zu hören, zu sehen; unbemerkt von dir belauschte ich deine Gespräche mit Omars Schwester; die göttlichen Wahrheiten, die von deinen Lippen flossen, fielen wie keimende Samenkörner in mein Herz und wuchsen da empor zu mächtigen Bäumen. Ich betete zu deinem Gott. Wenn die Verfolgung dich lästerte, so übertrug ich ihre Verläumdung in die Schrift meines Herzens, und so wurde der Tadel ein Loblied. Ich zitterte vor deinen Gefahren; deine Feinde wurden mir verhaßt, [169] ja ich wandte mich selbst mit Abscheu von meinem Vater. So lebte ich dir in meiner Einsamkeit, und als ich vernahm, du verließest Mekka, da entbrannte mein Muth, mein Herz wurde groß und ich beschloß dir zu folgen, und lieber Schmach und Verfolgung mit dir zu theilen, als unter deinen Feinden und sündigen Götzendienern zu leben. Schwöre mir jetzt, meine Bitten zu erfüllen.


Mahomed.


Gott! du giebst die Tochter meines Feindes, sein größtes Kleinod, in meine Hand, durch mich soll sie den Weg zum Leben finden! Steh' auf, Halima! Heil wiederfahre dir! und ich schwöre dir bei dem Todesengel, der unsere Thaten aufzeichnet zum Weltgericht, bei diesem schwöre ich dir, ich will dich beschützen und heilig halten wie eine Jungfrau des Paradieses.


Halima (aufstehend.)


Wird nicht Vorwurf meine Seele belasten, weil ich das Alter meines Vaters der Einsamkeit Preis gab, weil ich meine Freunde, meine Verwandten verlasse? Wird nicht Lästerung meinen Namen nennen?


Mahomed.


Du hättest nicht Unrecht gethan, Halima! wenn du bei deinem Vater geblieben wärest; wie die Pflanze wärest du gewesen, die den mütterlichen Boden nicht verlassen kann, wenn ihr auch gleich in der Ferne ein schöneres Land und ein wärmerer Sommer, wo sie schöner blühen könnte, winkte; sie kann nicht fort, sie giebt der Erde das Leben wieder, das sie von ihr empfangen hat. Aber du [170] hast besser gethan, als wenn du geblieben wärest, der Mensch gehört dem Boden nicht an, der ihn erzeugt hat, er darf suchen, was ihm frommt, du hast das Bessere erkannt und gewählt! Laß es dich nie gereuen, daß dir die Bande, die dich an den Himmel knüpften, heiliger waren, als alles Irrdische. Selig sind die, welche um der Wahrheit willen alles verlassen und der Stimme Gottes folgen, die Liebe zu ihm ist die höchste. Betrübe dich auch nicht, daß die Welt deinen Namen lästern wird, wer Großes thut entgeht der Lästerung nicht, denn die Menge ist klein, ihr Maas gering und ihr Urtheil Gebrechlichkeit.


Halima.

Du hast die Sorge von meiner Seele genommen, jetzt folge ich dir mit freudigem Muthe.

(Alle ab bis auf die Chöre.)

Erstes Chor.

Hochheilige Stadt!
Die du im Schooße
Kleinode trägest,
Die zu besitzen
Geizet die ganze
Gewaltige Welt;
Kaabe! dich nenne ich
Feirend vor allen,
Abrahams Wohnung,
Die einst vom Himmel
Engel betraten,
Heilige! du! –
Brunnquell, den einstens
Hagarn gezeiget
[171]
Freundlich ein Engel,
Sey mir gegrüßt!
Schwärzlicher Marmor!
Der du bedeckest
Ismaels Asche,
Sey mir gegrüßt! –
Zweites Chor.

Dich soll ich meiden,
Perle des Osten!
Blume der Städte!
Dich soll ich fliehn? –
Beide Chöre.

Zum letztenmal seh ich die Sonne glühen,
Auf deinen Zinnen, vielgeliebte Stadt!
Fern werden trüb' die Zeiten mir entfliehen,
Denn trauervoll ist der Verbannung Pfad.
Ich werde nimmer deine Feste schauen;
Dein Jubelklang erreichet nicht mein Ohr;
Nicht tret ich mehr zum Kreise deiner Frauen,
Und nimmer lausch ich deiner Mädchen Chor.
Lebt wohl denn, Haine! Fluren! der Gebete
Geweihte Freistatt! hohe Kaabe, du!
Der frommen Pilger heilge Zufluchtsstätte!
Zerbrochner Herzen Heil und Trost und Ruh!
Lebt wohl! das Schicksal ruft auf andre Pfade,
Lebt wohl! ihr theuren heimischen Gestade!

[172] Dritter Zeitraum

(Ein von Felsen umgebenes Thal.)


(Mahomed kommt hastig von dem Felsen. Das Chor folgt ihm.)

Beide Chöre.

Fliehe durch das Felsgewinde,
Denn dir folgt der Fuß der Rache,
Birg dich in der Berge Schlünde,
Daß ihr Dunkel dich bewache.

Mahomed.

Ich bleibe. Warum soll ich fliehen vor den Koreschiten? ein größerer Feind, als sie, verfolgt mich. – Mein Gestirn geht unter, das Licht meines Geistes ist erloschen, verstummt sind die Weissagungen meines Busens, die Kraft Gottes ist nicht mehr allein sieghaft in mir. – Der Zweifel hat den Himmel aus mir verdrängt. – Das Heiligthum Gottes ist ein Tummelplatz der Leidenschaften. Wie anders bin ich geworden, der Geist herrscht nicht mehr in mir, mein Wunsch und Entschluß, Muth und Zagheit, Glauben und Furcht kämpfen menschlich in meiner Seele, – jetzt muß ich sorgen, sinnen, suchen, – Gott, wie bist du von mir gewichen! wie hast du mich verlassen am heißen Tage! dein Antlitz von mir gewendet in der Nacht!


(Er setzt sich zwischen den Felsen.)


In Mekkas Boden, sagte einst der Engel, muß der Baum gepflanzet werden, [173] der die Erde überschatten soll. – Und Mekka verstößt mich! –


(Zum Chor.)


Ihr Männer geht nach jenem Felsen, wenige Schritte von hier ist eine Höhle, in der ein hundertjähriger Magier wohnt; er kann Geister beschwören, kennt der Kabala geheime Gebräuche und den Lauf der Gestirne, geht! befragt ihn um des Korans Schicksal, und wie ihr euch retten möget vor meinen Verfolgern, meiner aber gedenket nicht.


(Erstes Chor ab.)


(Es wird Nacht, man hört in der Ferne donnern.)

Zweites Chor.

So will er andre Götter fragen,
Weissagung aus dem Abgrund ziehn?
An seines Busens Gott verzagen
Und zu den Unterirrdschen fliehn?
Doch Schuld bewohnt die dunkle Schwelle,
Die zu den Unterirrdschen führt;
Ich fürcht', es ist die Kunst der Hölle
Zu der sein Geist verzweifelnd irrt.

(Das Gewitter wird immer stärker.)

(Mahomed springt auf.)

Blitze zürnen,
Donner rollen,
Winde heulen,
Sie verklagen
Mein Verzagen,
Furchtbar schreiten
Mir zur Seiten
Todesengel,
Und es öffnet
Seine Tiefen
[174]
Schon der Abgrund;
Seine Dämpfe,
Sie verwirren
Meine Sinne! – –

(Er wirft sich zwischen die Felsen, das Gewitter nimmt ab.)

Zweites Chor.

Weh uns! was ist aus ihm geworden?
Er rast; sein Blick ist fürchterlich. –
O öffnet euch ihr Himmelspforten!
Ihr Engel! lächelt gnädiglich.
Kehrt voll Erbarmen zu ihm wieder,
Haucht Gottes Friede auf ihn nieder.
Halima (Hinter der Scene.)

Ali! Nahlid! wo seyd ihr?
Ali (Hinter der Scene.)

Hier! wer ruft?

(Ali und Nahlid kommen von der einen, Halima von der andern Seite.)

Halima.

Ali! Nahlid! eilt, um Gotteswillen rettet den Propheten.
Ali.

Sag', was ist denn geschehen?

Halima.

Eine treue Sclavin hat mich ereilt, sie sagt, mein Vater sey an der Spitze von hundert Koreschiten auf dem Wege, den Propheten zu ermorden; auch Omar hat ihm nachgesetzt, rettet! um Gotteswillen rettet ihn!


(sie wird Mahomed gewahr.)


Da ist er selbst, ich glaube er schläft, Mahomed! Mahomed! – Nein, er schläft nicht, seine Augen sind offen, seine Lippen zucken, sagt, was ist das?


Ali.

Sein ganzes Wesen ist fürchterlich, mir schauert, ihn zu sehen.

Nahild.

Laßt ihn, es geht vorüber, ich sah ihn [175] schon einmal so, es ist ein Zustand der Verzückung, sein äußeres Auge ist todt, aber sein inneres betrachtet die Tiefen der Dinge.


Ali.


So bleibe hier bei ihm, Nahlid! ich will unsere Freunde versammlen und jenen engen Weg vertheidigen, bis Mahomed erwacht und uns gebietet, was wir sollen. Komm, Halima! ich werde dich mit deinen Sclavinnen nach Medina senden.


(Ali und Halima ab.)


(Das erste Chor kommt.)

Zweites Chor.

Sprich, welche Kunde
Bringst du vom Priester,
Der der Kabala
Diensten sich weiht?
Erstes Chor.

Ungern vernahm er,
Was wir gefraget;
Schüttelt die weißen,
Lockigten Haare;
Zog um uns Kreise,
Murmelte Sprüche,
Sprach dann die Worte:
»Eilet und schauet,
Die Nacht ist vorüber,
Die Zukunft geboren,
Die Welt ist erstanden,
Gekommen die Zeit.«
(Der Himmel ist während dieser Zeit hell geworden.)
[176] Mahomed (Steht langsam auf.)

Sterne! gewaltig sind eure Schritte in euren Bahnen; das Rauschen eures Umflugs tönt noch in meinem Ohr; die blauen Wellen des unermeßlichen Luftmeer's brechen sich ächzend an euren Ufern. Und durch all die unermeßliche Räume hat sich der Baum des Lebens gepflanzt, Jahrhunderte und Jahrtausende ziehen flüsternd durch seine Zweige, wie leichte Frühlingslüfte.


(Pause.)


Das Zepter des Orients wird sich emporheben aus Mekka, es wird, einem Meteor gleich, gen Westen und Osten seine Strahlen senden.


(Er wird den Nahlid gewahr.)

Nahlid, du hier? Lebst du noch? Ist es nicht hundert Jahre, daß wir Mekka verließen?
Nahild.

Nein Herr, es ist noch nicht lange Zeit.

Mahomed.

Wahrlich, Nahlid! ich sage dir, es bedarf ein Jahrhundert, um zu sehen, zu hören, zu erkennen, was ich in dieser Zeit gesehn, gehört und erkannt habe. Aber doch hast du recht, es ist noch nicht lange, daß wir Mekka verließen, obgleich indeß der rasche Strom der Begebenheiten die träge Zeit gewaltsam in seine Wirbel mit gerissen hat.


Nahild.


O Herr! gedenke jetzt an deine Rettung, der schreckliche Omar und der rachedurstige Sofian verfolgen uns, flieh! rette dich! ehe es zu spät ist.


Mahomed.


Laß sie kommen. Ich war ertödtet, aber zehenfaches Leben ist erwacht in mir; nach dem Zweifel ist das Vertrauen am stärksten, nach der Vergehung die Barmherzigkeit am süßesten.


[177] Nahild.

Aber denke doch auf Mittel, daß uns der Feind nicht überrasche.

Mahomed.

Sey unbesorgt, ich bin zwar nur ein Mensch, ein Gefäß von Staub und Asche, wie ihr, aber ein Tropfen aus dem Brunn des ewigen Lebens ist in mir aufbewahrt, darum werde ich nicht die Beute meiner Feinde werden.


(Pause.)


Das Schicksal der Völker ist in mir, die Saat der Zukunft ist in meine Brust gesäet, muß ich nicht leben, daß die Erndte reife und die künftigen Geschlechter erquicke?


Nahild.

Herr! ich begreife deine Sicherheit nicht.

Mahomed.

Der Geist hat zu mir gesprochen: Prophet! stehe auf und gründe die Gemeinschaft der Gläubigen, stifte das Reich, an dem ich Wohlgefallen habe. Nun aber sind unsere Feinde zahleich, sie kämpfen nicht allein mit ihrem Geist gegen uns, nein, auch noch mit all ihrer irrdischen Kraft und Gewalt. Daher sind unsere Waffen ungleich, wenn wir uns nur mit Worten und Unterwerfung ihrer erwehren, der Gedanke allein kann die Schlacht nicht gewinnen, es bedarf dazu des Armes und des Schwerdtes. Dem irrdischen Trotz müssen wir eine irrdische Gewalt entgegensetzen, und diese wollen wir uns erschaffen.


Nahild.

Wann aber, und wie kann das geschehen?

Mahomed.

Das wollen wir der Zukunft ablernen, glaube mir, auch die Begebenheiten und Erscheinungen im Laufe der Schicksale sind Hieroglyphen, [178] in denen das Auge des Sehers oft den tiefen Sinn Gottes schauet. –


(Pause.)


Wir haben einen köstlichen Zweig vom Baum der göttlichen Seligkeit erhalten, diesen sollen wir der Erde einimpfen; daß er aber gedeihen möge, thut es Noth, daß wir einen guten Stamm erlesen, mit dem er sich leichtlich vermische, und daß wir ihm einen fruchtbaren Boden erwerben, in dem er kräftig wachsen und sich ausbreiten möge. Aber auch vor den ungestümen Winden müssen wir ihn bewahren, daß nicht der brennende Samum seine Blüthen entblättere. Daß dies alles geschehe, gab uns Gott den unbezwinglichen Muth, das Mark des Löwen und die Schärfe des Schwerdtes.


Nahild.

So sollen wir den Boden mit dem Schwerdte erwerben und mit Blut besprützen?

Mahomed.

Was Noth thut, das geschehe; wer für die Wahrheit stirbt, der lebt zehnfach in Gottes Herrlichkeit; der Tod der Gottlosen aber giebt der erkrankten Welt Genesung und frischeres Leben, denn ihre bösen Thaten sind die Fäulniß der Erde, und Heil dem Schwerdte, das sie trennt von dem gesunden Leibe.


(Man hört Getümmel hinter der Scene.)

(Ali, mehrere Freunde Mahomeds, die Vorigen.)
Ali.

Omar hat uns erreicht, wir wollten ihm den Eingang in dies Thal mit dem Schwerdte wehren, aber er begehrte eine Unterredung mit dir.


[179] Nahild.

Ist er allein oder sind viele bei ihm?

Ali.

Kaled ist mit ihm und noch einige Bewaffnete, seine übrigen Begleiter sind wohl noch hundert Schritte zurück.


Mahomed.

Führt den Omar zu mir.

(Ali ab.)

Nahild.

Herr, ich fürchte nur, Omar will dich ermorden oder hintergehen, du kennst seinen wilden Haß.
Mahomed.

Omar ist rauh, ungestüm, doch kein Verräther. Horch! sie kommen.

(Alle ziehen die Schwerdter bis auf Mahomed.)


(Omar, Kaled, einige Krieger mit gezogenen Schwerdtern.)

(Ali und die Vorigen, Mahomed tritt bei Seite.)
Kaled.

Was soll diese Unterredung? Wollt ihr euch bethören lassen? Ihr hättet besser gethan bei Sofian und Abu-Johl zu bleiben.


Omar.

Schweigt oder geht.
Kaled.

Nein, ich bleibe, ihr habt nichts Geheimes zu unterhandlen mit dem Feind der Koreschiten.
Omar.

Nun so bleibt und fügt euch.

Mahomed (hervortretend.)

Was wollt ihr von mir? Was verfolgt ihr mich, ihr Bürger von Mekka? Könnt ihr noch Schlimmeres an mir thun? Ich bin unschuldig und ihr habt mich aus der geweihten Stadt Mekka hinausgestoßen zu den Raubthieren der Wüste. Bin ich nicht ein Koreschite, wie ihr? Arabiens edelstes Blut fließt in meinen Adern; ich, des weisen Abdahlas Sohn, der Ueberwinder der [180] Kenaniten, werde hinausgeworfen aus der heiligen Gemeinschaft meines Volkes wie ein Uebelthäter?


Kaled.


Wisse, man war zu gelinde gegen dich, so lange du lebst ist die Eintracht ferne von uns. Deine Anhänger nähren die Zwietracht in unserer Vaterstadt, daß wir Ruhe erlangen, mußt du sterben.


Mahomed.


Die Ruhe, die ihr suchet, ist eine Ruhe der Schlaffheit, des Absterbens und der Knechtschaft; Krieg ist besser denn solch ein Friede.


Kaled.


Es ist bekannt, daß Mahomed kein Freund der Ruhe und Ordnung ist, er lebt von der Zwietracht, kein Wunder also, wenn er sie preist.


Mahomed.


Zu dir, Omar, wende ich mich, ich habe mit dem Kaled nichts zu schaffen. Wisse also, meine Feinde mißtrauen dir, sie fürchten, du möchtest durch mich von der Blindheit des Unglaubens genesen; dies zu verhindern, haben sie den Kaled mit funfzig Goldstücken gewonnen, dich zu beobachten, und wenn du wanktest, dich ihrer Rache auszuliefern.


Kaled.


Ha! das sind des Lügners Künste, hieran, Omar! erkenne den Mahomed; so weiß er in den festesten Verein das giftige Scheidewasser der Verläumdung zu träufeln; so will er sich retten durch dein Mißtrauen.


Mahomed (Er winkt seinen Begleitern.)


Gehet, durchsuchet den Kaled, er trägt die funfzig Goldstücke, für welche er den Omar verrathen wollte, bei sich.


(Sie durchsuchen ihn.)

[181] Ali.

Hier sind die Goldstücke.
Mahomed.

Führt den Kaled hinweg.

(Sie schleppen ihn fort.)

Nun, Omar, das sind deine Freunde, deine Bundesgenossen, ich muß dich retten aus ihren Fallstricken. Was blickst du so zur Erde? Hebe deine Augen gen Himmel, denn der Gott, den ich verkünde, gab mir die Weisheit, das nächtliche Beginnen der Bosheit zu durchschauen.


Omar.

Was soll ich sagen? Meine Seele ist dahingerissen auf ein stürmisches Meer.

Mahomed.

Damit du glaubest, daß ich ein Seher tiefer Geheimnisse bin, will ich mit dem Lichte der Weissagung auch die Gründe deiner verschlossenen Brust erhellen. Seit dem Tage, da du den Koran lasest, bist du mein Feind nicht mehr, aber deine Seele war gefangen in Zweifel, zu Boden gedrückt von der irrdischen Bangigkeit. Vor einigen Tagen giengst du in deinem Baumgarten auf und nieder, da sprach deine Seele zu sich selbst: Wenn Mahomed ein Betrüger ist, so wäre ihm besser, er wäre nie geboren, wenn er aber ein Prophet Gottes ist, so trifft Fluch den Arm, der sich aufhebt, ihn zu verderben. In dieser Stunde beschlossest du, mich aufzusuchen und zu erforschen.


Omar (sich vor ihm niederwerfend.)


Ja, wahrlich, Mahomed! du bist ein Seher, du hast die tiefen Gedanken meines Geistes, die nie Worte wurden, durchschaut. Ja, ich bekenne, du bist der Prophet des einzigen Gottes.


[182] Mahomed (ihn aufhebend.)

Omar, du hast meine Seele von einem großen Schmerz geheilet, denn dein Haß bekümmerte mein Herz.

Omar.

Ich kam mit dem Vorsatz hierher, dich zu tödten, wenn ich dich falsch befinden würde, dir zu dienen, wenn du wahr seyest. Von heute an gehöre ich zu den Deinen, meine Brust sey dein Schild, sorglicher als mein eigenes Leben vertheidige ich jetzt das deinige.


Mahomed.


Bald werde ich deine Treue erproben, doch auch ohne Probe glaube ich dir, du bist ein edler Mann, das wußte ich, als du noch mein Feind warst, heute trittst du in die Gemeinschaft der Gläubigen, unter ihnen ist kein Falsch, sie haben eine Liebe und eine gute Sache, daß diese siege, ist ihr aller Zweck, andern Gewinn kennen sie nicht, sie sind nicht zusammen getreten, um sich Ehre, Reichthum oder Wohlleben zu erwerben. Durch ihre Verbindung soll der Tempel Gottes erbauet werden, daß dieses Werk gelinge, dafür opfern sie Leben, Ruhe und Glück, sie wollen keine andere Heimath haben, als in dem Reiche Gottes, das sie gründen werden, darum haben sie kein ander Vaterland, als ihre heilige Gemeinschaft.


Omar.


So laß' uns mit dem Schwerdt ein Vaterland erwerben, indem du den Tempel Gottes mit Ruh und Sicherheit gründest. Sprich, wie kann ich dir dienen? enthülle dich mir.


Mahomed.


Wie? das muß ich selbst erst lernen; [183] ich habe nicht mit irrdischer Klugheit einen Plan für die ferne Zukunft ersonnen und jeden Umstand bedacht, der kommen könnte. In jedem Augenblicke Gottes Willen erspähen, ihn in den Begebenheiten und dem, was man Zufälle nennt, lesen, das ist meine Weisheit.


Omar.


Wie, du hättest keinen Plan, der alle mögliche Zufälle in sich begreift und selbst die Ungünstigen klug zu deinem Vortheil verwendet? Das hättest du versäumt? In solcher Kindheit wäre noch dein Werk?


Mahomed.


Ich weiß, daß wir von Mekka aus ein Reich gründen sollen, wann aber, und durch welche Hilfsmittel, das weiß ich jetzt noch nicht.


Omar.


Willst du das alles dem Zufalle überlassen? Du streitest gegen Menschen, so bediene dich auch menschlicher Mittel.


Mahomed.

Das thue ich auch, doch habe ich sie immer im Augenblicke, da ich sie bedurfte, gefunden.
Omar.

Es ist eine frevelhafte Verwegenheit in dieser Art zu handeln.

Mahomed.

Ist nicht Gott der Urborn alles Wissens und aller Erkenntniß? Und ist es nicht höhere Weisheit, sich seinen Fügungen hingeben, als sich von ihm losreißen und einen eignen Plan haben wollen, der vielleicht dem Willen Gottes zuwider ist?


Omar.

Ich denke, man sollte erst alle menschliche Klugheit anwenden, eh' man den Himmel versucht.

[184] Mahomed.

Das hieße ungefähr: ein eigenes Werk beginnen, und wenn es mißlänge, sich dem Himmel entsagend, wie seinem bösen Schicksal überlassen.


(Lange Pause.)


Schau um dich, Omar! Die Erde ist reif für unser Werk, Krankheit und innere Gährung zerrütten sie, wir sollen ihr wieder einen gesunden Lebensodem einhauchen, sie ist entzweit von Partheisucht und blutigem Haß, wir sollen die Partheien vereinigen, den Haß versöhnen. Das uralte, vielköpfige Ungeheuer, das Heidenthum, ist verdrängt aus dem Westen, im Osten kämpft es verzweifelnd den letzten Kampf gegen das Christenthum. Das Christenthum hat sich von seinem Erzeuger, dem Judenthum, losgerissen, es hat das elterliche Haus verlassen und ist hinausgewandert nach allen vier Winden, es sendet aus der Ferne die giftigen Pfeile der Verfolgung nach seines Vaters heiligem Haupte; zugleich ist es uneins mit sich selbst, seine Theile bestreiten sich in grimmigem Zwist und sein sonst wohlgebauter Körper ist voll wilder, gräulicher Auswüchse. So verworren ist der Sinn der Menschen, so widerstrebend ihre heiligsten Gefühle und Meinungen, so erkrankt sind die Zeiten und Religionen. – Daß Friede, Eintracht und Gesundheit wiederkehren auf Erden, dazu hat mich Gott gesandt; die Völker sollen in einen Tempel versammelt, das Heidenthum an dem neuen Altare als ein Gott wohlgefälliges Opfer geschlachtet werden; das Christenthum soll zurückkehren zu dem Judenthum und sich [185] in meiner Lehre mit ihm versöhnen und vereinigen. – Sieh, Omar! dies ist das Werk, das ich vollbringen muß, dieses hat mir der Geist geboten. Willst du dieser That theilhaftig werden, so reiche mir deine Hand, wir theilen dann treulich Gefahr und Sieg.


Omar.


Ja, ich will es, obgleich es ein ungeheurer Entschluß ist; unserer sind siebenzig, uns gegenüber steht die ganze gewaltige Welt, und nichts ist für uns, als unser Muth und unser Entschluß.


Mahomed.


Ich habe die Erde durchwandert im Osten, der Staaten und der Völker Verhältnisse sind mir bekannt. Der Römer mächtiges Reich im Abendlande ist untergegangen, langsam erstirbt an innerer Entnervung ihr Kaiserthum im Orient; vergebens glänzte in der Reihe schwacher und willenloser Beherrscher der große Justinian wie ein Gestirn hervor; vergebens besiegte er die Gothen und Vandalen, er stärkte des Reiches Arme, doch das kranke, erschlaffte Herz konnte er nicht heilen; seit Heraklius dort herrscht, hat sich das Uebel dem ganzen trägen Körper mitgetheilt. – Wende jetzt deinen Blick in unsre Nähe, der Perser zweites Reich hat den höchsten Gipfel der Macht unter dem ersten Cosru erreicht, der zweite Cosru setzt zwar seines Vaters Siegesbahn gegen die Ost-Römer fort, doch er überwindet mehr durch seiner Feinde Schwäche als durch eigene Kraft. Dieser Cosru ist kein großherziger Mann, wie sein Vater. Der Perser große Zeit ist doch vorüber, die hohe Fluth ihres [186] Ruhms ist dahin, die Ebbe kommt so schnell, als gewiß. Betrachte jetzt mit mir unser Vaterland, die schöne Blume unsers Landes ist verblättert in viele Stämme, die sich kaum ihrer gemeinschaftlichen Abkunft erinnern, die sich hassen, beneiden und verfolgen. – Sieh, Omar! das ist der Schauplatz, den wir betreten, er ist günstig; leicht vermählen sich die Umstände mit unserm Beginnen; unserer sind zwar Wenige, aber Gottes Kraft ist mit uns, unsere Feinde sind nicht gewaltig, und die That nicht unmöglich.


Omar.


In Mekka sind seit deiner Abwesenheit die Umstände günstiger geworden; die Koreschiten haben deinen und deiner Freunde Namen verflucht, aber der Stamm von Haschem ist dir geneigt geworden, er wünscht deine Zurückberufung und klagt laut über die Ungerechtigkeit deiner Feinde.


(Ein Krieger kommt.)
Krieger.

Es ist Geräusch drunten im Thale, man sieht Waffen glänzen, wahrscheinlich sind Abu-Sofians Schaaren gegen uns im Anzug.


Mahomed.


Wir wollen die Blutgierigen nicht erwarten, Omar! wir wollen ihnen entgegenziehen, meiner Freunde sind wenig, aber sie sind alle entschlossen für den Koran zu sterben.


Omar.

Ja, für dich und den Koran.
Mahomed.

Geh voraus, Ali! gebiete den Unserigen, daß sie sich zum Kampfe bereit halten.

(Ali ab.)

Gott des Sieges sey mit uns! Komm, Omar! dein[187] tapferer Arm wird Thaten finden. Kommt, meine Freunde! meine Seele braust über von Muth und Kampflust.


(Er zieht sein Schwerdt. Alle, bis auf die Chöre, ab. Man hört Waffengeklirr aus der Ferne.)

Erstes Chor.

Hörst du die Schilder, die Schwerdter erklingen?
Auf! zu des Kriegsgottes tobender Lust,
Laß uns mitkämpfen, laß und mitringen,
Bieten den Feinden die männliche Brust.
Auf dann! gegriffen zum muthigen Schwerdte,
Fort in des Treffens dickstes Gewühl,
Muthige Kämpfer erbeuten die Erde,
Tod und Gefahren sind ihnen nur Spiel;
Ja, der Tod, der Beherrscher der Feigen,
Er wird der Tapfern Diener und Knecht,
Herrisch führen sie ihn durch die Reigen,
Ihnen gehorcht er im wilden Gefecht.
Zweites Chor.

Ja, ich höre die Schwerdter erklingen,
Muthiges Leben erhebt mir die Brust,
Mit will ich kämpfen, mit will ich ringen,
Stürzen zum Tod mit frohlockender Lust.

(Chöre ab.)


(Eine andre Gegend des Gebirgs.)

Halima allein.
Halima.

Wo soll ich hinfliehen? Ueberall Waffengeklirr, Mord, Verfolgung! – Hier will ich bleiben, bis das Treffen vorüber ist. – Wo mag Mahomed jetzt seyn, ist er vielleicht in Gefahr? Mein Vater, ist er vielleicht getödtet! Schrecklicher Gedanke! Für [188] wen soll ich beten? Für meinen Vater! Verfolgt er nicht des Sehers heiliges, theueres, geliebtes Haupt? Für den Propheten! Wird er nicht vielleicht der Mörder meines Vaters? O wie ist meinem Herzen bange! Mein Leben gleicht der Blüthe des Lotus, sie öffnet ihre Blätter und all ihre duftige Schönheit der Sonne, wenn aber das Gestirn des Tages hinabgesunken ist an den Rand der Erde, so verschließt sie ihren Kelch und trauert verschlossen in sich; leicht verwelklich ist des Lotus Blume, ihre Blätter fallen ab und ihre Stätte wird nimmer gefunden. – Horch! rauscht es nicht durch die Blätter? Nein, mein Ohr täuscht mich mit falschen Schrecken. – Ich ihn lieben, ich den Propheten, den Gesandten Gottes? O frevelhafter Wahnsinn des Staubes. – Horch! man kommt! wo berg' ich mich?


(Sie tritt bei Seite.)

Ali, Nahlid, Bewaffnete.
Ali.

Bleibe hier, Nahlid! mit diesen Männern; Sofian ist von den Seinigen abgeschnitten, dies ist der einzige Weg, auf dem er entfliehen kann, erwarte ihn hier und tödte ihn, wenn er kommt.


(ab.)

Halima (hervortretend.)

Was sagte dir Ali?
Nahild.

Du hier, Halima? Er sagte mir – nein, ich darf es dir nicht sagen.
Halima.

Ich habe es doch gehört, er will, du sollst meinen Vater tödten, wirst du es thun?

[189] Nahild.

O sieh mich nicht mit solchen Blicken an, sie reden zu meinem tiefsten Herzen, und doch muß ich thun, was mir Ali gebot.


Halima.


Du mußt nicht, deine Seele ist sanft und mitleidsvoll, ihr gehorchen, das ist besser als der Rache dienen.


Nahild.

Ich darf, ich kann nicht anders.
Halima.

Man darf viel, wenn man nur will, du bist Mahomeds Liebling, was wird er dir nicht verzeihen?
Nahild.

Ich selber darf es mir nicht verzeihen, denn deines Vaters Leben ist dem Propheten gefährlich.

Halima.

Das verhüte der Himmel. Mahomeds Leben ist mir heilig, wie dir, aber rette, rette meinen Vater; suche der Unbarmherzigkeit keine Entschuldigung und beflecke deine Hände nicht mit dem Blute meines Vaters, ich müßte dich hassen, fliehen, wenn du es könntest.


Nahild.


O Allah! verzeih! Dies Mädchen macht mich zum Verbrecher. Halima, ich werde thun, was du wünschest, obgleich diese Stunde meine Seele auf immer belasten wird. Komm, Halima! ich bringe dich in Sicherheit.


(Zu den Bewaffneten.)

Folgt mir!

(Alle ab.)

Sofian kommt aus dem Gebüsch.
Sofian.

Ha, dieser Weg ist noch offen, jetzt bin ich gerettet. Das war ein Tag! Böse Geister müssen mit dem Mahomed seyn.


[190] Abu-Johl kommt mit Kriegern.

Abu-Johl.

Seyd ihr hier, Abu-Sofian! ich fürchtete mich gefangen.
Sofian.

Das Glück ist uns noch nicht ganz ungünstig, da es uns noch diesen Weg zur Flucht übrig ließ.

Abu-Johl.

Flucht! o schändliches Wort! Wir fliehen? Wehe mir, daß ich diesen Tag erleben mußte, es ist abscheulich.


Sofian.


Nun, stampft nicht so auf die Erde, und werft mir keine so grimmige Blicke zu, ich bin nicht zuerst geflohen.


Abu-Johl.

Ich auch nicht, wer es sagt, redet schändliche Lügen.

Sofian.

Hab' ich es denn gesagt? Geht, spart euern Unmuth für unsere Feinde und verschont mich mit den wilden Ausbrüchen eurer üblen Launen.


Abu-Johl.


Ihr, Sofian, seyd doch Schuld an unserm Verlust und unsrer Schmach, eure Leichtgläubigkeit hat uns ins Verderben gestürzt. Ihr habt an Omars Treue geglaubt und für ihn gutgesagt.


Sofian.


Euer Mißtrauen hat den Omar so wenig vom Verrath abhalten können, als mein Vertrauen; aber ihr sucht nur eine Entschuldigung und freut euch, wenn ihr mich als die Ursache alles Schadens angeben könnt, denn ihr könnt nicht geschlagen werden, ihr habt geschworen, als Sieger oder nie wieder in Mekka einzuziehen; glüklicher Weise habt ihr doch euer kostbares Leben zu erhalten gewußt.


[191] Abu-Johl.


Ich stoße euch mein Schwerdt in die Brust, wenn ihr nicht schweigt, seyd ihr toll, daß ihr mich so reizt?


Sofian.


Eure Hitze verdirbt alles und hat von jeher alles verdorben; wenn ihr ruhig seyn wolltet, so möcht' ich wohl ein Paar vernünftige Worte mit euch reden, aber man kann nicht, ihr geberdet euch wie ein Rasender, es ist nicht anzusehen.


Abu-Johl.


O Omar! verfluchter, abscheulicher, niederträchtiger Verräther! Glaube mir, Sofian! dieser verdammte Omar ist an allem Schuld, wäre er nicht gegen uns gewesen, wir hätten den Mahomed geschlagen, zertreten, aufgerieben. Omars Verrath hat uns geschlagen, er hat mich aus aller Fassung gebracht, aber ich schwöre bei Al-Ozza, ich will es rächen, blutig, entsetzlich.


Sofian.


Um aller Götter willen, mässiget euch, was hilft das Wüthen? Kommt, wir wollen unsere zerstreuten Krieger sammlen und nach Mekka ziehn, kommt, tröstet euch. Ich habe einen Plan, der unsere Feinde verderben wird. Ihr wißt, daß Habib-Ebn-Malec, der Großemir der nomadischen Stämme, seit gestern zwischen Mekka und Tazef lagert; ihm wollen wir unsere Klagen gegen den Mahomed vortragen und uns seinem Urtheil unterwerfen, er hängt an der alten Religion, Neuerung und Aufruhr sind ihm, dem ruhigen Greis, verhaßt; ich glaube, wir werden es leicht dahin bringen, daß er den Mahomed zum Tode verdammt.


[192] Abu-Johl.


Ihr habt Recht, Sofian, ihr seyd doch ein weiser Mann, jetzt fühle ich wieder Muth und Kraft in meiner Seele. Doch werde ich noch vorher alle meine Freunde aufbieten, den Mahomed zu verfolgen; wenn wir ihn vorher tödten können, so ist es besser, wir bedürfen alsdann keinen fremden Richterspruch.


Sofian.

Ihr thut sehr wohl daran, Abu-Johl.

(Beide ab.)

[193] Vierter Zeitraum

(Mahomed liegt unter einem Baume und schläft.)


Das Chor.

Erstes Chor.

Sohn der Stärke! Gott der Siege!
Hülfreich warst du in der Schlacht,
Doch umsonst; zu blutigerm Kriege
Rüstet neu sich Mekkas Macht,
Wir, die Sieger müssen irren
Flüchtig durch die Wüsten fort,
Keine Rettung will uns führen
In des Friedens sichern Port.
Nacht! hüll uns in deine Schatten!
Tag! wir scheu'n dein helles Licht!
Doch, umsonst, denn Wälder, Schatten,
Bergen uns der Rache nicht.
Zweites Chor.

Seht, wie er schlummert,
Freundlich und heiter,
Wie in der Höhle,
Grimmiger Löwen,
Schlummert ein Kindlein. –
Seliger Friede
Kränzt ihm die Schläfe;
Duftige Träume
Streuen die Blüthen
Ueber das Leben,
Ueber die Welt.

[194] Ali, die Vorigen.

Ali.

Mahomed! Mahomed!
Mahomed (aufspringend.)

Ali! du? was begehrst du?
Ali.

O Herr, es bedroht uns ein großes Unglück.
Mahomed.

Welches denn? rede!

Ali.

Habib-Ebn-Malec der Emir der Nomaden lagert im Thal unfern von hier, mehrere Tausend streitbare Männer begleiten ihn und sein Heereszug ist allen Stämmen furchtbar.


Mahomed.

Nun! ist das ein Unglück für uns?

Ali.

Alle Stämme von Mekka, die Haschemiden ausgenommen, haben ihm eine Gesandtschaft geschickt, die ihn zum Schiedsrichter ihrer Streitigkeiten mit dir ernannt hat. Heute werden zehen Koreschiten vor ihn treten und dich der Gotteslästerung, des Hochverraths und des Aufruhrs verklagen; sie sind alle fest entschlossen auf deinen Tod zu dringen.


Mahomed.


O Himmel! welche Gefahr umgiebt mich? Doch stille, meine Seele! es muß ja Rettung kommen. – Aber sprich, Ali! wer gab dir von allen dem Kunde?


Ali.


Ich war diese Nacht in Mekka; Abu-Johl, der verdammte Lästerer, konnte seine Schadenfreude nicht bergen, er trat zu meinem Vater und sprach: Nun, weiser Abu-Taleb! rette dein Söhnlein, denn Mahomeds Frevel hat ein Ende, der große Emir wird ihn zum Tode verdammen und alle seine Anhänger der Schande und der Verbannung Preis geben. So sprach Abu-Johl, und seine Blicke waren [195] noch grimmiger, als seine giftigen Reden. Ehe noch der Morgen graute verließ ich die Stadt, um dich zu warnen.


Mahomed.

Umsonst, wo soll ich hinfliehen? ich muß bleiben und erwarten.
Ali.

Verbirg dich in den Schlünden der Gebirge von Najed, erscheine nicht vor dem Emir.
Mahomed.

Ich erscheine, wenn er mich fodern läßt.

Ali.

Habib muß sich freuen, es muß ihm schmeichlen, daß ihn die stolzen Koreschiten zum Richter erwählet haben; ihnen zu gefallen, wird er dich verderben, du wirst das Opfer seines Ehrgeizes werden.


(Ein Bote kommt.)

Bote.

Bist du Mahomed Abul-Casem, der Koreisch?
Mahomed.

Ja, ich bins.

Bote.

Habib-Ebn-Malec, der Emir der Emiren sendet mich zu dir, du sollst noch heute vor seinem Richterstuhl erscheinen; wessen du angeklagt bist, sollst du aus seinem Munde erfahren.


Mahomed.

Meldet dem großen Emir, ich würde vor ihm erscheinen.

(Bote ab.)

Ali.

So ist es denn unwiderruflich?

Mahomed.

Geh, Ali! nimm diese Männer mit dir (auf die Chöre deutend.) Hüllet euch in Feierkleider und bereitet euch vor Habib zu erscheinen, geht voraus, ich folge euch nach.


(Ali und das Chor ab.)
[196] Mahomed (kniet nieder.)

O Allah! Gott meiner Väter! der du wohnst in der Herrlichkeit siebenfacher Himmel! Weisheit, Allmacht und Gnade umgeben dich von Ewigkeit zu Ewigkeit; deine Barmherzigkeit ist unendlich, alle Schuld gehet darin unter, wie ein Tropfen im Weltmeer. O Herr! erbarme dich auch deines Knechtes, laß mich nicht zu Schanden werden vor meinen Feinden, laß mich nicht ein Spott werden der Gottlosen; sieh gnädig herab auf mich aus deiner ewigen Klarheit, sende mir einen Strahl von deinem himmlischen Lichte, daß deine Wahrheit durch meinen Mund offenbar werde den Völkern, und sie erkennen, du seyest der lebendige, einzige Gott und Mahomed dein Prophet, den du in die Welt gesandt hast, dich zu verkündigen, und durch dein göttliches Leben die Sterblichen zur Unsterblichkeit zu führen.


(Er steht auf.)


Drei Greise treten auf.

Erster Greis.

Bist du Mahomed, der Prophet, den die Bürger von Mekka verfolgen?

Mahomed.

Ja, ich bins, doch wer seyd ihr? euer Ansehen ist so ehrwürdig und so wunderbar zugleich, daß ich euch für die Geister dieses Gebirges halten mögte; wenn ihr es seyd, so würdigt mich eurer Antwort.


Zweiter Greis.


Wir sind die Rabbis der Judäischen Gemeinden im Lande Yatreb, unser Weg führt uns nach Mekka, aber die kühlen Schatten [197] dieses Waldes luden uns zur Mittagsruhe ein, ungesehen von dir haben wir dein Gebet gehört. Ja, du mußt ein Prophet seyn, nur ein Gotterfüllter kann so beten, wie du gethan hast.


Dritter Greis.


Dein Ruf erfüllt ganz Arabien, auch in Yatreb kennt man dich; wir haben stets gut von dir gedacht, denn du gleichst den alten Propheten unsers Volks, und viele ihrer Weissagungen erfüllen sich in dir.


Erster Greis.


Wahrlich, du bist der, von dem geschrieben steht: Er wird kommen und uns erretten von aller Schmach und von aller Knechtschaft der Fremden.


Mahomed.


Wenn ihr von den Meinen seyn wollt, so sprecht: Es ist nur ein einziger Gott, und Mahomed ist sein Prophet.


Alle drei Greise (sich vor ihm niederwerfend.)

Ja, du bist der Prophet des einzigen Gottes, du bist der Verheißene.

Mahomed.

Steht auf, meine Freunde, zieht hin ins Land Yatreb, verkündet dem Volke das Heil, das euch widerfahren ist, und behaltet treu die Wahrheit in euern Herzen. –


Zweiter Greis.


Wir wollen verkündigen, was du uns verkündiget hast, du bist der Messias der Welt; vergiß uns nicht, und wenn dich die Ungläubigen verfolgen, so flüchte in unsere Thäler, wir wollen für deine Vertheidigung sterben.


Mahomed.

Zieht hin in Frieden, Allah geleite euch!

(Die drei Greise gehen ab.)


[198] Nahlid und Mahomed.

Nahild.

Ich habe dir eine sehr traurige Botschaft zu bringen. Kadischa, dein Weib ist gestorben.
Mahomed.

Ich wußte es wohl, daß ich sie nicht wiedersehen würde.

Nahild.

Herr! ich habe dir noch etwas zu entdecken; meine Seele ist schwer belastet, bald möchte ich reden und bald auch wieder schweigen. Sieh mich nicht so gütig an, du wirst mich hassen, ich habe Hochverrath an dir begangen.


Mahomed.

Nimmermehr! du hast geträumt, es kann nicht seyn!
Nahild.

Ich habe den Sofian entrinnen lassen, sein Leben ist mein Werk und dein Verderben.
Mahomed.

Das hättest du gethan? absichtlich gethan?
Nahild.

Ja, Halima bat für sein Leben, und ich, ich liebe Sofians Tochter.
Mahomed.

Du liebst sie?
(Pause.)

Komm! ich verzeihe dir.
(Beide ab.)
(Ebne unfern Mekka.)

(Viel Volk geht ab und zu, dann bringen vier Sclaven einen Thronsessel und setzen ihn nieder, ihnen folgt ein kriegerischer Zug, zuletzt tritt Habib-Ebn-Malec auf und setzt sich auf den Thron nieder, es wird nach und nach dunkler und der Mond geht auf.)

Habib (zum Gefolge.)

Geht, ruft die Gesandten von Mekka zu mir.

[199] Sofian, Abu-Johl, Kaled, Gefolge, die Vorigen.

Abu-Johl (sich vor Habib niederwerfend.)

Ist es mir vergönnt, vor dir zu reden, Emir der Emire! Sonne Arabiens!
Habib.

Wenn du der Sprecher dieser Gesandtschaft bist, so rede.

Abu-Johl (aufstehend.)

Ja, aber es ist eine traurige Angelegenheit, die uns zu deinem Thron führt. Wir sind gekommen, um einen unserer Mitbürger zu verklagen, deine Gerechtigkeit, deine Weisheit und deine Kenntniß der Dinge haben uns bewogen, uns deinem Richterspruch zu unterwerfen; wir wünschen, daß auch unsern Feinden Recht wiederfahre, darum schwören wir, mit ihnen zu thun, wie du es befiehlst.


Habib.

Seyd ihr das alle einverstanden? unterwerft ihr euch meinem Urtheil?

Kaled,
Sofian,
Abu-Johl, wir unterwerfen uns deiner Weisheit.
Habib.

Nun so fahre fort.

Abu-Johl.

Mahomed Abul-Casem, ein Bürger von Mekka aus dem Stamme Koreisch, hat sich des Hochverraths, der Gotteslästerung, des Aufruhrs und des Mordes schuldig gemacht.


Habib.


Ists möglich? Nie habe ich Mahomeds Namen mit solchem schändlichen Zusatz nennen hören; man preist seine Tugenden durch ganz Arabien.


Abu-Johl.


Herr! er ist, wie wir, aus dem edlen [200] Stamm Koreisch entsprossen, er ist unser Mitbürger, unser Verwandter, er war der Genosse unserer Jugend, nur das Uebermaaß seiner Verbrechen, nur der Untergang, den er unserer Stadt bereitet, zwingt uns zu dieser Anklage.


Habib.


Du verklagst ihn des Aufruhrs, der Gotteslästerung, des Hochverraths und des Mordes, wie rechtfertigest du deine Aussage?


Abu-Johl.


Er ist ein Hochverräther, denn er unterhandelt mit fremden Stämmen über Mekkas Untergang. Er hat den Sahamiden die Plünderung unserer Vaterstadt versprochen, wenn sie ihn zu unserm Herrn machen würden; er will nichts als herrschen, darum spielt er den Propheten.


Habib.

Ist keiner, der dem widerspräche? Ist die Anklage erweislich?
Al-Abbas (hervortretend.)

Verzeiht mir, Abu-Johl! eure Aussage ist nicht gegründet.

(Zu Habib.)

Wenn du mir vergönnen willst, zu reden, großer Emir! so könnte ich vielleicht diese Sache ganz aufklären.


Abu-Johl.

Herr! ich bin ernannt zu reden, nicht dieser, es geziemt ihm nicht, mich zu unterbrechen.
Habib.

Ich werde alle hören.
(Zu Abbas.)

Rede!

Al-Abbas.

Ich bin genauer von den Unterhandlungen des Mahomed mit den Sahamiden unterrichtet, als alle andere in Mekka. Mahomed hatte einige Beschwerden gegen die Häupter der Koreschiten, er foderte lange vergeblich Genugthuung, endlich wandte er sich an einige sahamidische Emiren, [201] um durch ihre Fürsprache seine Forderungen durchzusetzen. Sie ließen sich damals nicht mit ihm ein, obgleich sie späterhin sein Bündniß, um Mekka zu verderben, suchten; Mahomed beschloß nichts zum Verderben seiner Vaterstadt, er zerstörte vielmehr die feindseligen Pläne der Sahamiden. – Ich stehe mit meinem Kopfe für das Gesagte.


Sofian.

Wir bestehen nicht auf diesen Klagpunkt, indem wir nicht genug unterrichtet sind.

Kaled.

Wir freuen uns, daß Al-Abbas unsern Mitbürger gerechtfertiget hat, und wir wünschen ihn von jeder Schuld so befreiet zu sehen, als von dieser.


Abu-Johl.

Er hat unsere Götter öffentlich gelästert, er hat sie unförmliche, unmächtige Klötze genannt.
Sofian.

Bei allem, was heilig ist, er hat es gethan.
Viele Stimmen.

Ja, wahrlich! wir haben es gehört.

Abu-Johl.

Er hat eine neue Religion verkündigt, die Jugend verführt, ihre Götter zu verlassen, durch seine Anhänger die Stadt und das Volk in zwei Partheien getheilt, und Unruh und Zwistigkeit in unsere Mauern gebracht.


Viele Stimmen.

Ja, das ist wahr.

Kaled.

Die Eintracht hat uns verlassen, seit dieser falsche Prophet sich durch alle Künste der Verführung Schüler zu erwerben sucht.


Sofian.


Er hat die Stämme von Mekka durch [202] seine Lehren mit einander entzweit und alle Bande der Ordnung zerrissen.


Ein Sclave kommt.

Sclave.

Abu-Taleb, der Oberpriester der Kaabe, wünscht vorgelassen zu werden.
Habib.

Er komme.
(Sclave ab.)
Abu-Johl.

Abu-Taleb ist der Oheim und Erzieher des Mahomed, er wird ohne Zweifel dein Mitleid, o großmüthiger Emir! für den Elenden zu erwecken suchen.


Habib.

Laßt diese Sorge mir.

Abu-Taleb, Ali, Nahlid, Gefolge und die Vorigen.

Abu-Taleb.

Vergönne mir, großmüthiger Sohn des weisen Malec! die Anklagen gegen meinen Neffen mit anzuhören.
Habib.

Es ist dir vergönnt. – Fahre fort, Abu-Johl.

Abu-Johl.

Mahomed hat uns, als wir durch die Wüste zogen, räuberisch überfallen, und als wir uns zur Wehr setzten, dreißig unserer Knechte und zwei Koreschiten getödtet.


Habib.

Wie? er hat euch überfallen, als ihr friedlich vorüberzogt?

Abu-Johl.

Ja, wir zogen vorüber an – an – einem Wald, in dem er mit den Seinigen versteckt war, und da überfiel er uns.


[203] Abu-Taleb.


O großer Emir! diese Aussage ist eine schändliche Verläumdung. Abu-Sofian, Abu-Johl und zehen Koreschiten waren mit hundert und funfzig Kriegsknechten ausgezogen, den Mahomed zu tödten.


Abu-Johl.

Hab ich es denn geläugnet?

Ali.

Der großmüthige Omar war mit ausgezogen gegen den Mahomed, aber Gott wandte sein Herz; er gieng zu dem Propheten über, entdeckte ihm die Gefahr, in der er schwebte, und wurde ein Moslem.


Nahild.


Als Mahomed sah, daß man ihn überfallen wollte, rüstete er sich, zog den Fremden entgegen und schlug sie aufs Haupt.


Abu-Taleb.

Die priesterliche Binde versenge meine weißen Haare, wenn es nicht so ist.
Habib.

Ihr scheint mir unwahr und widersprechend in euren Aussagen, ihr Ankläger!
Sofian.

Herr! wir zogen aus gegen Mahomed, weil uns kein anderes Mittel zu unserer Rettung übrig blieb.

Abu-Johl.

Wenn Mahomed sich rein wüßte, so würde er längst vor dir erschienen seyn, aber davor hütet er sich, er wird wohl noch eine einsame Bergkluft wissen, in der er sich versteckt, um der Gerechtigkeit zu entrinnen.


Abbas.

Er wird erscheinen, denn er ist muthig und wahrhaft.
Abu-Johl.

Al-Abbas scheint ein warmer Vertheidiger Mahomeds geworden zu seyn.

[204] Mahomed, Omar, die Chöre, die Vorigen.

Abu-Taleb.

Da kommt Mahomed selbst, er wird der Verläumdung giftige Zunge zu zähmen wissen.

Habib.

Tritt näher, Mahomed! die Koreschiten haben mich zum Schiedsrichter zwischen dir und ihnen ernannt, unterwirf dich meinem Urtheil.


Mahomed.

Ja, Herr!

Habib.

Du bist schwerer Verbrechen vor mir angeklagt, die Koreschiten beschuldigen dich der Gotteslästerung.


Mahomed.


Der einzige Gott, der alle Dinge geschaffen hat, den die Ungläubigen nicht kennen, hat zu mir gesagt: Mahomed! stehe auf und verkünde den Völkern der Erde meine Wahrheit, daß sie genesen vom Irrthum und die falschen Götter nicht ferner anbeten. So hat der Geist zu mir gesprochen und nicht die frevelhafte Willkühr treibt mich diesem Volke die Nichtigkeit seiner todten, ohnmächtigen Götzen zu zeigen; meine That ist nicht mein Werk, sondern der Wille Gottes.


Erstes Chor.

Das Schicksal hat den Seher sich erkohren,
Es ließ ihn seine tiefsten Tiefen sehn,
Von ihm erzeugt, wird neu die Welt gebohren,
Der Tempel Gottes aus dem Schutt erstehn.

[205] Habib.

Die Koreschiten verklagen dich des Aufruhrs, sie sagen, du hättest Unruhe und Zwistigkeiten in das friedliche Mekka gebracht.


Mahomed.


Ich habe meinen Gott in Licht und Kraft verkündigt, darum sind die Gottlosen gegen mich aufgestanden, mich zu verderben.


Habib.

Mahomed! hältst du nicht deine Wünsche für die Eingebungen eines Gottes?

Mahomed.

Bei den Sternen, die über uns funklen, Gott spricht durch meinen Mund, der Sprecher Gottes kann nicht irren.


Habib.


Hat dich Gott als seinen Propheten an die Völker Arabiens gesandt, so wird er dir auch die Kraft geben, deinen hohen Beruf zu beweisen.


Mahomed.


Hast du den Koran gelesen, und bedarfst du noch eines andern Beweises? Kannst du noch zweifeln, daß Gott durch den Koran spricht? Oder kann ein Sterblicher Worte des Himmels reden?


Habib.


Nicht für mich, nein, um deine Ankläger zu überzeugen, fordere ich, daß du ein Wunder thust, um die Göttlichkeit deiner Sendung außer allen Zweifel zu setzen. Noahs göttliche Sendung bewies seine wunderbare Rettung durch die Arche; Moses hieß dem Felsen Quellen entsprudeln; Jesus von Nazareth gebot der stürmischen See und sie gehorchte ihm. Aehnliche Beweise mußt du geben, wenn die Völker Arabiens deine göttliche Sendung anerkennen sollen.


[206] Abu-Johl.

Ja, wir schwören, wir wollen ihm glauben, wenn er ein Wunder zu thun vermag.
Sofian.

Ja, unter dieser Bedingung wollen wir glauben und ihn als den Propheten Gottes verehren.

Mahomed.

O ihr Bethörten! Ihr wollt mich zu Schanden machen, aber der Gott des Sieges ist mit mir! Wohlan, ich will das Wunder thun.


(Er wirft sich zur Erde nieder. Lange feierliche Stille. Mahomed steht auf und wendet sich mit dem Angesicht gegen den Mond.)


Dunkelheit! steige herauf über die Gebirge Najeds! Mond! verhülle dich auf dem Gipfel des hohen Merva!


(Der Mond verdunkelt sich fast ganz. Lange Pause.)


O Allah! Herrscher der Himmel! du hast mein Gebet erhört. Betäubt stehen die Ungläubigen, Entsetzen hat ihr innerstes Mark ergriffen. O Gott! verherrliche mich jetzt vor ihren Augen in himmlischer Klarheit.


(Der Mond wird sehr hell. Lange Pause.)
Habib.

Ja, wahrlich, Mahomed ist ein Prophet; ihr Völker Arabiens! ihr Männer von Mekka! hört mich! Es ist nur ein einziger Gott und Mahomed ist sein Prophet.


Ali,

Nahlid,
Omar,

Abbas, Heil dir, Mahomed! Heil dir, Liebling der Gottheit!


Viele Stimmen.

Wahrlich! Mahomed ist der Prophet Gottes.
Habib.

Er ists, zweifelt nicht, unterwerft euch ihm, ihr Männer von Mekka!
[207] Abu-Johl.

Nimmermehr, er ist ein Betrüger.
Sofian.

Es sind betrügerische Künste, mit denen er blendet und verführt.
Kaled.

Wie? unsere wohlthätigen Götter sollen wir verrätherisch verlassen und dem Lügenkünstler anhangen?
Habib.

Ist das euer Wort, euer Schwur, ihr Koreschiten?

Mahomed.

Wundere dich des nicht, Sohn des weisen Malec! so verkehrt, so treulos war immer das Beginnen meiner Feinde; so sind ihre Thaten und ihre Schwüre Fallstricke, die Treue zu betrügen.


Habib.

So verlasse die Treulosen, o Mahomed! und komm in die Wüste, ich werde dich schützen.

Abu-Johl.

Und auch du lässest dich von ihm bethören, großer Emir? Fliehe ihn, Blendwerk, Täuschung und Betrug sind seine Wunder, seine Nähe ist gefährlich.


Habib.


Eure Wahrhaftigkeit erprobt sich heute schlecht, ihr Koreschiten! Ich habe euch nun nichts mehr zu sagen, ich verlasse euch und Mekka. Ihr werdet zu spät bereuen, was ihr heute gethan habt. Du, Mahomed, wirst stets eine sichere Freistatt bei mir finden. Lebe wohl! Heil wiederfahre dir!


(Er geht mit seinem Gefolge ab.)
Abu-Johl (zu Mahomed.)

Das ist dir gelungen, abscheulicher Betrüger! Auswurf deines Volkes! Schandfleck deines edlen Stammes!


[208] Ali (zieht sein Schwerdt.)

Giftiger Lästerer! dies sey deine letzte Schmähung.
Mahomed.

Lasse den Unsinnigen, seine Raserei ist nicht gefährlich.
Abu-Johl.

Nicht gefährlich? Bei Al-Ozza, mein Schwerdt soll dir gefährlich seyn.
(Er zieht das Schwerdt.)
Omar (zu Mahomed.)

Er zieht das Schwerdt gegen dich! Lasse es nicht ungerochen, Mahomed! Auf, ihr Moslems! vertheidigt den Propheten!


Sofian.

Zu den Waffen! zu den Waffen, ihr Koreschiten!

(Alle ziehen die Schwerdter, das Volk theilt sich in zwei Partheien, der größere Theil ist auf Mahomeds Seite.)

Abu-Johl.

Krieg! Krieg! einmal muß es sich entscheiden, darum begonnen!
Sofian.

Laßt uns heimziehen, Abu-Johl! ihr seht die Uebermacht ist auf Mahomeds Seite.
Kaled.

Wir wollen heimziehen, wir können heute nicht gewinnen.
Abu-Johl.

Eure Feigheit verdirbt uns, sie schlägt uns, nicht Mahomeds Schwerdt.
Ali (zu Mahomed.)

Laß uns schlagen, wir werden siegen.
Omar.

Bei Gott! Der Augenblick ist sehr günstig.

Mahomed.

Laßt sie in Frieden ziehn, der Augenblick ist noch nicht gekommen, Mekka ist uns noch nicht gegeben und unnöthiges Blut mag ich nicht vergießen.


Ali.

O Herr! Laß uns die Feinde schlagen!
Mahomed.

Gehorche!
[209] Abu-Taleb.

So kommt, ihr Koreschiten, folgt mir nach Mekka.

Abu-Taleb, Kaled, Sofian, Abu-Johl und Gefolge gehen ab.

Omar.

Es ist nicht klug, o Mahomed! daß du die Feinde so glücklich entrinnen ließest.
Mahomed.

Verzeihe mir, Omar! es war nothwendig.

Tarrik, Othmann, Gefolge, die Vorigen.

Tarrik.

Sey gegrüßet, Mahomed!

Mahomed.

Willkommen Freund! gesegnet sey die Stunde, die dich mir zuführt. Aber sprich, warum vernahm ich so lange nichts von dir?


Tarrik.


Ich verließ dich bei Mekka mit dem festen Vorsatz, durch deine Hülfe in diese Stadt zu dringen; bald aber vernahm ich, du verfolgtest einen ganz andern Plan, als den ich entworfen hatte, da bemächtigte sich Mißtrauen meiner Seele, ich wollte erwarten, was aus dir würde und dich zu Grunde gehen lassen. Mit diesem Entschluß kam ich nach Medina, da sah ich Othmann, er verkündigte mir, du seyest der Prophet des einzigen Gottes, er las mir den Koran, ich erkannte die Göttlichkeit deiner Sendung und wurde ein Moslem. Gebiete mir jetzt, ich will dir dienen als der treuste deiner Knechte.


Mahomed.


Laß des Korans Schicksal dein eignes werden, dies, Tarrik! ist der Sinn unserer Gemeinschaft. – Und du, Othmann! hast mir ein köstliches Kleinod in diesem Freund erworben.


Othmann.


Herr, überall war das heilige Wort [210] des Koran lebendig in That und Wirkung. Medina erkennt dich als den Gesandten des Himmels, und Giasar hat im Lande Yatreb viele Schüler und Freunde für den Islam erworben. – Glück und Sieg war mit uns, nur die Stämme Thaab, Moharab und Aum widerstreben dir, sie verfolgen deine Anhänger und bedrohen deine Freunde in Medina mit Mord und Verwüstung; Schrecken hat sich dieser Stadt bemächtigt, und sie fleht dich um Hülfe gegen ihre ergrimmten Feinde.


Mahomed.


Hülfe soll ihr werden. Du, Tarrik! brich auf mit deinen Schaaren und beschütze Medina. Du, Omar! ziehe gegen die Stämme von Thaab und Aum, ich will dir den wackern Obeida zum Begleiter geben. Und du, mein tapfrer Ali! sollst mit mir gegen unsern grimmigen Feind, den Sarakos, ziehen, Nahlid begleitet uns. Ihr wißt nun alle, was ihr zu thun habt, beginnet muthig eure Bahn; denn ich sage euch, wahrlich! wir werden uns siegreich vor Mekka versammlen.


Alle ab bis auf die Chöre.

Erstes Chor.

Ungerne wirst du,
Theure Erde!
Trinken die Tropfen
Bluts deiner Kinder,
Trauernd verhüllen
Blutige Leichen
Blühender Söhne,
Die du erzeuget.
[211] Zweites Chor.

Umsonst schlingt wechselnd sich der Tanz der Horen,
Ach! keine Stunde führt uns Frieden zu,
Der höchste Reiz geht im Gewühl verloren,
Die tiefe Stille und die süße Ruh.
Erstes Chor.

Fort, daß die tiefe Sehnsucht nicht erwache,
Fort in die Schlacht, zu Mord und Tod und Rache.

[212] Fünfter Zeitraum

(Thor vor Mekka. Freier Platz, zur Seite Gezelte, im Hintergrunde das Thor von Mekka.)


Die beiden Chöre.

Erstes Chor.

Des Sieges Fittig hat uns fortgetragen,
Durch Kämpfe, Schlachten, nach Medina hin.
Ja, unsrer Feinde Kraft hat Gott zerschlagen,
Und ihre Blüthen rafft das Schwerdt dahin;
Und auch der Feinde Stolzeste verzagen,
Sie wissen, voll ist ihrer Sünden Maaß.
Die Mütter Mekkas, sie verklagen
Das tapfre Schwerdt, das ihre Söhne fraß.
Zweites Chor.

Der Gott der Starken führt uns durch die Wüste,
Des Sehers Arm gab Sieg, wie sein Gebet,
Medina, die gepriesne Stadt, begrüßte
Als ihren Herrn, den göttlichen Prophet;
Arabia gehorchet unsern Winken,
Die stolze Mekka widersteht uns noch,
Doch ihre hohe Mauern sollen sinken,
Die Niebesiegten tragen unser Joch.
Erstes Chor.

Doch auch der unsern Viele sind gefallen,
Hingeraffet von der Feinde Schwerdt;
Laßt für die Toden Klaggesang erschallen,
Denn ihre Thaten sind des Nachruhms werth.
[213] Beide Chöre.

Bedr, deine Erde hat getrunken
Unsrer Freunde, unsrer Tapfern Blut;
In des Lebens Mai sind sie gesunken,
Sind verlöschet in der Jugend Glut.
Beklagt ihr Mädchen! ihre süße Schöne,
Die Anmuth, die zum dunklen Grabe sinkt,
Arabia! beweine deine Söhne,
Daß sie so früh die lange Nacht verschlingt.
(Halima kommt von der einen, Nahlid von der andern Seite.)
Halima.

Komm, Nahlid! und höre, ein großes Unglück bedroht mich. Sofian, mein Vater, will Frieden schließen mit dem Propheten, mich fodert er zum Unterpfand des Vereins; und kannst du es glauben? Mahomed willigt in den Vertrag.


Nahild.

Nimmermehr, er kann dich nicht so betrüben.

Halima.

Glücklich wäre ich, könnte ich noch den kleinsten Zweifel haben, ja ich wollte gerne sterben, wüßte ich nicht, wie bereitwillig er ist, mich aufzuopfern. Er will nur herrschen, mag auch die Welt darüber zu Grunde gehen, das kümmert ihn nicht. – O Himmel! verzeih, daß ich den Propheten lästere; doch meine Seele ist zu schmerzlich gegen ihn erregt.


Nahild.

Er soll dich deinem Vater nicht zurücksenden.

Halima.

Hast du vergessen, daß es für ihn keinen Widerspruch giebt? Noch ist ihm alles gelungen, noch hat er immer gethan, was er wollte, er wird [214] es heute nicht verlernen, er wird mich zurücksenden, und ich werde verzweiflen, sterben vor Betrübniß.


Nahild.


Ich schwöre dir bei dem Engel des Paradieses, Mahomed soll dich nicht zurücksenden, ehe sterbe ich, ehe ich dieses dulde.


Halima.


Nein, Nahlid! du sollst nicht sterben, du bist so gut, und ich liebe dich auch, doch nicht so, wie du es verdienst, denn meine Seele ist so erfüllt von Anbetung und Liebe für den Seher.


Nahild.


O! das weiß ich wohl, seiner gedenkst du, und immer nur seiner, dein Herz hat keinen Raum für mich, das ist der Todesengel, der neben meinem Leben daher tritt. Warum bin ich nicht gefallen mit meinen Kampfgenossen in unsern Schlachten? Warum bin ich nicht begraben bei Bedr?


Halima.

Du machst mich traurig, Nahlid!

Nahild.

Sey getrost, für dich lebe ich, für dich will ich sterben. Geh! ich suche den Mahomed, bald ist dein Schicksal entschieden.


(Die Chöre und beide ab.)


Omar, Ali.

Omar.

Kann ich den Propheten noch nicht sprechen?
Ali.

Gedulde dich, es sind Abgeordnete der Stämme Odal und Kara bei ihm.
Omar.

Was begehren sie?
Ali.

Sie wollen, der Prophet soll ihnen Abgeordnete senden, die sie im Koran unterrichten.
[215] Omar.

Was waren das für Männer, die eben in das Gezelt Mahomeds traten?

Ali.

Es waren Gesandte des Königs Nejus von Habesch, sie brachten dem Propheten Gruß, Freundschaft und Geschenke.


Omar.


Ich habe mit Obeida's Hülfe die Stämme Thaab und Aum überwunden; aber meine Thaten genügen mir nicht, ich beneide euch um die Siege bei Bedr und Rawina.


Ali.


Es waren zwei große Tage. Bei Rawina waren fünf Völker gegen uns, aber Mahomeds Schwerdt war wie ein zehrendes Feuer; Zaid, Zobair, Abu-Bekr, Hamza und andere kämpften wie Löwen und der Sieg war unser.


Omar.

Abu-Johl blieb in der Schlacht bei Bedr?

Ali.

Die Rache des Himmels hat ihn ereilt, Abdohla's gutes Schwerdt sandte ihn zur Hölle; aber auch Hamza, der edle Hamza, mußte den Sieg bei Rawina mit dem Leben erkaufen.


Omar.

Habt ihr den Sarakos überwunden?

Ali.

Ja, doch nicht mit dem Schwerdt, er ist ein Moslem geworden, besiegt von Mahomeds begeisterten Reden.


Omar.


Wahrlich! Mahomed ist der Sohn des Glückes. Wenn ich an jenen Tag zurückdenke, an dem er ohne Mittel, ohne Freunde, ein verbannter Flüchtling, den ungeheuern Einfall hatte, Arabien zu erobern, mein Geist widerstrebte damals diesen abentheuerlichen Gedanken, aber seine Beredsamkeit [216] hielt meine Zweifel gefangen, und nun ist es ihm doch gelungen, was der Welt und Nachwelt unmöglich scheinen muß; Arabien hat sich ihm unterworfen, er muß sich selbst darüber wundern.


Ali.

Wohl! Aber ist nicht alles wunderbar in und um ihn?

(Mahomed, das erste Chor und kriegerisches Gefolge kommen von der einen, Othmann, Tarrik, Zobair und Saad von der andern Seite, die Vorigen.)

Mahomed.

Sind alle meine Hauptleute versammlet?
Zobair.

Abubekr und Obeida fehlen noch.
Mahomed.

Und warum erschienen sie nicht auf meinen Befehl?
Saad.

Abubekr ordnet deine Völker auf dem Hügel Thu-Tawa.
Omar.

Obeida führt deine Krieger nach den Vorstädten.
Mahomed.

Gut. Ist mein Bote von Mekka zurückgekommen?
Ali.

Wir erwarten ihn jeden Augenblick.
Mahomed.

Wie viele Krieger führst du mir heute zu, wackrer Tarrik?
Tarrik.

Mehr denn Tausende.
Mahomed.

Sey mir gegrüßet, Omar! Ueberwinder zahlreicher Feinde! Wie viel Ansaren führst du?
Omar.

Neun hundert warten deines Befehles.

Mahomed.

So stehn heute zehntausend rüstige [217] Streiter versammelt, um Mekka zu besiegen. Seht, Freunde! so groß und mächtig hat Gott seinen Propheten gemacht, darum verzagt nicht, was ich euch auch befehlen werde. – Wisset, der große Tag ist angebrochen, an welchem wir unsere Siegerfahne auf der geweihten Kaaba aufpflanzen müssen. Ehe noch die Sonne drei Viertheile ihres Laufs vollbracht hat, ziehe ich als Sieger in Mekka ein.


Einige Stimmen.

Unmöglich!
Ali.

Bei deinem heiligem Haupte, Prophet! ich habe dies Wort nicht ausgesprochen.

Mahomed.

Ali! du bist geboren, die Wahrheit, die ich verkündige, mit deinem tapfern Arm zu beschützen; dein Name soll vor allen andern genannt werden, Sohn des Ruhmes!


Saad.

Herr, ich fürchte, wir sind nicht genug vorbereitet auf ein so großes Unternehmen.
Tarrik.

Meine Krieger haben nicht ausgeruht.

Mahomed.

Könnt ihr jetzt noch zweifeln, ihr Kleingläubigen? Der Gott der Stärke war allenthalben mit uns, er sandte tausendmal Tausend Engel, uns den Weg zum Sieg zu zeigen, und jetzt, da wir den Gipfel der Herrlichkeit und Macht erreicht haben, jetzt fürchtet ihr? Erinnert euch des Tages, da wir uns in dem Lager des Großemirs zerstreuten, um unsere Feinde zu bekriegen; damals war unsere Anzahl gering, unserer Mittel wenig und euer schwankendes Vertrauen des Zufalls Knecht; aber ich sprach zu euch: Fürchtet euch nicht, wir werden [218] uns siegreich vor Mekka versammlen; jetzt ist das unbegreifliche Wunder geschehen und ihr zweifelt abermals?


Ali.


Vertraue mir das heilige Panier, ich schwöre dir, Prophet! ich will es heute noch auf die Kaaba pflanzen.


Othmann.

Und ich begleite den Ali.
Omar.

Ich kann nicht Alis Nachtreter seyn, aber gib mir Thaten, ich will sie vollbringen.

Mahomed.

Wohl, so gehorcht. Du, Tarrik, führe deine Krieger nach der Ostseite der Stadt. Zobair, ziehe mit dem Vortrab nach dem zweiten Thor. Omar und Saad führet drei Tausend der Tapfersten nach den Vorstädten, und um die zwölfte Stunde dringt alle zugleich in Mekka ein, laßt jedem, der sich unterwirft, Gnade wiederfahren, denn, beim Allah! ich will jede Grausamkeit, die ihr gegen besiegte Feinde verübt, blutig rächen, höret und gehorchet!


Alle.

Wir thun, wie du gebietest.

Mahomed.

Ich begleite euch nicht, denn ich will nicht mit dem Schwerdt in der Hand die heilige Mekka, betreten, mich soll nicht das Gewinsel der Sterbenden empfangen, friedlich will ich einziehen, so geziemet mirs; heute mögt ihr für mich arbeiten. Geht jetzt, Allah ist mit euch. Bleibe du noch bei mir, Ali.


(Tarrik, Omar, Othmann, Saad und Zobair ab.)

[219] Ali.

Was willst du von mir Herr?

Mahomed.

Ich will dirs nicht verbergen, Ali! daß du mir werth bist vor allen, denn du bist kühn, weil die starke Seele es dir gebietet; du bist tapfer aus Tapferkeit, die andern aber sind es aus Ruhmsucht, das hab ich heute und schon oft erkannt, darum sollst du meinem Herzen von nun an der nächste seyn.


Ali.

Ich habe mir oft deine Gunst gewünscht, aber ich konnte nie sehr darnach trachten.

Mahomed.

Ich weiß es und kenne dich, darum will ich dir noch etwas vertrauen: Sofian wird sich mir heute ergeben, dies ist ein großer Schritt zu Mekkas Besitz.


Ali.

Nun das ist mehr als wir hoffen konnten.

Mahomed.

Trage Sorge, daß die Führer das Volk von Mekka schonen, ich will nicht, daß unschuldiges Blut den heiligen Boden beflecke.


Ali.

Ich will es thun Herr!

(Ali ab.)


Nahlid und die Vorigen.

Nahild.

Herr, laß mich die Erhörung einer Bitte finden, sende Halima nicht zu ihrem Vater.
Mahomed.

Deine Bitte kommt zu spät.

Nahild.

Wenn du mich je geliebt hast, so nimm dein Wort zurück, mein ganzes Leben will ich dir dafür schenken.


Mahomed.


Du weißt Nahlid! wie ungern ich [220] dir etwas verweigere, aber es kann nicht geschehen, es ist unwiderruflich.


Nahild.


O sprich mein Todesurtheil nicht mit diesem Wort; rette! rette! Sofians Tochter; wann du wüßtest, wie sie nur für dich lebt, doch das solltest du nicht erfahren.


Mahomed.

So höre doch, lieber Nahlid! es kann ja nicht geschehen, füge dich der Nothwendigkeit.

Nahild.

Es soll geschehen, du sollst nicht herrisch über sie entscheiden dürfen; sollst nicht alles können, was du willst.


Mahomed.

Besinne dich Nahlid, soll ich von dir erfahren, was ich darf?
Nahlid (sich vor ihm niederwerfend.)

Vergieb! aber tödte Halima nicht durch dein grausames Wort.
Mahomed.

Ich habe sie schon zu ihrem Vater gesendet.

Nahlid (aufspringend.)

Es ist geschehen? – So stockt meine Pulse! Brich mein Herz! Alle Liebe hat sich von mir geschieden, einsam stehe ich am Rande des öden Lebens. Nacht! wohlthätige Nacht! nimm mich auf in deine Schatten, begrabe mich in deine Tiefen, dahin keine Luft und kein Leben kommt. Und du Mahomed! freue dich! dein unzerbrechlicher Wille hat wieder obgesiegt.


Mahomed.

Wahrlich, du rasest!

Nahild.

Ja Raserei war meine unsinnige Liebe zu dir, so sey mein Sterben auch Raserei. Hier endet meine Knechtschaft und deine Tirannei. Tod, [221] komm! zerbrich die Ketten, die mich an den Uebermüthigsten der Menschen fesseln.


(Er rennt sich in sein Schwerdt, Mahomed will es verhindern, aber Nahlid sinkt tod zur Erde.)

Mahomed.

O Nahlid! mein theurer, theurer Nahlid!

(Er verhüllt sich.)

Erstes Chor.

Unselige That!
Die du mit Tropfen
Giftiger Schmerzen
Mischest den Becher
Herrlicher Freuden. –
Dunkele Wolke
Im Mittagsglanze!
Welkende Blume
Im Kranze der Lust!
Wehmuth befällt mich,
Seh ich entblättert
Also die Blüthe
Fröhlicher Jugend,
Ehe des Sommers
Glut sie geküßt.

Al-Abbas, die Vorigen.

Abbas.

Heil dir, großer Prophet!
Mahomed.

Ha! du, Al-Abbas? welche Kunde bringst du mir?
Abbas.

Was ist hier vorgefallen? Ist nicht Nahlid todt? O Allah! er blutet.
Mahomed.

Schweige! o schweige mir von dem Unglückseligen.

(Einige von dem Gefolge tragen Nahlid weg. Lange Pause.)

[222] Abbas.

Trauriger, jammervoller Anblick!
Mahomed (für sich.)

O Nahlid! was hast du mir gethan. Vergib. Abbas! was wolltest du mir sagen?

Abbas.

Ich bringe dir Abu-Sofians Gruß; er wird sich dir unterwerfen. Aber du kennst ihn, weißt, wie er stolz und hartnäckig ist, darum begegne ihm nicht wie einem Ueberwundnen.


Mahomed.


Erwiedere seinen Gruß in meinem Namen, ich will ihm begegnen als der Ersten einem, und daß er erkenne, wie ich ihn ehren will, ertheile ich sogleich meinen Kriegern den Befehl, daß Gnade allen Feinden, die sich in Sofians Pallast flüchten, wiederfahren soll. Verkündige ihm diese Botschaft, Abbas! Ich gehe das Zeichen zum Angriff zu geben. Suche das Volk von Mekka in Ruhe zu erhalten.


(Alle, bis auf das Chor, ab.)

Erstes Chor.

Endlich erscheinet
Nah die Entscheidung,
Bald ist erklimmet
Jegliche Höhe;
Bald ist ersieget
Jeglicher Lorbeer. –
Schauer durchzuckt mir
Meine Gebeine,
Aengstliche Schwere
Drückt mir den Busen,
Seh' ich das Ziel nun
Meines Beginnens,
[223]
Muthigen Strebens
Ende vor mir. –
Jegliches Ende
Schrecket die Seele,
Scheucht des Gedankens
Ringen und Streben
Rückwärts. Die Schranken
Aller der Dinge
Werden da sichtbar.
Endlichkeit redet
Wehmuth zum Herzen,
Lähmet das Leben
Muthiger Lust.
Sofian, Halima, Al-Abbas, die Vorigen.
Halima.

Allah sey gepriesen, der euer Herz verwandelt, mein Vater! denn ich hätte es nicht ertragen können, euch wieder als den Verfolger des Propheten zu finden.


Abbas.

Wenn Mahomed kommt, so vergeßt nicht, Abu-Sofian! daß er der Ueberwinder Arabiens ist.
Sofian.

Ich werde sehr daran erinnert.
Erstes Chor.

Mädchen! vernehmen
Wirst du die Kunde,
Die dir auf immer
Bleichet die Wange,
Senket die Blicke,
Trübet die Welt.
Halima.

O Nahlid! Unglückselige Ahndung meines Herzens! Redet, ihr Männer! was ist geschehen?

[224] Mahomed, kriegerisches Gefolge, die Vorigen.


(Lange Pause.)

Sofian.

Das Glück hat zwischen dir und mir entschieden, Mahomed!
Mahomed.

Das Glück?
Abbas (zu Sofian.)

Bedenkt –
Sofian.

Ich begrüße dich als den Propheten des einzigen wahren Gottes, als Arabiens Beherrscher,
(Knieend.)

und so unterwerfe ich mich dir.

Mahomed (ihn aufhebend.)

Steh auf, Sofian! mir zur Seite ist ein Platz deiner würdiger, die lange Feindschaft, die uns entzweite, entschlummere zum ewigen Todesschlaf.


Sofian.


Erkenne, daß mich der Wunsch meines Herzens zu dir führt, und nicht knechtische Demuth noch der Zwang ungünstiger Zeiten. Nimm meine Tochter, ich schenke sie dir, sey ihr Herr und Gebieter.


Mahomed.


Werth, sehr werth ist mir deine Freundschaft, Sofian! aber ich ehre deine Tochter zu sehr, um ihr Gebieter zu seyn, und Nahlids Liebe ist mir zu heilig, als daß ich sie besitzen könnte. – Halima! Nahlid starb für dich. – Geh, Halima! lebe dem Andenken seiner Liebe.


Halima.


So lebt wohl denn, süße Hoffnungen! schönes, freundliches Leben; lächelnde Zukunft, lebt wohl! lebt wohl!


(ab.)


(Man hört Waffengeräusch hinter der Scene.)

Mahomed.

Nimm meine Hand, Sofian! zum Zeichen meiner Freundschaft.
[225] Sofian.

Hier ist die meinige, nichts trenne unsern Bund.

Omar, die Vorigen.

Omar.

Heil und Sieg! Mekka ist unser, die Koreschiten vertheidigen noch eine der Vorstädte.
Mahomed.

Sind schon Gefangne in eure Hände gefallen?

Omar.

Mehr denn zwei hundert. Es sind von deinen grimmigsten Feinden. Wenn mein Wort dir werth ist, großer Prophet! so lasse die Schuldigsten von ihnen noch heute enthaupten.


Mahomed.

Verzeih, Omar! ich kann heute nur Worte der Gnade reden.

(Das Thor öffnet sich, es treten heraus: Abu-Taleb, Ali, Othmann, Zobair, Saad, Tarrik und das zweite Chor, Bürger von Mekka, Bewaffnete, zuletzt wird Kaled in Ketten herbeigeführt.)


Abu-Taleb.


Ich begrüße dich als Mekkas und Arabiens Beherrscher. Sey mir willkommen! du wirst die Friedenspalme in unsern heiligen Boden pflanzen.


Mahomed.


Ja, das werde ich, mein edler Oheim! die Palme soll blühen unter dem Schutze des Siegs und der Kraft.


Ali.

Die heilige Kaaba ist in meine Hände gefallen, dein Siegespanier weht auf ihrem Gipfel.
Mahomed.

Ich danke dir, mein tapferer Ali! Ich danke euch allen, meine Freunde!
Alle.

Heil dir, du Prophet Gottes! Sey unser Herr, unser König!
[226] Ali.

Hier steht Kaled, der giftige Bösewicht! ich bitte dich, sprich sein Todesurtheil!
Viele Stimmen.

Er sterbe! er sterbe!
Mahomed.

Nicht also, meine Freunde! entfesselt ihn!

(Saad lößt ihm die Ketten.)

Kaled.

Bin ich wirklich frei, Mahomed?
Mahomed.

Ja, du bists.

Kaled.

Nun, so schwöre ich dir bei Al-Ozza, ich entsage der Feindschaft mit dir, Mahomed! aber dein Unterthan mag ich nicht seyn. Wenn es dir gefällt, so laß mich nach Persien ziehen.


Mahomed.

Du magst hinziehen.

Ali.

Wie? so ungestraft soll uns der Bösewicht entkommen! Vergönne mir, Prophet! daß ich auf Tod und Leben mit ihm kämpfe, denn sein Leben ist mir eine Schmach.


Mahomed.

Wenn du mein Freund seyn willst, Ali! so kämpfe nicht mit seines Gleichen.
Kaled.

Lebt wohl denn, meine Landsleute!

(ab.)

Mahomed.

Begegnet allen Gefangenen, wie diesem Kaled.
Viele Stimmen.

Heil! Heil! dir, Mahomed!
Zweites Chor.

Herrlich zum Kranze
Reih'n sich die Lorbeern,
Die du ersieget,
Nimmer verwelklich
Blühn sie um dich;
[227]
Denn sie umduftet
Himmlische Kühle,
Denn sie erquicket
Ambrosischer Thau!
Erstes Chor.

Im Schicksal hast du Gottesschrift gelesen,
Dem Sterblichen verkündet Lebenskunde;
Du siehst, was wird, was ist, und was gewesen,
Und ahndend sahst du diese große Stunde.
Abu-Taleb.

Laß uns in die Stadt ziehen, mein Neffe! Das Volk erwartet seinen Beherrscher mit Ungeduld.

Mahomed.

O Allah! sey gepriesen, daß du uns bis hieher geleitet hast mit deiner Kraft, daß du deinen Propheten verherrlichst vor den Völkern der Erde, du hast zu dem Schicksal gesagt: Diene ihm! und zu dem Sieg: Tritt zu seiner Seite! – Du hast den Islam ausgerüstet mit dem Mark des Löwen, mit dem Schwerdte der Cherubim, und zu ihm gesprochen: Geh! durchwandle siegreich die Erde vom äußersten Westen, wo die Sonne untergeht in einem Meer von Dunkelheit, bis zu den Völkern des Osten, über deren Häuptern die Sonne senkrecht steht; denn du bist der Ueberwinder, von dem geschrieben ist: Er wird sich den Aufgang unterwerfen und den Niedergang.

[228]

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TextGrid Repository (2012). Günderode, Karoline von. Mahomed, der Prophet von Mekka. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-205B-E