Die Helden

Der Aerzte Haubt, die sich zu Pferde zeigen,
Ein Chiron sprach zum durstigen Achill:
Der Thetis sei das Wassertrinken eigen!
Ihr Sohn trinkt Wein, wenn er mir folgen will.
Ihm folgt' Achill und leerte ganze Schläuche
Auf Brüderschaft mit andern Helden aus.
Geweihter Wein floß auf Patroclus Leiche,
Noch bess'rer Wein floß beim Begräbnißschmaus.
War Calchas nicht ein hocherfahrner Zecher
Und, halb berauscht, ein Held im Prophezein?
Er trank, er rieth, er weissagt' aus dem Becher
Und fand, wie wir, die Wahrheit in dem Wein.
Was that Ulyß, der, durch ein Abenteuer,
Alcinous, zu deinem Jahrschmaus kam?
[258]
Der weise Mann erwärmte sich am Feuer,
Bis man auch ihn an deine Tafel nahm.
Als Telemach, den Vater aufzusuchen,
Zum Nestor kam und diesen räuchern sah,
Sprach Pylos Fürst: Trinkt zu den Opferkuchen
Den Priesterwein, aufs Wohl von Ithaca!
Kaum hatt' er sich nach Sparta hinbegeben,
So red'te dort ihn Menelaus an:
Willkommen, Prinz! versucht von unsern Reben!
Herrscht väterlich und trinkt als ein Tyrann!
Minerva rieth mit warnenden Geberden
Dem Telemach die wilde Trinksucht ab,
Und trank doch selbst, um nicht erkannt zu werden,
Die Stutzer aus, die ihr Atrides gab.
Cambyses dankt und opfert dir, o Sonne!
Nicht, weil dein Lauf durch Stier und Wage streift;
Er nannte dich die Stifterin der Wonne,
Nur weil durch dich die edle Traube reift.
In Spanien blieb, bei der Liebe Winken,
Ein Scipio dem süßen Wein getreu,
Und gab gar bald, ihn ungestört zu trinken,
Das schönste Kind der Kriegsgefangnen frei.
Roms Phocion, das Muster alter Strenge,
Auch Cato hat zu seinem Trunk gelacht.
Er heiligte, bei der Geschäfte Menge,
Den Tag dem Staat und seinem Wein die Nacht.
Fürst Hermann trank, wie deutsche Helden pflegen,
Wann Land und Hof und auch Thußnelde schlief,
Dem Morgenstern aus seinem Helm entgegen,
Eh' ihn der Tag in Feld und Lager rief.
Die Ritterschaft des Artus zu verbinden,
Ersann er selbst Getränke voller Kraft;
Die Königin, um gleichfalls zu erfinden,
Erfand, beim Spiel, des Königs Hahnreischaft.
[259]
Was that der Held, der einst mit Haut und Knochen
Sechs Pilger fraß, der Fürst Gargantua?
Er war kaum halb der Mutter Ohr entkrochen,
So rief er schon: Ist nichts zu trinken da?

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TextGrid Repository (2012). Hagedorn, Friedrich von. Gedichte. Oden und Lieder. Zweites Buch. Die Helden. Die Helden. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-3192-3