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Als, weinberauscht von vor'ger Nacht,
Bei'm früh'sten Morgenstrahl
Ich nach dem Tamburine griff,
Nach Harfe und Pocal,
Da gab ich dem Verstande Wein
Als Reiseproviant,
Und nach die Stadt der Trunkenheit
Hab' ich ihn abgesandt.
Der schöne Weinverkäufer sah
Mich dann gar freundlich an,
So dass ich, vor des Schicksal's List
Nun sicher, leben kann.
Vom Schenken mit den Bogenbrau'n
Vernahm, was folgt, mein Ohr:
»O du, den sich des Tadels Pfeil
Zum Ziele auserkohr!
Dir schlingt, gleich Gürteln, kein Gewinn
Um jene Mitte sich,
Erblickest in der Mitte du
Nur stets dein eig'nes Ich.
Geh', halte Vögel and'rer Art
In diesem Netze fest:
An gar zu hohe Stellen baut
Sich ein Ăncā sein Nest.
Vertrauter, Schenke, Liedermund,
Dies alles ist nur Er:
Des Wassers und des Thones Bild
Sind Mittel, und nicht mehr.«
So gib mir denn des Weines Schiff:
Ich steu're wohlgemuth
Aus diesem Meer, das uferlos
Vor meinem Blicke ruht!
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Wem frommt es wohl, wenn er um Gunst
Bei jenem König freit,
Der mit sich selber Liebe spielt
Von aller Ewigkeit?
Hafis, ein dunkles Räthsel ist
Die menschliche Natur,
Und wer es zu ergründen meint,
Berichtet Mährchen nur.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Ḥāfeẓ, Šams o'd-din Moḥammad. 9.. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-275A-3