[164] An die Liebe

Wo, Amor, kommstu denn erst heute
So schnell auf einmahl wieder her?
Ich schwur dir ja nicht ohngefehr:
Nun sind wir zwey geschiedne Leute.
Verschone meiner Sorgen Lauf
Und leg die Pfeile nicht erst auf;
Du siehst, ich bin nicht mehr derselbe,
Den Filindrene küst und drückt,
Noch der, den Weistriz, Pleiß und Elbe
An ihrem Ufer oft entzückt.
Das Alter kommt mir vor den Jahren,
Ich habe zeitig ausgedient,
Mein Frühling ist in Angst vergrünt
Und als ein Strom dahingefahren.
Mein Auge, deßen feurig Spiel
Den Schönen in das Auge fiel,
Hat manchen Siegeskranz empfangen;
Dies Auge sieht jezt läßig zu
Und winckt mit thränendem Verlangen
Der in der Welt versagten Ruh.
Geh, loser Dieb, mit deinen Flammen
Und schmelze Florens harten Sinn.
Sie giebt der Zeit die Schönheit hin
Und will sich selbst zur Noth verdammen.
Geh, bring ihr die Empfindung bey,
Warum sie jung und artig sey
Und wenn und wie man lieben solle!
Geh, flöß ihr deine Klugheit ein;
Es wird ihr mehr als eine Rolle
Verliebter Sclaven Weihrauch streun.
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Du bist gewehlt, wie Kinder pflegen,
Und liebst ein aufgeräumt Quartier;
Dies aber suche nicht bey mir,
Ich müste dich auf Dornen legen.
Der Gram erfüllt auch schon mein Herz,
Du schäckerst, dies verbeuth mein Schmerz,
Und muß ich dann und wann noch lachen,
Geschieht es nur aus Bitterkeit,
Dem Pöbel keine Lust zu machen,
Der über meine Muse schreyt.
Lauf, Amor, lauf mit List und Stricken,
Und such ein Kind von guter Art,
An welchem Glück und Zucht nichts spart,
Stand, Glieder, Wiz und Herz zu schmücken!
Dies unschuldsvolle Schönheitsbild
Nimm, wenn auch Freund und Mutter schilt,
Und las ihm von den Charitinnen
Ihr reizend Ein ich weis nicht was
In alle Wort und Mienen rinnen;
Denn Schönheit ohne dies ist Glas.
Du fragst, für wen ich so viel Gaben
Und so was Seltnes fodern kan?
Lauf, stecke Beuchelts Sehnsucht an,
Dem gilt die Wahl, der soll es haben!
Bediene dich der Finsternüß,
Und gieb ihm jezt davon den Riß,
Bald aber auch den Schaz ins Bette,
Las alle Lust auf einmahl aus,
Flicht Treu und Dauer in die Kette,
Und zeuch auch gar zu ihm ins Haus.
Hier wirft dein Scherzamt mehr Ergözen,
Mehr Herrligkeit und Opfer ab,
Als Cypern seiner Mutter gab.
Hier wird man dich in Rosen sezen,
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Hier wird der Schönen Kuß dein Wein,
Ihr Mund dein Ganymedes seyn,
Hier wirstu Ambrosin bekommen.
Ach, las dir nicht den Lohn entgehn
Und lauf, den Wüntschen vorzukommen,
Die schon nach Beuchelts Herze stehn.
Ja, reichstu dem nach Wuntsch und Willen
Dies, was mein Vorschlag hier gemeint,
So will ich als ein Phoebusfreund
Dein Lob in schöne Fabeln hüllen.
Es liegt ein nett- und deutsches Kleid
Vor deine Blöße schon bereit.
Ich will der Blindheit Vorwurf wenden.
Sieht Amor nicht? Nein, Spötter wist,
Er hat die Augen in den Händen
Und greift, was Beuchelts würdig ist.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Freundschaftsgedichte und -briefe. Landeshut Oktober 1721 - Jena 15. März 1723. An die Liebe. An die Liebe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2668-B