[Wir sattlen zwar auf dein Begehren]

[84] Den auf hohen Schulen mit Vernunft vorgenommenen Zeitvertreib bewunderte an dem Exempel des Herrn Johann Georges Schneiders von Lauben aus der Lausiz, der Heil. Schrift eifrigst befliszenen, bey seiner im Jahr 1718. den 17. Febr. in Leipzig nach Verdienst erlangten philosophischen Würde deszelben bisher gewesene Tischgesellschaft.


Wir sattlen zwar auf dein Begehren,
Gelehrter Freund, den Pegasus
Und wollen dir die Pflicht gewähren,
Die ohnedem nicht schweigen muß.
Doch las dich um Verzeihung bitten,
Wofern er schlechte Sprünge macht,
Man hat ihn gleich zusamt dem Schlitten
Vom Gerberwaßer heimgebracht.
Er drabt doch noch. Nun, so geschwinde
Kommt wohl kein Doctor an den Rang
Und keine Jungemagd zum Kinde
Als unser Klepper in den Gang;
Uns giebt die Lustfahrt auf dem Eiße
Des Reimes Stof und Hauptwerck ein,
Drum wollen wir, doch stummer Weise,
Der Pursche Zeitvertreib beschreyn.
Gesellschaft, Lehrer, Geld, Patronen,
Land, Auferziehung, Leib und Zeit
Macht warlich unter den Personen
Und ihrer Lust viel Unterscheid.
Die Regel gilt auf hohen Schulen:
So mancher Kopf, so mancher Sinn,
So manches Garn, so manche Spulen,
So mancher Bart, so manches Kinn.
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Der eine will die Sprache faßen
Und exhauriret das Latein,
Bis die von ihm bewegten Gaßen
Des guten Kopfes Zeugen seyn;
Der conjugirt beym vollen Glase
Das deutsche τυπτω nach Gebrauch,
Und jenem trichtert eine Laase
Des Bieres Weißheit in den Bauch.
Der sucht die Feder nett zu führen
Und schreibt, wie folgt, an sein Mon Coeur:
Ich will den Stylum exerciren
Und lege mich darauf gar sehr;
Nun weis ich wohl, daß ihn Madame
Recht rein und fließend lehren kan,
Drum sprech ich sie nun par mon ame
Um einen guten Handgrif an.
Die andern lieben die Geschichte
Und schaun sich nach Talandern um,
Menant verderbet ihr Gesichte,
Sie sizen sich beym Ziegler krumm
Und sind darinnen so beschlagen,
Daß, wenn man nur vom Niesen spricht,
So können sie uns hurtig sagen,
Wie viel in Pegu Mord geschicht.
Dem dritten schreibt des Vaters Willen:
Sohn, treibe die Geographie!
Der Sohn ist flüchtig zum Erfüllen,
Zieht Sporn und Stiefeln an die Knie
Und nimmt ein Duzend Reisebrüder
Und zieht nach Stettriz auf das Land
Und schreibet aus der Schencke wieder:
Ich mache mir die Welt bekand.
Wie geht es in den Facultäten?
Der erste weiht sich dem Altar;
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Allein man hört ihn selbst nicht bethen
Als etwan in Duellgefahr.
Der andre spielt mit seinen Rechten
Und drückt den Baldus ziemlich spät,
Und der curirt noch an Geschwächten,
Die Leib und Magen aufgebleht.
Gelehrt-, geübt- und edler Schneider,
Du niemahls fauler Musensohn,
Dergleichen Zeitvertreib ist leider
Auf dem und jenem Helicon.
Die wenigsten sind hier berühret,
Die Menge geht auf kein Papier;
Denn da wir deinen Kranz gespüret,
So wenden wir uns gleich zu dir.
Dein Fleiß ist beßer angeschlagen,
Man kennt dein Forschen heilger Schrift,
Man kan von deiner Klugheit sagen,
Daß sie die schwersten Schlüße trift.
Die Sprachen fließen dir vom Munde,
Die Canzel steht dir artig an,
Drum hat Sophia diese Stunde
Ihr Ehrenkleid dir angethan.
So zeuch nun mit dem blauen Hute
In dein geliebtes Vaterland,
Du hast mit keinem Übermuthe
Vier Jahre müßig angewand.
Wir schmeißen dir den treuen Seegen,
So bald du wanderst, hinten nach:
Das Glücke geh auf deinen Wegen
Und decke bald ein eignes Dach.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Lob- und Strafschriften. (Frankfurt) Wittenberg November 1715 - Dresden Anfang September 1719. [Wir sattlen zwar auf dein Begehren]. [Wir sattlen zwar auf dein Begehren]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-233F-0