[163] [165]Der Buchstabe Kaf.

1.

Ein sich'rer Ort, ein laut'rer Wein,
Ein Freund, der Liebe nährt,
O des beglückenden Geschick's
Ist dies dir stets beschert!
Ein Nichts in Nichts nur ist die Welt
Und Alles was sie thut:
Wohl tausendmal erprobte ich
Dies Wort nur allzugut.
Such' eine sich're Stätte dir
Und nütze deine Zeit,
Denn im Versteck' des Lebens steh'n
Weglagerer bereit.
O Jammer und o Schmerz! Bis nun
Sah ich es nimmer ein,
Es könne nur ein Freund, ein Freund
Der Stein der Weisen sein.
Komm, denn dem Lächeln des Pocal's
Und Lippen von Rubin
Entsagen, ist ein eitler Wahn:
Vernunft missbilligt ihn.
Der Süsse, die der Brunnen hält
In deines Kinnes Rund,'
Kömmt hunderttausendfacher Witz
Wohl nimmer auf den Grund.
Wo weilt der mich zum Guten führt,
Der herzbegabte Mann?
Denn noch auf keinem Wege kam
Ich bei dem Freunde an.
[165][167]
Nie nahet deine Lende mir
Die zart ist wie ein Haar:
Und dieses feine Wahngebild
Entzückt mich immerdar.
Die Thrän' ist roth wie Karniol,
Was Niemand wundern soll:
Gleicht meines Auges Siegelring
Doch auch dem Karniol.
Er sagte lächelnd: »Dir zum Knecht,
Hafis, bin ich bestellt.«
Doch sieh nur bis zu welchem Grad'.
Er mich zum Besten hält.

[167] [169]2.

Des Rohres Zunge weigert sich
Den Schmerz der Trennung vorzutragen,
Denn ich erklärte dir wohl sonst
Was ich von Trennung weiss zu sagen.
Ich wand're mit des Wahnbild's Heer,
Und sitz' auf der Geduld zu Rosse;
Ich steh' dem Scheidungsfeuer nah',
Und bin der Trennung Bundsgenosse.
Weh, dass in Hoffnung auf Genuss
Mein Leben an sein End' gekommen,
Und doch der Trennung lange Zeit
Noch immer nicht ein End' genommen!
Ein Haupt das ich mit hohem Ruhm
Gerieben an des Himmels Wälle
– Ich schwör's bei der Gerechten Schaar –
Legt' hin ich auf der Trennung Schwelle.
Wie kann mit off'nem Flügel ich
In des Genusses Lüfte dringen?
Verlor mein Herzensvogel doch
Im Nest der Trennung seine Schwingen.
Kann meine Seele eine Gunst
Dir abzufordern sich erdreisten?
Dem Schicksal folgen muss mein Herz,
Mein Leib, ach, Trennungsbürgschaft leisten!
Am Sehnsuchtsfeuer ward mein Herz
Zum Braten und, vom Freund geschieden,
Ist immerdar am Trennungstisch
Nur Herzblut mir als Trunk beschieden.
Was nun, da auf des Grames Meer
Versank in eines Wirbels Wogen
Mein leichter Nachen der Geduld,
Vom Trennungssegel fortgezogen?
[169][171]
Gar wenig fehlte, dass nun gar
Mein Lebensschiff gescheitert wäre
Beim Wogenschwall der Lust nach dir
Im unbegrenzten Trennungsmeere.
Der Himmel, als er um mein Haupt
Den Reif der Liebe sah gewunden,
Hat um den Nacken der Geduld
Den Strick der Trennung mir gebunden.
Wer brachte auf die Welt, o Herr,
Der Trennung und des Scheidens Leiden?
In Schwarz soll sich des Scheidens Tag
Und Haus und Hof der Trennung kleiden!
Erreichte mit der Sehnsucht Fuss,
Hafis, man dieses Pfades Ende,
Dann gäbe wohl des Scheidens Zaum
Kein Mensch mehr in der Trennung Hände.

[171] [173]3.

Möge Niemand, gleich mir Krankem,
Je der Trennung Opfer sein!
Denn die ganze Zeit des Lebens
Schwand mir in der Trennung Pein.
Fremd, verliebt, beraubt des Herzens,
Arm und an mir selber irr,
Schleppe ich das Leid der Tage
Und der Trennung Maal mit mir.
Doch erhasche ich die Trennung,
Stirbt sie ganz gewiss durch mich,
Und mit meines Auges Wasser
Tilge dann die Blutschuld ich.
Wohin wend' ich mich, was thu' ich,
Wem vertraue ich mich an,
Dass er mir mein Recht verschaffe
Und die Trennung strafe dann?
Fühlen soll mir nun die Trennung
Deine Trennung, also zwar,
Dass ich Blut nur mache träufen
Aus der Trennung Augenpaar.
Stamm' ich etwa mit der Trennung
Und dem Gram aus Einem Land?
Scheint's doch dass ich nur zur Trennung
Mich dem Mutterschoss entwand.
Darum sing' ich, gleich Hafisen,
Von der Liebe Maal durchglüht,
Tag und Nacht mit Morgensprossern
Immer nur der Trennung Lied.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Ḥāfeẓ, Šams o'd-din Moḥammad. Der Buchstabe Kaf. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-28C9-0