[513] [515]Zweckgedichte (Kassaid).

1.

Jung, wie die Fluren Irem's ward wieder die Fläche der Erde
Durch die Strahlen des Glück's jenes erobernden Schah's.
Herrscher in Osten und Westen, erscheint er in Osten und Westen
Herrlich als Held, Chūsrĕwschāh und als alleiniger Herr.
Eine ernährende Sonne, ein Sultan, Gerechtigkeit übend,
Fördert er stets nur das Recht, herrschend als Keïjscher Fürst.
Könige setzet er ein im weiten Gebiete der Herrschaft,
Sitzt auf dem Throne des Saal's: »Werde und siehe es ward!«
Er, der der Glanz ist und Ruhm der ganzen Welt und des Glaubens,
Der den Zelter der Zeit fest unter'm Schenkel behält;
Er, des Jahrhundertes Herr, Schĕdschā', die Sonne des Reiches,
Er, ein beglückter Chăkān, er, ein so junger Monarch;
Er, ein Mond dessen Antlitz die ganze Erde beleuchtet,
Er, ein König, durch den hoch sich gehoben die Zeit.
[515][517]
Des Gedankens Sĭmūrgh schwingt nimmer empor sich zum Neste,
Das der Falke gebaut seines hochstrebenden Sinn's.
Gleich dem Winde durchzieht sein Machtgebot Länder und Meere,
Während Liebe zu ihm Menschen und Diwe beseelt.
Du, o Schönheit des Reich's und Reich der Schönheit an Formen,
Du, o Seele der Welt, Welt du der Seele, durch Geist!
Dir beneiden den Thron Dschĕmschīd's und Kejkŏbād's Throne,
Erdĕwān, Darius selbst neiden den Herrscherreif dir.
Spiegelt der Glanz deines Schwert's sich ab im Gedanken des Himmels,
Machen die Zwillinge sich einer vom anderen los.
Eine Sonne des Reich's erscheinst du; – wohin du dich wendest
Folget in Eile das Glück, ähnlich dem Schatten, dir nach.
Keines Jahrhundertes Schacht barg eine Gemme dir ähnlich,
Hundert Jahrhunderte sah'n nie einen Stern der dir glich.
Deine Reize allein verbinden die Seele dem Körper,
Deine Gnade allein fesselt das Mark an's Gebein.
Über die Dinge die nicht im Herzen der Bücher sich finden,
Gibst, durch die Zunge des Rohr's, immer du treffend Bescheid.
Deine spendende Hand, wer kann ihr die Wolke vergleichen?
Diese gibt tropfenweis nur das was du säckelweis gibst.
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Dein so erhabener Ruhm tritt selbst die Himmel mit Füssen,
Mährchen erzählt man vom Meer Deiner stets spendenden Hand.
Bist die Sonne des Wissens, die Kron' auf dem Haupt des Verstandes,
Bist des Weisheitsaug's Licht, Seele im Körper des Reich's:
Wissenschaft und Vernunft machst du nur schätzen und glänzen,
Der das Gesetz du beschirmst, der du den Glauben bewahrst:
Hoher, erhab'ner Monarch, gebietender mächtiger König,
Unvergleichlicher Herr, herrlich an Würde und gross,
Hehre Sonne des Reich's! Mit deiner Gnade verglichen
Wäre der Schatz Schājĕgjān nur ein geringer Atom.
Mit dem Meer deiner Grossmuth verglichen, sind kleiner als Tropfen
Hunderte von Schājĕgjān, welche umsonst du verschenk'st.
Hinter dem Vorhang verweilt bei dir die verschleierte Keuschheit,
Und der Dauer Gepäck legt dir das Glück vor's Gezelt.
Für dein Zelt, dessen Knauf als Sonne erglänzt, schafft der Himmel
Berge und Wolken herbei dir nur zum Sitze und Dach.
Dieser neunfache Atlas, so bunt und mit Gold übersäet,
Ist nur ein höheres Zelt über das Deine gespannt.
Nach den Keijiden besass noch Niemand in Salomon's Reiche
Diesen Prunk, diesen Schatz, dieses gewaltige Heer.
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Deiner Tapferen Schaar ruft, während auf Rosen du wandelst,
Wimmern in Indien hervor, Heulen an Sanguebar's Strand;
Und dein Zelt stand in Rum, als schon der Schall deiner Pauke
Weit bis nach Indien drang und in die Wüste Sĭstān's.
Seit den gelben Palast du erbautest, ist Schrecken gefahren
In des Kaisers Palast und die Gemächer des Chan's.
Lebt von Egypten bis Rum ein Herrscher mit dir zu vergleichen,
Oder von China's Gestad bis nach Cyrene's Gebiet?
Nächstes Jahr bringt man dir die Krone vom Haupte des Kaisers,
Und von China's Chan bringt man dir Steuern zum Thron.
Dankbar bist du dem Schöpfer und dir sind dankbar die Völker;
Dich erfreuet das Glück, und du erfreuest das Volk.
Durch die blumige Flur zieh'st du einher mit Gefolge,
Und dein Schenkel bezwingt kräftig den Zelter der Zeit.
Gotterleuchteter Fürst! Dir strömt von den Schaaren der Engel,
Von Moment zu Moment Segen in's reine Gemüth.
Deinem Herzen enthüllt sich das Geheimste der Dinge,
Die der Schöpfer der Welt hinter dem Vorhang verbirgt.
Deinen Händen vertraute der Himmel die Zügel des Willens,
Sprechend: »Wer bin ich vor dir? leite mich, wie's dir gefällt.
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Bist du in Kriege verwickelt, ich gebe dazu dir die Pfeile;
Sind dir Geschenke genehm, geb' ich aus Schachten dir Gold.
Wo verweilet dein Feind? Zermalme ihn unter den Füssen;
Doch den zärtlichen Freund setze auf's Haupt mir und Aug'.«
Wird doch immer mein Wunsch durch deinen Dienst nur geregelt,
Und verewigt mein Ruhm nur wenn ich würdig dich pries.

[523] [525]2.

Nicht so leicht, wie es scheint, ist's mit der Demuth zu prahlen,
Tausend Dinge erheischt, merke dir's wohl, dieses Thun:
Denn die Schönheit verlangt weit mehr als Lippen von Zucker:
Herschte doch Salomon nicht nur durch das Siegel allein.
Tausendfältige Macht der Demuth bewirket doch immer,
Dass du durch Kunst in ein Herz siegreich dir Eingang verschaffst.
Welche Wolken von Staub' erregtest du mir schon im Leben!
Nimmer ermüde dein Gaul, treib'st ja gar eilig ihn an!
Senke in Demuth das Haupt wenn bei den Zechern du weilest:
Solche Bescheidenheit birgt köstliche Schätze in sich.
Bringe den farbigen Wein! von Hundert ganz eigenen Dingen
Sprech' ich und richte doch nimmer den Islam zu Grund.
Bei dem Fussstaub der Männer die Morgenwein trinken! – Seitdem ich
In des Weinhauses Gau trunken die Wache versah,
Kam nicht Einmal ich noch an einem Gleissner vorüber,
Der nicht unter'm Gewand hätte den Gürtel versteckt.
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Bei dem reizenden Haar beschwör' ich dich: übe das Gute;
Denn vor Verwirrung bewahrt sicher der Schöpfer dich dann,
Wende das Auge der Huld nicht ab von der Lage Hafisens.
Denn dem zweiten Ăssāf mach' ich die Lage sonst kund;
Ihm, dem König-Vesir der Zeiten und Räume beherrschet,
Und der das Menschengeschlecht so wie die Dschinne beglückt;
Mōhămēd Sohn Alī's, der Stütze des Reichs und des Glaubens,
Ihm, dem ein göttlicher Glanz hell aus dem Angesicht strahlt.
Edler gepriesener Mann! bei deinem hohen Verstande
Hast du gegründetes Recht auf die Beherrschung der Welt.
Dir verbrämet, wie billig, das ewige Glück die Gewänder:
Hat doch vergänglichen Ruhm immer dein Streben verschmäht.
Böte der Schatz deiner Huld nicht freudig die Hände zur Rettung,
Würde das Weltall gar bald wieder in Wüsten verkehrt.
Frei von gröberem Stoffe ist deines Körpers Gebilde,
Denn, von Engeln erzeugt, trägst du der Menschen Gewand.
Welche schwindelnde Stufe des Ruhmes müsste man bauen,
Dass dein Gedanke nicht höher noch trüge als sie?
In dem einsamen Haus der Cherubime des Himmels
Ist deines Schreibrohrs Geräusch geistige Reigenmusik.
[527][529]
Dir gebühret mit Recht der Meisterschaft Lob, denn in Grossmuth
Schüttelst die Ärmel du aus über die Edlen der Welt.
Wie beschreibe ich wohl was lang schon an Gnaden du übest?
Segne dich Gott, denn du bist so allerbarmend wie er!
Wie verkünde ich wohl den zündenden Blitz deines Zornes?
Schütz' uns der gütige Gott vor so verheerender Fluth;
Jetzt wo in's Brautzelt der Flur die schöne Rose getreten,
Und noch der Ostwind allein ihr sich zum Freunde geweih't;
Wo Anemonen, zum Schutze der lieblichen Königin Rose,
Mit des Ostwindes Hand röthliche Zelte gebaut,
Ist es so weit schon gedieh'n, durch das emsige Lüftchen des Lenzes,
Dass mit der Gabe es prahlt Leben und Geist zu verleih'n.
O wie entzückte es mich als Morgens der zärtliche Sprosser,
Zu der Rose gewandt, also zu sprechen begann:
»Was beengt dir das Herz? O tritt heraus aus dem Schleier:
Perlet im Krug doch ein Wein, roth wie jemen'scher Rubin.«
Trink'st einen Monat du nicht auf's Wohl der Schönheit der Rose,
Nun, so bereust du's gewiss, nahet der folgende Mond.
Dankbar dafür, dass man jetzt nicht fürchtet verketzert zu werden,
Nimm dir von Rosen und Wein was dir an Wonne gebührt!
[529][531]
Keine Grausamkeit übt ein Glaubensernährer. Bewahre!
Gnade und Huld nur allein fordert des Schöpfers Gesetz.
Das Geheimniss des Wort's »Ich bin die Wahrheit« erkennet
Nimmer der Thor, den die Kraft Gottes nicht zu ihm erhob.
Sieh die Knospe verhüllt im Schleier der Rose; – sie schmiedet
Für das Aug' deines Feind's blutige Lanzen darin.
Dies ist das Haus des Vesir's; der Lust ist's gewidmet, o Schenke;
Hier beschwere den Geist nichts als ein Becher voll Wein!
Du, o Morgen der Hoffnung, du warst es der, rein nur aus Liebe,
Freundlich erschien; da verschwand plötzlich das Dunkel der Nacht.
Zwar ich hörte, dass du zu Zeiten dich meiner erinnerst;
Doch berufest du mich nie in den engeren Kreis,
Fragst auch kein Wörtchen mir ab; dies ist wohl grausam zu nennen:
Denn wie zeigt' ich mich sonst als ein Beredter vor dir?
Von den Hafisen der Welt trug Keiner mir ähnlich zusammen
Was an Freiheit und Geist Weisheit und Koran umfasst.
Es verleihet mein Lob dir hundertjähriges Leben:
Eines so köstlichen Gut's ist, wer dir gleichet, wohl werth. –
Lang spann die Rede ich aus; allein ich hoffe, du deckest
Mit dem Saume der Huld das was ich sprechend verbrach;
[531][533]
Und so lange im Frühling der Ost auf den Blättern des Gartens
Tausend Gebilde entwirft, zart wie Basiliconschrift,
Soll dir im Garten des Reiches am Zweige der Hoffnung beständig,
Ohne dass du dich mühst, blühen die Rose des Glück's!

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Ḥāfeẓ, Šams o'd-din Moḥammad. Zweckgedichte (Kassaid). Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2C2E-1