[267] An Phillis

Heist dies mein Brüderchen? Sind dies die Sehnsuchtstriebe,
Mich, wie du selber schreibst, von Herzen gern zu sehn?
Ach Gott, was leidet nicht die Unschuld meiner Liebe,
Da bald der erste Sturm so schwer und hart geschehn.
Ich lerne Wetter, Neid, Gefahr und Weg verlachen,
Ich unterbreche selbst der krancken Glieder Ruh
Und eile, dir nur bald die frohe Lust zu machen,
Durch Näße, Frost und Eiß getrost nach Pitschen zu.
Ich komme, suche, steh und frage mit Verlangen.
Umsonst! Mein Kind ist weg und läst mich in der Noth.
Was meinstu, was mich hier vor Unmuth übergangen
Und was vor Herzensangst mir fast das Grab gedroht!
Es blieb mir noch der Trost, dich bald daheim zu sprechen;
Du kommst, ich komme nach, allein zu größrer Qual,
Du must dich oder wilst dich meiner selbst entbrechen
Und gönnest mir sogar nicht einen Friedensstrahl.
Ich schleiche dort und da, ich lausche, seh und höre,
Ich warthe Spiel und Tisch mit Furcht und Hofnung aus,
Dein Haus erzeigt mir auch viel Höfligkeit und Ehre,
Doch da ich dich nicht seh, so ist's mein Marterhaus.
Die Bißen wachsen mir vor Wehmuth in dem Munde,
Ich trinck am Biere Gift und werde roth und bleich,
Indeßen klingt der Schlag der späten Abschiedsstunde,
Da rührt mich allererst der schärfste Donnerstreich.
Der Schwindel trift das Haupt, die Glieder sind geschlagen,
Das Herze schlägt und wallt erbermlich in die Höh,
Die Schenckel können kaum den schwachen Leib mehr tragen,
Und was in ... ist, das macht mir heimlich weh.
Ach, Engel, hastu dich mir nur aus Scherz entzogen,
So wiße, dieser Scherz heist gar zu scharf probiert,
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Der, den du allbereits durch andre Qual gebogen,
Verdient nicht, daß man ihn in solche Schulen führt.
Es nagt und wühlet mir die stumme Furcht im Herzen,
Du dürftest etwan selbst aus Wanckelmuth entfliehn;
Ist dieses nur nicht wahr, so will ich gerne scherzen
Und, was sonst Knoten macht, gar leicht zu rechte ziehn.
Ich bitte dich, mein Schaz, um unsrer Küße willen,
Um alles, was du liebst und was dir Ruh gebiehrt,
Las ja kein fremdes Herz die schöne Brust erfüllen,
Die schon in dir mein Bild und meine Neigung führt.
Gesezt, du nähmest auch den reichsten Kerl auf Erden
Und hättest Stand und Ruhm und alles obendrauf,
Mein Lieben würde dir doch nicht bezahlet werden,
Du machtest dir hernach den schwersten Lebenslauf.
Du köntest meiner doch nicht ganz und gar vergeßen,
Ich wäre dir hernach der Brunnquell steter Pein,
Es würde Wilhelmsdorf dir oft das Herze freßen
Und in der neuen Eh dir oft die Hölle seyn.
Wo sind wohl derer viel, die mit Vernunft und Lieben
Das Elend dieser Welt zu lindern recht verstehn?
Wo sind die, die wie ich in allem treu geblieben
Und bey der Heirat blos auf Herz und Tugend gehn?
Man mag mich immerhin vor allzu zärtlich halten,
Ich suche keinen Ruhm als in der Redligkeit,
Die hab ich von Natur, die soll mit mir veralten,
Die ist mein Hochzeitschmuck und auch mein Leichenkleid.
Ich liebe dich um dich, der Himmel kennt mein Herze,
Und schäze blos an dir Person, Verstand und Treu
Und scheue nichts so sehr als dieses Argwohns Schwärze,
Daß blinder Eigennuz der Liebe Zunder sey.
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Komm, kanstu anders nicht, sogar im gröbsten Kittel,
Du bist mir doch so lieb und bleibest stets mein Kind;
Fleiß, Wirthschaft und Verstand entdecken schon noch Mittel,
Wodurch man in der Welt sein ehrlich Brodt gewinnt.
Der Bund ist unter uns von hoher Hand geschloßen,
Du warest mir durch Gott vom Glücke zugeführt,
Und darum spotte nur der eitlen Modepoßen,
Die jeden Hochzeittag mit ihren Grillen ziert.
Ach Engel, soll ich dich in fremden Armen laßen,
So reiße mich der Tod nur in zuvor dahin
Und gebe mir den Sarg vor deinen Leib zu faßen,
In dem ich doch fast mehr als in mir selber bin.
Wer kan dich, sage mir, von meiner Seite zwingen?
Dein Vater? Nein. Nur Gott, sonst niemand auf der Welt.
Du must nur widerstehn und voller Großmuth ringen,
Bis Lieben und Bestand den Siegeskranz behält.
Ach, lerne freundlich thun und girren, seufzen, weinen,
Des wackern Vaters Herz wird wohl nicht eisern seyn,
Er ist ja auch ein Mann, von dem die Klugen meinen,
Er habe Geist, Verstand und seh die Warheit ein.
Er trägt dein Fleisch und Blut und kan nicht grausam handeln;
Ach, stell ihm unser Herz mit Ernst und Demuth für,
Er wird den Widerspruch in Gütigkeit verwandeln
Und führt dich, wie ich hof, mit Seegen selbst zu mir.
Ficht alles wider uns, so greif ich zu den Wafen,
Womit ein jeder Christ den harten Himmel stürmt,
Und gegen Narrenrath wird der mir Recht verschafen,
Der alle Thorheit wirft, die Berg und Felsen thürmt.
Bist du mir stets getreu, so kan es mir nicht fehlen;
Verliebten wird ja stets der Anfang schwer gemacht,
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Sie müßen in der Angst viel lange Stunden zehlen,
Eh noch die rechte kommt, die Wein aus Waßer macht.
Bedencke auch nur dann das himmlische Vergnügen
Nach überstandner Noth und hingelegter Pein;
Wie werden wir dann nicht auf Anmuthsrosen liegen
Und eins des andern Lust und wahre Freude seyn!
Der Himmel wird uns noch dies Glücke nicht versagen;
Bleib du nur ewig mein und gieb auf keinen Stoß
Und las dich kurze Zeit um meinetwegen plagen,
Ich bethe dich gewis von allem Kummer los.
Ach Phillis, steh dir doch nicht etwan selbst im Lichten,
Du weist nicht, wie so weh verliebte Nachreu thut;
Kan ich vor deine Treu kein Widergelt entrichten,
O so entricht es dir das allerhöchste Gut.
Jezt wende deinen Wiz, Erfindung, Geist und Kräfte,
Erfahrung und Verstand zu klugen Mitteln an
Und sinne Tag und Nacht auch unter dem Geschäfte,
Wodurch wohl unser Heil am besten wachsen kan.
Die Liebe wird dich schon am besten alles lehren,
Was etwan hier zu thun und noch zu sagen ist;
Die Unruh läst mich nicht der Wörter Zahl vermehren,
Nur mercke, fehlt Gewalt, so brauche Rath und List.
Zum Schluße wüntsch ich dir von meines Gottes Güte,
So viel dein Wohlseyn Rath und Hülf und Trost begehrt,
Und hofe starck und fest, du bleibst bey dem Gemüthe,
Dem einmahl deine Brust ihr bestes Pfand gewährt.
Nur schone dir, mein Kind, Gesundheit, Stärck und Leben
Und nimm den werthen Leib durch keine Sorgen mit;
Du solst mir noch einmahl die Jugend wiedergeben,
Die jezo voll Verdruß und Qual zurücke tritt.

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TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Liebesgedichte und Studentenlieder. Phillis. An Phillis. An Phillis. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-23A3-E