[61] Er muntert sein Gemüthe auf

Du wirst noch wohl, verzagtes Herz,
Vor Unmuth in die Erde sincken.
Was helfen Thränen vor den Schmerz?
Du must ganz andern Julep trincken.
Wo ist dein großmuthsvoller Sinn
Mitsamt dem tapfern Vorsaz hin,
Durch Fels und Müh emporzubrechen?
Betrachte doch den Unterscheid
Der Lieder alt- und dieser Zeit:
Was wird die Nachwelt von dir sprechen?
Erweck einmahl den faulen Muth,
Den Trunck und Wollust eingenommen.
Du brauchst vorwahr nicht schlechte Glut,
Berühmten Seelen nachzukommen.
Hier sezt es Schweiß, hier kostet's Müh;
Du wilst ja, daß dein Nahme blüh;
Der Gram verspricht dir schlechte Tittel;
Er ist ein Kind der Weichligkeit
Und ist bei dem, den Ruhm erfreut,
Das schädlichste Verhindrungsmittel.
Du weist vor Unglück nicht wonaus;
Gedult, die Vorsicht sinnt auf Wege.
Du bist nur selbst dein Marterhaus
Und machst dich selbst zum Guten träge.
Ja, sprichstu, mein Gewißen beißt,
Indem es mir die Fehler weist,
Wodurch ich fast schon gar verdorben:
O halt es nur noch künftig rein,
Die Hofnung wird bald grüner seyn,
Du bist ja wohl noch nicht gestorben.
Der Ernst kommt nimmermehr zu spät,
Bereute Sünde läst sich hüten.
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Die Misgunst, so dich jezo schmäht,
Muß endlich in sich selber wüten,
So bald du nehmlich klüger gehst
Und mit geschickter Art verstehst,
Die alten Scharten auszuwezen.
Dies kan nun anders nicht geschehn,
Als derer Beyspiel anzusehn,
Die Kunst und Weißheit höher sezen.
Der Schatten macht die Farben schön.
So wird der Fehler deiner Jugend
Des reifen Alters Glanz erhöhn;
Bekleid es nur mit wahrer Tugend.
Kein Vorwurf hat bey Leuten Statt,
Die Straf und Zeit gebeßert hat.
Verschiebe nur den Ernst nicht länger;
Ein guter Anfang kürzt das Ziel,
Und wer im Laufen säumen will,
Dem macht die Furcht den Raum gedränger.
Erhize dich durch andrer Ruhm,
Betrachte, sag ich, deines gleichen;
Wie mancher Musen Heiligthum
Glänzt schon von ihren Ehrenzeichen.
Den ziert Asträens Sternenkranz,
Der heist der Canzel Licht und Glanz,
Den führt der Krancken Heil zum Glücke,
Drey zieren schon des Fürsten Stand,
Und zweyen schickt Bellonens Hand
In Ost- und Westen holde Blicke.
Dies sind jezt die, bedenck es recht,
Die noch mit dir vor wenig Jahren
Da, wo man lernt und scherzt und zecht,
Vertraut- und gleiche Brüder waren.
Wie mancher ist darunter stolz,
Der damahls als ein grobes Holz
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Dir auf den Schulen schmeicheln muste,
Wenn ohngefehr der Prüfungstag
Ihm nächtlich in Gedancken lag
Und nichts als dich zum Helfer wuste.
Jezt wird er als ein großes Thier
Dir kaum noch über Achsel dancken.
Ach faules Herz, wo bleiben wir?
So brich doch mit Gewalt die Schrancken.
Es reizt dich selber deine Noth,
Greif an und adle deinen Tod,
Wer kehrt sich an die schlechte Wiege?
Ich weis, der Himmel hilft dir nach
Und will nicht, daß dir Creuz und Schmach
Bis in das Grab zur Seiten liege.
Der Aberglauben soll sich nicht
Vor unsrer Bischofsmüze bücken,
Ich mag durch Urtheil und Gericht
Mir weder Sack noch Küche spücken.
Es bethe, wer da will und kan,
Der Höfe Pracht und Abgott an:
Mein Fuß erspart mir Pferd und Wagen;
Mein Cörper ist auch nicht geübt,
Die Arbeit, so Meßina giebt,
Im naßen Lager zu vertragen.
Die Musen kennen blos mein Pfund,
Dem Phoebus schenck ich Fleiß und Leben,
Er hat mir den beredten Mund,
Ich aber ihm das Herz gegeben.
Und steht mir Meditrinens Treu
Mit allzeit frischen Kräften bey,
So soll mein Nachruhm ewig grünen.
Ich aber will nach meiner Kraft
Mit Redligkeit und Wißenschaft
Der Welt zu Gottes Ehren dienen.

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TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Klagelieder und geistliche Gedichte. Wittenberg November 1715 - Dresden 2. September 1719. Er muntert sein Gemüthe auf. Er muntert sein Gemüthe auf. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-211D-1