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Erinn're dich an jene Zeiten,
Wo noch dein Dorf mein Wohnort war,
Wo noch der Staub an deiner Pforte
Das Aug' mir machte hell und klar!
Wie Lilien wahr und wahr wie Rosen
– Weil reinen Umgang ich gepflegt –
Bewegte sich mir auf der Zunge,
Was sich im Herzen dir bewegt.
Wenn Sinniges das Herz vernommen
Vom alten Manne: dem Verstand,
So commentirte stets die Liebe
Das, was es allzu schwierig fand.
Beschlossen war's in meinem Herzen:
Nicht leben wollt' ich ohne Freund;
Was thu' ich nun, da mein Bemühen
Und das des Herzens fruchtlos scheint?
Als ich, der Freunde denkend, gestern
Zur Schenke ging mit frohem Muth,
Da fiel ein Weinkrug mir in's Auge,
Den Fuss in Thon, das Herz in Blut:
Ich suchte eifrigst zu erforschen
Des Trennungsschmerzes wahren Grund;
Doch hier gab des Verstandes Mufti
Nur seinen Unverstand mir kund.
Du hast ganz Recht: das Türkissiegel
Des Bul-Ĭshāk erglänzte hell,
Allein die Tage seines Glückes
Entschwanden leider allzu schnell.
O über diese Qual und Härte
In dieser netzumstrickten Welt!
O über jene Huld und Gnade,
Die seinem Kreise nie gefehlt!
Sah'st du, Hafis, das stolze Repphuhn,
Wie es mit lautem Schall gelacht
Und an des Schicksalsfalken Kralle
Der Sorgen ledig nie gedacht?

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Ḥāfeẓ, Šams o'd-din Moḥammad. 60.. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2793-0