[Es rühme, wer da will, im Lenzen]

[352] Herbstgedancken bey der glücklich vollzogenen Verbindung Herrn Johann Gottfried latzkes mit Jungfer Eva Rosina Herbstin.


Es rühme, wer da will, im Lenzen
Die neue Luft, den grünen May,
Je schöner seine Blumen glänzen,
Je näher rückt ihr Ziel herbey;
Die Augenweide seiner Auen
Steht wie die Schönheit auf der Flucht,
Und was wir heut im Wachsthum schauen,
Wird morgen schon umsonst gesucht.
Der Sommer hat nicht Grund zu prahlen,
Er schröckt die Welt mit Bliz und Schlag,
Die Menge seiner heißen Strahlen
Verkürzt den Schlaf, beschwert den Tag.
Kommt denn der Winter angeschlichen,
So muß die Erd im Trauren gehn
Und unsre Lust in Winckel kriechen,
Wo Grillen am Camine stehn.
Der Herbst bleibt doch der Schmuck vom Jahre
Und hat den Vorzug aller Zeit,
Sein Bildnüß trägt in vollem Haare
Das Füllhorn vieler Fruchtbarkeit;
Er ist der reiche Speisemeister
Der alles zeugenden Natur,
Erquickt die Sinnen wie die Geister
Und zeigt die gröste Seegensspur.
Er füllt uns Augen, Mund und Keller,
Ergözt den zärtlichsten Geschmack,
Er häuft uns auf dem Wollustteller,
Was Garthen, Feld und Wald vermag;
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Sein Wetter schickt sich recht zum Lieben,
Denn weil es keinen Hundsstern kennt,
So wird die Kraft nicht übertrieben,
Wodurch das Blut der Jugend brennt.
Dir hat, mein Bräutigam, ich wette,
Kein Herbst wohl noch so schön gelacht
Als der, so jezt dein Hochzeitbette
Mit Edens Anmuth lustig macht:
Des ganzen Jahres Schaz und Früchte
Versammlen sich auf einer Brust
Und reizen Finger und Gesichte,
So daß du lüsternd werden must.
Betrachte nur des Mundes Rosen,
Die noch kein Bienenstich berührt
Und deren Pracht, dir liebzukosen,
Das Honig auf den Blättern führt.
Die Wangen zeigen bunte Nelcken,
Und wilstu Lilgen und Jasmin,
Die auch bey Frösten nicht verwelcken,
So darfstu nur ihr Halstuch ziehn.
Der Herbst ergözt uns auch mit Trauben;
Dein Herbst giebt Trauben seltner Art,
Hier kanstu preßen oder klauben,
Sie sind allein vor dich gespart;
Und wilstu reinen Wein genießen,
So ist der Lippen Kelter hier,
Woraus die Küße süßer fließen
Als Edenburgs Octoberbier.
Entsteht ein Appetit nach Beeren,
Sie wachsen hier auch durch den Schnee,
Den weder Luft noch Glut verzehren,
Auf einer zweyfach schönen Höh.
Die Herbstzeit liefert gute Fische
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Und baut auch manchen Vogelherd;
Auch dies wird deinem Liebestische
Durch einen schönen Herbst gewährt.
Stell auf und wirf die Sehnsuchtsangeln
Und henck den Freyheitsköder dran;
Das Glücke läst es dir nicht mangeln,
Denn sieh, ein treues Herz beißt an.
Ein solcher Fang ist hoch zu schäzen,
Zumahl wer unsre Zeit bedenckt,
Wo mancher mit vergoldten Nezen
Forellen sucht und Frösche fängt.
Du hast das lustige Gehäge,
Darum vergiß auch nicht die Jagd,
Die Liebe spürt die rechten Wege,
Nur wache früher, als es tagt.
Kein Wildpret kan wohl höher gelten,
Als deines Herbstes Tugend gilt,
Denn diese fängt man schwer und selten,
Weil oft das Schaaf den Wolf verhüllt.
Ich muß mich deutlicher erklären
Und, werther Bräutigam, gestehn:
Das, was dir Wuntsch und Gott gewähren,
Muß über alle Wahren gehn,
Die deiner Handlung Wiz und Glücke
Auch noch so frisch und reich erhält;
Denn du bekommst in diesem Stücke
Das rechte Leben auf der Welt.
Das rechte Leben steckt im Lieben
Und in vertrauter Lustbarkeit,
Der Kummer kan kein Paar betrüben,
Dem Treu und Eintracht Trost verleiht.
Ich darf die Lust nicht erst beschreiben,
Du wirst sie selbst handgreiflich sehn
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Und bey dem neuen Zeitvertreiben
Der Einsamkeit den Rücken drehn.
Die Tadelsucht hängt auch dem Besten
Gemeiniglich ein Kleckschen an,
Vornehmlich bey den Hochzeitfesten,
Wobey der Neid nicht schweigen kan;
Da raisonnirt sie von der Scheitel
Bis auf den Absaz an dem Schuh
Und läst so wenig Tracht und Beuthel
Als Mienen und Person zu Ruh.
Ist gleich die Braut von guten Sitten,
Doch nicht dabey, wie mancher spricht,
Am Leibe lieblich zugeschnidten,
So heist es ein Alltagsgesicht;
Sind Mittel da, so heists: Der Drache
Hat blos den Alp an Mann gebracht;
Und liegt der Mammon nicht im Fache,
So wird der nackte Specht verlacht.
Und kurz: Ein Eckstein gleicht den Bräuten,
Woran sich jedes Ferckel reibt.
Wer kehrt sich an die klemmen Zeiten,
Wo niemand ohne Richter bleibt!
Man laße Neid und Pöbel höhnen,
Gnung, wenn die Vorsicht und ihr Schluß
Das Haupt mit Friedensmyrthen crönen,
Die so ein Bliz verschonen muß.
Der Bund, den deine Wahl getrofen,
Wird dich, mein Bräutgam, nicht gereun;
Das Glücksthor steht zwar allen ofen;
Doch führt die Klugheit nur hinein,
Und diese führt auch dich in Garthen,
Wo Früchte der Zufriedenheit
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Den angenehmen Dieb erwarthen,
Dem hier kein nächtlich Schröcken dräut.
Man sagt zwar sonst: Bestohlne Bäume
Verdorren ohne weitre Frucht;
Dies sind nur abergläubsche Träume,
Denn wenn man die Natur durchsucht,
So findet man Leucojenstengel:
Je mehr man pflückt, je mehr sie blühn;
So wird dein Raub auch deinem Engel
Mehr Wachsthum geben als entziehn.
Du, holde Braut, wirst hier gemeinet;
Denn ist ein kleiner Scherz erlaubt,
So wird, was Jephtae Kind beweinet,
Dir durch die Liebe bald geraubt.
Doch schade vor das Bißchen Blüthe!
Ihr Abfall giebt den Früchten Statt,
An welchen ein vermehlt Gemüthe
Des Paradieses Nachschmack hat.
Herunter mit dem Freyheitskranze,
Der schärfer als die Haube drückt!
Wieso? Doch halt! Es reißt ins Ganze,
Wofern mein Kiel die Antwort schickt.
Dein Bräutgam kan dir auf dies Fragen
Am besten ein Genügen thun
Und deiner Brust nachdrücklich sagen,
Daß Jungfern nicht so sanfte ruhn.
Gieb Acht! Er winckt dir schon zum Scherzen
Und ladet dich zur Herbstlust ein;
Bey dieser wird er deinem Herzen
Den grösten Vorwiz gern verzeihn.
Du bist die Eva, deren Schmeicheln
Ihn ohne Sünde schön verführt
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Und die ihm durch vernaschtes Heucheln
Das Leben vor den Tod gebiehrt.
Dies wird die Zeit mit Freuden lehren;
Mein Phoebus hat sein Amt vollbracht
Und wüntscht mit seinen Musenchören
Das, was euch froh und glücklich macht.
Kein Feldmann wird im Herbste feyren,
Er sät mit Lust auf Hofnung zu
Und kriegt dadurch gefüllte Scheuren:
Mein Bräutgam, dies bedenck auch du!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Lob- und Strafschriften. Landeshut Oktober 1721 - Jena 15. März 1723. [Es rühme, wer da will, im Lenzen]. [Es rühme, wer da will, im Lenzen]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-24C4-B