[Nun ist es wohl auch einmahl Zeit]

[327] Auf den Nahmenstag Herrn Lorenz Kriegels in Hirschberg


Den 10. Aug. 1722.


Nun ist es wohl auch einmahl Zeit,
Ein Zeugnüß frommer Redligkeit
Mit schlechten Worten darzubringen
Und, da ich weiter doch nichts kan,
Dir jezo, wohlerfahrner Mann,
Ein kurzes Dancklied abzusingen.
Ich bin ein Schuldner, deßen Hand
Zeither schon manch gewißes Pfand
Von deiner Gütigkeit bekommen,
Die mich als einen fremden Gast,
Von dem du nichts als Unruh hast,
Stets werth und liebreich aufgenommen.
Dein ehrlich und dein deutsches Herz
Erweckt mir oft nicht wenig Schmerz
Und plagt bisweilen mein Gewißen.
Warum? Ich weis kein Wiedergelt
Und mag von niemand auf der Welt
Nicht gern etwas umsonst genießen.
Das sag ich mit Bedacht heraus:
Kommst du und dein geneigtes Haus
Mir jemahls aus Gemüth und Sinnen,
So will ich als ein Musenfreund
Von keinem, der es ehrlich meint,
Von nun an weiter Trost gewinnen.
Nein, glaub es ein- vor allemahl:
Erhebt mich einst des Glückes Strahl
Und kan ich deinen Kindern nüzen,
So will ich nach Vermögen thun
Und bey Gelegenheit nicht ruhn,
Sie noch mit Rath und That zu schüzen.
[328]
Wer weis, welch Land mir meinen Herd
Und meinem Fleiße Brodt bescheert,
Das Glücke scheint mich weit zu schlagen;
Es sey, wohin es immer will,
So will ich doch vertraut und still
Dein Lob noch manchem Freunde sagen,
Dein Lob von Kunst, Verstand und Fleiß,
Als deßen Ruhm und Ehrenpreis
Durch so viel Blut und Wunden grünet,
Nachdem die Cur von deiner Hand
Manch Opfer schon dem Tod entwand
Und so viel Krancken treu gedienet.
Was ist nun wohl davor dein Lohn?
Zehn Männer gehn gesund davon,
Mit Noth kehrt einer danckbar wieder.
So gehts im Evangelio,
Es geht auch unter uns noch so,
Die Neune haben tausend Brüder.
Erkennt man gleich nicht deine Müh,
So tröste dich und las es die,
So Hülfe brauchen, nicht entgelten;
Dein Trost ist schon des Nechsten Heil,
Der Himmel zahlt dir vor sein Theil
Und wird den Undanck kräftig schelten.
Dein Haus muß doch an Glücke blühn
Und durch dein heilsames Bemühn
Mehr Seegen und mehr Wachsthum finden
Als Mäckler, die aus Übermuth
Und durch ihr schlimm erworbnes Gut
So plözlich steigen als verschwinden.
Die Vorsicht werfe deiner Ruh
Durch andrer Wohlseyn Früchte zu
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Und las es deiner Kunst gelingen
Und laße dies dein Nahmenslicht,
So sehr die Misgunst wiederspricht,
Dir jährlich neue Kräfte bringen.
Sie führ auch deinen starcken Fuß
Ohn Anstoß, Fall und Überdruß
Bis in des Alters späten Winter;
Und kommstu einst an deinen Ort,
So blüh dein Ruhm in Kindern fort.
Dies wüntschen Eydam, Sohn und Günther.

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TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Lob- und Strafschriften. Landeshut Oktober 1721 - Jena 15. März 1723. [Nun ist es wohl auch einmahl Zeit]. [Nun ist es wohl auch einmahl Zeit]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2323-C