Die Pilger

[115] [117]Der erste Pilger

Ich bin erkranket
An Liebespein,
Mögt' nur genesen,
Wollst du mein seyn.
Dein lieblich Wesen,
Dein Lippenroth,
Hält mich gefangen
Bis an den Tod.
Mein Aug' ist trübe,
Mein' Jugend verdorrt,
Doch kenn' ich noch Heilung,
Wohl weiß ich den Port.
Zu dem will ich wallen
Ob Länder und Meer,
Die Brust ist beklommen,
Das Herz ist mir schwer.
Ich greife zum Stabe,
Ich walle zum Meer;
Es brausen die Winde,
Es tobet das Meer.
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Die Vöglein fliegen
So lustig voran,
Sie suchen den Frühling
Und treffen ihn an.
Es hält mich die Liebe,
Ich bliebe so gern,
Doch ziehet mich Sehnsucht
Zum Grabe des Herrn.
Lebt wohl dann ihr Augen
Von freundlichem Schein,
Mein Blick soll zum Himmel
Gerichtet nur seyn.
Mich sehnet, o süße
Geliebte, nach dir!
Doch wähl' ich das Grab mir,
Des Heilands dafür.
Da kniee ich nieder
Voll bitterem Schmerz;
Da kann ich dich lassen,
Da bricht mir das Herz.
Die Heilung ist bitter,
Der Weg ist wohl weit;
Doch greif' ich zum Stabe
Und ende mein Leid.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Günderode, Karoline von. Der erste Pilger. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-20C3-F