[591] [593]111.

Es hat der Wein zum zweiten Mal
Mich meiner Hand entrückt,
Und durch sein Schmeicheln ist der Sieg
Ihm über mich geglückt.
Gezollt sei tausendfacher Dank
Dem rothen Wein dafür,
Dass er das Gelb aus dem Gesicht
Hinweggenommen mir.
Die Hand verehr' ich, die zuerst
Die Traube hat gepflückt,
Und nimmer gleiten soll der Fuss,
Der sie zuerst zerdrückt!
Es schrieb das Wörtchen: »Liebe« mir
Das Schicksal an das Haupt;
Zu streichen was das Schicksal schrieb,
Ist nimmermehr erlaubt.
O prahle doch mit Weisheit nicht,
Denn, rückt der Tod heran,
So stirbt ein Aristoteles
So wie der dümmste Mann.
O Frömmler, geh' und halte mich
Nicht für gering und klein:
Denn, was ein Gott erschaffen hat,
Kann ja gering nicht sein.
Nicht also eingerichtet sei
Dein Lebenswandel hier,
Dass man einst sage wenn du stirbst:
»Er starb gleich einem Thier.«
Berauscht von Einheit aus dem Glas
Des Urvertrag's wird sein,
Wer da getrunken, wie Hafis,
Vom lauter'n, reinen Wein.

License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Ḥāfeẓ, Šams o'd-din Moḥammad. 111.. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-29AA-E