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Wohl dem Herzen, das den Blicken
Nachzufolgen stets vermied
Und nicht jeder Pforte nahet,
Wenn man es nicht hin beschied!
Auf des Theuren süsse Lippe
Thät' ich besser wohl Verzicht:
Doch wie folgte eine Fliege
Ausgestreutem Zucker nicht?
Du, der nur den reinsten Sitten
Einer höh'ren Welt entspross!
Nein, von der gelobten Treue
Sagt sich dein Gemüth nicht los.
Wasche meines gramerfüllten
Auges Schwarz mit Thränen nicht,
Denn das Abbild deines Maales
Weicht mir nicht aus dem Gesicht.
Keinen Schwärzern als mich selber
Kann im Sündenbuch ich seh'n:
Muss mir nicht der Rauch des Herzens,
Wie dem Rohr, zu Kopfe geh'n?
Schweife, Herz, nicht aller Orten
Ohne Zweck und Ziel umher;
Durch ein solches Treiben förderst
Dein Geschäft du nimmermehr.
Locke mit des Hudhud Krone
Mich vom rechten Pfade nicht,
Denn mein stolzer, weisser Falke
Thut auf schlechte Jagd Verzicht.
Halte mir, dem Ostwind ähnlich,
Deinen Wohlduft nicht zurück!
Ohne deines Haares Spitze
Kömmt zur Spitze nicht mein Glück.
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Decke mit der Nachsicht Saume
Mich, den schmählich trunk'nen Mann:
Denn die Ehre des Gesetzes
Ficht so Weniges nicht an.
Ich, der Bettler, will ein Liebchen
Gleich Zipressen auf der Flur,
Und die Hand an dessen Gürtel
Greife Gold und Silber nur.
Bringe Wein und gib Hafisen
Vor den Ander'n den Pocal!
Doch kein Wort – dies sei bedungen –
Überschreite diesen Saal.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Ḥāfeẓ, Šams o'd-din Moḥammad. 69.. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2B32-E