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Mein Leib ruht keinen Augenblick
Vor übermäss'gem Schmerz;
Durch grenzenlosen Kummer ist
Ganz abgenützt mein Herz.
Wenn aus dem Herzen in den Kopf
Mein Sehnsuchtsrauch sich schwingt,
Geschieht's, dass aus den Augen mir
Der Thau des Grames sinkt.
Auf meine gelbe Wange kann
Nicht schau'n mein Augenpaar:
Aus diesem Grund' bemalt es sie
Mit Herzblut immerdar;
Sieht Jemand, der mir übel will,
Mir dann in's Angesicht,
So zeigt sich meine Wange ihm
Von gelber Farbe nicht.
Die schlimme Zeit, wo immer nur
Sie etwas Böses schaut,
Da streicht sie's in das Auge mir,
Als wär' ich eine Braut;
Und diese Zeit, sie raubte mir
Das was mein eigen war:
Nur Liebe nicht zum Seelenfreund,
Denn sie wankt nimmerdar.
Wie soll mein Auge weinen nicht,
Wie klagen nicht das Herz,
Nicht die Geduld verloren geh'n,
Sich mehren nicht der Schmerz?
Das Loos, als meine Freuden es
Geschaut, da zählt' es sie;
Doch jetzt, wo es mir Gram nur schafft,
Jetzt misst es, ach, sie nie!
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Da meiner überdrüssig ward
Den ich geliebt als Freund,
Wie sollte meines Leibes denn
Erbarmen sich der Feind?
Und klag' ich nicht, so sagen sie:
»Bedürftig ist er nicht.«
Und klage ich, so sagen sie:
»Geschwätz ist was er spricht.«
Sei desshalb unbesorgt, da Gott,
Der mächtig ist und gross,
Kein Thor versperrt, wenn er zuvor
Ein and'res nicht erschloss.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Ḥāfeẓ, Šams o'd-din Moḥammad. 166.. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2A07-5