[193] Zuschrift an einen guten Freund

Du lockst mich, kluger Freund, mit so viel holden Grüßen
Und sehnst dich, wie man sagt, nach unserm Wiedersehn.
Ich selber wüntsche mir, die Freude zu genießen,
Bevor mein Aug und Fuß sich aus dem Lande drehn.
Denn glaube, daß es mich von Herzensgrund entzücke,
Daß Glück und Zufall mich in deine Gunst gebracht
Und daß ich dir bereits mehr Sehnsuchtsseufzer schicke,
Als du und ich Taback zu Asch und Staub gemacht.
Ich bin zwar schlecht, doch deutsch, das ist von treuem Herzen
Und lieb und suche stets Gemüther gleicher Art,
Die ehrlich, aufgeweckt und sonder Argwohn scherzen
Und derer Mund das Glas nicht in die Winckel spart.
Drum, wo ich solche seh und meines gleichen finde,
Da paar ich mich so bald als unsre ganze Stadt,
In welcher Herr und Frau mitsamt dem Hausgesinde
Den Spruch: Nicht gut allein, zur Lebensregul hat.
Ich kenne dich ja schon an Neigung und Gemüthe
Und glaube, fehl ich nicht aus allzu großer Treu,
Daß die mit Höfligkeit mir nechst erwiesne Güte
Ein fest gelegter Grund zu unsrer Freundschaft sey.
Wofern ich dort zu frey und etwas grob gewesen,
So schreib es deinem Glas und meiner Schwachheit zu
Und las mich künftighin aus deinen Augen lesen,
Daß kein berauscht Vergehn der Freundschaft Einhalt thu.
Du forderst übrigens von meinem Dichterkrame,
Ach, aber fordre nichts, es dürfte dich gereun,
Und der in dieser Kunst mir beygelegte Nahme
Durch so ein schlechtes Zeug mir wenig Ruhm verleihn,
Voraus in dieser Zeit, da fast kein Exulante
Dergleichen schwere Last als jezt mein Phoebus trägt
Und da der Schickung Zorn, die in mein Erbtheil brannte,
Durch Misgunst und durch Noth mich hin und wider schlägt.
Man hat von Alters her das Sprichwort angenommen,
Kein Ort vergnüge mehr als unser Vaterland;
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Ich seh es warlich nicht, es müste denn noch kommen.
Doch was so langsam kommt, das gönnt man nur der Wand.
Das schöne Schlesien ist meinem Musenorden
Theils durch der Gönner Tod, theils durch der Misgunst List
So ängstlich, so verhast und so zum Eckel worden,
Als keinem Isaschar der beste Frischling ist.
Das Land kan nicht davor, dem wüntscht mein Kummer Seegen
Und nebst des Höchsten Huld Carls Schuz und Gnadenschein;
Es habe Fried und Ruh und früh- und spaten Regen
Und laße weder Feind noch Gift noch Miswachs ein.
Das Land kan nicht davor, wohl aber tumme Pfafen,
Die mit verwaschner List den Pöbel an sich ziehn
Und, weil sie nicht gelernt, sich anders Brodt zu schafen,
Dem Hunger und der Scham im Hirtendienst entfliehn.
Dies Volck getraut sich nicht, der Welt gelahrt zu dienen,
Kommt, wie es fortgereist, lauft ungerufen hin,
Borgt auf ein Mägdgen Geld, will Gott als Miedling dienen
Und plagt hernach das Volck mit Geiz und Eigensinn.
Dies Volck hast wahre Kunst wie Mohren weiße Farben,
Und wer ihr albern Zeug nicht bald noch blindlings glaubt,
Den brandmahlt gleich ihr Bann mit falschen Kezernarben
Und quält die Unschuld mehr als der, so Daumen schraubt.
Dies Volk pflegt Freund und Kind und Eltern zu verhezen
Und misbraucht oft das Wort, so alle seelig macht,
Um nur das Volck in Furcht und sich ins Bret zu sezen,
Auf dem die Heucheley der Pharisäer lacht.
Dies Volck wird meistentheils die Ursach meiner Sorgen,
Wobey mein Herz von hier mehr Meilen weiterdenckt,
Als Leinwandjuden jezt blos zum Entlaufen borgen
Und Quasten jeder Mops an seine Prozeln henckt.
Doch davon mündlich mehr, denn was ich denck und fühle,
Das läst sich nicht gar wohl der Feder anvertraun.
Nun dencke selber nach, ob der was Nettes spiele,
Dem Noth und Neid den Weg zur stillen Ruh verhaun.
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Der Geist der Poesie will aufgeräumte Sinnen;
Ja, warthe, bis mein Fuß den Linden näher tritt,
Da soll mir neue Kraft in diese Feder rinnen,
Die mir Calliope schon in der Wiege schnidt.
Dort soll der Rosenthal von meiner Flöthe klingen,
Die Nymphen werden selbst am Pleißenstrande stehn
Und mein vorhin alldort gar wohl bekandtes Singen
Mit Blumen, Klee und Graß und Mund und Kuß erhöhn.
Von dort aus will ich dir mit süßen Liedern dienen,
Wofern nur Glück und Gott den Vorsaz nicht verrückt;
Dort soll mein Lorbeerblat im deutschen Pindus grünen,
Der ganz Europa fast mit seinen Söhnen schmückt.
Jezt schwiz ich Tag und Nacht bey tollen Modereimen,
Die guter Freunde Wort von meiner Hand erzwingt,
Da muß mein Dichtergaul bisweilen kraftlos schäumen,
Zumahl wenn ihn der Wein ins Galoppiren bringt.
Nun aber hat er bald die Unruh überstanden,
Bald wird mich Schlesien nur auf dem Rücken sehn;
Die Arbeit liegt gepackt, der Abschied ist vorhanden
Und, sind zwo Wochen weg, vielleicht schon gar geschehn.
Mein Freund, ich komme bald, mich noch mit dir zu lezen,
Im Fall es dein Patron und seine Gnad erlaubt.
Du brauchst mir weiter nichts als Freundschaft vorzusezen
Und Knochen, die man gern im Sommer kalt beklaubt.
Vor allem rüste dich mit Knaster und mit Pfeifen,
Und mangelt Fidibus, so reiß dies Blat entzwei
Und wiße, daß, eh noch die ersten Äpfel reifen,
Ein beßer Lied vor dich schon auf dem Wege sey.

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TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Zuschrift an einen guten Freund. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-23C9-9