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Mein schlankes Lieb, das freundlich koset,
Und das zu spielen pflegt mit Bildern,
Hat abgekürzt mir die Geschichten
Die meine lange Tugend schildern.
Sah'st du, o Herz, als Alter, Tugend!
Und selbst Verstand zu Ende gingen,
Was mir gethan ward von den Augen,
Die stets an der Geliebten hingen?
Ich sitze, durch der Augen Wasser
Nunmehr an eines Feuers Rande:
Dies Wasser war's das mein Geheimniss
Verkündet hat durch alle Lande.
Ich sagte: »Mit der Gleissnerkutte
Will decken ich die Spur der Liebe«:
Doch es verrieth mich meine Thräne,
Enthüllend die geheimen Triebe.
Der Freund ist trunken, und erinnert
Sich seiner Trinkgenossen nimmer;
Da lob' ich mir den holden Schenken
Er tröstet ja die Armen immer.
Ich werde – fürcht' ich – meinen Glauben
In Baldem als Ruine schauen,
Denn des Gebetes Ruhe raubte
Der Hochaltar mir deiner Brauen;
Und über mich vergiess ich Thränen,
Indess ich, gleich der Kerze, lache;
Ob wohl auf dich, du Herz von Kiesel,
Mein Glüh'n und Schluchzen Eindruck mache?
Ich mal' in diesem Augenblicke
Ein Bild auf Wasser, durch mein Weinen:
Wann wird was ich nur bildlich schaue
Als volle Wahrheit mir erscheinen?
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Und wann, o Herr, fängt jener Ostwind
Zu wehen an, er, dessen Lüfte
Mein Unternehmen fördern sollen
Durch ihre süssen Gnadendüfte?
Und da, o Frömmler, durch dein Beten
Die Dinge nimmer vorwärts gehen,
Halt' ich den nächt'gen Rausch für besser
Und mein verliebtes Glüh'n und Flehen.
Der Gram verbrannte schon Hafisen,
D'rum wolle, Ost, dies offenbaren
Dem König, der die Freunde nähret
Und schmelzen macht der Feinde Schaaren!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Ḥāfeẓ, Šams o'd-din Moḥammad. Lyrik. Diwan des Hafez. Zweiter Band. Der Buchstabe Nun. 3.. 3.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2C4E-A