Der Morgen

Uns lockt die Morgenröthe
In Busch und Wald,
Wo schon der Hirten Flöte
Ins Land erschallt.
Die Lerche steigt und schwirret,
Von Lust erregt;
Die Taube lacht und girret,
Die Wachtel schlägt.
Die Hügel und die Weide
Stehn aufgehellt,
Und Fruchtbarkeit und Freude
Beblümt das Feld.
Der Schmelz der grünen Flächen
Glänzt voller Pracht,
Und von den klaren Bächen
Entweicht die Nacht.
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Der Hügel weiße Bürde,
Der Schafe Zucht,
Drängt sich aus Stall und Hürde
Mit froher Flucht.
Seht, wie der Mann der Heerde
Den Morgen fühlt,
Und auf der frischen Erde
Den Buhler spielt!
Der Jäger macht schon rege
Und hetzt das Reh
Durch blutbetriefte Wege,
Durch Busch und Klee.
Sein Hifthorn gibt das Zeichen;
Man eilt herbei:
Gleich schallt aus allen Sträuchen
Das Jagdgeschrei.
Doch Phyllis Herz erbebet
Bei dieser Lust;
Nur Zärtlichkeit belebet
Die sanfte Brust.
Laß uns die Thäler suchen,
Geliebtes Kind,
Wo wir von Berg und Buchen
Umschlossen sind!
Erkenne dich im Bilde
Von jener Flur!
Sei stets, wie dies Gefilde,
Schön durch Natur;
Erwünschter als der Morgen,
Hold wie sein Strahl;
So frei von Stolz und Sorgen
Wie dieses Thal!

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Hagedorn, Friedrich von. Der Morgen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-3339-E