Friedrich Hebbel
Maria Magdalene
Ein bürgerliches Trauerspiel in drei Akten

[304]

[Widmungsgedicht]

Sr. Majestät,

dem

KÖNIG CHRISTIAN DEM ACHTEN

von Dänemark

in tiefster Ehrfurcht gewidmet


[304]

Dem Dichter ist es an- und eingeboren,

Daß er sich lange in sich selbst versenkt,

Und, in das innre Labyrinth verloren,

Des äußeren der Welt erst spät gedenkt;

Und dennoch hat ihn die Natur erkoren,

Zu zeigen, wie sich dies mit dem verschränkt,

Und es in klarem Bilde darzustellen,

Wie beide sich ergänzen und erhellen.


Denn nicht, wie wohl ein irdscher Künstler, spielend,

Wenn er zurück von seiner Tafel trat,

Dem Lieblingskind, das, lüstern darnach schielend,

Schon längst ihn still um seinen Griffel bat,

Ihn freundlich darreicht, auf nichts andres zielend,

Als daß es, träumend von gewaltger Tat,

Sein Meisterstück in toten, groben Zügen

Nachbilde, wie es kann, sich zu vergnügen;


Nur, weil sie selbst, ins einzelste zerfließend,

Sich endlich auch doch konzentrieren muß,

Und, in dem Teil als Ganzes sich genießend,

Den Anfang wieder finden in dem Schluß,

Der, sich mit der Idee zusammenschließend,

Ihr erst verschafft den höchsten Selbstgenuß,

Den alle untern Stufen ihr verneinen:

Rein, ganz und unverworren zu erscheinen;


Nur darum hat sie, statt ihn zu zerbrechen,

Dem Menschen ihren Zauberstab vertraut,

Als sie, bereit, ihr: es ist gut! zu sprechen,

Zum letzten Mal das Weltall überschaut,

Und dieser stellt nun, das Gesetz zu rächen

Am plumpen Stoff, dem ewig davor graut,

In den geschloßnen ersten Kreis den zweiten,

Wo sie nur noch harmonisch sich bestreiten.


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Und, anfangs schauernd vor der hohen Gabe,

Wird sich der fromme Künstler bald bewußt,

Daß er zum Dank sich selbst zu opfern habe,

Und steigt nun tief hinab in seine Brust;

Er fragt nicht, ob ihn auch die Nacht begrabe,

Er geht, so weit er kann, in banger Lust,

Und führt sein Narr im Wappen die Versöhnung,

Er hofft nur kaum auf sie, wie auf die Krönung!


Doch, wenn er lange so den roten Faden

Aus sich hervor spinnt, der ihn führen kann,

So wird er plötzlich durch den Geist geladen:

Nun lege ihn in der Geschichte an!

Dies ist ein wahrer Ruf von Gottes Gnaden,

Und wer nicht folgt, der zeigt, daß er zerrann!

Ich habe vorlängst diesen Ruf vernommen,

Da hab ich nicht gesäumt, ich bin gekommen.


Und wie mein Blick sich lenkte in das Weite,

War mir auch flugs die Sehnsucht eingeflößt,

Die äußre Welt zu schaun in ihrer Breite,

Allein der Mittel sah ich mich entblößt.

Doch gleich stand mir ein Genius zur Seite,

Und von der Scholle ward mein Fuß gelöst,

Und was dies hieß, das kann ich jetzt erst wägen,

Wo sich zur Frucht verdichten will der Segen.


Du warst es, Herr und Fürst! Laß dirs gefallen,

Daß ich zum Danke jetzt dies kleine Bild,

Vielleicht das einfach-schlichteste von allen,

Worin sich mir das Welt-Geschick enthüllt,

Dir bringe, und, wen sichs für Königs-Hallen

Auch schlecht nur eignet, sei ihm dennoch mild!

Es ist des neuen Frühlings erstes Zeichen,

Und als das erste durfte ichs dir reichen!

[306]

Vorwort

Vorwort zur »Maria Magdalene«,

betreffend das Verhältnis der dramatischen Kunst zur Zeit und verwandte Punkte

Das kleine Vorwort, womit ich meine Genoveva begleitete, hat so viel Mißverständnis und Widerspruch hervorgerufen, daß ich mich über den darin berührten Hauptpunkt noch einmal aussprechen muß. Ich muß aber ein ästhetisches Fundament, und ganz besonders einigen guten Willen, auf das Wesentliche meines Gedankenganges einzugehen, voraussetzen, denn wenn die Unschuld des Worts nicht respektiert, und von der dialektischen Natur der Sprache, deren ganze Kraft auf dem Gegensatz beruht, abgesehen wird, so kann man mit jedem eigentümlichen Ausdruck jeden beliebigen Wechselbalg erzeugen, man braucht nur einfach in die Bejahung der eben hervorgehobenen Seite eine stillschweigende Verneinung aller übrigen zu legen.

Das Drama, als die Spitze aller Kunst, soll den jedesmaligen Welt- und Menschen-Zustand in seinem Verhältnis zur Idee, d.h. hier zu dem alles bedingenden sittlichen Zentrum, das wir im Welt-Organismus, schon seiner Selbst-Erhaltung wegen, annehmen müssen, veranschaulichen. Das Drama, d.h. das höchste, das Epoche machende, denn es gibt auch noch ein zweites und drittes, einpartiell-nationales und ein subjektiv-individuelles, die sich zu jenem verhalten, wie einzelne Szenen und Charaktere zum ganzen Stück, die dasselbe aber so lange, bis ein alles umfassender Geist erscheint, vertreten, und wenn dieser ganz ausbleibt, als disjecti membra poetae in seine Stelle rücken, das Drama ist nur dann möglich, wenn in diesem Zustand eine entscheidende Veränderung vor sich geht, es ist daher durchaus ein Produkt der Zeit, aber freilich nur in dem Sinne, worin eine solche Zeit selbst ein Produkt aller vorhergegangenen Zeiten ist, das verbindende Mittelglied zwischen einer Kette von Jahrhunderten die sich, schließen, und einer neuen, die beginnen will.

Bis jetzt hat die Geschichte erst zwei Krisen aufzuzeigen, in welchen das höchste Drama hervortreten konnte, es ist demgemäß [307] auch erst zwei Mal hervorgetreten: einmal bei den Alten, als die antike Welt-Anschauung aus ihrer ursprünglichen Naivetät in das sie zunächst auflockernde und dann zerstörende Moment der Reflexion überging, und einmal bei denNeuern, als in der christlichen eine ähnliche Selbst-Entzweiung eintrat. Das griechische Drama entfaltete sich, als der Paganismus sich überlebt hatte, und verschlang ihm, es legte den durch alle die bunten Götter-Gestalten des Olymps sich hindurchziehenden Nerv der Idee bloß, oder, wenn man will, es gestaltete das Fatum. Daher das maßlose Herabdrücken des Individuums, den sittlichen Mächten gegenüber, mit denen es sich in einen doch nicht zufälligen, sondern notwendigen Kampf verstrickt sieht, wie es im Oedip den Schwindel erregenden Höhepunkt erreicht. Das Shakespearsche Drama entwickelte sich am Protestantismus und emanzipierte das Individuum. Daher die furchtbare Dialektik seiner Charaktere, die, soweit sie Männer der Tat sind, alles Lebendige um sich her durch ungemessenste Ausdehnung verdrängen, und soweit sie im Gedanken leben, wie Hamlet, in ebenso ungemessener Vertiefung in sich selbst durch die kühnsten entsetzlichsten Fragen Gott aus der Welt, wie aus einer Pfuscherei, herausjagen mögten.

Nach Shakespeare hat zuerst Goethe im Faust und in den mit Recht dramatisch genannten Wahlverwandtschaften wieder zu einem großen Drama den Grundstein gelegt, und zwar hat er getan, oder vielmehr zu tun angefangen, was allein noch übrig blieb, er hat die Dialektik unmittelbar in die Idee selbst hineingeworfen, er hat den Widerspruch, den Shakespeare nur noch im Ich aufzeigt, in dem Zentrum, um das das Ich sich herum bewegt, d.h. in der diesem erfaßbaren Seite desselben, aufzuzeigen, und so den Punkt, auf den die gerade, wie die krumme Linie zurückzuführen schien, in zwei Hälften zu teilen gesucht. Es muß niemand wundern, daß ich Calderon, dem manche einen gleichen Rang anweisen, übergehe, denn das Calderonsche Drama ist allerdings bewunderungswürdig in seiner konsequenten Ausbildung, und hat der Literatur der Welt in dem Stücke: das Leben ein Traum! ein unvergängliches Symbol einverleibt, aber es enthält nur Vergangenheit, keine Zukunft, es setzt in seiner starren Abhängigkeit vom Dogma voraus, was es beweisen soll, und nimmt[308] daher, wenn auch nicht der Form, so doch dem Gehalt nach, nur eine untergeordnete Stellung ein.

Allein Goethe hat nur den Weg gewiesen, man kann kaum sagen, daß er den ersten Schritt getan hat, denn im Faust kehrte er, als er zu hoch hinauf, und in die kalte Region hinein geriet, wo das Blut zu gefrieren anfängt, wieder um, und in den Wahlverwandtschaften setzte er, wie Calderon, voraus, was er zu beweisen oder zu veranschaulichen hatte. Wie Goethe, der durchaus Künstler, großer Künstler, war, in den Wahlverwandtschaften einen solchen Verstoß gegen die innere Form begehen konnte, daß er, einem zerstreuten Zergliederer nicht unähnlich, der, statt eines wirklichen Körpers, ein Automat auf das anatomische Theater brächte, eine von Haus aus nichtige, ja unsittliche Ehe, wie die zwischen Eduard und Charlotte, zum Mittelpunkt seiner Darstellung machte und dies Verhältnis behandelte und benutzte, als ob es ein ganz entgegengesetztes, ein vollkommen berechtigtes wäre, wüßte ich mir nicht zu erklären; daß er aber auf die Hauptfrage des Romans nicht tiefer einging, und daß er ebenso im Faust, als er zwischen einer ungeheuren Perspektive und einem mit Katechismus-Figuren bemalten Bretter-Verschlag wählen sollte, den Bretter-Verschlag vorzog und die Geburtswehen der um eine neue Form ringenden Menschheit, die wir mit Recht im ersten Teil erblickten, im zweiten zu bloßen Krankheits-Momenten eines später durch einen willkürlichen, nur notdürftig-psychologisch vermittelten Akt kurierten Individuums herabsetzte, das ging aus seiner ganz eigen komplizierten Individualität hervor, die ich hier nicht zu analysieren brauche, da ich nur anzudeuten habe, wie weit er gekommen ist. Es bedarf hoffentlich nicht der Bemerkung, daß die vorstehenden, sehr motivierten Einwendungen gegen den Faust und die Wahlverwandtschaften diesen beiden welthistorischen Produktionen durchaus nichts von ihrem unermeßlichen Wert abdingen, sondern nur das Verhältnis, worin ihr eigener Dichter zu den in ihnen verkörperten Ideen stand, bezeichnen und den Punkt, wo sie formlos geblieben sind, nachweisen sollen.

Goethe hat demnach, um seinen eigenen Ausdruck zu gebrauchen, die große Erbschaft der Zeit wohlangetreten, aber nicht verzehrt, er hat wohl erkannt, daß das menschliche Bewußtsein [309] sich erweitern, daß es wieder einen Ring zersprengen will, aber er konnte sich nicht in gläubigem Vertrauen an die Geschichte hingeben, und da er die aus den Übergangs-Zuständen, in die er in seiner Jugend selbst gewaltsam hineingezogen wurde, entspringenden Dissonanzen nicht aufzulösen wußte, so wandte er sich mit Entschiedenheit, ja mit Widerwillen und Ekel, von ihnen ab. Aber diese Zustände waren damit nicht beseitigt, sie dauern fort bis auf den gegenwärtigen Tag, ja sie haben sich gesteigert, und alle Schwankungen und Spaltungen in unserem öffentlichen, wie in unserem Privat-Leben, sind auf sie zurückzuführen, auch sind sie keineswegs so unnatürlich, oder auch nur so gefährlich, wie man sie gern machen mögte, denn der Mensch dieses Jahrhunderts will nicht, wie man ihm Schuld gibt, neue und unerhörte Institutionen, er will nur ein besseres Fundament für die schon vorhandenen, er will, daß sie sich auf nichts, als auf Sittlichkeit und Notwendigkeit, die identisch sind, stützen und also den äußeren Haken, an dem sie bis jetzt zum Teil befestigt waren, gegen den inneren Schwerpunkt, aus dem sie sich vollständig ableiten lassen, vertauschen sollen. Dies ist, nach meiner Überzeugung, der welthistorische Prozeß, der in unseren Tagen vor sich geht, die Philosophie, von Kant, und eigentlich von Spinoza an, hat ihn, zersetzend und auflösend, vorbereitet, und die dramatische Kunst, vorausgesetzt, daß sie überhaupt noch irgend etwas soll, denn der bisherige Kreis ist durchlaufen und Duplikate sind vom Überfluß und passen nicht in den Haushalt der Literatur, soll ihn beendigen helfen, sie soll, wie es in einer ähnlichen Krisis Aeschylos, Sophokles, Euripides und Aristophanes, die nicht von ungefähr und etwa bloß, weil das Schicksal es mit dem Theater der Athener besonders wohl meinte, so kurz hintereinander hervortraten, getan haben, in großen gewaltigen Bildern zeigen, wie die bisher nicht durchaus in einem lebendigen Organismus gesättigt aufgegangenen, sondern zum Teil nur in einem Scheinkörper erstarrt gewesenen und durch die letzte große Geschichts-Bewegung entfesselten Elemente, durcheinander flutend und sich gegenseitig bekämpfend, die neue Form der Menschheit, in welcher alles wieder an seine Stelle treten, in welcher das Weib dem Manne wieder gegenüberstehen wird, wie dieser der Gesellschaft, und wie die Gesellschaft der Idee,[310] erzeugen. Damit ist nun freilich der Übelstand verknüpft, daß die dramatische Kunst sich auf Bedenkliches und Bedenklichstes einlassen muß, da das Brechen der Weltzustände ja nur in der Gebrochenheit der individuellen erscheinen kann, und da ein Erdbeben sich nicht anders darstellen läßt, als durch das Zusammenstürzen der Kirchen und Häuser und die ungebändigt hereindringenden Fluten des Meers. Ich nenne es natürlich nur mit Rücksicht auf die harmlosen Seelen, die ein Trauerspiel und ein Kartenspiel unbewußt auf einen und denselben Zweck reduzieren, einen Übelstand, denn diesen wird unheimlich zumute, wenn Spadille nicht mehr Spadille sein soll, sie wollen wohl neue Kombinationen im Spiel, aber keine neue Regel, sie verwünschen den Hexenmeister, der ihnen diese aufdringt, oder doch zeigt, daß sie möglich ist, und sehen sich nach dem Gevatter Handwerker um, der die Blätter wohl anders mischt, auch wohl hin und wieder, denn Abwechselung muß sein, einen neuen Trumpf einsetzt, aber im übrigen die altehrwürdige Erfindung des Ur-Ur-Großvaters, wie das Natur-Gesetz selbst, respektiert. Hier wäre es am Ort, aus dem halben Scherz in einen bittern ganzen Ernst überzugehen, denn es ist nicht zu sagen, bis zu welchem Grade eine zum Teil unzurechnungsfähige und unmündige, zum Teil aber auch perfide Kritik, sich den erbärmlichen Theater-Verhältnissen unserer Tage und dem beschränkten Gesichtskreis des großen Haufens akkommodierend, die einfachen Grundbegriffe der dramatischen Kunst, von denen man glauben sollte, daß sie, nachdem sich ihre Kraft und Wahrheit vier Jahrtausende hindurch bewährte, unantastbar seien, wie das Einmaleins, verwirrt und auf den Kopf gestellt hat. Der Maler braucht sich, und er mag dem Himmel dafür danken, noch nicht darüber zu entschuldigen, daß er die Leinewand, aus der auch Siebbeutel gemacht werden könnten, bemalt, auch verlacht man ihn noch nicht, wenn man sieht, daß er auf die Komposition seines Gemäldes Mühe und Fleiß verwendet, daß er die Farben, die ja doch auch schon an sich dem Auge schmeicheln, auf Gestalten, und die Gestalten wieder auf einen inneren, für den bloßen Gaffer nicht vorhandenen Mittelpunkt bezieht, statt das Farbenbrett selbst mit dem eingerührten Blau, Gelb und Rot, für das Gemälde zu geben, oder doch den bunten Gestalten- und Figuren-Tanz; [311] aber jene Kunst, die, wie alles Höchste, nur dann überhaupt etwas ist, wenn sie das, was sie sein soll, ganz ist, muß sich jetzt, wie über eine Narrheit, darüber hudeln lassen, daß sie ihre einzige, ihre erste und letzte Aufgabe, im Auge behält, statt es sich bequem zu machen und für denKarfunkel den Kiesel zu bieten, für ein tiefsinniges und unergründliches Lebens-Symbol ein gemeines Lebens-Rätsel, das mit der gelösten Spannung ins Nichts zerplatzt, und, außerstande, auch nur die dürftigste Seele für einen Moment zu sättigen, nichts erweckt, als den Hungerruf: was Neues! was Neues! Ich sage es euch, ihr, die ihr euch dramatische Dichter nennt, wenn ihr euch damit begnügt, Anekdoten, historische oder andere, es gilt gleich, in Szene zu setzen, oder, wenns hoch kommt, einen Charakter in seinem psychologischen Räderwerk auseinander zu legen, so steht ihr, ihr mögt nun die Tränenfistel pressen oder die Lachmuskeln erschüttern, wie ihr wollt, um nichts höher, als unser bekannter Vetter von Thespis her, der in seiner Bude die Marionetten tanzen läßt. Nur wo ein Problem vorliegt, hat eure Kunst etwas zu schaffen, wo euch aber ein solches aufgeht, wo euch das Leben in seiner Gebrochenheit entgegentritt und zugleich in eurem Geist, denn beides muß zusammenfallen, das Moment der Idee, in dem es die verlorne Einheit wieder findet, da ergreift es, und kümmert euch nicht darum, daß der ästhetische Pöbel in der Krankheit selbst die Gesundheit aufgezeigt haben will, da ihr doch nur denÜbergang zur Gesundheit aufzeigen und das Fieber allerdings nicht heilen könnt, ohne euch mit dem Fieber einzulassen, denn dieser Pöbel, der euch über die Paroxysmen, die ihr darstellt, zur Rechenschaft zieht, als ob es eure eigenen wären, müßte, wenn er Konsequenz besäße, auch dem Richter, der dem Missetäter das Verbrechen abfragt, um seine Stellung zum Gesetz zu ermitteln, ja dem Geistlichen, der Beichte hört, den Vorwurf machen, daß er sich mit schmutzigen Dingen befasse, und ihr seid für nichts, für gar nichts, verantwortlich, als für die Behand lung, die, als eine freie, eure subjektive Unabhängigkeit vom Gegenstand und euer persönliches Unvermischtsein mit demselben hervor treten lassen muß, und für das letzte Resultat, ja auch das Resultat braucht nicht im Lanzen-Spitzen-Sinn die Spitze eures Werks zu sein, es darf sich ebenso gut als Ausgangspunkt eines [312] Charakters hinstellen, wie als Ausgangspunkt des ganzen Dramas, obgleich freilich, wenn letzteres der Fall ist, das Drama der Form nach einen höheren Grad von Vollendung für sich in Anspruch zu nehmen hat. Man kann, wenn man sich genötigt sieht, über Dinge, die niemanden ohne innere Erfahrung ganz verständlich werden, zu sprechen, sich nicht genug gegen Mißdeutung verwahren; ich füge also noch ausdrücklich hinzu, daß man hier nicht an ein allegorisches Herausputzen der Idee, überhaupt nicht an die philosophische, sondern an die unmittelbar ins Leben selbst verlegte Dialektik denken muß, und daß, wenn in einem Prozeß, worin, wie in jedem schöpferischen, alle Elemente sich mit gleicher Notwendigkeit bedingen und voraussetzen, überall von einem Vor und Nach die Rede sein kann, der Dichter (wer sich für einen hält, möge sich darnach prüfen!) sich jedenfalls eher der Gestalten bewußt werden wird, als der Idee, oder vielmehr des Verhältnisses der Gestalten zur Idee. Doch, wie gesagt, die ganze Anschauungsweise ist eine unzulässige, die aber noch sehr verbreitet zu sein scheint, da, was aus ihr allein hervorgehen kann, selbst einsichtige Männer nicht aufhören, mit dem Dichter über die Wahl seiner Stoffe, wie sie es nennen, zu hadern, und dadurch zeigen, daß sie sich das Schaffen, dessen erstes Stadium, das empfangende, doch tief unter dem Bewußtsein liegt und zuweilen in die dunkelste Ferne der Kindheit zurückfällt, immer als ein, wenn auch veredeltes, Machen vorstellen, und daß sie in das geistige Gebären eine Willkür verlegen, die sie dem leiblichen, dessen Gebundensein an die Natur freilich heller in die Augen springt, gewiß nicht zusprechen würden. Den Gevatter Handwerker, dessen ich oben gedachte, mag man schelten, wenn er etwas bringt, was dem gnädigen Herrn mit vielen Köpfen nicht behagt, denn der wackere Mann kann das eine so gut liefern, als das andere, er hat sich, als er seine Anekdote auswählte, bloß im Effekt verrechnet, und für Rechenfehler ist jedermann verantwortlich; dem Dichter dagegen muß man verzeihen, wenn er es nicht trifft, er hat keine Wahl, er hat nicht einmal die Wahl, ob er ein Werk überhaupt hervorbringen will, oder nicht, denn das einmal lebendig Gewordene läßt sich nicht zurückverdauen, es läßt sich nicht wieder in Blut verwandeln, sondern muß in freier Selbständigkeit hervortreten, und eine unterdrückte oder unmögliche [313] geistige Entbindung kann ebenso gut, wie eine leibliche, die Vernichtung, sei es nun durch den Tod, oder durch den Wahnsinn, nach sich ziehen. Man denke an Goethes Jugend-Genossen Lenz, an Hölderlin, an Grabbe.

Ich sagte: die dramatische Kunst soll den welthistorischen Prozeß, der in unseren Tagen vor sich geht, und der die vorhandenen Institutionen des menschlichen Geschlechts, die politischen, religiösen und sittlichen, nicht umstürzen, sondern tiefer begründen, sie also vor dem Umsturz sichern will, beendigen helfen. In diesem Sinne soll sie, wie alle Poesie, die sich nicht auf Superfötation und Arabeskenwesen beschränkt, zeitgemäß sein, in diesem Sinn, und in keinem andern, ist es jede echte, indiesem Sinn habe auch ich im Vorwort zur Genoveva meine Dramen als künstlerische Opfer der Zeit bezeichnet, denn ich bin mir bewußt, daß die individuellen Lebens-Prozesse, die ich darstellte und noch darstellen werde, mit den jetzt obschwebenden allgemeinen Prinzipien-Fragen in engster Verbindung stehen, und obgleich es mich nicht unangenehm berühren konnte, daß die Kritik bisher fast ausschließlich meine Gestalten ins Auge faßte, und die Ideen, die sie repräsentieren, unberücksichtigt ließ, indem ich hierin wohl nicht mit Unrecht den besten Beweis für die wirkliche Lebendigkeit dieser Gestalten erblickte, so muß ich nun doch wünschen, daß dies ein Ende nehmen, und daß man auch dem zweiten Faktor meiner Dichtungen einige Würdigung widerfahren lassen möge, da sich natürlich ein ganz anderes Urteil über Anlage und Ausführung ergibt, wenn man sie bloß in Bezug auf die behandelte Anekdote betrachtet, als wenn man sie nach dem zu bewältigenden Ideen-Kern, der manches notwendig machen kann, was für jene überflüssig ist, bemißt. Der erste Rezensent, den meine Genoveva fand, glaubte in jener Bezeichnung meiner Dramen eine der Majestät der Poesie nicht würdige Konzession an die Zeitungspoetik unserer Tage zu erblicken und fragte mich, wo denn in meinen Stücken jene Epigrammatie und Bezüglichkeit, die man jetzt zeitgemäß nenne, anzutreffen sei. Ich habe ihm hierauf nichts zu antworten, als daß ich die Begriffe der Zeit und des Zeitungsblatts nicht so identisch finde, wie er zu tun scheint, falls sein sonderbarer Einwurf anders ernst gemeint und nicht bloß darauf gerichtet war, mir die hier [314] gegebene nähere Entwickelung meiner vielleicht zu lakonisch hingestellten Gedanken abzudringen. Ich weiß übrigens recht gut, daß sich heutzutage eine ganz andere Zeitpoesie in Deutschland geltend macht, eine Zeitpoesie, die sich an den Augenblick hingibt, und die, obgleich sie eigentlich das Fieber mit der Hitzblatter, die Gärung im Blut mit dem Hautsymptom, wodurch sie sich ankündigt, verwechselt, doch, insofern sie dem Augenblick wirklich dient, nicht zu schelten wäre, wenn nur sie selbst sich des Scheltens enthalten wollte. Aber, nicht zufrieden, in ihrer zweifelhaften epigrammatisch-rhetorischen Existenz toleriert, ja gehegt und gepflegt zu werden, will sie allein existieren, und gibt sich, polternd und eifernd, das Ansehen, als ob sie Dinge verschmähte, von denen sie wenigstens erst beweisen sollte, daß sie ihr erreichbar sind. Man kann in keinem Band Gedichte, denn gerade in der Lyrik hat sie das Quartier aufgeschlagen, mehr blättern, ohne auf heftige Kontroversen gegen die Sänger des Weins, der Liebe, des Frühlings usw., die toten, wie die lebendigen, zu stoßen, aber die Herren halten ihre eigenen Frühlings- und Liebeslieder zurück, oder produzieren, wenn sie damit auftreten, solche Nichtigkeiten, daß man unwillkürlich an den Wilden denken muß, der ein Klavier mit der Axt zertrümmerte, weil er sich lächerlich gemacht hatte, als er es zu spielen versuchte. Lieben Leute, wenn einer die Feuerglocke zieht, so brechen wir alle aus dem Konzert auf und eilen auf den Markt, um zu erfahren, wo es brennt, aber der Mann muß sich darum nicht einbilden, er habe über Mozart und Beethoven triumphiert. Auch daraus, daß die Epigramme, die ihr bekannten Personen mit Kreide auf den Rücken schreibt, schneller verstanden werden und rascher in Umlauf kommen, als Juvenalsche Satiren, müßt ihr nicht schließen, daß ihr den Juvenal übertroffen habt; sie sind dafür auch vergessen, sobald die Personen den Rücken wenden oder auch nur den Rock wechseln, während Juvenal hier nicht angeführt werden könnte, wenn er nicht noch nach Jahrtausenden gelesen würde. Als Goethe der schönsten Lieder-Poesie, die uns nach der seinigen geschenkt worden ist, der Uhlandschen, in einer übellaunigen Minute vorwarf, es werde daraus nichts »Menschen-Geschick Aufregendes und Bezwingendes« hervorgehen, so hatte er freilich recht, denn Lilien-Duft ist kein Schießpulver,[315] und auch der Erl-König und der Fischer, obgleich sie Millionen Trommelschläger-Stückchen aufwiegen, würden im Krieg so wenig den Trompeter- als einen anderen Dienst versehen können. Die Poesie hatFormen, in denen der Geist seine Schlachten schlägt, die epischen und dramatischen, sie hat Formen, worin das Herz seineSchätze niederlegt, die lyrischen, und dasGenie zeigt sich eben dadurch, daß es jede auf die rechte Weise ausfüllt, indes das Halb-Talent, das für die größeren nicht Gehalt genug hat, die engeren gern zu zersprengen sucht, um trotz seiner Armut reich zu erscheinen. Ein solcher, von einem total verkehrt gewählten Gesichtspunkt aus gefällter Ausspruch, den Goethe selbst in den Gesprächen mit Eckermann schon modifizierte, hätte der Kritik zu nichts Veranlassung geben sollen, als zu einer gründlichen Auseinandersetzung, worin sich Uhland und der piepsende Ratten- und Mäusekönig, der sich ihm angehängt hat, die »schwäbische Schule«, voneinander unterscheiden, da ja nicht Uhland, sondern ein von Goethe unbesehens für ein Mitglied dieser Schule gehaltener schwäbischer Dichter den Ausspruch hervorrief. Es ist hier zu dieser Auseinandersetzung, die sich übrigens um so eher der Mühe verlohnte, als sich, wenn man bis zum Prinzip hinabstiege, wahrscheinlich ergäbe, daß eine gemeine Gemüts- und eine gemeine Reflexions-Lyrik gleich nullenhaft sind und daß ein Einfall über den »Baum« der »Menschheit«, an dem die »Blüte« der »Freiheit« unter dem »Sonnenkuß« des »Völkerlenzes« aufbricht, wirklich nicht mehr besagen will, als ein Hausvater-Gefühl unterm blühenden Apfelbaum, nicht der Ort, aber ich kann nicht umhin, auf den Unterschied selbst dringend aufmerksam zu machen, um mich nicht in den Verdacht zu bringen, als ob ich die melodielose Nüchternheit, die zu dichten glaubt, wenn sie ihre Werkeltags-Empfindungen oder eine hinter dem Zaun aufgelesene Alte-Weiber-Sage in platte Verse zwängt, einer Rhetorik vorziehe, die zwar, schon der spröden Einseitigkeit wegen, niemals zur Poesie, aber doch vielleicht zur Gedanken- und, wenn dies gelingt, auch zur Charakterbildung führt. Mann soll die Flöte nicht nach dem Brennholz, das sich allenfalls für den prophezeiten Weltbrand aus ihr gewinnen ließe, abschätzen, aber das gemeine Brennholz soll noch weniger auf seine eingebildete Verwandtschaft mit der Flöte dicke tun. Es versteht sich von [316] selbst, daß ich nicht alle Schwaben, und noch weniger bloß die Schwaben, zur schwäbischen Schule rechne, denn auch Kerner etc. ist ein Schwabe.

Vielleicht sagt der eine oder der andere: dies sind ja alte, bekannte, längst festgestellte Dinge. Allerdings. Ja, ich würde erschrecken, wenn es sich anders verhielte, denn wir sollen im Ästhetischen, wie im Sittlichen, nach meiner Überzeugung nicht das elfte Gebot erfinden, sondern die zehn vorhandenen erfüllen. Bei alledem bleibt demjenigen, der die alten Gesetztafeln einmal wieder mit dem Schwamm abwäscht und den frechen Kreide-Kommentar, mit dem allerlei unlautre Hände den Grundtext übermalt haben, vertilgt, immer noch sein bescheidenes Verdienst. Es hat sich ein gar zu verdächtiges Glossarium angesammelt. Die Poesie soll nicht bleiben, was sie war und ist: Spiegel des Jahrhunderts und der Bewegung der Menschheit im allgemeinen, sie soll Spiegel des Tags, ja der Stunde werden. Am allerschlimmsten aber kommt das Drama weg, und nicht, weil man zu viel, oder das Verkehrte von ihm verlangt, sondern weil man gar nichts von ihm verlangt. Es soll bloß amüsieren, es soll uns eine spannende Anekdote, allenfalls, der Pikantheit wegen, von psychologisch-merkwürdigen Charakteren getragen, vorführen, aber es soll beileibe nicht mehr tun: was im Shakespeare (man wagt, sich auf ihn zu berufen) nicht amüsiert, das ist vom Übel, ja es ist, näher besehen, auch nur durch den Enthusiasmus seiner Ausleger in ihn hinein phantasiert, er selbst hat nicht daran gedacht, er war ein guter Junge, der sich freute, wenn er durch seine wilden Schnurren mehr Volk, wie gewöhnlich, zusammen trommelte, denn dann erhielt er vom Theater-Direktor einen Schilling über die Wochen-Gage und wurde wohl gar freundlich ins Ohr gekniffen. Ein berühmter Schauspieler, jetzt verstorben, hat, wie ihm von seinen Freunden nachgesagt wird, dem neuen Evangelium die praktische Nutzanwendung hinzugefügt, er hat alles Ernstes behauptet, daß der »Poet« dem »Künstler« nur ein Szenarium zu liefern habe, welches dann durch diesen extemporierend anzufüllen sei. Die Konsequenz ist hier, wie allenthalben, zu loben, denn man sieht doch, wohin das Amüsement-Prinzip führt, aber das Sach-Verhältnis ist dies. Eine Dichtung, die sich für eine dramatische gibt, muß darstellbar sein, jedoch nur deshalb, [317] weil, was der Künstler nicht darzustellen vermag, von dem Dichter selbstnicht dargestellt wurde, sondern Embryo und Gedanken-Schemen blieb. Darstellbar ist nun nur das Handeln, nicht das Denken undEmpfinden; Gedanken und Empfindungen gehören also nicht an sich, sondern immer nur so weit, als sie sich unmittelbar zur Handlung umbilden, ins Drama hinein; dagegen sind aber auch Handlungen keine Handlungen, wenigstens keine dramatische, wenn sie sich ohne die sie vorbereitenden Gedanken und die sie begleitenden Empfindungen, in nackter Abgerissenheit, wie Natur-Vorfälle, hinstellen, sonst wäre ein stillschweigend gezogener Degen der Höhepunkt aller Aktion. Auch ist nicht zu übersehen, daß die Kluft zwischen Handeln und Leiden keineswegs so groß ist, als die Sprache sie macht, denn alles Handeln löst sich dem Schicksal, d.h. dem Welt-Willen gegenüber, in ein Leiden auf, und gerade dies wird in der Tragödie veranschaulicht, alles Leiden aber ist im Individuum ein nach innen gekehrtes Handeln, und wie unser Interesse mit ebenso großer Befriedigung auf dem Menschen ruht, wenn er sich auf sich selbst, auf das Ewige und Unvergängliche im zerschmetterten Individuum besinnt und sich dadurch wieder herstellt, was im Leiden geschieht, als wenn er dem Ewigen und Unvergänglichen in individueller Gebundenheit Trotz bietet, und dafür von diesem, das über alle Manifestation hinausgeht, wie z.B. unser Gedanke über die Hand, die er in Tätigkeit setzt, und das selbst dann, wenn ihm der Wille nicht entgegentritt, noch im Ich auf eine hemmende Schranke stoßen kann, die strenge Zurechtweisung empfängt, so ist das eine auch ebenso gut darstellbar, wie das andere, und erfordert höchstens den größeren Künstler. Ich wiederhole es: eine Dichtung, die sich für eine dramatische gibt, muß darstellbar sein, weil, was der Künstler nicht darzustellen vermag, von dem Dichter selbst nicht dargestellt wurde, sondern Embryo und Gedanken-Schemen blieb. Dieser innere Grund ist zugleich der einzige, die mimische Darstellbarkeit ist das allein untrügliche Kriterium der poetischen Darstellung, darum darf der Dichter sie nie aus den Augen verlieren. Aber dieseDarstellbarkeit ist nicht nach der Konvenienz und den in »steter Wandlung« begriffenenMode-Vorurteilen zu bemessen, und wenn sie ihr Maß von dem realen Theater entlehnen will, so hat sie nach dem Theater aller [318] Zeiten, nicht aber nach dieser oder jener speziellen Bühne, worin ja, wer kann es wissen, wie jetzt die jungen Mädchen, vielleicht noch einmal die Kinder das Präsidium führen, und dann, ihren unschuldigen Bedürfnissen gemäß, darauf bestehen werden, daß die Ideen der Stücke nicht über das Niveau von: quäle nie ein Tier zum Scherz usw. oder: Schwarzbeerchen, bist du noch so schön usw. hinausgehen sollen, zu fragen. Es ergibt sich bei einigem Nachdenken von selbst, daß der Dichter nicht, wie es ein seichter Geschmack, und auch ein unvollständiger und frühreifer Schönheits-Begriff, der, um sich bequemer und schneller abschließen zu können, die volle Wahrheit nicht in sich aufzunehmen wagt, von ihm verlangen, zugleich ein Bild der Welt geben und doch von den Elementen, woraus die Welt besteht, die widerspenstigen ausscheiden kann, sondern daß er alle gerechten Ansprüche befriedigt, wenn er jedem dieser Elemente die rechte Stelle anweist, und die untergeordneten, die sich nun einmal, wie querlaufende Nerven und Adern, mit im Organismus vorfinden, nur hervortreten läßt, damit die höhern sie verzehren. Davon, daß der Wert und die Bedeutung eines Dramas von dem durch hundert und tausend Zufälligkeiten bedingten Umstand, ob es zur Aufführung kommt oder nicht, also von seinem äußern Schicksal, abhange, kann ich mich nicht überzeugen, denn, wenn das Theater, das als vermittelndes Organ zwischen der Poesie und dem Publikum sehr hoch zu schätzen ist, eine solche Wunderkraft besäße, so müßte es zunächst doch das lebendig erhalten, was sich ihm mit Leib und Seele ergibt; wo bleiben sie aber, die hundert und tausend »bühnengerechten« Stücke, die »mit verdientem Beifall« unter »zahlreichen Wiederholungen« über die Bretter gehen? Und um von der Fabrik- Ware abzusehen, werden Shakespeare und Calderon, die ja doch nicht bloß große dramatische Dichter, sondern auch wahre Theater-Schriftsteller gewesen sein sollen, gespielt, hat das Theater sie nicht längst fallen lassen und dadurch bewiesen, daß es so wenig das Vortreffliche, als das Nichtige, fest hält, geht daraus aber nicht mit Evidenz hervor, daß nicht, wie diejenigen, die nur halb wissen, worauf es ankommt, meinen, das faktische Dargestelltwerden, das früher oder später auf hört, ohne darum der Wirkung des Dichters eine Grenze zu setzen, sondern die von mir aus der Form als unbedingt notwendig [319] abgeleitete und ihrem wahren Wesen nach bestimmteDarstellbarkeit über Wert und Bedeutung eines Dramas entscheidet? Hiermit ist nun nicht bloß die naive Seidelmannsche Behauptung beseitigt, von der ich zunächst ausging, und die eigentlich darauf hinausläuft, daß ein poetisches Nichts, das sich in jeder Façon, die der Künstler ihm aufzudrücken beliebt, noch besser ausnimmt, als in der von Haus aus mitgebrachten, der Willkür des genialen Schauspielers freieren Spielraum verstattet, als das zähe poetische Etwas, an das er sich hingeben muß; sondern es ist damit auch all das übrige Gerede, dessen ich gedachte, auf sein Körnlein Wahrheit reduziert, es ist gezeigt, daß der echte dramatische Darstellungs-Prozeß ganz von selbst und ohne nach der Bühne zu blinzeln, alles Geistige verleiblichen, daß er die dualistischen Ideen-Faktoren, aus deren Aneinanderprallen der das ganze Kunstwerk entzündende schöpferische Funke hervorspringt, zu Charakteren verdichten, daß er das innere Ereignis nach allen seinen Entwickelungsstadien in einer äußeren Geschichte, einer Anekdote, auseinander fallen und diese Anekdote, dem Steigerungs-Gesetz der Form gemäß, zurSpitze auslaufen lassen, also spannend undInteresse erweckend gestalten, und so auch denjenigen Teil der Leser- und Zuschauerschaft, der die wahre Handlung gar nicht ahnt, amüsieren und zufrieden stellen wird.

Kann aber, ich darf diese Frage nicht umgehen, die so weit fortgeschrittene Philosophie die große Aufgabe der Zeit nicht allein lösen, und ist der Standpunkt der Kunst nicht als ein überwundener oder ein doch zu überwindender zu betrachten? Wenn die Kunst nichts weiter wäre, als was die meisten in ihr erblicken, ein träumerisches, hin und wieder durch einen sogenannten ironischen Einfall über sich selbst unterbrochenes Fortspinnen der Erscheinungswelt, eine gleichsam von dem äußeren Theater aufs innere versetzte Gestalten-Komödie, worin die verhüllte Idee, nach wie vor, mit sich selbst Versteckens spielt, so müßte man darauf unbedingt mit ja antworten, und ihr auflegen, die viertausendjährige Sünde einer angemaßten Existenz mit einem freiwilligen Tode zu büßen, ja selbst die ewige Ruhe nicht als einen, durch ihre erst jetzt überflüssig gewordene Tätigkeit verdienten Lohn, sondern nur als ein ihr aus Rücksicht auf den von ihr der Menschheit in ihren Kinderjahren durch ihre nicht ganz sinnlosen [320] Bilder und Hieroglyphen verschafften nützlichen Zeitvertreib bewilligtes Gnadengeschenk hinzunehmen. Aber die Kunst ist nicht bloß unendlich viel mehr, sie ist etwas ganzanderes, sie ist die realisierte Philosophie, wie die Welt die realisierte Idee, und eine Philosophie, die nicht mit ihr schließen, die nicht selbst in ihr zur Erscheinung werden, und dadurch den höchsten Beweis ihrer Realität geben will, braucht auch nicht mit der Welt anzufangen, es ist gleichgültig, ob sie das erste oder das letzte Stadium des Lebensprozesses, von dem sie sich ausgeschlossen wähnen muß, wenn sie ohne Darstellung auskommen zu können glaubt, negiert, denn auf die Welt kann sie sich, als auf eine solche Darstellung, nicht zurückbeziehen, ohne sich zugleich mit auf dieKunst zu beziehen, da die Welt eben erst in der Kunst zur Totalität zusammengeht. Eine schöpferische und ursprüngliche Philosophie hat dies auch noch nie getan, sie hat immer gewußt, daß sie sich eine Probe, die die von ihr nackt reproduzierte Idee selbst sich nicht ersparen konnte, nicht unterschlagen darf, und deshalb in der Kunst niemals einen bloßen Stand-, sondern ihren eigenen Ziel- und Gipfelpunkt erblickt; dagegen ist es charakteristisch für jede formale, und aus nahe liegenden Gründen auch für die Jüngerschaft jeder anderen, daß sie selbst da, wo sie lebendige Gestalt geworden ist, oder doch werden sollte, nicht aufhören kann, zu zersetzen, und, gleich einem Menschen, der, um sich zu überzeugen, ob er auch alles das, was, wie er aus der Anthropologie weiß, zum Menschen gehört, wirklich besitze, sich Kopf-, Brust- und Bauchhöhle öffnen wollte, die Spitze aller Erscheinung, in der Geist und Natur sich umarmen, durch einen zugleich barbarischen und selbstmörderischen Akt zerstört. Eine solche Philosophie erkennt sich selbst in der höheren Chiffre der Kunst nicht wieder, es kommt ihr schon verdächtig vor, daß sie dieselbe aus der von ihr mit so viel Mühe und Anstrengung zerrissenen Chiffre der Natur zusammengesetzt findet, und sie weiß nicht, woran sie sich halten soll; da stößt sie aber zu ihrem Glück im Kunstwerk auf einzelne Partieen, die (solltens unter einem Gemälde auch nur die Unterschriften des Registrators sein!) in der ihr allein geläufigen Ausdrucksweise des Gedankens und der Reflexion abgefaßt sind, weil entweder der Geist des Ganzen dort wirklich nicht zur Form durchdrang, oder weil nur eine, der [321] Form nicht bedürftige, Kopula hinzustellen war; die hält sie nun für die Hauptsache, für das Resultat der Darstellung, um das sich das übrige Schnörkelwesen von Figuren und Gestalten ungefähr so herumschlinge, wie auf einem kaufmännischen Wechsel die Arabesken, Merkur und seine Sippschaft, um die reelle Zahl, mit Eifer und Ehrlichkeit reiht sie diese Perlen, Sentenzen und Gnomen genannt, am Faden auf und schätzt sie ab; da das Resultat nun aber natürlich ebenso kläglich ausfällt, als wenn man die Philosophie nach ihrem Reichtum an Leben und Gestalt messen wollte, so spricht sie mit voller Überzeugung ihr endliches Urteil dahin aus, daß die Kunst eine kindische Spielerei sei, wobei ja wohl auch, man habe Exempel, zuweilen ein von einem reichen Mann auf der Straße verlornes Goldstück gefunden und wieder in Kurs gesetzt werde. Wer diese Schilderung für übertrieben hält, der erinnere sich an Kants famosen Ausspruch in der Anthropologie, wo der Alte vom Berge alles Ernstes erklärt, das poetische Vermögen, von Homer an, beweise nichts, als eine Unfähigkeit zum reinen Denken, ohne jedoch die sich mit Notwendigkeit ergebende Konsequenz hinzuzufügen, daß auch die Welt in ihrer stammelnden Mannigfaltigkeit nichts beweise, als die Unfähigkeit Gottes, einen Monolog zu halten.

Wenn nun aber das Drama keine geringere, als die weltgeschichtliche Aufgabe selbst lösen helfen, wenn es zwischen der Idee und dem Welt- und Menschen-Zustand vermitteln soll, folgt nicht daraus, daß es sich ganz an die Geschichte hingeben, daß es historisch sein muß? Ich habe mich über diesen wichtigen Punkt an einem andern Ort, in der Schrift: Ein Wort über das Drama, Hamburg bei Hoffmann und Campe, 1843, auf die ich hier wohl verweisen darf, dahin ausgesprochen, daß das Drama schon an und für sich und ohne spezielle Tendenz (die eigentlich, um recht geschichtlich zu werden, aus der Geschichte heraustritt, und die Nabelschnur, die jede Kraft mit der lebendigen Gegenwart verknüpft, durchschneidet, um sie an die tote Vergangenheit mit einem Zwirnsfaden festzubinden) historisch und daß die Kunst die höchste Geschichtschreibung sei. Diesen Ausspruch wird keiner, der rückwärts und vorwärts zu schauen versteht, anfechten, denn er wird sich erinnern, daß uns nur von denjenigen Völkern der alten Welt, die es zur Kunst gebracht, die ihr Dasein [322] und Wirken in einer unzerbrechlichen Form niedergelegt haben, ein Bild geblieben ist, und hierin liegt zunächst der nie zu verachtende faktische Beweis; er wird aber auch erkennen, daß der sich schon jetzt verstrengernde historische Ausscheidungsprozeß, der das Bedeutende vom Unbedeutenden, das uns völlig Abgestorbene, wenn auch in sich noch so Gewichtige, von dem noch in den Geschichtsorganismus hinüber greifenden sondert, sich immer steigern, daß er die Nomenklatur dereinst einmal bis auf die Alexander und Napoleone lichten, daß er noch später nur noch die Völker-Physiognomieen und dann wohl gar nur noch die durch die Phasen der Religion und Philosophie bedingten allgemeinsten Entwickelungs-Epochen der Menschheit festhalten, ja sogar, der Humor kommt hier von selbst, darum verzeihe man ihn, die deutschen Lyrici, die mit niemand anstoßen, der ihnen nicht vorher die Unsterblichkeit einräumt, lieblos fallen lassen wird; da nun aber die großen Taten der Kunst noch viel seltener sind als die übrigen, aus dem einfachen Grunde, weil sie eben erst aus diesen resultieren, und da sie sich deshalb langsamer häufen, so leuchtet ein, daß die Kunst in dem ungeheuren Meer, worin Welle Welle verschlingt, noch lange Baken stecken, und der Nachwelt den allgemeinen und allerdings an sich unverlierbaren, weil unmittelbar im Leben aufgehenden,Gehalt der Geschichte in der Schale der speziellen Perioden, deren Spitze sie in ihren verschiedenen Gliederungen bildet, überliefern, ihr also, wenn auch nicht das weitläuftige und gleichgültige Register der Gärtner, die den Baum pflanzten und düngten, so doch die Frucht mit Fleisch und Kern, auf die es allein ankommt, und außerdem noch den Duft der Atmosphäre, in der sie reifte, darbieten kann. Endlich freilich wird auch hier der Punkt der Unübersehbarkeit erreicht werden, Shakespeare wird die Griechen, und was nach Shakespeare hervortritt, wird ihn verzehren, und ein neuer Kreislauf wird beginnen, oder Kunst und Geschichte werden versanden, die Welt wird für das Gewesene das Verständnis verlieren, ohne etwas Neues zu erzeugen, wenn sich nicht mit größerer Wahrscheinlichkeit annehmen ließe, daß dem Planeten mit dem Geschlecht, das er trägt, die schöpferische Kraft zugleich ausgehen wird. Die Konsequenzen dieses Gesichtspunktes ergeben sich von selbst, die Geschichte, insofern sie nicht bloß das [323] allmählige Fortrücken der Menschheit in der Lösung ihrer Aufgabe darstellen, sondern auch den Anteil, den die hervorragendern Individuen daran hatten, mit Haushälterin-Genauigkeit spezifizieren will, ist wirklich nicht viel mehr, als ein großer Kirchhof mit seinem Immortalitäts-Apparat, den Leichensteinen und Kreuzen und ihren Inschriften, die dem Tod, statt ihm zu trotzen, höchstens neue Arbeit machen, und wer weiß, wie unentwirrbar sich im Menschen die unbewußten und bewußten Motive seiner Handlungen zum Knoten verschlingen, der wird die Wahrheit dieser Inschriften selbst dann noch in Zweifel ziehen müssen, wenn der Tote sie sich selbst gesetzt und den guten Willen zur Aufrichtigkeit dargelegt hat. Ist nun aber solchem nach das materielle Fundament der Geschichte ein von vornherein nach allen Seiten durchlöchertes und durchlöcherbares, so kann die Aufgabe des Dramas doch unmöglich darin bestehen, mit eben diesem Fundament, diesem verdächtigen Konglomerat von Begebenheiten-Skizzen und Gestalten-Schemen, einen zweifelhaften Galvanisierungs-Versuch anzustellen, und der nüchterne Lessingsche Ausspruch in der Dramaturgie, wornach der dramatische Dichter die Geschichte, je nach Befund der Umstände, benutzen oder unbenutzt lassen darf, ohne in dem letzten Fall einen Tadel, oder in dem ersten ein spezielles Lob zu verdienen, wird, wenn man ihn nur über die Negation hinaus dahin erweitert, daß das Drama dessenungeachtet den höchsten Gehalt der Geschichte in sich aufnehmen kann und soll, in voller Kraft verbleiben, am wenigsten aber durch Shakespeares Beispiel, in dessen historischen Dramen die auf das Aparte zuweilen etwas versessene romantische Schule plötzlich mehr finden wollte, als in seinen übrigen, des größeren Gesichtskreises wegen unzweifelhaft höher stehenden Stücken, umgestoßen werden, denn Shakespeare scheuerte nicht etwa die »alten Schaumünzen« mit dem Kopf Wilhelms des Eroberers oder König Ethelreds wieder blank, sondern mit jenem großartigen Blick in das wahrhaft Lebendige, der diesen einzigen Mann nicht sowohl auszeichnet, als ihn macht, stellte er dar, was noch im Bewußtsein seines Volkes lebte, weil es noch daran zu tragen und zu zehren hatte, den Krieg der roten Rose mit der weißen, die Höllen-Ausgeburten des Kampfes und die, in der deshalb so »fromm und maßvoll« gehaltenen Person Richmonds[324] aufdämmernden Segnungen des endlichen Friedens. Wenn dies von aller Geschichte gilt, wie es denn der Fall ist, so gilt es noch, ganz besonders von der deutschen; es betrübt mich daher aufrichtig, daß bei uns, ungeachtet so viel schlimmer Erfahrungen, das Dramatisieren unserer ausgangs- und darum sogar imuntergeordneten Sinn gehaltlosen Kaiser-Historien immer wieder in die Mode kommt. Ist es denn so schwer, zu erkennen, daß die deutsche Nation bis jetzt überall keine Lebens-, sondern nur eine Krankheits-Geschichte aufzuzeigen hat, oder glaubt man alles Ernstes, durch das In Spiritus Setzen der Hohenstaufen-Bandwürmer, die ihr die Eingeweide zerfressen haben, die Krankheit heilen zu können? Wenn ich die Talente, die ihre Kraft an einem auf diesem Wege nicht zu erreichenden, obgleich an sich hochwichtigen und realisierbaren Zweck vergeuden, nicht achtete, so würde ich die Frage nicht aufwerfen. Es gibt hiefür eine andere, freilich sekundäre Form, die nicht so sehr, wie die dramatische, auf Konzentration und Progression angewiesen ist, und die durch die ihr verstattete Detailmalerei ein Interesse, das sie im Volk nicht vorfindet, ohne daß das Volk darum zu schelten wäre, erwecken kann, die von Walter Scott geschaffene Form des historischen Romans, die in Deutschland keiner so vollständig ausgefüllt, ja erweitert hat, als Willibald Alexis in seinem letzten Roman: der falsche Woldemar. Auf diesen Roman, der, an Brandenburg anknüpfend, alle deutschen Verhältnisse der dargestellten wichtigen Epoche zur Anschauung bringt und Geschichte gibt, ohne sie auf der einen Seite in Geschichten aufzulösen oder auf der anderen einem sogenannten historischen Pragmatismus die Fülle des Lebens und der Gestalten zu opfern, nehme ich hier zur Verdeutlichung meiner Gedanken gern Bezug.

So viel im allgemeinen. Nun noch ein Wort in Beziehung auf das Drama, das ich dem Publikum jetzt vorlege. Der Bänkelsängerstab, vor dem Immermann so gerechte Scheu trug, widert auch mich an, ich werde daher nicht über mein Stück und dessen Ökonomie (obgleich ich einige Ursache, und vielleicht auch einiges Recht dazu hätte, denn man hat mir die Judith und die Genoveva fast auf den Kopf gestellt, man hat mir in der ersteren namentlich das Moment, worin ihr ganzes Verdienst liegt, die Verwirrung der Motive in der Heldin, ohne die sie eine Katze, [325] wenn man will, eine heroische, geworden oder geblieben wäre, und die Ableitung der Tat aus eben dieser Verwirrung, die nur dadurch eine tragische, d.h. eine in sich, des welthistorischen Zwecks wegen notwendige, zugleich aber das mit der Vollbringung beauftragte Individuum wegen seiner partiellen Verletzung des sittlichen Gesetzes vernichtende, werden konnte, zum Vorwurf gemacht, mir also geradezu die Tugend als Sünde angerechnet), ich werde nur über die Gattung, zu der es gehört, reden. Es ist ein bürgerliches Trauerspiel. Das bürgerliche Trauerspiel ist in Deutschland in Mißkredit geraten, und hauptsächlich durch zwei Übelstände. Vornehmlich dadurch, daß man es nicht aus seinen inneren, ihm allein eigenen, Elementen, aus der schroffen Geschlossenheit, womit die aller Dialektik unfähigen Individuen sich in dem beschränktesten Kreis gegenüberstehen, und aus der hieraus entspringenden schrecklichen Gebundenheit des Lebens in der Einseitigkeit aufgebaut, sondern es aus allerlei Äußerlichkeiten, z.B. aus dem Mangel an Geld bei Überfluß an Hunger, vor allem aber aus dem Zusammenstoßen des dritten Standes mit dem zweiten und ersten in Liebes-Affären, zusammengeflickt hat. Daraus geht nun unleugbar viel Trauriges, aber nichts Tragisches, hervor, denn das Tragische muß als ein von vornherein mit Notwendigkeit Bedingtes, als ein, wie der Tod, mit dem Leben selbst Gesetztes und gar nicht zu Umgehendes auftreten; sobald man sich mit einem: Hätte er (dreißig Taler gehabt, dem die gerührte Sentimentalität wohl gar noch ein: wäre er doch zu mir gekommen, ich wohne ja Nr. 32 hinzufügt) oder einem: Wäre sie (ein Fräulein gewesen usw.) helfen kann, wird der Eindruck, der erschüttern soll, trivial, und die Wirkung, wenn sie nicht ganz verpufft, besteht darin, daß die Zuschauer am nächsten Tag mit größerer Bereitwilligkeit, wie sonst, ihre Armensteuer bezahlen oder ihre Töchter nachsichtiger behandeln, dafür haben sich aber die resp. Armen-Vorsteher und Töchter zu bedanken, nicht die dramatische Kunst. Dann auch dadurch, daß unsere Poeten, wenn sie sich einmal zum Volk hernieder ließen, weil ihnen einfiel, daß man doch vielleicht bloß ein Mensch sein dürfe, um ein Schicksal, und unter Umständen ein ungeheures Schicksal haben zu können, die gemeinen Menschen, mit denen sie sich in solchen verlorenen Stunden befaßten, immer erst durch schöne Reden, [326] die sie ihnen aus ihrem eigenen Schatz vorstreckten, adeln, oder auch durch stöckige Borniertheit noch unter ihren wirklichen Standpunkt in der Welt hinabdrücken zu müssen glaubten, so daß ihre Personen uns zum Teil als verwunschene Prinzen und Prinzessinnen vorkamen, die der Zauberer aus Malice nicht einmal in Drachen und Löwen und andere respektable Notabilitäten der Tierwelt, sondern in schnöde Bäckermädchen und Schneidergesellen verwandelt hatte, zum Teil aber auch als belebte Klötze, an denen es uns schon Wunder nehmen mußte, daß sie ja und nein sagen konnten. Dies war nun, wo möglich, noch schlimmer, es fügte dem Trivialen das Absurde und Lächerliche hinzu, und obendrein auf eine sehr in die Augen fallende Weise, denn jeder weiß, daß Bürger und Bauern ihre Tropen, deren sie sich ebensogut bedienen, wie die Helden des Salons und der Promenaden, nicht am Sternenhimmel pflücken und nicht aus dem Meer fischen, sondern daß der Handwerker sie sich in seiner Werkstatt, der Pflüger sie hinter seinem Pflug zusammen liest, und mancher macht wohl auch die Erfahrung, daß diese simplen Leute sich, wenn auch nicht aufs Konversieren, so doch recht gut aufs lebendige Reden, auf das Mischen und Veranschaulichen ihrer Gedanken, verstehen. Diese beiden Übelstände machen das Vorurteil gegen das bürgerliche Trauerspiel begreiflich, aber sie können es nicht rechtfertigen, denn sie fallen augenscheinlich nicht der Gattung, sondern nur den Pfuschern, die in ihr gestümpert haben, zur Last. Es ist an und für sich gleichgültig, ob der Zeiger der Uhr von Gold oder von Messing ist, und es kommt nicht darauf an, ob eine in sich bedeutende, d.h. symbolische, Handlung sich in einer niederen, oder einer gesellschaftlich höheren Sphäre ereignet. Aber freilich, wenn in der heroischen Tragödie die Schwere des Stoffs, das Gewicht der sich unmittelbar daran knüpfenden Reflexionen eher bis auf einen gewissen Grad für die Mängel der tragischen Form entschädigt, so hängt im bürgerlichen Trauerspiel alles davon ab, ob derRing der tragischen Form geschlossen, d.h. ob der Punkt erreicht wurde, wo uns einesteils nicht mehr die kümmerliche Teilnahme an dem Einzel-Geschick einer von dem Dichter willkürlich aufgegriffenen Person zugemutet, sondern dieses in einallgemein menschliches, wenn auch mir in extremen Fällen so schneidend hervortretendes, aufgelöst wird, [327] und wo uns andernteils neben dem, von der sogenannten Versöhnung unserer Aesthetici, welche sie in einem in der wahren Tragödie – die es mit dem durchaus Unauflöslichen und nur durch ein unfruchtbares Hinwegdenken des von vornherein zuzugebenden Faktums zu Beseitigenden zu tun hat – unmöglichen, in der auf konventionelle Verwirrungen gebauten aber leicht herbeizuführenden schließlichen Embrassement der anfangs auf Tod und Leben entzweiten Gegensätze zu erblicken pflegen, aufs strengste zu unterscheidenden Resultat des Kampfes, zugleich auch die Notwendigkeit, es gerade auf diesem und keinem andern Wege zu erreichen, entgegen tritt. In dem letzten Punkt, der Erläuterung wegen werde es bemerkt, ist die Ottilie der Wahlverwandtschaften ein vielleicht für alle Zeiten unerreichbares Meisterstück, und gerade hierin, hierin aber auch allein, lag Goethes künstlerisches Recht, ein so ungeheures Schicksal aus einer an den Oedip erinnernden Willenlosigkeit abzuleiten, da die himmlische Schönheit einer so ganz innerlichen Natur sich nicht in einem ruhigen, sondern nur im allergewaltsamsten Zustande aufdecken konnte. Hiernach, zu allernächst z.B. nach dem Verhältnis der Anekdote zu den im Hintergrund derselben sich mit ihren positiven und negativen Seiten bewegenden sittlichen Mächten der Familie, der Ehre und der Moral, wäre denn auch bei meinem Stück allein zu fragen, nicht aber nach der sogenannten »blühenden Diktion«, diesem jammervollen bunten Kattun, worin die Marionetten sich spreizen, oder nach der Zahl der hübschen Bilder, der Pracht-Sentenzen und Beschreibungen, und anderen Unter-Schönheiten, an denen arm zu sein, die erste Folge des Reichtums ist. Die Erbfehler des bürgerlichen Trauerspiels, deren ich oben gedachte, habe ich vermieden, das weiß ich, unstreitig habe ich andere dafür begangen. Welche? Das mögte ich am liebsten von den einsichtsvollen Beurteilern meiner Genoveva im Vaterland und in den Blättern für literarische Unterhaltung, denen ich hier für ihre gründlichen und geistreichen Rezensionen öffentlich meinen Dank ausspreche, erfahren.


Paris, den 4. März 1844

Personen

[328] Personen.

    • Meister Anton, ein Tischler.

    • Seine Frau.

    • Klara, seine Tochter.

    • Karl, sein Sohn.

    • Leonhard.

    • Ein Sekretär.

    • Wolfram, ein Kaufmann.

    • Adam, ein Gerichtsdiener.

    • Ein zweiter Gerichtsdiener.

    • Ein Knabe.

    • Eine Magd.

1. Akt

1. Szene
Erste Szene
Klara. Die Mutter.

KLARA.
Dein Hochzeits-Kleid? Ei, wie es dir steht! Es ist, als obs zu heut gemacht wäre!
MUTTER.

Ja, Kind, die Mode läuft so lange vorwärts, bis sie nicht weiter kann, und umkehren muß. Dies Kleid war schon zehn Mal aus der Mode, und kam immer wieder hinein.

KLARA.
Diesmal doch nicht ganz, liebe Mutter! Die Ärmel sind zu weit. Es muß dich nicht verdrießen!
MUTTER
lächelnd.
Dann müßt ich du sein!
KLARA.
So hast du also ausgesehen! Aber einen Kranz trugst du doch auch, nicht wahr?
MUTTER.
Wills hoffen! Wozu hätt ich sonst den Myrtenbaum jahrelang im Scherben gepflegt!
KLARA.

Ich hab dich so oft gebeten, und du hast es nie angezogen, du sagtest immer: mein Brautkleid ists nicht mehr, es ist nun mein Leichenkleid, und damit soll man nicht spielen. Ich mogt es zuletzt gar nicht mehr sehen, weil es mich, wenn es so weiß da hing, immer an deinen Tod und an den Tag erinnerte, wo die alten Weiber es dir über den Kopf ziehen würden. – Warum denn heut?

MUTTER.

Wenn man So schwer krank liegt, wie ich, und nicht weiß, ob man wieder gesund wird, da geht einem gar manches im Kopf herum. Der Tod ist schrecklicher, als man glaubt, o, er ist bitter! Er verdüstert die Welt, er bläst all die Lichter, eins nach dem andern, aus, die so bunt und lustig um uns her schimmern, die freundlichen Augen des Mannes und der Kinder hören zu leuchten auf, und es wird finster allenthalben, aber im Herzen zündet er ein Licht an, da wirds hell, und man sieht viel, sehr viel, was man nicht sehen mag. Ich bin mir eben nichts Böses bewußt, ich bin auf Gottes Wegen gegangen, ich, habe im Hause geschafft, was ich konnte, ich habe dich und deinen Bruder in der Furcht des Herrn aufgezogen und den [331] sauren Schweiß eures Vaters zusammengehalten, ich habe aber immer auch einen Pfenning für die Armen zu erübrigen gewußt, und wenn ich zuweilen einen abwies, weil ich gerade verdrießlich war, oder weil zu viele kamen, so war es kein Unglück für ihn, denn ich rief ihn gewiß wieder um und gab ihm doppelt. Ach, was ist das alles! Man zittert doch vor der letzten Stunde, wenn sie hereindroht, man krümmt sich, wie ein Wurm, man fleht zu Gott ums Leben, wie ein Diener den Herrn anfleht, die schlecht gemachte Arbeit noch einmal verrichten zu dürfen, um am Lohntag nicht zu kurz zu kommen.

KLARA.
Hör davon auf, liebe Mutter, dich greifts an!
MUTTER.

Nein, Kind, mir tuts wohl! Steh ich denn nicht gesund und kräftig wieder da? Hat der Herr mich nicht bloß gerufen, damit ich erkennen mögte, daß mein Feierkleid noch nicht fleckenlos und rein ist, und hat er mich nicht an der Pforte des Grabes wieder umkehren lassen, und mir Frist gegeben, mich zu schmücken für die himmlische Hochzeit? So gnadenvoll war er gegen jene sieben Jungfrauen im Evangelium, das du mir gestern abend vorlesen mußtest, nicht! Darum habe ich heute, da ich zum heiligen Abendmahl gehe, dies Gewand angelegt. Ich trug es den Tag, wo ich die frömmsten und besten Vorsätze meines Lebens faßte. Es soll mich an die mahnen, die ich noch nicht gehalten habe!

KLARA.
Du sprichst noch immer wie in deiner Krankheit!
2. Szene
Zweite Szene
KARL
tritt auf.
Guten Morgen, Mutter! Nun, Klara, mögtest du mich leiden, wenn ich nicht dein Bruder wäre?
KLARA.
Eine goldene Kette? Woher hast du die?
KARL.

Wofür schwitz ich? Warum arbeit ich abends zwei Stunden länger, als die anderen? Du bist impertinent!

MUTTER.
Zank am Sonntag-Morgen? Schäme dich, Karl!
KARL.
Mutter, hast du nicht einen Gulden für mich?
MUTTER.
Ich habe kein Geld, als was zur Haushaltung gehört.
KARL.

Gib nur immer davon her! Ich will nicht murren, wenn du die Eierkuchen vierzehn Tage lang etwas magerer bäckst. So hast dus schon oft gemacht! Ich weiß das wohl! Als für [332] Klaras weißes Kleid gespart wurde, da kam Monate lang nichts Leckeres auf den Tisch. Ich drückte die Augen zu, aber ich wußte recht gut, daß ein neuer Kopfputz, oder ein anderes Fahnenstück auf dem Wege war. Laß mich denn auch einmal davon profitieren!

MUTTER.
Du bist unverschämt!
KARL.
Ich hab nur keine Zeit, sonst – Er will gehen.
MUTTER.
Wohin gehst du?
KARL.

Ich wills dir nicht sagen, dann kannst du, wenn der alte Brummbär nach mir fragt, ohne rot zu werden, antworten, daß dus nicht weißt. Übrigens brauch ich deinen Gulden gar nicht, es ist das beste, daß nicht alles Wasser aus einem Brunnen geschöpft werden soll. Für sich. Hier im Hause glauben sie von mir ja doch immer das Schlimmste; wie sollt es mich nicht freuen, sie in der Angst zu erhalten? Warum sollt ichs sagen, daß ich, da ich den Gulden nicht bekomme, nun schon in die Kirche gehen muß, wenn mir nicht ein Bekannter aus der Verlegenheit hilft? Ab.

3. Szene
Dritte Szene
KLARA.
Was soll das heißen?
MUTTER.

Ach, er macht mir Herzeleid! Ja, ja, der Vater hat recht, das sind die Folgen! So allerliebst, wie er als kleiner Lockenkopf um das Stück Zucker bat, so trotzig fordert er jetzt den Gulden! Ob er den Gulden wirklich nicht fordern würde, wenn ich ihm das Stück Zucker abgeschlagen hätte? Das peinigt mich oft! Und ich glaube, er liebt mich nicht einmal. Hast du ihn ein einziges Mal weinen sehen während meiner Krankheit?

KLARA.
Ich sah ihn ja nur selten, fast nicht anders als bei Tisch. Mehr Appetit hatte er, als ich!
MUTTER
schnell.
Das war natürlich, er mußte die schwere Arbeit verrichten!
KLARA.

Freilich! Und wie die Männer sind! Die schämen sich ihrer Tränen mehr, als ihrer Sünden! Eine geballte Faust, warum die nicht zeigen, aber ein weinendes Auge? Auch der Vater! Schluchzte er nicht den Nachmittag, wo dir zur Ader gelassen wurde, und kein Blut kommen wollte, an seiner[333] Hobelbank, daß mirs durch die Seele ging! Aber als ich nun zu ihm trat, und ihm über die Backen strich, was sagte er? Versuch doch, ob du mir den verfluchten Span nicht aus dem Auge herausbringen kannst, man hat so viel zu tun und kommt nicht vom Fleck!

MUTTER
lächelnd.
Ja, ja! Ich sehe den Leonhard ja gar nicht mehr. Wie kommt das?
KLARA.
Mag er weg bleiben!
MUTTER.
Ich will nicht hoffen, daß du ihn anderswo siehst als hier im Hause!
KLARA.
Bleib ich etwa zu lange weg, wenn ich abends zum Brunnen gehe, daß du Grund zum Verdacht hast?
MUTTER.

Nein, das nicht! Aber nur darum hab ich ihm Erlaubnis gegeben, daß er zu uns kommen darf, damit er dir nicht bei Nebel und Nacht aufpassen soll. Das hat meine Mutter auch nicht gelitten!

KLARA.
Ich seh ihn nicht!
MUTTER.

Schmollt ihr miteinander? Ich mag ihn sonst wohl leiden, er ist so gesetzt! Wenn er nur erst etwas wäre! Zu meiner Zeit hätt er nicht lange warten dürfen, da rissen die Herren sich um einen geschickten Schreiber, wie die Lahmen um die Krücke, denn sie waren selten. Auch wir geringeren Leute konnten ihn brauchen. Heute setzte er dem Sohn einen Neujahrswunsch für den Vater auf, und erhielt allein für den vergoldeten Anfangsbuchstaben so viel, daß man einem Kinde eine Docke dafür hätte kaufen können. Morgen gab ihm der Vater einen Wink und ließ sich den Wunsch vorlesen, heimlich, bei verschlossenen Türen, um nicht überrascht zu werden und die Unwissenheit aufgedeckt zu sehen. Das gab doppelte Bezahlung. Da waren die Schreiber obenauf und machten das Bier teuer. Jetzt ists anders, jetzt müssen wir Alten, die wir uns nicht aufs Lesen und Schreiben verstehen, uns von neunjährigen Buben ausspotten lassen! Die Welt wird immer klüger, vielleicht kommt noch einmal die Zeit, wo einer sich schämen muß, wenn er nicht auf dem Seil tanzen kann!

KLARA.
Es läutet!
MUTTER.

Nun, Kind, ich will für dich beten! Und was deinen Leonhard betrifft, so liebe ihn, wie er Gott liebt, nicht mehr, [334] nicht weniger. So sprach meine alte Mutter zu mir, als sie aus der Welt ging, und mir den Segen gab, ich habe ihn lange genug behalten, hier hast du ihn wieder!

KLARA
reicht ihr einen Strauß.
Da!
MUTTER.
Der kommt gewiß vom Karl!
KLARA
nickt; dann beiseite.
Ich wollt, es wäre so! Was ihr eine rechte Freude machen soll, das muß von ihm kommen!
MUTTER.
O, er ist gut und hat mich lieb! Ab.
KLARA
sieht ihr durchs Fenster nach.

Da geht sie! Drei Mal träumt ich, sie läge im Sarg, und nun – o die boshaften Träume, sie kleiden sich in unsere Furcht, um unsre Hoffnung zu erschrecken! Ich will mich niemals wieder an einen Traum kehren, ich will mich über einen guten nicht wieder freuen, damit ich mich über den bösen, der ihm folgt, nicht wieder zu ängstigen brauche! Wie sie fest und sicher ausschreitet! Schon ist sie dem Kirchhof nah – wer wohl der erste ist, der ihr begegnet? Es soll nichts bedeuten, nein, ich meine nur – Erschrocken zusammenfahrend. Der Totengräber! Er hat eben ein Grab gemacht und steigt daraus hervor, sie grüßt ihn und blickt lächelnd in die düstre Grube hinab, nun wirft sie den Blumenstrauß hinunter und tritt in die Kirche. Man hört einen Choral. Sie singen: Nun danket alle Gott! Sie faltet die Hände. Ja! Ja! Wenn meine Mutter gestorben wäre, nie wär ich wieder ruhig geworden, denn – – Mit einem Blick gen Himmel. Aber Du bist gnädig, Du bist barmherzig! Ich wollt, ich hätt einen Glauben, wie die Katholischen, daß ich Dir etwas schenken dürfte! Meine ganze Sparbüchse wollt ich leeren, und Dir ein schönes vergoldetes Herz kaufen, und es mit Rosen umwinden. Unser Pfarrer sagt, vor Dir seien die Opfer nichts, denn alles sei Dein, und man müßte Dir das, was Du schon hast, nicht erst geben wollen! Aber alles, was im Hause ist, gehört meinem Vater doch auch, und dennoch sieht ers gar gern, wenn ich ihm für sein eignes Geld ein Tuch kaufe, und es sauber sticke, und ihm zum Geburtstag auf den Teller lege. Ja, er tut mir die Ehre an und trägts nur an den höchsten Feiertagen, zu Weihnacht oder zu Pfingsten! Einmal sah ich ein ganz kleines katholisches Mädchen, das seine Kirschen zum Altar trug. Wie gefiel mir das! Es waren die ersten im Jahr, die das Kind bekam, ich [335] sah, wie es brannte, sie zu essen! Dennoch bekämpfte es seine unschuldige Begierde, es warf sie, um nur der Versuchung ein Ende zu machen, rasch hin, der Meßpfaff, der eben den Kelch erhob, schaute finster drein, und das Kind eilte erschreckt von dannen, aber die Maria über dem Altar lächelte so mild, als wünschte sie aus ihrem Rahmen herauszutreten, um dem Kind nachzueilen und es zu küssen. Ich tats für sie! Da kommt Leonhard! Ach!

4. Szene
Vierte Szene
LEONHARD
vor der Tür.
Angezogen?
KLARA.
Warum so zart, so rücksichtsvoll? Ich bin noch immer keine Prinzessin.
LEONHARD
tritt ein.

Ich glaubte, du wärst nicht allein! Im Vorübergehen kam es mir vor, als ob Nachbars Bärbchen am Fenster stände!

KLARA.
Also darum!
LEONHARD.

Du bist immer verdrießlich! Man kann vierzehn Tage weg geblieben sein, Regen und Sonnenschein können sich am Himmel zehn Mal abgelöst haben, in deinem Gesicht steht, wenn man endlich wieder kommt, immer noch die alte Wolke!

KLARA.
Es gab andere Zeiten!
LEONHARD.
Wahrhaftig! Hättest du immer ausgesehen, wie jetzt, wir wären niemals gut Freund geworden!
KLARA.
Was lag daran!
LEONHARD.

So frei fühlst du dich von mir? Mir kanns recht sein! Dann Mit Beziehung. hat dein Zahnweh von neulich nichts zu bedeuten gehabt!

KLARA.
O Leonhard, es war nicht recht von dir!
LEONHARD.

Nicht recht, daß ich mein höchstes Gut, denn das bist du, auch durch das letzte Band an mich fest zu knüpfen suchte? Und in dem Augenblick, wo ich in Gefahr stand, es zu verlieren? Meinst du, ich sah die stillen Blicke nicht, die du mit dem Sekretär wechseltest? Das war ein schöner Freudentag für mich! Ich führe dich zum Tanz, und –

KLARA.

Du hörst nicht auf, mich zu kränken! Ich sah den Sekretär an, warum sollt ichs leugnen? Aber nur wegen des Schnurrbarts, [336] den er sich auf der Akademie hat wachsen lassen, und der ihm –Sie hält inne.

LEONHARD.

So gut steht, nicht wahr? Das wolltest du doch sagen? O ihr Weiber! Euch gefällt das Soldaten-Zeichen noch in der ärgsten Karikatur! Mir kam das kleine, lächerlich-runde Gesicht des Gecken, ich bin erbittert auf ihn, ich verhehle es nicht, er hat mir lange genug bei dir im Wege gestanden, mit dem Walde von Haaren, der es in der Mitte durchschneidet, wie ein weißes Kaninchen vor, das sich hinter den Busch verkriecht.

KLARA.
Ich habe ihn noch nicht gelobt, du brauchst ihm nicht herabzusetzen.
LEONHARD.
Du scheinst noch immer warmen Anteil an ihm zu nehmen!
KLARA.
Wir haben als Kinder zusammen gespielt, und nachher – du weißt recht gut!
LEONHARD.
O ja, ich weiß! Aber eben darum!
KLARA.

Da war es wohl natürlich, daß ich, nun ich ihn seit so langer Zeit zum ersten Mal wieder er blickte, ihn ansah und mich verwunderte, wie groß und – Sie unterbricht sich.

LEONHARD.
Warum wurdest du denn rot, als er dich wieder ansah?
KLARA.

Ich glaubte, er sähe nach dem Wärzchen auf meiner linken Backe, ob das auch größer geworden sei! Du weißt, daß ich mir dies alle Mal einbilde, wenn mich jemand so starr betrachtet, und daß ich dann immer rot werde. Ist mirs doch, als ob die Warze wächst, solange einer darnach guckt!

LEONHARD.

Seis, wie es sei, mich überliefs, und ich dachte: noch diesen Abend stell ich sie auf die Probe! Will sie mein Weib werden, so weiß sie, daß sie nichts wagt. Sagt sie nein, so –

KLARA.

O, du sprachst ein böses, böses Wort, als ich dich zurück stieß und von der Bank aufsprang. Der Mond, der bisher zu meinem Beistand so fromm in die Laube hinein geschienen hatte, ertrank kläglich in den nassen Wolken, ich wollte forteilen, doch ich fühlte mich zurückgehalten, ich glaubte erst, du wärst es, aber es war der Rosenbusch, der mein Kleid mit seinen Dornen, wie mit Zähnen, festhielt, du lästertest mein Herz und ich traute ihm selbst nicht mehr, du standst vor mir, wie einer, der eine Schuld einfordert, ich – ach Gott!

[337]
LEONHARD.

Ich kanns noch nicht bereuen. Ich weiß, daß ich dich mir nur so erhalten konnte. Die alte Jugendliebe tat die Augen wieder auf, ich konnte sie nicht schnell genug zudrücken.

KLARA.

Als ich zu Hause kam, fand ich meine Mutter krank, totkrank. Plötzlich dahin geworfen, wie von unsichtbarer Hand. Der Vater hatte nach mir schicken wollen, sie hatte es nicht zugegeben, um mich in meiner Freude nicht zu stören. Wie ward mir zumut, als ichs hörte! Ich hielt mich fern, ich wagte nicht, sie zu berühren, ich zitterte. Sie nahms für kindliche Besorgnis, und winkte mich zu sich heran, als ich mich langsam nahte, zog sie mich zu sich nieder und küßte meinen entweihten Mund. Ich verging, ich hätte ihr ein Geständnis tun, ich hätte ihr zuschreien mögen, was ich dachte und fühlte: meinetwegen liegst du so da! Ich tats, aber Tränen und Schluchzen erstickten die Worte, sie griff nach der Hand meines Vaters und sprach mit einem seligen Blick auf mich: welch ein Gemüt!

LEONHARD.
Sie ist wieder gesund. Ich kam, ihr meinen Glückwunsch abzustatten, und – was meinst du?
KLARA.
Und?
LEONHARD.
Bei deinem Vater um dich anzuhalten!
KLARA.
Ach!
LEONHARD.
Ist dirs nicht recht?
KLARA.

Nicht recht? Mein Tod wärs, wenn ich nicht bald dein Weib würde, aber du kennst meinen Vater nicht! Er weiß nicht, warum wir Eile haben, er kanns nicht wissen, und wir könnens ihm nicht sagen, und er hat hundert Mal erklärt, daß er seine Tochter nur dem gibt, der, wie er es nennt, nicht bloß Liebe im Herzen, sondern auch Brot im Schrank für sie hat. Er wird sprechen: wart noch ein Jahr, mein Sohn, oder zwei, und was willst du antworten?

LEONHARD.
Närrin, der Punkt ist ja gerade beseitigt! Ich habe die Stelle, ich bin Kassierer!
KLARA.
Du bist Kassierer? Und der andere Kandidat, der Neffe vom Pastor?
LEONHARD.

War betrunken, als er zum Examen kam, verbeugte sich gegen den Ofen, statt gegen den Bürgermeister, und stieß, als er sich niedersetzte, drei Tassen vom Tisch. Du weißt, wie hitzig der Alte ist. Herr! fuhr er auf, doch noch bekämpfte er[338] sich und biß sich auf die Lippen, aber seine Augen blitzten durch die Brille, wie ein Paar Schlangen, die springen wollen, und jede seiner Mienen spannte sich. Nun gings ans Rechnen, und, ha! ha! mein Mitbewerber rechnete nach einem selbsterfundenen Einmaleins, das ganz neue Resultate lieferte; der verrechnet sich! sprach der Bürgermeister, und reichte mir mit einem Blick, in dem schon die Bestallung lag, die Hand, die ich, obgleich sie nach Tabak roch, demütig an die Lippen führte, hier ist sie selbst, unterschrieben und besiegelt!

KLARA.
Das kommt –
LEONHARD.

Unerwartet, nicht wahr? Nun, es kommt auch nicht so ganz von ungefähr. Warum ließ ich mich vierzehn Tage lang bei euch nicht sehen?

KLARA.
Was weiß ich? Ich denke, weil wir uns den letzten Sonntag erzürnten!
LEONHARD.

Den kleinen Zwist führte ich selbst listig herbei, damit ich wegbleiben könnte, ohne daß es zu sehr auffiele.

KLARA.
Ich versteh dich nicht!
LEONHARD.

Glaubs. Die Zeit benutzt ich dazu, der kleinen buckligten Nichte des Bürgermeisters, die so viel bei dem Alten gilt, die seine rechte Hand ist, wie der Gerichtsdiener die linke, den Hof zu machen. Versteh mich recht! Ich sagte ihr selbst nichts Angenehmes, ausgenommen ein Kompliment über ihre Haare, die bekanntlich rot sind, ich sagte ihr nur einiges, das ihr wohl gefiel, über dich!

KLARA.
Über mich?
LEONHARD.

Warum sollt ichs verschweigen? Geschah es doch in der besten Absicht! Als ob es mir nie im Ernst um dich zu tun gewesen wäre, als ob – Genug! Das dauerte so lange, bis ich dies in Händen hatte, und wie's gemeint war, wird die leichtgläubige, manntolle Törin erfahren, sobald sie uns in der Kirche aufbieten hört!

KLARA.
Leonhard!
LEONHARD.

Kind! Kind! Sei du ohne Falsch, wie die Taube, ich will klug, wie die Schlange sein, dann genügen wir, da Mann und Weib doch nur eins sind, dem Evangelienspruch vollkommen.Lacht. Es kam auch nicht ganz von selbst, daß der junge Herrmann in dem wichtigsten Augenblick seines Lebens [339] betrunken war. Du hast gewiß nicht gehört, daß der Mensch sich aufs Trinken verlegt!

KLARA.
Kein Wort.
LEONHARD.

Um so leichter glückte mein Plan. Mit drei Gläsern wars getan. Ein paar Kameraden von mir mußten ihm auf den Leib rücken. »Darf man gratulieren?« Noch nicht! »O, das ist ja abgemacht! Dein Onkel –« Und nun: trink, mein Brüderlein, trink! Als ich heute morgen zu dir ging, stand er am Fluß, und guckte, übers Brückengeländer sich lehnend, schwermütig hinein. Ich grüßte ihn spöttisch und fragte, ob ihm etwas ins Wasser gefallen sei? »Ja wohl – sagte er, ohne aufzusehen – und es ist vielleicht gut, wenn ich selbst nachspringe.«

KLARA.
Unwürdiger! Mir aus den Augen!
LEONHARD.
Ja? Macht, als wollt er gehen.
KLARA.
O mein Gott, an diesen Menschen bin ich gekettet!
LEONHARD.

Sei kein Kind! Und nun noch ein Wort im Vertrauen. Hat dein Vater die tausend Taler noch immer in der Apotheke stehen?

KLARA.
Ich weiß nichts davon.
LEONHARD.
Nichts über einen so wichtigen Punkt?
KLARA.
Da kommt mein Vater.
LEONHARD.
Versteh mich! Der Apotheker soll nah am Konkurs sein, darum fragt ich!
KLARA.
Ich muß in die Küche! Ab.
LEONHARD
allein.

Nun müßte hier nichts zu holen sein! Ich kam es mir zwar nicht denken, denn der Meister Anton ist der Art, daß er, wenn man ihm aus Versehen auch nur einen Buchstaben zu viel auf den Grabstein setzte, gewiß als Geist so lange umginge, bis er wieder ausgekratzt wäre, denn er würde es für unredlich halten, sich mehr vom Alphabet anzueignen, als ihm zukäme!

5. Szene
Fünfte Szene
DER VATER, MEISTER ANTON
tritt ein.

Guten Morgen, Herr Kassierer! Er nimmt seinen Hut ab, und setzt eine wollene Mütze auf. Ists einem alten Manne erlaubt, sein Haupt zu bedecken?

LEONHARD.
Er weiß also –
MEISTER ANTON.

Schon gestern abend. Ich hörte, als ich in der [340] Dämmerung zum toten Müller ging, um dem Mann das Maß zur letzten Behausung zu nehmen, ein paar von seinen guten Freunden auf Ihn schimpfen. Da dachte ich gleich: der Leonhard hat gewiß den Hals nicht gebrochen. Im Sterbehause hörte ich das Nähere vom Küster, der eben vor mir gekommen war, um die Witwe zu trösten und nebenbei sich selbst zu betrinken.

LEONHARD.
Und Klara mußte es erst von mir erfahren?
MEISTER ANTON.

Wenn es Ihn nicht trieb, der Dirne die Freude zu machen, wie sollt es mich treiben? Ich stecke in meinem Hause keine Kerzen an, als die mir selbst gehören. Dann weiß ich, daß niemand kommen kann, der sie wieder ausbläst, wenn wir eben unsre beste Lust daran haben!

LEONHARD.
Er konnte doch von mir nicht denken –
MEISTER ANTON.

Denken? Über Ihn? Über irgendeinen? Ich hoble mir die Bretter wohl zurecht mit meinem Eisen, aber nie die Menschen mit meinen Gedanken. Über die Torheit bin ich längst hinaus. Wenn ich einen Baum grünen sehe, so denk ich wohl: nun wird er bald blühen! Und wenn er blüht: nun wird er Früchte bringen! Darin sehe ich mich auch nicht getäuscht, darum geb ich die alte Gewohnheit nicht auf. Aber über Menschen denke ich nichts, gar nichts, nichts Schlimmes, nichts Gutes, dann brauch ich nicht abwechselnd, wenn sie bald meine Furcht, bald meine Hoffnung täuschen, rot oder blaß zu werden. Ich mache bloß Erfahrungen über sie, und nehme mir ein Beispiel an meinen beiden Augen, die auch nicht denken, sondern nur sehen. Über Ihn glaubte ich schon eine ganze Erfahrung gemacht zu haben, nun finde ich Ihn hier, und muß bekennen, daß es doch nur eine halbe gewesen ist!

LEONHARD.

Meister Anton, Er macht es ganz verkehrt. Der Baum hängt von Wind und Wetter ab, der Mensch hat in sich Gesetz und Regel!

MEISTER ANTON.

Meint Er? Ja, wir Alten sind dem Tod vielen Dank schuldig, daß er uns noch solange unter euch Jungen herumlaufen läßt, und uns Gelegenheit gibt, uns zu bilden. Früher glaubte die dumme Welt, der Vater sei dazu da, um den Sohn zu erziehen. Umgekehrt, der Sohn soll dem Vater die letzte Politur geben, damit der arme einfältige Mann sich im Grabe [341] nicht vor den Würmern zu schämen braucht. Gott Lob, ich habe in meinem Karl einen braven Lehrer, der rücksichtslos und, ohne das alte Kind durch Nachsicht zu verzärteln, gegen meine Vorurteile zu Felde zieht. So hat er mir noch heute morgen zwei neue Lehren gegeben, und auf die geschickteste Weise, ohne auch nur den Mund aufzutun, ohne sich bei mir sehen zu lassen, ja, eben dadurch. Erstich hat er mir gezeigt, daß man sein Wort nicht zu halten braucht, zweitens, daß es überflüssig ist, in die Kirche zu gehen, und Gottes Gebote in sich aufzufrischen. Gestern abend versprach er mir, es zu tun, und ich verließ mich darauf, daß er kommen würde, denn ich dachte: er wird dem gütigen Schöpfer doch für die Wiederherstellung seiner Mutter danken wollen. Aber er war nicht da, ich hatte es in meinem Stuhl, der freilich für zwei Personen ein wenig eng ist, ganz bequem. Ob es ihm wohl ganz recht wäre, wenn ich mir die neue Lehre gleich zu eigen machte, und ihm auch mein Wort nicht hielte? Ich habe ihm zu seinem Geburtstag einen neuen Anzug versprochen, und hätte also Gelegenheit, seine Freude über meine Gelehrigkeit zu prüfen. Aber das Vorurteil, das Vorurteil! Ich werde es nicht tun!

LEONHARD.
Vielleicht war er unwohl –
MEISTER ANTON.

Möglich, ich brauche meine Frau nur zu fragen, dann hör ich ganz gewiß, daß er krank ist. Denn über alles in der Welt sagt sie mir die Wahrheit, nur nicht über den Jungen. Und wenn auch nicht krank – auch das hat die junge Welt vor uns Alten voraus, daß sie allenthalben ihre Erbauung findet, daß sie beim Vogelfangen, beim Spazierengehen, ja im Wirtshaus ihre Andacht halten kann. »Vater unser, der du bist im Himmel!« – Guten Tag, Peter, sieht man dich beim Abendtanz? – »Geheiligt werde dein Name!« – Ja, lach nur, Kathrine, es findet sich! – »Dein Wille geschehe!« – Hol mich der Teufel, ich bin noch nicht rasiert! – Und so zu Ende, und den Segen gibt man sich selbst, denn man ist ja ein Mensch, so gut, wie der Prediger, und die Kraft, die vom schwarzen Rock ausgeht, steckt gewiß auch im blauen. Ich habe auch nichts dagegen, und wollt Ihr sogar zwischen die sieben Bitten sieben Gläser einschalten, was tuts, ich kanns keinem beweisen, daß Bier und Religion sich nicht miteinander vertragen, und vielleicht [342] kommts noch einmal als eine neue Art, das Abendmahl zu nehmen, in die Liturgie. Ich alter Sünder freilich, ich bin nicht stark genug, um die Mode mitzumachen, ich kann die Andacht nicht, wie einen Maikäfer, auf der Straße einfangen, bei mir kann das Gezwitscher der Spatzen und Schwalben die Stelle der Orgel nicht vertreten, wenn ich mein Herz erhoben fühlen soll, so muß ich erst die schweren eisernen Kirchtüren hinter mir zuschlagen hören, und mir einbilden, es seien die Tore der Welt gewesen, die düstern hohen Mauern mit den schmalen Fenstern, die das helle freche Welt-Licht nur verdunkelt durchlassen, als ob sie es sichteten, müßten sich um mich zusammendrängen, und in der Ferne muß ich das Beinhaus mit dem eingemauerten Totenkopf sehen können. Nun – besser ist besser!

LEONHARD.
Er nimmts auch zu genau.
MEISTER ANTON.

Gewiß! Ganz gewiß! Und heute, als ehrlicher Mann muß ichs gestehen, triffts nicht einmal zu, in der Kirche verlor ich die Andacht, denn der offene Platz neben mir verdroß mich, und draußen, unter dem Birnbaum in meinem Garten, fand ich sie wieder. Er wundert sich? Sieh Er, ich ging betrübt und niedergeschlagen zu Hause, wie einer, dem die Ernte verhagelt ist, denn Kinder sind wie Äcker, man sät sein gutes Korn hinein, und dann geht Unkraut auf. Unter dem Birnbaum, den die Raupen abgefressen haben, stand ich still. »Ja – dacht ich – der Junge ist, wie dieser da, leer und kahl!« Da kam es mir auf einmal vor, als ob ich sehr durstig wäre, und durchaus ins Wirtshaus müßte. Ich betrog mich selbst, mir war nicht um ein Glas Bier zu tun, nur darum, den Burschen aufzusuchen und auszuschmälen, im Wirtshaus, das wußte ich, hätte ich ihn ganz gewiß gefunden. Eben wollt ich gehen, da ließ der alte, vernünftige Baum eine saftige Birne zu meinen Füßen niederfallen, als wollt er sagen: die ist für den Durst, und weil du mich durch den Vergleich mit deinem Schlingel verschimpfiert hast! Ich besann mich, biß, hinein und ging ins Haus.

LEONHARD.
Weiß Er, daß der Apotheker nah am Konkurs ist?
MEISTER ANTON.
Was kümmerts mich!
LEONHARD.
So gar nichts?
[343]
MEISTER ANTON.
Doch! Ich bin ein Christ. Der Mann hat viele Kinder!
LEONHARD.
Und noch mehr Gläubiger. Auch die Kinder sind eine Art von Gläubigern.
MEISTER ANTON.
Wohl dem, der keins von beiden ist!
LEONHARD.
Ich glaubte, Er selbst –
MEISTER ANTON.
Das ist längst abgemacht.
LEONHARD.

Er ist ein vorsichtiger Mann. Er hat sein Geld gewiß gleich eingefordert, als Er sah, daß es mit dem Kräuterhändler rückwärts ging!

MEISTER ANTON.
Ja, ich brauche nicht mehr zu zittern, daß ich es verliere, denn ich habe es längst verloren.
LEONHARD.
Spaß!
MEISTER ANTON.
Ernst!
KLARA
sieht in die Tür.
Rief Er, Vater?
MEISTER ANTON.
Klingen dir schon die Ohren? Von dir war die Rede noch nicht!
KLARA.
Das Wochenblatt! Ab.
LEONHARD.
Er ist ein Philosoph!
MEISTER ANTON.
Was heißt das?
LEONHARD.
Er weiß sich zu fassen!
MEISTER ANTON.

Ich trage einen Mühlstein wohl zuweilen als Halskrause, statt damit ins Wasser zu gehen – das gibt einen steifen Rücken!

LEONHARD.
Wers kann, machts nach!
MEISTER ANTON.

Wer einen so wackern Mitträger findet, als ich in Ihm zu finden scheine, der muß unter der Last sogar tanzen können. Er ist ja ordentlich blaß geworden! Das nenn ich Teilnahme!

LEONHARD.
Er wird mich nicht verkennen!
MEISTER ANTON.
Gewiß nicht! Er trommelt auf einer Kommode. Daß das Holz nicht durchsichtig ist, wie?
LEONHARD.
Ich versteh Ihn nicht!
MEISTER ANTON.

Wie einfältig war unser Großvater Adam, daß er die Eva nahm, ob sie gleich nackt und bloß war, und nicht einmal das Feigenblatt mitbrachte. Wir beide, Er und ich, hätten sie als Landstreicherin aus dem Paradies heraus gepeitscht! Was meint Er?

[344]
LEONHARD.
Er ist ärgerlich auf seinen Sohn. Ich kam, Ihn um seine Tochter –
MEISTER ANTON.
Halt Er ein! Vielleicht sag ich nicht nein!
LEONHARD.

Das hoff ich! Und ich will Ihm meine Meinung sagen! sogar die heiligen Erzväter verschmähten nicht den Mahlschatz ihrer Weiber, Jacob liebte die Rahel und warb sieben Jahre um sie, aber er freute sich auch über die fetten Widder und Schafe, die er in ihres Vaters Dienst gewann. Ich denke, es gereicht ihm nicht zur Schande, und ihn übertreffen, heißt, ihn rot machen. Ich hätte es gern gesehen, wenn seine Tochter mir ein paar hundert Taler zugebracht hätte, und das war natürlich, denn um so besser würde sie selbst es bei mir gehabt haben, wenn ein Mädchen das Bett im Koffer mitbringt, so braucht sie nicht erst Wolle zu kratzen und Garn zu spinnen. Es ist nicht der Fall- was tuts? Wir machen aus der Fasten-Speise unser Sonntags-Essen, und aus dem Sonntags-Braten unsern Weihnachts-Schmaus! So gehts auch!

MEISTER ANTON
reicht ihm die Hand.

Er spricht brav, und unser Herr Gott nickt zu seinen Worten, nun – ich wills vergessen, daß meine Tochter vierzehn Tage lang des Abends vergeblich beim Teetrinken eine Tasse für Ihn auf den Tisch gestellt hat. Und nun Er mein Schwiegersohn wird, will ich Ihm auch sagen, wo die tausend Taler geblieben sind!

LEONHARD
beiseite.

Also doch weg! Nun, so brauch ich mir von dem alten Werwolf auch nichts gefallen zu lassen, wenn er mein Schwiegervater ist!

MEISTER ANTON.

Mir gings in jungen Jahren schlecht. Ich bin so wenig, wie Er, als ein borstiger Igel zur Welt gekommen, aber ich bin nach und nach einer geworden. Erst waren all die Stacheln bei mir nach innen gerichtet, da kniffen und drückten sie alle zu ihrem Spaß auf meiner nachgiebigen glatten Haut herum, und freuten sich, wenn ich zusammenfuhr, weil die Spitzen mir in Herz und Eingeweide drangen. Aber das Ding gefiel mir nicht, ich kehrte meine Haut um, nun fuhren ihnen die Borsten in die Finger, und ich hatte Frieden.

LEONHARD
für sich.
Vor dem Teufel selbst, glaub ich!
MEISTER ANTON.

Mein Vater arbeitete sich, weil er sich Tag und Nacht keine Ruhe gönnte, schon in seinem dreißigsten Jahre [345] zu Tode, meine arme Mutter ernährte mich mit Spinnen, so gut es ging, ich wuchs auf, ohne etwas zu lernen, ich hätte mir, als ich größer wurde, und doch noch immer nichts verdienen konnte, wenigstens gern das Essen abgewöhnt, aber wenn ich mich auch des Mittags zu weilen krank stellte und den Teller zurückschob, was wollte es bedeuten? am Abend zwang mich der Magen, mich wieder für gesund zu erklären. Meine größte Pein war, daß ich so ungeschickt blieb, ich konnte darüber mit mir selbst hadern, als obs meine eigene Schuld wäre, als ob ich mich im Mutterleibe nur mit Freßzähnen versehen, und alle nützliche Eigenschaften und Fertigkeiten, wie absichtlich, darin zurückgelassen hätte, ich konnte rot werden, wenn mich die Sonne beschien. Gleich nach meiner Konfirmation trat der Mann, den sie gestern begraben haben, der Meister Gebhard, zu uns in die Stube. Er runzelte die Stirn und verzog das Gesicht, wie er immer tat, wenn er etwas Gutes beabsichtigte, dann sagte er zu meiner Mutter: hat Sie Ihren Jungen in die Welt gesetzt, daß er Ihr Nase und Ohren vom Kopf fressen soll? Ich schämte mich, und legte das Brot, von dem ich mir gerade ein Stück abschneiden wollte, schnell wieder in den Schrank, meine Mutter ärgerte sich über das wohlgemeinte Wort, sie hielt ihr Rad an und versetzte hitzig, ihr Sohn sei brav und gut. Nun, das wollen wir sehen, sagte der Meister, wenn er Lust hat, kann er gleich, wie er da steht, mit mir in die Werkstatt gehen, Lehrgeld verlang ich nicht, die Kost bekommt er, für Kleider will ich auch sorgen, und wenn er früh aufstehen und spät zu Bette gehen will, so solls ihm an Gelegenheit, hin und wieder ein gutes Trinkgeld für seine alte Mutter zu verdienen, nicht fehlen. Meine Mutter fing zu weinen an, ich zu tanzen, als wir endlich zu Worte kamen, hielt der Meister sich die Ohren zu, schritt hinaus und winkte mir. Den Hut braucht ich nicht aufzusetzen, denn ich hatte keinen, ohne der Mutter auch nur Adjes zu sagen, folgt ich ihm, und als ich am nächsten Sonntag zum ersten Mal auf ein Stündchen zu ihr zurück durfte, gab er mir einen halben Schinken für sie mit. Gottes Segen in des braven Mannes Gruft! Noch hör ich sein halbzorniges: Tonerl, unter die Jacke damit, daß meine Frau es nicht sieht!

[346]
LEONHARD.
Kann Er auch weinen?
MEISTER ANTON
trocknet sich die Augen.

Ja, daran darf ich nicht denken, so gut der Tränenbrunnen auch in mir verstopft ist, das gibt jedes Mal wieder einen Riß. Nun, auch gut; wenn ich einmal wassersüchtig werde, so brauche ich mir wenigstens diese Tropfen nicht mit abzapfen zu lassen.Mit einer plötzlichen Wendung. Was meint Er? Wenn Er den Mann, dem Er alles verdankte, einmal an einem Sonntag-Nachmittag auf eine Pfeife Tabak besuchen wollte, und Er träfe ihn verwirrt und verstört, ein Messer in der Hand, dasselbe Messer, womit er ihm tausend Mal sein Vesperbrot abgeschnitten, blutig am Halse, und das Tuch ängstlich bis ans Kinn hinausziehend – –

LEONHARD.
So ging der alte Gebhard bis an sein Ende!
MEISTER ANTON.

Der Narbe wegen. Und Er käme noch eben zur rechten Zeit, Er könnte retten und helfen, aber nicht bloß dadurch, daß Er ihm das Messer aus der Hand risse und die Wunde verbände, sondern Er müßte auch lumpige tausend Taler, die Er erspart hätte, hergeben, und das müßte sogar, um den kranken Mann nur zur Annahme zu bewegen, ganz in der Stille geschehen, was würde er tun?

LEONHARD.
Ledig und los, wie ich bin, ohne Weib und Kind, würde ich das Geld opfern.
MEISTER ANTON.

Und wenn Er zehn Weiber hätte, wie die Türken, und so viel Kinder, als dem Vater Abraham versprochen waren, und Er könnte Sich auch nur einen Augenblick bedenken, so wär Er – nun, Er wird mein Schwiegersohn! Jetzt weiß Er, wo das Geld geblieben ist, heute konnt ich es Ihm sagen, denn mein alter Meister ist begraben, vor einem Monat hätt ichs noch auf dem Sterbebett bei mir behalten. Die Verschreibung hab ich dem Toten, bevor sie den Sarg zunagelten, unter den Kopf geschoben, wenn ich schreiben könnte, hätt ich vorher ein: Ehrlich bezahlt! darunter gesetzt, unwissend, wie ich bin, blieb mir nichts übrig, als der Länge nach einen Riß ins Papier zu machen. Nun wird er ruhig schlafen, und ich hoffe, ich auch, wenn ich mich einst neben ihn hinstrecke.

[347]
6. Szene
Sechste Szene
DIE MUTTER
tritt schnell ein.
Kennst mich noch?
MEISTER ANTON
auf das Hochzeitskleid deutend.

Den Rahmen, ja wohl, der hat sich gehalten, das Bild nicht recht. Es scheint sich viel Spinnweb darauf gesetzt zu haben, nun, die Zeit war lang genug dazu!

MUTTER.

Hab ich nicht einen aufrichtigen Mann? Doch, ich brauch ihn nicht apart zu loben, Aufrichtigkeit ist die Tugend der Ehemänner.

MEISTER ANTON.
Tuts dir leid, daß du mit 20 Jahren besser vergoldet warst, als mit 50?
MUTTER.
Gewiß nicht! Wärs anders, so müßt ich mich ja für die und mich schämen!
MEISTER ANTON.
So gibst du mir einen Kuß! Ich bin rasiert, und besser, wie gewöhnlich!
MUTTER.

Ich sage ja, bloß um zu prüfen, ob du dich noch auf die Kunst verstehst. Das fiel dir lange nicht mehr ein!

MEISTER ANTON.

Gute Hausmutter! Ich will nicht verlangen, daß du mir die Augen zudrücken sollst, es ist ein schweres Stück, ich wills für dich übernehmen, ich will dir den letzten Liebesdienst erweisen, aber Zeit mußt du mir lassen, hörst du, daß ich mich stähle und vorbereite, und nicht als Stümper bestehe. Noch wars viel zu früh!

MUTTER.
Gott sei Dank, wir bleiben noch eine Weile beisammen.
MEISTER ANTON.
Ich hoffs auch, du hast ja ordentlich wieder rote Backen!
MUTTER.

Ein possierlicher Mensch, unser neuer Totengräber. Er machte ein Grab, als ich heute morgen über den Kirchhof ging, ich fragte ihn, für wen es sei. »Für wen Gott will, sagte er, vielleicht für mich selbst, es kann mir gehen, wie meinem Großvater, der auch mal eins auf den Vorrat gemacht hatte, und in der Nacht, als er aus dem Wirtshaus zu Hause kam, hineinfiel und sich den Hals brach.«

LEONHARD
der bisher im Wochenblatt gelesen hat.
Der Kerl ist nicht von hier, er kann uns vorlügen, was ihm gefällt!
MUTTER.

Ich fragte ihn, warum wartet Er denn nicht, bis man die Gräber bei Ihm bestellt? Ich bin heute auf eine Hochzeit gebeten, [348] sprach er, und da bin ich Prophet genug, um zu wissen, daß ichs morgen noch im Kopf spüren werde. Nun hat mir aber gewiß jemand den Tort angetan und ist gestorben. Da müßt ich morgen beizeiten heraus und könnte nicht ausschlafen.

MEISTER ANTON.
Hans Wurst, hätt ich gesagt, wenn das Grab nun nicht paßt?
MUTTER.

Ich sagte es auch, aber der schüttelt die spitzen Antworten aus dem Ärmel, wie der Teufel die Flöhe. Ich habe das Maß nach dem Weber Veit genommen, sagte er, der ragt, wie König Saul, um einen Kopf über uns alle hinaus, nun mag kommen, wer will, er wird sein Haus nicht zu klein finden, und wenns zu groß ist, so schadets keinem, als mir, denn als ehrlicher Mann laß ich mir keinen Fuß über die Sarglänge bezahlen. Ich warf meine Blumen hinein und sprach: nun ists besetzt!

MEISTER ANTON.

Ich denke, der Kerl hat bloß gespaßt, und das ist schon sündlich genug. Gräber im voraus machen, hieße vorwitzig die Falle des Todes aufstellen; den Halunken, der es täte, sollte man vom Dienst jagen. Zu dem lesenden Leonhard. Was Neues? Sucht ein Menschenfreund eine arme Witwe, die ein paar hundert Taler brauchen kann? Oder umgekehrt die arme Witwe den Menschenfreund, der sie gehen will?

LEONHARD.

Die Polizei macht einen Juwelen-Diebstahl bekannt. Wunderbar genug. Man sieht daraus, daß trotz der schlechten Zeiten noch immer Leute unter uns leben, die Juwelen besitzen.

MEISTER ANTON.
Ein Juwelen-Diebstahl? Bei wem?
LEONHARD.
Beim Kaufmann Wolfram!
MEISTER ANTON.
Bei – Unmöglich! Da hat mein Karl vor ein paar Tagen einen Sekretär poliert!
LEONHARD.
Aus dem Sekretär verschwunden, richtig!
MUTTER
zu Meister Anton.
Vergebe dir Gott dies Wort!
MEISTER ANTON.
Du hast recht, es war ein nichtswürdiger Gedanke!
MUTTER.
Gegen deinen Sohn, das muß ich dir sagen, bist du nur ein halber Vater.
MEISTER ANTON.
Frau, wir wollen heute nicht darüber sprechen!
[349]
MUTTER.
Er ist anders, als du, muß er darum gleich schlecht sein?
MEISTER ANTON.

Wo bleibt er denn jetzt? Die Mittagsglocke hat längst geschlagen, ich wette, daß das Essen draußen verkocht und verbrät, weil Klara heimliche Ordre hat, den Tisch nicht zu decken, bevor er da ist.

MUTTER.

Wo sollt er bleiben? Höchstens wird er Kegel schieben, und da muß er ja die entfernteste Bahn aufsuchen, damit du ihn nicht entdeckst. Dann ist der Rückweg natürlich lang. Ich weiß auch nicht, was du gegen das unschuldige Spiel hast.

MEISTER ANTON.

Gegen das Spiel? Gar nichts! Vornehme Herren müssen einen Zeitvertreib haben. Ohne den Karten-König hätte der wahre König gewiß oft Langeweile, und wenn die Kegel nicht erfunden wären, wer weiß, ob Fürsten und Barone nicht mit unsern Köpfen bosseln würden! Aber ein Handwerksmann kann nicht ärger freveln, als wenn er seinen sauer verdienten Lohn aufs Spiel setzt. Der Mensch muß, was er mit schwerer Mühe im Schweiß seines Angesichts erwirbt, ehren, es hoch und wert halten, wenn er nicht an sich selbst irre werden, wenn er nicht sein ganzes Tun und Treiben verächtlich finden soll. Wie können sich alle meine Nerven spannen für den Taler, den ich wegwerfen will. Man hört draußen die Türklingel.

MUTTER.
Da ist er.
7. Szene
Siebente Szene
Gerichtsdiener Adam und noch ein Gerichtsdiener treten ein.

ADAM
zu Meister Anton.

Nun geh Er nur hin und bezahl Er seine Wette! Leute im roten Rock mit blauen Aufschlägen Dies betont er stark. sollten Ihm nie ins Haus kommen? Hier sind wir unsrer zwei! Zum zweiten Gerichtsdiener. Warum behält Er seinen Hut nicht auf, wie ich? Wer wird Umstände machen, wenn er bei seinesgleichen ist?

MEISTER ANTON.
Bei deinesgleichen, Schuft?
ADAM.

Er hat recht, wir sind nicht bei unsersgleichen, Schelme und Diebe sind nicht unsersgleichen! Er zeigt auf die Kommode. Aufgeschlossen! Und dann drei Schritt davon! Daß er nichts herauspraktisiert!

MEISTER ANTON.
Was? Was?
[350]
KLARA
tritt mit Tischzeug ein.
Soll ich – Sie verstummt.
ADAM
zeigt ein Papier.
Kann Er geschriebene Schrift lesen?
MEISTER ANTON.
Soll ich können, was nicht einmal mein Schulmeister konnte?
ADAM.

So hör Er! Sein Sohn hat Juwelen gestohlen. Denn Dieb haben wir schon. Nun wollen wir Haussuchung halten!

MUTTER.
Jesus! Fällt um und stirbt.
KLARA.
Mutter! Mutter! Was sie für Augen macht!
LEONHARD.
Ich will einen Arzt holen!
MEISTER ANTON.

Nicht nötig! Das ist das letzte Gesicht! Sahs hundert Mal. Gute Nacht, Therese! Du starbst, als dus hörtest! Das soll man dir aufs Grab setzen!

LEONHARD.
Es ist doch vielleicht – – Abgehend. Schrecklich! Aber gut für mich! Ab.
MEISTER ANTON
zieht ein Schlüsselbund hervor und wirft es von sich.

Da! Schließt auf! Kasten nach Kasten! Ein Beil her! Der Schlüssel zum Koffer ist verloren! Hei, Schelmen und Diebe! Er kehrt sich die Taschen um. Hier find ich nichts!

ZWEITER GERICHTSDIENER.
Meister Anton, faß Er sich! Jeder weiß, daß Er der ehrlichste Mann in der Stadt ist.
MEISTER ANTON.

So? So? Lacht. Ja, ich hab die Ehrlichkeit in der Familie allein verbraucht! Der arme Junge! Es blieb nichts für ihn übrig! Die da – Er zeigt auf die Tote. war auch viel zu sittsam! Wer weiß, ob die Tochter nicht – Plötzlich zu Klara. Was meinst du, mein unschuldiges Kind?

KLARA.
Vater!
ZWEITER GERICHTSDIENER
zu Adam.
Fühlt Er kein Mitleid?
ADAM.

Kein Mitleid? Wühl ich dem alten Kerl in den Taschen? Zwing ich ihn, die Strümpfe auszuziehen und die Stiefel umzukehren? Damit wollt ich anfangen, denn ich hasse ihn, wie ich nur hassen kann, seit er im Wirtshaus sein Glas – Er kennt die Geschichte, und Er müßte sich auch beleidigt fühlen, wenn Er Ehre im Leibe hätte. Zu Klara. Wo ist die Kammer des Bruders?

KLARA
zeigt sie.
Hinten!

Beide Gerichtsdiener ab.
KLARA.
Vater, er ist unschuldig! Er muß unschuldig sein! Er ist ja dein Sohn, er ist ja mein Bruder!
[351]
MEISTER ANTON.
Unschuldig, und ein Mutter- Mörder? Lacht.
EINE MAGD
tritt ein mit einem Brief zu Klara.
Von Herrn Kassierer Leonhard!
MEISTER ANTON.
Du brauchst ihn nicht zu lesen! Er sagt sich von dir los! Schlägt in die Hände. Bravo, Lump!
KLARA
hat gelesen.
Ja! Ja! O mein Gott!
MEISTER ANTON.
Laß ihn!
KLARA.
Vater, Vater, ich kann nicht!
MEISTER ANTON.
Kannst nicht? Kannst nicht? Was ist das? Bist du –

Beide Gerichtsdiener kommen zurück.
ADAM
hämisch.
Suchet, so werdet ihr finden!
ZWEITER GERICHTSDIENER
zu Adam.
Was fällt Ihm ein? Trafs denn heute zu?
ADAM.
Halt Ers Maul! Beide ab.
MEISTER ANTON.
Er ist unschuldig, und du – du –
KLARA.
Vater, Er ist schrecklich!
MEISTER ANTON
faßt sie bei der Hand sehr sanft.

Liebe Tochter, der Karl ist doch nur ein Stümper, er hat die Mutter umgebracht, was wills heißen? Der Vater blieb am Leben! Komm ihm zu Hülfe, du kannst nicht verlangen, daß er alles allein tun soll, gib du mir den Rest, der alte Stamm sieht noch so knorrig aus, nicht wahr, aber er wackelt schon, es wird dir nicht zu viel Mühe kosten, ihn zu fällen! Du brauchst nicht nach der Axt zu greifen, du hast ein hübsches Gesicht, ich hab dich noch nie gelobt, aber heute will ichs dir sagen, damit du Mut und Vertrauen bekommst, Augen, Nase und Mund finden gewiß Beifall, werde – du verstehst mich wohl, oder sag mir, es kommt mir so vor, daß dus schon bist!

KLARA
fast wahnsinnig, stürzt der Toten mit aufgehobenen Armen zu Füßen und ruft wie ein Kind.
Mutter! Mutter!
MEISTER ANTON.
Faß die Hand der Toten und schwöre mir, daß du bist, was du sein sollst!
KLARA.
Ich – schwöre – dir – daß – ich – dir – nie – Schande – machen – will!
MEISTER ANTON.

Gut! Er setzt seinen Hut auf. Es ist schönes Wetter! Wir wollen Spießruten laufen, Straß auf, Straß ab! Ab.

[352]

2. Akt

1. Szene
Erste Szene
Meister Anton steht vom Tisch auf.
Klara will abräumen.

MEISTER ANTON.
Willst du wieder nicht essen?
KLARA.
Vater, ich bin satt.
MEISTER ANTON.
Von nichts?
KLARA.
Ich aß schon in der Küche.
MEISTER ANTON.

Wer keinen Appetit hat, der hat kein gut Gewissen! Nun, alles wird sich finden! Oder war Gift in der Suppe, wie ich gestern träumte? Einiger wilder Schierling, aus Versehen beim Pflücken ins Kräuterbündel hinein geraten? Dann tatst du klug!

KLARA.
Allmächtiger Gott!
MEISTER ANTON.

Vergib mir, ich – Geh zum Teufel mit deiner blassen Leidensmiene, die du der Mutter des Heilands gestohlen hast! Rot soll man aussehen, wenn man jung ist! Nur einer darf Staat machen mit einem solchen Gesicht, und der tuts nicht! Hei! Jedem eine Ohrfeige, der noch Au sagt, wenn er sich in den Finger geschnitten hat! Dazu hat keiner das Recht mehr, dem hier steht ein Mann, der – Eigenlob stinkt, aber was tat ich, als der Nachbar über deiner Mutter den Sargdeckel zunageln wollte?

KLARA.

Er riß ihm den Hammer weg und tats selbst, und sprach: dies ist mein Meisterstück! Der Kantor, der eben mit den Chorknaben vor der Tür das Sterbelied absang, meinte, Er sei verrückt geworden!

MEISTER ANTON.

Verrückt! Lacht. Verrückt! Ja, ja, das ist ein kluger Kopf, der sich selbst köpft, wenns Zeit ist. Der meinige muß dazu zu fest stehen, sonst – Man hockte in der Welt, und glaubte in einer guten Herberge hinterm Ofen zu sitzen, da wird plötzlich Licht auf den Tisch gestellt, und siehe da, man ist in einem Räuberloch, nun gehts piff, paff, von allen Seiten, aber es schadet nicht, man hat zum Glück ein steinernes Herz!

KLARA.
Ja, Vater, so ists!
[353]
MEISTER ANTON.

Was weißt du davon? Meinst du, du hast ein Recht, mit mir zu fluchen, weil dein Schreiber davongelaufen ist? Dich wird ein anderer sonntags-nachmittags spazierenführen, ein anderer wird dir sagen, daß deine Backen rot sind und deine Augen blau, ein anderer wird dich zum Weibe nehmen, wenn dus verdienst. Aber, wenn du nun dreißig Jahre lang in Züchten und Ehren die Last des Lebens getragen, wenn du nie gemurrt, sondern Leid und Tod und jedes Mißgeschick in Geduld hingenommen hast, und dann kommt dein Sohn, der dir für dein Alter ein weiches Kopfkissen stopfen sollte, und überhäuft dich so mit Schande, daß du die Erde anrufen mögtest: verschlucke mich, wenn dich nicht ekelt, denn ich bin kotiger, als du! – dann magst du all die Flüche, die ich in meiner Brust zurückhalte, aussprechen, dann magst du dein Haar raufen und deine Brüste zerschlagen, das sollst du vor mir voraus haben, denn du bist kein Mann!

KLARA.
O Karl!
MEISTER ANTON.

Wundern soll michs doch, was ich tun werde, wenn ich ihn wieder vor mir sehe, wenn er abends vor Lichtanzünden mit geschorenem Kopf, denn im Zuchthaus sind die Frisuren nicht erlaubt, in die Stube tritt und einen Guten Abend herausstottert und die Klinke der Tür in der Hand behält. Tun werd ich etwas, das ist gewiß, aber was? Mit Zähneknirschen. Und ob sie ihn zehn Jahre behalten, er wird mich finden, ich werde so lange leben, das weiß ich, merk dirs, Tod, ich bin von jetzt an ein Stein vor deiner Hippe, sie wird eher zerspringen, als mich aus der Stelle rücken!

KLARA
faßt seine Hand.
Vater, Er sollte sich eine halbe Stunde niederlegen!
MEISTER ANTON.

Um zu träumen, daß du in die Wochen gekommen seist? Um dann aufzufahren, und dich zu packen, und mich hinterdrein zu besinnen und zu sprechen: liebe Tochter, ich wußte nicht, was ich tat! Ich danke. Mein Schlaf hat den Gaukler verabschiedet und einen Propheten in Dienst genommen, der zeigt mir mit seinem Blutfinger häßliche Dinge, und ich weiß nicht, wie's kommt, alles scheint mir jetzt möglich. Hu, mich schauderts vor der Zukunft, wie vor einem Glas Wasser, das man durchs Mikroskop – ists richtig, Herr Kantor? [354] Er hat mirs oft genug vorbuchstabiert! – betrachtet hat. Ich tats einmal in Nürnberg auf der Messe, und mogte den ganzen Tag nicht mehr trinken! Den lieben Karl sah ich in der letzten Nacht mit einer Pistole in der Hand, als ich den Schützen näher ins Auge faßte, drückte er ab, ich hörte einen Schrei, aber vor Pulverdampf konnt ich nichts sehen, auch als der Dampf sich verzog, erblickte ich keinen zerschmetterten Schädel, aber mein Herr Sohn war inzwischen ein reicher Mann geworden, er stand und zählte Goldstücke von einer Hand in die andere, und er hatte ein Gesicht – hol mich der Teufel, man kanns nicht ruhiger haben, wenn man den ganzen Tag arbeitete und nun die Werkstatt hinter sich abschließt. Nun davor könnte man aufpassen! Man könnte Gericht halten und sich nachher selbst vor den höchsten Richter stellen.

KLARA.
Werd Er doch wieder ruhig!
MEISTER ANTON.

Werd Er doch wieder gesund! Warum ist Er krank! Ja, Arzt, reich mir nur den Trunk der Genesung! dein Bruder ist der schlechteste Sohn, werde du die beste Tochter! Wie ein nichtswürdiger Bankrottierer steh ich vor dem Angesicht der Welt, einen braven Mann, der in die Stelle dieses Invaliden treten könne, war ich ihr schuldig, mit einem Schelm hab ich sie betrogen. Werde du ein Weib, wie deine Mutter war, dann wird man sprechen: an den Eltern hats nicht gelegen, daß der Bube abseits ging, denn die Tochter wandelt den rechten Weg, und ist allen andern vorauf. Mit schrecklicher Kälte. Und ich will das meinige dazu tun, ich will dir die Sache leichter machen, als den übrigen. In dem Augenblick, wo ich bemerke, daß man auch auf dich mit Fingern zeigt, werd ich – Mit einer Bewegung an den Hals. mich rasieren, und dann, das schwör ich dir zu, rasier ich den ganzen Kerl weg, du kannst sagen, es sei aus Schreck geschehen, weil auf der Straße ein Pferd durchging, oder weil die Katze auf dem Boden einen Stuhl umwarf, oder weil mir eine Maus an den Beinen hinauflief. Wer mich kennt, wird freilich den Kopf dazu schütteln, denn ich bin nicht sonderlich schreckhaft, aber was tuts? Ich kanns in einer Welt nicht aushalten, wo die Leute mitleidig sein müßten, wenn sie nicht vor mir ausspucken sollen.

KLARA.
Barmherziger Gott, was soll ich tun!
[355]
MEISTER ANTON.

Nichts, nichts, liebes Kind, ich bin zu hart gegen dich, ich fühls wohl, nichts, bleib nur, was du bist, dann ists gut! O, ich hab so groß Unrecht erlitten, daß ich Unrecht tun muß, um nicht zu erliegen, wenns mich so recht anfaßt. Sieh, ich gehe vorhin über die Straße, da kommt der Pocken- Fritz daher, der Gaudieb, den ich vor Jahren ins Loch stecken ließ, weil er zum dritten Mal lange Finger bei mir gemacht hatte. Früher wagte der Halunke nicht, mich anzusehen, jetzt trat er frech auf mich zu und reichte mir die Hand. Ich wollte ihm einen hinter die Ohren geben, aber ich besann mich und spuckte nicht einmal aus, wir sind ja Vettern seit 8 Tagen, und es ist billig, daß Verwandte sich grüßen. Der Pfarrer, der mitleidige Mann, der mich gestern besuchte, meinte zwar, ein Mensch habe niemanden zu vertreten, als sich selbst, und es sei ein unchristlicher Hochmut von mir, daß ich auch noch für meinen Sohn aufkommen wolle; sonst müßte Adam es sich so gut zu Gemüte ziehen, wie ich. Herr, ich glaubs gern, daß es den Frieden des Erzvaters im Paradiese nicht mehr stört, wenn einer seiner Ur-Ur-Enkel zu morden oder zu rauben anfängt, aber raufte er sich nicht die Haare über Kain? Nein, nein, es ist zuviel! Ich könnte mich zuweilen nach meinem Schatten umsehen, ob er nicht schwärzer geworden ist! Denn alles, alles kann ich ertragen und habs bewiesen, nur nicht die Schande! Legt mir auf den Nacken, was ihr wollt, nur schneidet nicht den Nerv durch, der mich zusammenhält!

KLARA.
Vater, noch hat Karl ja nichts gestanden, und sie haben auch nichts bei ihm gefunden.
MEISTER ANTON.

Was soll mir das? Ich bin in der Stadt herumgegangen und habe mich in den Schenken nach seinen Schulden erkundigt, da kam mehr zusammen, als er im nächsten Vierteljahr bei mir verdient hätte, und wenn er noch dreimal so fleißig wäre, als er ist. Nun weiß ich, warum er immer zwei Stunden später Feier-Abend machte, als ich, und warum er trotzdem auch noch vor mir aufstand, aber er sah ein, daß dies alles doch nichts half, oder es war ihm zu mühevoll und dauerte ihm zu lange, da griff er zu, als die Gelegenheit sich bot.

KLARA.
Er glaubt von Karl immer das Schlimmste, Er hat es stets getan! Weiß Er wohl noch, wie –
[356]
MEISTER ANTON.

Du sprichst, wie deine Mutter sprechen würde, ich will dir antworten, wie ich ihr zu antworten pflegte, ich will stillschweigen!

KLARA.
Und wenn Karl doch frei gesprochen wird? Wenn die Juwelen sich wieder finden?
MEISTER ANTON.

Dann würd ich einen Advokaten annehmen, und mein letztes Hemd daransetzen, um zu erfahren, ob der Bürgermeister den Sohn eines ehrlichen Mannes mit Recht ins Gefängnis warf, oder nicht. Wär es, so würd ich mich beugen, denn was jedem widerfahren kann, das muß auch ich mir gefallen lassen, und mußte ich es zu meinem Unglück auch tausend Mal teurer bezahlen, als andere, es war ein Schicksal, und wenn Gott mich schlägt, so falte ich die Hände und spreche: Herr, du weißt warum! Wär es aber nicht, hätte der Mann mit der goldenen Kette um den Hals sich übereilt, weil er an nichts dachte, als daran, daß der Kaufmann, der die Juwelen vermißt, sein Schwager ist, so würde sichs finden, ob das Gesetzbuch ein Loch hat, und ob der König, der wohl weiß, daß er seinen Untertanen ihre Treu und ihren Gehorsam mit Gerechtigkeit bezahlen muß, und der dem Geringsten unter ihnen gewiß am wenigsten etwas schuldig bleiben will, dies Loch ungestopft ließe. Aber, das sind unnütze Reden! Der Junge wird so wenig rein aus diesem Prozeß hervorgehen, wie deine Mutter lebendig aus ihrer Gruft. Von dem kommt mir nun und nimmer ein Trost, darum vergiß du nicht, was du mir schuldig bist, halte du deinen Schwur, damit ich den meinigen nicht zu halten brauche! Er geht, kehrt aber wieder um. Ich komme heut abend erst spät zu Hause, ich gehe zu dem alten Holzhändler ins Gebirge. Das ist der einzige Mann, der mir noch, wie sonst, in die Augen sieht, weil er noch nicht von meiner Schande weiß. Er ist taub, keiner kann ihm was erzählen, ohne sich heiser zu schreien, und auch dann hört er alles verkehrt, darum erfährt er nichts. Ab.

2. Szene
Zweite Szene
KLARA
allein.

O Gott, o Gott! Erbarme dich! Erbarme dich über den alten Mann! Nimm mich zu dir! Ihm ist nicht anders zu helfen! Sieh, der Sonnenschein liegt so goldig auf der Straße, [357] daß die Kinder mit Händen nach ihm greifen, die Vögel fliegen hin und her, Blumen und Kräuter werden nicht müde, in die Höhe zu wachsen. Alles lebt, alles will leben, tausend Kranke zittern in dieser Stunde vor dir, o Tod, wer dich in der beklommenen Nacht noch rief, weil er seine Schmerzen nicht mehr ertragen konnte, der findet sein Lager jetzt wieder sanft und weich, ich rufe dich! Verschone den, dessen Seele sich am tiefsten vor dir wegkrümmt, laß ihm so lange Frist, bis die schöne Welt wieder grau und öde wird, nimm mich für ihn! Ich will nicht schaudern, wenn du mir deine kalte Hand reichst, ich will sie mutig fassen und dir freudiger folgen, als dir noch je ein Menschenskind gefolgt ist.

3. Szene
Dritte Szene
DER KAUFMANN WOLFRAM
tritt ein.
Guten Tag, Jungfer Klara, ist Ihr Vater nicht zu Hause?
KLARA.
Er ist eben fortgegangen.
WOLFRAM.
Ich komme – – meine Juwelen haben sich wiedergefunden.
KLARA.

O Vater, wärst du da! Er hat seine Brille vergessen, dort liegt sie! Daß ers bemerkte und umkehrte! Wie denn? – Wo? – Bei wem?

WOLFRAM.

Meine Frau – Sag Sie mir aufrichtig, Jungfer, hat Sie nicht auch schon etwas Wunderliches über meine Frau gehört?

KLARA.
Ja!
WOLFRAM.
Daß sie – Er deutet auf die Stirn. Nicht wahr?
KLARA.
Daß sie nicht recht bei sich ist, freilich!
WOLFRAM
ausbrechend.

Mein Gott! Mein Gott! Alles umsonst! Keinen Dienstboten, den ich einmal in mein Haus nahm, hab ich wieder von mir gelassen, jedem habe ich doppelten Lohn gegeben und zu allen Nachlässigkeiten die Augen zugedrückt, um mir ihr Stillschweigen zu erkaufen, dennoch – die falschen, undankbaren Kreaturen! O meine armen Kinder! Bloß euretwegen suchte ichs zu verbergen!

KLARA.

Schelt Er Seine Leute nicht! Die sind gewiß unschuldig! Seit das Nachbarhaus abbrannte, und Seine Frau aus dem geöffneten Fenster dazu lachte und in die Hände klatschte, ja [358] sogar mit vollen Backen ins Feuer hinüber blies, als wollte sie es noch mehr anfachen, seitdem hatte man nur die Wahl, ob man sie für einen Teufel, oder für eine Verrückte halten wollte. Und das haben Hunderte gesehen.

WOLFRAM.

Es ist wahr. Nun, da die ganze Stadt mein Unglück kennt, so wäre es törigt, wenn ich Ihr das Versprechen abfordern wollte, es zu verschweigen. Höre Sie denn! Den Diebstahl, wegen dessen Ihr Bruder im Gefängnis sitzt, hat der Wahnsinn begangen!

KLARA.
Seine eigne Frau –
WOLFRAM.

Daß sie, die früher die edelste, mitleidigste Seele von der Welt war, boshaft und schadenfroh geworden ist, daß sie jauchzt und jubelt, wenn vor ihren Augen ein Unglück geschieht, wenn die Magd ein Glas zerbricht, oder sich in den Finger schneidet, wußte ich längst; daß sie aber auch Sachen im Hause auf die Seite bringt, Geld versteckt, Papiere zerreißt, das habe ich leider zu spät erfahren, erst heute mittag. Ich hatte mich aufs Bett gelegt und wollte eben einschlafen, da bemerkte ich, daß sie sich mir leise näherte und mich scharf betrachtete, ob ich schon schliefe. Ich schloß die Augen fester, da nahm sie aus meiner über den Stuhl gehängten Weste den Schlüssel, öffnete den Sekretär, griff nach einer Goldrolle, schloß wieder zu und trug den Schlüssel zurück. Ich entsetzte mich, doch ich hielt an mich, um sie nicht zu stören, sie verließ das Zimmer, ich schlich ihr auf den Zehen nach. Sie stieg zum obersten Boden hinauf und warf die Goldrolle in eine alte Kiste hinein, die noch vom Großvater her leer da steht, dann sah sie sich scheu nach allen Seiten um und eilte, ohne mich zu bemerken, wieder fort. Ich zündete einen Wachsstock an und durchsuchte die Kiste, da fand ich die Spielpuppe meiner jüngsten Tochter, ein Paar Pantoffeln der Magd, ein Handlungsbuch, Briefe und leider, oder Gott Lob, wie soll ich sagen, ganz unten auch die Juwelen!

KLARA.
O meine arme Mutter! Es ist doch zu schändlich!
WOLFRAM.

Gott weiß, ich würde den Schmuck darum geben, könnt ich ungeschehen machen, was geschehen ist! Aber nicht ich bin schuld! Daß mein Verdacht, bei aller Achtung vor Ihrem Vater, auf Ihren Bruder fiel, war natürlich, er hatte den [359] Sekretär poliert, und mit ihm waren die Juwelen verschwunden, ich bemerkte es fast augenblicklich, denn ich mußte aus dem Fach, worin sie lagen, Papiere herausnehmen. Doch es fiel mir nicht ein, gleich strenge Maßregeln gegen ihn zu ergreifen, ich teilte die Sache nur vorläufig dem Gerichtsdiener Adam mit und ersuchte ihn, ganz in der Stille Nachforschungen anzustellen, aber dieser wollte von keiner Schonung wissen, er erklärte mir, er müsse und werde den Fall auf der Stelle anzeigen, dem Ihr Bruder sei ein Säufer und Schuldenmacher, und er gilt bei dem Bürgermeister leider so viel, daß er durchsetzen kann, was er will. Der Mann scheint bis aufs äußerste gegen Ihren Vater aufgebracht zu sein, ich weiß nicht, warum, es war nicht möglich, ihn zu beschwichtigen, er hielt sich die Ohren zu, und rief, als er fortrannte: wenn Er mir den Schmuck geschenkt hätte, ich wäre nicht so vergnügt wie jetzt!

KLARA.

Der Gerichtsdiener hat im Wirtshaus einmal sein Glas neben das meines Vaters auf den Tisch gestellt und ihm dabei zugenickt, als ob er ihn zum Anstoßen auffordern wolle. Da hat mein Vater das seinige weggenommen und gesagt: Leute im roten Rock mit blauen Aufschlägen mußten ehemals aus Gläsern mit hölzernen Füßen trinken, auch mußten sie draußen vor dem Fenster, oder, wenns regnete, vor der Tür stehenbleiben und bescheiden den Hut abziehen, wenn der Wirt ihnen den Trunk reichte; wenn sie aber ein Gelüsten trugen, mit jemandem anzustoßen, so warteten sie, bis der Gevatter Fallmeister vorüberkam. Gott! Gott! Was ist alles möglich auf der Welt! Das hat meine Mutter mit einem jähen Tode bezahlen müssen!

WOLFRAM.
Man soll keinen reizen und die Schlimmen am wenigsten! Wo ist Ihr Vater?
KLARA.
Im Gebirg beim Holzhändler.
WOLFRAM.

Ich reite hinaus und such ihn auf. Beim Bürgermeister war ich schon, leider traf ich ihn nicht daheim, sonst würde Ihr Bruder schon hier sein, aber der Sekretär hat sogleich einen Boten abgefertigt, Sie wird ihn noch vor Abend sehen. Ab.

[360]
4. Szene
Vierte Szene
KLARA
allein.

Nun sollt ich mich freuen! Gott, Gott! Und ich kann nichts denken, als: nun bist dus allein! Und doch ist mir zumut, als müsse mir gleich etwas einfallen, das alles wieder gut macht!

5. Szene
Fünfte Szene
DER SEKRETÄR
tritt ein.
Guten Tag!
KLARA
hält sich an einem Stuhl, als sollte sie umfallen.
Der! O, wenn der nicht zurückgekommen wäre –
SEKRETÄR.
Der Vater ist nicht zu Hause?
KLARA.
Nein!
SEKRETÄR.

Ich bringe eine fröhliche Botschaft. Ihr Bruder – Nein, Klara, ich kann in diesem Ton nicht mit dir reden, mir deucht, Tische, Stühle, Schränke, all die alten Bekannten, – Guten Tag, du! Er nickt einem Schrank zu. Wie gehts? Du hast dich nicht verändert! – um die wir als Kinder so oft herumgehüpft sind, werden die Köpfe zusammenstecken, und den Narren ausspotten, wenn ich nicht schnell einen anderen anschlage. Ich muß du zu dir sagen, wie ehemals, wenns dir nicht gefällt, so denke: der große Junge träumt, ich will ihn aufwecken und vor ihn hintreten und mich Mit Gebärden. hoch aufrichten, damit er sieht, daß er kein kleines Kind mehr vor sich hat, – das war dein Maß im elften Jahr! Er deutet auf einen Schrammstrich in der Tür. – sondern ein gehörig erwachsenes Mädchen, das den Zucker auch dann erreichen kann, wenn er auf den Schrank gestellt wird. Du weißt doch noch? Das war der Platz, die feste Burg, wo er auch unverschlossen vor uns sicher war. Wir vertrieben uns, wenn er dort stand, die Zeit gewöhnlich mit Fliegenklatschen, weil wir den Fliegen, die lustig ab- und zuflogen, das unmöglich gönnen konnten, was wir selbst nicht zu erlangen wußten.

KLARA.
Ich dächte, man vergäße solche Dinge, wenn man hundert und tausend Bücher durchstudieren müßte.
SEKRETÄR.

Man vergißts auch! Freilich, was vergißt man nicht über Justinian und Gajus! Die Knaben, die sich so hartnäckig gegen das ABC wehren, wissen wohl, warum; sie haben eine [361] Ahnung davon, daß, wenn sie sich nur mit der Fibel nicht einlassen, sie mit der Bibel nie Händel bekommen können! Aber schändlich genug, man verführt die unschuldigen Seelen, man zeigt ihnen hinten den roten Hahn mit dem Korb voll Eier, da sagen sie von selbst: Ah! und nun ist kein Haltens mehr, nun gehts reißend schnell bergunter bis zum Z, und so weiter und weiter, bis sie auf einmal mitten im Corpus juris sind und mit Grausen inne werden, in welche Wildnis die verfluchten 24 Buchstaben, die sich anfangs im lustigen Tanz nur zu wohlschmeckenden und wohlriechenden Worten, wie Kirsche und Rose, zusammenstellten, sie hineingelockt haben!

KLARA.
Und wie wirds dann gemacht? Abwesend, ohne allen Anteil.
SEKRETÄR.

Darin sind die Temperamente verschieden. Einige arbeiten sich durch. Die kommen gewöhnlich in drei bis vier Jahren wieder ans Tageslicht, sind dann aber etwas mager und blaß, das muß man ihnen nicht übel nehmen. Zu diesen gehöre ich. Andere legen sich in der Mitte des Waldes nieder, sie wollen bloß ausruhen, aber sie stehen selten wieder auf. Ich habe selbst einen Bekannten, der nun schon drei Jahre im Schatten der Lex Julia sein Bier trinkt, er hat sich den Platz des Namens wegen ausgesucht, der ruft ihm angenehme Erinnerungen zurück. Noch andere werden desparat und kehren um. Die sind die Dümmsten, denn man läßt sie nur unter der Bedingung aus dem einen Dickigt heraus, daß sie sich spornstreichs wieder in ein anderes hineinbegeben. Und da gibts einige, die noch schrecklicher sind, die gar kein Ende haben!Für sich. Was man alles schwätzt, wenn man etwas auf dem Herzen hat und es nicht herauszubringen weiß!

KLARA.
Alles ist heute lustig und munter, das macht der schöne Tag!
SEKRETÄR.

Ja, bei solchem Wetter fallen die Eulen aus dem Nest, die Fledermäuse bringen sich um, weil sie fühlen, daß der Teufel sie gemacht hat, der Maulwurf bohrt sich so tief in die Erde ein, daß er den Weg zurück nicht mehr findet und jämmerlich ersticken muß, wenn er sich nicht bis zur anderen Seite durchfrißt und in Amerika wieder zum Vorschein kommt. Heute tut jede Korn-Ähre einen doppelten Schuß, und jede [362] Mohnblume wird noch einmal so rot, wie sonst, wenn auch nur aus Scham, daß sies noch nicht ist. Soll der Mensch zurückbleiben? Soll er den lieben Gott um den einzigen Zins betrügen, den seine Welt ihm abwirft, um ein fröhlich Gesicht und um ein helles Auge, das all die Herrlichkeit abspiegelt und verklärt zurück gibt? Wahrhaftig, wenn ich des Morgens diesen oder jenen Hocker aus seiner Tür hervorschleichen sehe, die Stirn in Falten heraufgezogen und den Himmel anglotzend, wie einen Bogen Löschpapier, dann denk ich oft: es gibt gleich Regen, Gott muß, er kann nicht umhin, den Wolken-Vorhang niederlassen, um sich nur über die Fratze nicht zu ärgern. Man sollte die Kerls als Hintertreiber von Lustpartien, als Verderber des Erntewetters, vor Gericht belangen können. Wodurch willst du denn für das Leben danken, als dadurch, daß du lebst? Jauchze, Vogel, sonst verdienst du die Kehle nicht!

KLARA.
Ach, das ist so wahr, so wahr – ich könnte gleich zu weinen anfangen!
SEKRETÄR.

Es ist nicht gegen dich gesagt, daß du seit acht Tagen schwerer atmest, wie sonst, begreif ich wohl, ich kenne deinen Alten. Aber Gott Lob, ich kann deine Brust wieder frei machen, und eben darum bin ich hier. Du wirst deinen Bruder noch heut abend wieder sehen, und nicht auf ihn, sondern auf die Leute, die ihn ins Gefängnis geworfen haben, wird man mit Fingern zeigen. Verdient das einen Kuß, einen schwesterlichen, wenns denn kein anderer sein darf? Oder wollen wir Blindekuh darum spielen? Wenn ich dich nicht in zehn Minuten hasche, so geh ich leer aus, und bekomm noch einen Backenstreich obendrein.

KLARA
für sich.

Mir ist, als wär ich auf einmal tausend Jahr alt geworden, und nun stünde die Zeit über mir still, ich kann nicht zurück und auch nicht vorwärts. O, dieser festgenagelte Sonnenschein und all die Heiterkeit um mich her!

SEKRETÄR.

Du antwortest mir nicht. Freilich, das vergaß ich, du bist Braut! O Mädchen, warum hast du mir das getan! Und doch – habe ich ein Recht, mich zu beklagen? Sie ist, wie alles Liebe und Gute, alles Liebe und Gute hätte mich an sie erinnern sollen, dennoch war sie jahrelang für mich, wie nicht mehr in der Welt. Dafür hat sie – Wärs nur wenigstens ein [363] Kerl, vor dem man die Augen niederschlagen müßte! Aber dieser Leonhard –

KLARA
plötzlich, wie sie den Namen hört.

Ich muß zu ihm – Das ists ja, ich bin nicht mehr die Schwester eines Diebes – o Gott, was will ich denn noch? Leonhard wird und muß – Er braucht ja bloß kein Teufel zu sein, und alles ist, wie vorher! Schaudernd. Wie vorher! Zum Sekretär. Nimms nicht übel, Friedrich! – Warum werden mir die Beine auf einmal so schwer?

SEKRETÄR.
Du willst –
KLARA.
Zu Leonhard, wohin denn sonst! Nur den einen Weg hab ich auf dieser Welt noch zu machen!
SEKRETÄR.
So liebst du ihn? Dann –
KLARA
wild.
Lieben? Er oder der Tod! Wunderts wen, daß ich ihn wähle? Ich täts nicht, dächt ich an mich allein!
SEKRETÄR.
Er oder der Tod? Mädchen, so spricht die Verzweiflung, oder –
KLARA.

Mach mich nicht rasend! Nenne das Wort nicht mehr! Dich! Dich lieb ich! Da! Da! Ich rufs dir zu, als ob ich schon jenseits des Grabes wandelte, wo niemand mehr rot wird, wo sie alle nackt und frierend aneinander vorbei schleichen, weil Gottes furchtbare heilige Nähe in jedem den Gedanken an die anderen bis auf die Wurzel weggezehrt hat!

SEKRETÄR.
Mich? Noch immer mich? Klara, ich habs geahnt, als ich dich draußen im Garten sah!
KLARA.

Hast du? O, der andere auch! Dumpf, als ob sie allein wäre. Und er trat vor mich hin! Er oder ich! O, mein Herz, mein verfluchtes Herz! Um ihm, um mir selbst zu beweisen, daß es nicht so sei, oder ums zu ersticken, wenns so wäre, tat ich, was mich jetzt – In Tränen ausbrechend. Gott im Himmel, ich würde mich erbarmen, wenn ich du wäre, und du ich!

SEKRETÄR.

Klara, werde mein Weib! Ich kam zu dir, um dir noch einmal auf die alte Weise ins Auge zu sehen. Hättest du den Blick nicht verstanden, ich würde mich, ohne zu reden, wieder entfernt haben. Jetzt biet ich dir alles an, was ich bin, und was ich habe. Es ist wenig, aber es kann mehr werden. Längst wäre ich hier gewesen, doch deine Mutter war krank, dann starb sie.

KLARA
lacht wahnsinnig.
[364]
SEKRETÄR.

Fasse Mut, Mädchen. Der Mensch hat dein Wort. Das ängstigt dich. Und freilich ists verflucht. Wie konntest du –

KLARA.

O frag noch, was alles zusammenkommt, um ein armes Mädchen verrückt zu machen. Spott und Hohn von allen Seiten, als du auf die Akademie gezogen warst und nichts mehr von dir hören ließest. Die denkt noch an den! – Die glaubt, daß Kindereien ernsthaft gemeint waren! – Erhält sie Briefe? – Und dann die Mutter! Halte dich zu deinesgleichen! Hochmut tut nimmer gut! Der Leonhard ist doch recht brav, alle wundern sich, daß du ihn über die Achsel ansiehst. Dazu mein eignes Herz. Hat er dich vergessen, zeig ihm, daß auch du – o Gott!

SEKRETÄR.

Ich bin schuld. Ich fühls. Nun, was schwer ist, ist darum nicht unmöglich. Ich schaff dir dein Wort zurück. Vielleicht –

KLARA.
O, mein Wort – da! Sie wirft ihm Leonhards Brief hin.
SEKRETÄR
liest.

Ich als Kassierer – dein Bruder – Dieb – sehr leid – aber ich kann nicht umhin, aus Rücksicht auf mein Amt – – Zu Klara. Das schrieb er dir denselben Tag, wo deine Mutter starb? Er bezeugt dir ja zugleich sein Beileid über ihren jähen Tod!

KLARA.
Ich glaube, ja!
SEKRETÄR.

Daß dich! Lieber Gott, die Katzen, Schlangen und sonstigen Scheusale, die dir bei der Schöpfung so zwischen den Fingern durchgeschlüpft sind, haben Beelzebubs Wohlgefallen erregt, er hat sie dir nachgemacht, aber er hat sie besser herausgeputzt, wie du, er hat sie in Menschenhaut gesteckt, und nun stehen sie mit deinem Menschen in Reih und Glied, und man erkennt sie erst, wenn sie kratzen und stechen! Zu Klara. Aber es ist ja gut, es ist ja vortrefflich! Er will sie umarmen. Komm! Für ewig! Mit diesem Kuß –

KLARA
sinkt an ihn.
Nein, nicht für ewig, nur daß ich nicht umfalle, aber keinen Kuß!
SEKRETÄR.
Mädchen, du liebst ihn nicht, du hast dein Wort zurück –
KLARA
dumpf, sich wieder aufrichtend.

Und ich muß doch zu ihm, ich muß mich auf Knieen vor ihm niederwerfen und stammeln: sieh die weißen Haare meines Vaters an, nimm mich!

[365]
SEKRETÄR.
Unglückliche, versteh ich dich?
KLARA.
Ja!
SEKRETÄR.

Darüber kann kein Mann weg! Vor dem Kerl, dem man ins Gesicht spucken mögte, die Augen niederschlagen müssen? Er preßt Klara wild an sich. Ärmste! Ärmste!

KLARA.
Geh nun, geh!
SEKRETÄR
für sich, brütend.

Oder man müßte den Hund, ders weiß, aus der Welt wegschießen! Daß er Mut hätte! Daß er sich stellte! Daß man ihn zwingen könnte! Ums Treffen wär mir nicht bange!

KLARA.
Ich bitte dich!
SEKRETÄR
indem er geht.

Wenns dunkel wird! Er kehrt wieder um und faßt Klaras Hand. Mädchen, du stehst vor mir – – Er wendet sich ab. Tausende ihres Geschlechts hättens klug und listig verschwiegen, und es erst dem Mann in einer Stunde süßer Vergessenheit in Ohr und Seele geschmeichelt! Ich fühle, was ich dir schuldig bin! Ab.

6. Szene
Sechste Szene
KLARA
allein.

Zu! Zu, mein Herz! Quetsch dich in dich ein, daß auch kein Blutstropfe mehr heraus kann, der in den Adern das gefrierende Leben wieder entzünden will. Da hatte sich wieder was, wie eine Hoffnung, in dir aufgetan! Jetzt erst merk ichs! Ich dachte – Lächelnd. Nein, darüber kann kein Mann weg! Und wenn – Könntest du selbst darüber hinweg? Hättest du den Mut, eine Hand zu fassen, die – Nein, nein, diesen schlechten Mut hättest du nicht! Du müßtest dich selbst einriegeln in deine Hölle, wenn man dir von außen die Tore öffnen wollte – du bist für ewig – O, daß das aussetzt, daß das nicht immer so fortbohrt, daß zuweilen ein Aufhören ist! Nur darum dauerts lange! Der Gequälte glaubt auszuruhen, weil der Quäler einhalten muß, um Odem zu schöpfen; es ist ein Aufatmen, wie des Ertrinkenden auf den Wellen, wenn der Strudel, der ihn hinunterzieht, ihn noch einmal wieder ausspeit, um ihn gleich wieder aufs neue zu fassen, er hat nichts davon, als den zwiefachen Todeskampf!

Nun, Klara? Ja, Vater, ich gehe, ich gehe! Deine Tochter wird [366] dich nicht zum Selbstmord treiben! Ich bin bald das Weib des Menschen, oder – Gott, nein! Ich bettle ja nicht um ein Glück, ich bettle um mein Elend, um mein tiefstes Elend – mein Elend wirst du mir geben! Fort – wo ist der Brief? Sie nimmt ihn. Drei Brunnen triffst du auf dem Weg zu ihm – Daß du mir an keinem stehenbleibst! Noch hast du nicht das Recht dazu! Ab.

3. Akt

1. Szene
Erste Szene
LEONHARD
an einem Tisch mit Akten, schreibend.

Das wäre nun der sechste Bogen nach Tisch! Wie fühlt sich der Mensch, wenn er seine Pflicht tut! Jetzt könnte mir in die Tür treten, wer wollte, und wenns der König wäre – ich würde aufstehen, aber ich würde nicht in Verlegenheit geraten! Einen nehm ich aus, das ist der alte Tischler! Aber im Grunde kann auch der mir wenig machen! Die arme Klara! Sie dauert mich, ich kann nicht ohne Unruhe an sie denken! Daß der eine verfluchte Abend nicht wäre! Es war in mir wirklich mehr die Eifersucht, als die Liebe, die mich zum Rasen brachte, und sie ergab sich gewiß nur darein, um meine Vorwürfe zu widerlegen, denn sie war kalt gegen mich, wie der Tod. Ihr stehen böse Tage bevor, nun, auch ich werde noch viel Verdruß haben! Trage jeder das Seinige! Vor allen Dingen die Sache mit dem kleinen Buckel nur recht fest gemacht, damit die mir nicht entgeht, wenn das Gewitter ausbricht! Dann hab ich den Bürgermeister auf meiner Seite, und brauche vor nichts bange zu sein!

2. Szene
Zweite Szene
KLARA
tritt ein.
Guten Abend, Leonhard!
LEONHARD.

Klara? Für sich. Das hätt ich nun nicht mehr erwartet! Laut. Hast du meinen Brief nicht erhalten? Doch – Du kommst vielleicht für deinen Vater und willst die Steuer bezahlen! Wie[367] viel ist es nur? In einem Journal blätternd. Ich sollte es eigentlich aus dem Kopf wissen!

KLARA.
Ich komme, um dir deinen Brief zurückzugeben! Hier ist er! Lies ihn noch einmal!
LEONHARD
liest mit großem Ernst.

Es ist ein ganz vernünftiger Brief! Wie kann ein Mann, dem die öffentlichen Gelder anvertraut sind, in eine Familie heiraten, zu der Er verschluckt ein Wort. zu der dein Bruder gehört?

KLARA.
Leonhard!
LEONHARD.

Aber vielleicht hat die ganze Stadt unrecht? Dein Bruder sitzt nicht im Gefängnis? Er hat nie im Gefängnis gesessen? Du bist nicht die Schwester eines – deines Bruders?

KLARA.

Leonhard, ich bin die Tochter meines Vaters, und nicht als Schwester eines unschuldig Verklagten, der scholl wieder frei gesprochen ist, denn das ist mein Bruder, nicht als Mädchen, das vor unverdienter Schande zittert, denn Halblaut. ich zittre noch mehr vor dir, nur als Tochter des alten Mannes, der mir das Leben gegeben hat, stehe ich hier!

LEONHARD.
Und du willst?
KLARA.

Du kannst fragen? O, daß ich wieder gehen dürfte! Mein Vater schneidet sich die Kehle ab, wenn ich – heirate mich!

LEONHARD.
Dein Vater –
KLARA.
Er hats geschworen! Heirate mich!
LEONHARD.
Hand und Hals sind nahe Vettern. Sie tun einander nichts zu Leide! Mach dir keine Gedanken!
KLARA.

Er hats geschworen – heirate mich, nachher bring mich um, ich will dir für das eine noch dankbarer sein wie für das andere!

LEONHARD.

Liebst du mich? Kommst du, weil dich dein Herz treibt? Bin ich der Mensch, ohne den du nicht leben und sterben kannst?

KLARA.
Antworte dir selbst!
LEONHARD.

Kannst du schwören, daß du mich liebst? Daß du mich so liebst, wie ein Mädchen den Mann lieben muß, der sich auf ewig mit ihr verbinden soll?

KLARA.

Nein, das kann ich nicht schwören! Aber dies kann ich schwören: ob ich dich liebe, ob ich dich nicht liebe, nie sollst dus erfahren! Ich will dir dienen, ich will für dich arbeiten, [368] und zu essen sollst du mir nichts geben, ich will mich selbst ernähren, ich will bei Nachtzeit nähen und spinnen für andere Leute, ich will hungern, wenn ich nichts zu tun habe, ich will lieber in meinen eignen Arm hineinbeißen, als zu meinem Vater gehen, damit er nichts merkt. Wenn du mich schlägst, weil dein Hund nicht bei der Hand ist, oder weil du ihn abgeschafft hast, so will ich eher meine Zunge verschlucken, als ein Geschrei ausstoßen, das den Nachbarn verraten könnte, was vorfällt. Ich kann nicht versprechen, daß meine Haut die Striemen deiner Geißel nicht zeigen soll, denn das hängt nicht von mir ab, aber ich will lügen, ich will sagen, daß ich mit dem Kopf gegen den Schrank gefahren, oder daß ich auf den Estrich, weil er zu glatt war, ausgeglitten bin, ich wills tun, bevor noch einer fragen kann, woher die blauen Flecke rühren. Heirate mich – ich lebe nicht lange. Und wenns dir doch zu lange dauert, und du die Kosten der Scheidung nicht aufwenden magst, um von mir loszukommen, so kauf Gift aus der Apotheke, und stells hin, als obs für deine Ratten wäre, ich wills, ohne daß du auch nur zu winken brauchst, nehmen und im Sterben zu den Nachbaren sagen, ich hätts für zerstoßenen Zucker gehalten!

LEONHARD.
Ein Mensch, von dem du dies alles erwartest, überrascht dich doch nicht, wenn er nein sagt?
KLARA.

So schaue Gott mich nicht zu schrecklich an, wenn ich komme, ehe er mich gerufen hat! Wärs um mich allein – ich wollts ja tragen, ich wollts geduldig hinnehmen, als verdiente Strafe für, ich weiß nicht was, wenn die Welt mich in meinem Elend mit Füßen träte, statt mir beizustehen, ich wollte mein Kind, und wenns auch die Züge dieses Menschen trüge, lieben, ach, und ich wollte vor der armen Unschuld so viel weinen, daß es, wenns älter und klüger würde, seine Mutter gewiß nicht verachten, noch ihr fluchen sollte. Aber ich bins nicht allein, und leichter find ich am Jüngsten Tag noch eine Antwort auf des Richters Frage: warum hast du dich selbst umgebracht? als auf die: warum hast du deinen Vater so weit getrieben?

LEONHARD.

Du sprichst, als ob du die erste und letzte wärst! Tausende haben das vor dir durchgemacht, und sie ergaben [369] sich darein, Tausende werden nach dir in den Fall kommen und sich in ihr Schicksal finden: sind die alle Nickel, daß du dich für dich allein in die Ecke stellen willst? Die hatten auch Väter, die ein Schock neue Flüche erfanden, als sies zuerst hörten, und von Mord und Totschlag sprachen; nachher schämten sie sich, und taten Buße für ihre Schwüre und Gotteslästerungen, sie setzten sich hin und wiegten das Kind, oder wedelten ihm die Fliegen ab!

KLARA.

O, ich glaubs gern, daß du nicht begreifst, wie irgend einer in der Welt seinen Schwur halten sollte!

3. Szene
Dritte Szene
EIN KNABE
tritt ein.
Da sind Blumen! Ich soll nicht sagen, wovon.
LEONHARD.

Ei, die lieben Blumen! Schlägt sich vor die Stirn. Teufel! Teufel! Das ist dumm! Ich hätte welche schicken sollen! Wie hilft man sich da heraus? Auf solche Dinge versteh ich mich schlecht, und die Kleine nimmts genau, sie hat an nichts anderes zu denken! Er nimmt die Blumen. Alle behalt ich sie aber nicht! Zu Klara. Nicht wahr, die da bedeuten Reue und Scham? Hast du mir das nicht einmal gesagt?

KLARA
nickt.
LEONHARD
zum Knaben.

Merk dirs, Junge, die sind für mich, ich stecke sie an, siehst du, hier, wo das Herz ist! Diese, die dunkelroten, die wie ein düsteres Feuer brennen, trägst du zurück. Verstehst du? Wenn meine Äpfel reif sind, kannst du dich melden!

KNABE.
Das ist noch lange hin! Ab.
4. Szene
Vierte Szene
LEONHARD.

Ja, siehst du, Klara, du sprachst von Worthalten. Eben weil ich ein Mann von Wort bin, muß ich dir antworten, wie ich geantwortet habe. Dir schrieb ich vor acht Tagen ab, du kannst es nicht leugnen, der Brief liegt da. Er reicht ihr den Brief, sie nimmt ihn mechanisch. Ich hatte Grund, dein Bruder – Du sagst, er ist frei gesprochen, es freut mich! In diesen acht Tagen knüpfte ich ein neues Verhältnis an; ich hatte das Recht [370] dazu, denn du hast nicht zur rechten Zeit gegen meinen Brief protestiert, ich war frei in meinem Gefühl, wie vor dem Gesetz. Jetzt kommst du, aber ich habe schon ein Wort gegeben und eins empfangen, ja – Für sich. ich wollt, es wär so – die andere ist schon mit dir in gleichem Fall, du dauerst mich, Er streicht ihr die Locken zurück, sie läßt es geschehen, als ob sie es gar nicht bemerkte. aber du wirst einsehen – mit dem Bürgermeister ist nicht zu spaßen!

KLARA
wie geistesabwesend.
Nicht zu spaßen!
LEONHARD.

Siehst du, du wirst vernünftig! Und was deinen Vater betrifft, so kannst du ihm keck ins Gesicht sagen, daß er allein schuld ist! Starre mich nicht so an, schüttle nicht den Kopf, es ist so, Mädchen, es ist so! Sags ihm nur, er wirds schon verstehen und in sich gehen, ich bürge dir dafür! Für sich. Wer die Aussteuer seiner Tochter wegschenkt, der muß sich nicht wundern, daß sie sitzenbleibt. Wenn ich daran denke, so steift sich mir ordentlich der Rücken, und ich könnte wünschen, der alte Kerl wäre hier, um eine Lektion in Empfang zu nehmen. Warum muß ich grausam sein? Nur weil er ein Tor war! Was auch daraus entsteht, er hats zu verantworten, das ist klar! Zu Klara. Oder willst du, daß ich selbst mit ihm rede? Dir zu Liebe will ich ein blaues Auge wagen und zu ihm gehen! Er kann grob gegen mich werden, er kann mir den Stiefelknecht an den Kopf werfen, aber er wird die Wahrheit, trotz des Bauchgrimmens, das sie ihm verursacht, hinunterknirschen und dich in Ruhe lassen müssen. Verlaß dich darauf! Ist er zu Hause?

KLARA
richtet sich hoch auf.
Ich danke dir! Will gehen.
LEONHARD.
Soll ich dich hinüberbegleiten? Ich habe den Mut!
KLARA.

Ich danke dir, wie ich einer Schlange danken würde, die mich umknotet hätte und mich von selbst wieder ließe und fort spränge, weil eine andere Beute sie lockte. Ich weiß, daß ich gebissen bin, ich weiß, daß sie mich nur läßt, weil es ihr nicht der Mühe wert scheint, mir das bißchen Mark aus den Gebeinen zu saugen, aber ich danke ihr doch, denn nun hab ich einen ruhigen Tod. Ja, Mensch, es ist kein Hohn, ich danke dir, mir ist, als hätt ich durch deine Brust bis in den Abgrund der Hölle hinuntergesehen, und was auch in der [371] furchtbaren Ewigkeit mein Los sei, mit dir hab ich nichts mehr zu schaffen, und das ist ein Trost! Und wie der Unglückliche, den ein Wurm gestochen hat, nicht gescholten wird, wenn er sich in Schauder und Ekel die Adern öffnet, damit das vergiftete Leben schnell ausströmen kann, so wird die ewige Gnade sich vielleicht auch mein erbarmen, wenn sie dich ansieht, und mich, was du aus mir gemacht hast, denn warum könnt ichs tun, wenn ichs nimmer, nimmer tun dürfte? Nur eins noch: mein Vater weiß von nichts, er ahnt nichts, und damit er nie etwas erfährt, geh ich noch heute aus der Welt! Könnt ich denken, daß du – Sie tut wild einen Schritt auf ihn zu. Doch, das ist Torheit, dir kanns ja nur willkommen sein, wenn sie alle stehen und die Köpfe schütteln und sich umsonst fragen: warum das geschehen ist!

LEONHARD.
Es kommen Fälle vor! Was soll man tun? Klara!
KLARA.
Fort von hier! Der Mensch kann sprechen!Sie will gehen.
LEONHARD.
Meinst du, daß ichs dir glaube?
KLARA.
Nein!
LEONHARD.
Du kannst Gott Lob nicht Selbst-Mörderin werden, ohne zugleich Kindes-Mörderin zu werden!
KLARA.

Beides lieber, als Vater-Mörderin! O ich weiß, daß man Sünde mit Sünde nicht büßt! Aber was ich jetzt tu, das kommt über mich allein! Geb ich meinem Vater das Messer in die Hand, so triffst ihn, wie mich! Mich triffst immer! Dies gibt mir Mut und Kraft in all meiner Angst! Dir wirds wohl gehen auf Erden! Ab.

5. Szene
Fünfte Szene
LEONHARD
allein.

Ich muß! Ich muß sie heiraten! Und warum muß ich? Sie will einen verrückten Streich begehen, um ihren Vater von einem verrückten Streich abzuhalten; wo liegt die Notwendigkeit, daß ich den ihrigen durch einen noch verrückteren verhindern muß? Ich kann sie nicht zugeben, wenigstens nicht eher, als bis ich denjenigen vor mir sehe, der mir wieder durch den allerverrücktesten zuvorkommen will, und wenn der ebenso denkt, wie ich, so gibts kein Ende. Das klingt ganz gescheut, und doch – Ich muß ihr nach! Da kommt jemand! [372] Gott sei Dank, nichts ist schmählicher, als sich mit seinen eigenen Gedanken abzanken müssen! Eine Rebellion im Kopf, wo man Wurm nach Wurm gebiert, und einer den andern frißt oder in den Schwanz beißt, ist die schlimmste von allen!

6. Szene
Sechste Szene
SEKRETÄR
tritt ein.
Guten Abend!
LEONHARD.
Herr Sekretär? Was verschafft mir die Ehre –
SEKRETÄR.
Du wirst es gleich sehen!
LEONHARD.
Du? Wir sind freilich Schulkameraden gewesen!
SEKRETÄR.
Und werden vielleicht auch Todeskameraden sein! Zieht Pistolen hervor. Verstehst du damit umzugehen?
LEONHARD.
Ich begreife Sie nicht!
SEKRETÄR
spannt eine.
Siehst du? So wirds gemacht. Dann zielst du auf mich, wie ich jetzt auf dich, und drückst ab! So!
LEONHARD.
Was reden Sie?
SEKRETÄR.
Einer von uns beiden muß sterben! Sterben! Und das sogleich!
LEONHARD.
Sterben?
SEKRETÄR.
Du weißt, warum!
LEONHARD.
Bei Gott nicht!
SEKRETÄR.
Tut nichts, es wird dir in der Todesstunde schon einfallen!
LEONHARD.
Auch keine Ahnung –
SEKRETÄR.

Besinne dich! Ich könnte dich sonst für einen tollen Hund halten, der mein Liebstes gebissen hat, ohne selbst etwas davon zu wissen, und dich niederschießen, wie einen solchen, da ich dich doch noch eine halbe Stunde lang für meinesgleichen gelten lassen muß!

LEONHARD.
Sprechen Sie doch nicht so laut! Wenn Sie einer hörte –
SEKRETÄR.
Könnte mich einer hören, du hättest ihn längst gerufen! Nun?
LEONHARD.

Wenns des Mädchens wegen ist, ich kann sie ja heiraten! Dazu war ich schon halb und halb entschlossen, als sie selbst hier war!

SEKRETÄR.

Sie war hier, und sie ist wieder gegangen, ohne dich in [373] Reue und Zerknirschung zu ihren Füßen gesehen zu haben? Komm! Komm!

LEONHARD.

Ich bitte Sie – Sie sehen einen Menschen vor sich, der zu allem bereit ist, was Sie vorschreiben! Noch heut abend verlobe ich mich mit ihr!

SEKRETÄR.

Das tu ich, oder keiner. Und wenn die Welt daran hinge, nicht den Saum ihres Kleides sollst du wieder berühren! Komm! In den Wald mit mir! Aber wohl gemerkt, ich faß dich unter den Arm, und wenn du unterwegs nur einen Laut von dir gibst, so – Er erhebt eine Pistole. Du wirst mirs glauben! Ohnehin nehmen wir, damit du nicht in Versuchung kommst, den Weg hinten zum Hause hinaus durch die Gärten!

LEONHARD.
Eine ist für mich – geben Sie mir die.
SEKRETÄR.

Damit du sie wegwerfen, und mich zwingen kannst, dich zu morden, oder dich laufen zu lassen, nicht wahr? Geduld, bis wir am Platz sind, dann teil ich ehrlich mit dir!

LEONHARD
geht und stößt aus Versehen sein Trinkglas vom Tisch.
Soll ich nicht wieder trinken?
SEKRETÄR.

Courage, mein Junge, vielleicht gehts gut, Gott und Teufel scheinen sich ja beständig um die Welt zu schlagen, wer weiß denn, wer gerade Herr ist! Faßt ihn unter den Arm, beide ab.

7. Szene
Siebente Szene
Zimmer im Hause des Tischlers. Abend.

KARL
tritt ein.

Kein Mensch daheim! Wüßt ich das Rattenloch unter der Türschwelle nicht, wo sie den Schlüssel zu verbergen pflegen, wenn sie alle davongehen, ich hätte nicht hinein können. Nun, das hätte nichts gemacht! Ich könnte jetzt zwanzig Mal um die Stadt laufen und mir einbilden, es gäbe kein größeres Vergnügen auf der Welt, als die Beine zu brauchen. Wir wollen Licht anzünden. Er tuts. Das Feuerzeug ist noch auf dem alten Platz, ich wette, denn wir haben hier im Hause zwei Mal zehn Gebote. Der Hut gehört auf den dritten Nagel, nicht auf den vierten! Um halb zehn Uhr muß man müde sein! Vor Martini darf man nicht frieren, nach Martini [374] nicht schwitzen! Das steht in einer Reihe mit: Du sollst Gott fürchten und lieben! Ich bin durstig! Ruft. Mutter! Pfui! Als ob ichs vergessen hätte, daß sie da liegt, wo auch des Bierwirts Knecht sein Nußknackermaul nicht mehr mit einem Ja, Herr! aufzureißen braucht, wenn er gerufen wird! Ich habe nicht geweint, als ich die Totenglocke in meinem finstern Turmloch hörte, aber – Rotrock, du hast mich auf der Kegelbahn nicht den letzten Wurf tun lassen, obgleich ich die Boßel schon in der Hand hielt, ich lasse dir nicht zum letzten Atemzug Zeit, wenn ich dich allein treffe, und das kann heut abend noch geschehen, ich weiß, wo du um zehn zu finden bist. Nachher zu Schiff! Wo die Klara bleibt? Ich bin ebenso hungrig, als durstig! Heut ist Donnerstag, sie haben Kalbfleisch-Suppe gegessen. Wärs Winter, so hätts Kohl gegeben, vor Fastnacht weißen, nach Fastnacht grünen! Das steht so fest, als daß der Donnerstag wiederkehren muß, wenn der Mittwoch dagewesen ist, daß er nicht zum Freitag sagen kann: geh du für mich, ich habe wunde Füße!

8. Szene
Achte Szene
Klara tritt ein.

KARL.

Endlich! Du solltest auch nur nicht so viel küssen! Wo sich vier rote Lippen zusammenbacken, da ist dem Teufel eine Brücke gebaut! Was hast du da?

KLARA.
Wo? Was?
KARL.
Wo? Was? In der Hand!
KLARA.
Nichts!
KARL.

Nichts? Sind das Geheinmisse? Er entreißt ihr Leonhards Brief. Her damit! Wenn der Vater nicht da ist, so ist der Bruder Vormund!

KLARA.

Den Fetzen hab ich festgehalten, und doch geht der Abendwind so stark, daß er die Ziegel von den Dächern wirft! Als ich an der Kirche vorbeiging, fiel einer dicht vor mir nieder, so daß ich mir den Fuß daran zerstieß. O Gott, dacht ich, noch einen! und stand still! Das wäre so schön gewesen, man hätte mich begraben und gesagt: sie hat ein Unglück gehabt! Ich hoffte umsonst auf den zweiten!

[375]
KARL
der den Brief gelesen hat.

Donner und – Kerl, den Arm, der das schrieb, schlag ich dir lahm! Hol mir eine Flasche Wein! Oder ist deine Sparbüchse leer?

KLARA.

Es ist noch eine im Hause. Ich hatte sie heimlich für den Geburtstag der Mutter gekauft und beiseite gestellt. Morgen wäre der Tag – Sie wendet sich.

KARL.
Gib sie her!
KLARA
bringt den Wein.
KARL
trinkt hastig.

Nun könnten wir denn wieder anfangen. Hobeln, sägen, hämmern, dazwischen essen, trinken und schlafen, damit wir immerfort hobeln, sägen und hämmern können, sonntags ein Kniefall obendrein: ich danke dir, Herr, daß ich hobeln, sägen und hämmern darf! Trinkt. Es lebe jeder brave Hund, der an der Kette nicht um sich beißt! Er trinkt wieder. Und noch einmal: er lebe!

KLARA.
Karl, trink nicht so viel! Der Vater sagt, im Wein sitzt der Teufel!
KARL.

Und der Priester sagt, im Wein sitzt der liebe Gott. Er trinkt. Wir wollen sehen, wer recht hat! Der Gerichtsdiener ist hier im Hause gewesen – wie betrug er sich?

KLARA.
Wie in einer Diebsherberge. Die Mutter fiel um und war tot, sobald er nur den Mund aufgetan hatte!
KARL.

Gut! Wenn du morgen früh hörst, daß der Kerl erschlagen gefunden worden ist, so fluche nicht auf den Mörder!

KLARA.
Karl! Du wirst doch nicht –
KARL.

Bin ich sein einziger Feind? Hat man ihn nicht schon oft angefallen? Es dürfte schwer halten, aus so vielen, denen das Stück zuzutrauen wäre, den rechten herauszufinden, wenn dieser nur nicht Stock oder Hut auf dem Platz zurück läßt. Er trinkt. Wer es auch sei: auf gutes Gelingen!

KLARA.
Bruder, du redest –
KARL.
Gefällts dir nicht? Laß gut sein! Du wirst mich nicht lange mehr sehen!
KLARA
zusammenschaudernd.
Nein!
KARL.

Nein? Weißt dus schon, daß ich zur See will? Kriechen mir die Gedanken auf der Stirn herum, daß du sie lesen kannst? Oder hat der Alte nach seiner Art gewütet, und gedroht, mir das Haus zu verschließen? Pah! Das wär nicht viel anders, als[376] wenn der Gefängnisknecht mir zugeschworen hätte: Du sollst nicht länger im Gefängnis sitzen, ich stoße dich hinaus ins Freie!

KLARA.
Du verstehst mich nicht!
KARL
singt.
Dort bläht ein Schiff die Segel,
Frisch saust hinein der Wind!

Ja, wahrhaftig, jetzt hält mich nichts mehr an der Hobelbank fest! Die Mutter ist tot, es gibt keine mehr, die nach jedem Sturm aufhören würde, Fische zu essen, und von Jugend auf wars mein Wunsch. Hinaus! Hier gedeih ich nicht, oder erst dann, wenn ichs gewiß weiß, daß das Glück dem Mutigen, der sein Leben aufs Spiel setzt, der ihm den Kupfer-Dreier, den er aus dem großen Schatz empfangen hat, wieder hinwirft, um zu sehen, ob es ihn einsteckt oder ihn vergoldet zurück gibt, nicht mehr günstig ist.

KLARA.
Und du willst den Vater allein lassen? Er ist sechzig Jahr!
KARL.
Allein? Bleibst du ihm nicht?
KLARA.
Ich?
KARL.

Du! Sein Schoßkind! Was wächst dir für Unkraut im Kopf, daß du fragst! Seine Freude laß ich ihm, und von seinem ewigen Verdruß wird er befreit, wenn ich gehe, warum sollt ichs denn nicht tun? Wir passen ein für allemal nicht zusammen, er kanns nicht eng genug um sich haben, er mögte seine Faust zumachen und hineinkriechen, ich mögte meine Haut abstreifen, wie den Kleinkinderrock, wenns nur ginge!


Singt.

Der Anker wird gelichtet,
Das Steuer flugs gerichtet,
Nun fliegst hinaus geschwind!

Sag selbst, hat er auch nur einen Augenblick an meiner Schuld gezweifelt? Und hat er in seinem überklugen: Das hab ich erwartet! Das hab ich immer gedacht! Das konnte nicht anders enden! nicht den gewöhnlichen Trost gefunden? Wärst dus gewesen, er hätte sich umgebracht! Ich mögt ihn sehen, wenn du ein Weiber-Schicksal hättest! Es würde ihm sein, als ob er selbst in die Wochen kommen sollte! Und mit dem Teufel dazu!

KLARA.
O, wie das an mein Herz greift! Ja, ich muß fort, fort!
[377]
KARL.
Was soll das heißen?
KLARA.

Ich muß in die Küche – was wohl sonst?Faßt sich an die Stirn. Ja! Das noch! Darum allein ging ich ja noch wieder zu Hause! Ab.

KARL.
Die kommt mir ganz sonderbar vor!

Singt.

Ein kühner Wasservogel
Kreist grüßend um den Mast!
KLARA
tritt wieder ein.

Das Letzte ist getan, des Vaters Abendtrank steht am Feuer. Als ich die Küchentür hinter mir anzog, und ich dachte: Du trittst nun nie wieder hinein! ging mir ein Schauer durch die Seele. So werd ich auch aus dieser Stube gehen, so aus dem Hause, so aus der Welt!

KARL
singt, er geht immer auf und ab, Klara hält sich im Hintergrund.
Die Sonne brennt herunter,
Manch Fischlein, blank und munter,
Umgaukelt keck den Gast!
KLARA.

Warum tu ichs denn nicht? Werd ichs nimmer tun? Werd ichs von Tag zu Tag aufschieben, wie jetzt von Minute zu Minute, bis – Gewiß! Darum fort! – Fort! Und doch bleib ich stehen! Ists mir nicht, als obs in meinem Schoß bittend Hände aufhöbe, als ob Augen – Sie setzt sich auf einen Stuhl. Was soll das? Bist du zu schwach dazu? So frag dich, ob du stark genug bist, deinen Vater mit abgeschnittener Kehle – Sie steht auf. Nein! Nein! – Vater unser, der du bist im Himmel – Geheiliget werde dein Reich- Gott, Gott, mein armer Kopf – ich kann nicht einmal beten – Bruder! Bruder! – Hilf mir –

KARL.
Was hast du?
KLARA.

Das Vaterunser! Sie besinnt sich. Mir war, als ob ich schon im Wasser läge, und untersänke, und hätte noch nicht gebetet! Ich – Plötzlich. Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern! Da ists! Ja! Ja! ich vergeb ihm gewiß, ich denke ja nicht mehr an ihn! Gute Nacht, Karl!

KARL.
Willst du schon so früh schlafen gehen? Gute Nacht!
KLARA
wie ein Kind, das sich das Vaterunser überhört.
Vergib uns –
KARL.
Ein Glas Wasser könntest du mir noch bringen, aber es muß recht frisch sein!
KLARA
schnell.
Ich will es dir vom Brunnen holen!
KARL.
Nun, wenn du willst, es ist ja nicht weit!
[378]
KLARA.

Dank! Dank! Das war das letzte, was mich noch drückte! Die Tat selbst mußte mich verraten! Nun werden sie doch sagen: sie hat ein Unglück gehabt! sie ist hineingestürzt!

KARL.
Nimm dich aber in acht, das Brett ist wohl noch immer nicht wieder vorgenagelt!
KLARA.

Es ist ja Mondschein! – O Gott, ich komme nur, weil sonst mein Vater käme! Vergib mir, wie ich – sei mir gnädig – gnädig – Ab.

9. Szene
Neunte Szene
KARL
singt.
Wär gern hineingesprungen,
Da draußen ist mein Reich!

Ja! aber vorher – Er sieht nach der Uhr. Wieviel ists? Neun!

Ich bin ja jung von Jahren,
Da ists mir nur ums Fahren,
Wohin? Das gilt mir gleich!
10. Szene
Zehnte Szene
MEISTER ANTON
tritt ein.

Dir hätt ich etwas abzubitten, aber wenn ichs dir verzeihe, daß du heimlich Schulden gemacht hast, und sie noch obendrein für dich bezahle, so werd ichs mir ersparen dürfen!

KARL.

Das eine ist gut, das andere ist nicht nötig, wenn ich meine Sonntags-Kleider verkaufe, kann ich die Leute, die ein paar Taler von mir zu fordern haben, selbst befriedigen, und das werd ich gleich morgen tun, als Matrose, Für sich. da ists heraus!Laut. brauch ich sie nicht mehr!

MEISTER ANTON.
Was sind das wieder für Reden!
KARL.

Er hört sie nicht zum ersten Mal, aber Er mag mir heute darauf antworten, was Er will, mein Entschluß steht fest!

MEISTER ANTON.
Mündig bist du, es ist wahr!
KARL.

Eben weil ichs bin, trotz ich nicht darauf. Aber ich denke, Fisch und Vogel sollten sich nicht darüber streiten, obs in der Luft oder im Wasser am besten ist. Nur eins. Er sieht mich entweder nie wieder, oder Er wird mich auf die Schulter klopfen und sagen: Du hast recht getan!

[379]
MEISTER ANTON.

Wir wollens abwarten. Ich brauche den Gesellen, den ich für dich eingestellt habe, nicht wieder abzulohnen, was ists denn weiter?

KARL.
Ich dank Ihm!
MEISTER ANTON.

Sag mir, hat der Gerichts-Diener, statt dich auf dem kürzesten Weg zum Bürgermeister zu führen, dich wirklich durch die ganze Stadt –

KARL.

Straßauf, straßab, über den Markt, wie den Fastnachts-Ochsen, aber zweifle Er nicht, auch den werd ich bezahlen, eh ich gehe!

MEISTER ANTON.
Das tadle ich nicht, aber ich verbiet es dir!
KARL.
Ho!
MEISTER ANTON.

Ich werde dich nicht aus den Augen lassen, und ich selbst, ich würde dem Kerl beispringen, wenn du dich an ihm vergreifen wolltest!

KARL.
Ich meinte, Er hätte die Mutter auch lieb gehabt.
MEISTER ANTON.
Ich werds beweisen.
11. Szene
Elfte Szene
DER SEKRETÄR
tritt bleich und wankend herein, er drückt ein Tuch gegen die Brust.

Wo ist Klara?Er fällt auf einen Stuhl zurück. Jesus! Guten Abend! Gott sei Dank, daß ich noch her kam! Wo ist sie?

KARL.
Sie ging zum – Wo bleibt sie? Ihre Reden – mir wird Angst! Ab.
SEKRETÄR.

Sie ist gerächt – Der Bube liegt – Aber auch ich bin – Warum das, Gott? – Nun kann ich sie ja nicht –

MEISTER ANTON.
Was hat Er? Was ist mit Ihm?
SEKRETÄR.

Es ist gleich aus! Geb Er mir die Hand darauf, daß Er seine Tochter nicht verstoßen will – Hört Er, nicht verstoßen, wenn sie –

MEISTER ANTON.

Das ist eine wunderliche Rede. Warum sollt ich sie denn – Ha, mir gehen die Augen auf! Hätt ich ihr nicht unrecht getan?

SEKRETÄR.
Geb Er mir die Hand!
MEISTER ANTON.

Nein! Steckt beide Hände in die Tasche. Aber ich werde ihr Platz machen, und sie weiß das, ich habs ihr gesagt!

[380]
SEKRETÄR
entsetzt.
Er hat ihr – Unglückliche, jetzt erst versteh ich dich ganz!
KARL
stürzt herein.
Vater, Vater, es liegt jemand im Brunnen! Wenns nur nicht –
MEISTER ANTON.
Die große Leiter her! Haken! Stricke! Was säumst du? Schnell! Und obs der Gerichtsdiener wäre!
KARL.
Alles ist schon da. Die Nachbarn kamen vor mir. Wenns nur nicht Klara ist!
MEISTER ANTON.
Klara? Er hält sich an einem Tisch.
KARL.
Sie ging, um Wasser zu schöpfen, und man fand ihr Tuch.
SEKRETÄR.
Bube, nun weiß ich, warum deine Kugel traf. Sie ists.
MEISTER ANTON.

Sieh doch zu! Setzt sich nieder. Ich kann nicht! Karl ab. Und doch! Steht wieder auf. Wenn ich Ihn Zum Sekretär. recht verstanden habe, so ist alles gut.

KARL
kommt zurück.

Klara! Tot! Der Kopf gräßlich am Brunnenrand zerschmettert, als sie, – Vater, sie ist nicht hinein gestürzt, sie ist hinein ge sprungen, eine Magd hats gesehen!

MEISTER ANTON.

Die soll sichs überlegen, eh sie spricht! Es ist nicht hell genug, daß sie das mit Bestimmtheit hat unterscheiden können!

SEKRETÄR.

Zweifelt Er? Er mögte wohl, aber Er kann nicht! Denk Er nur an das, was Er ihr gesagt hat! Er hat sie auf den Weg des Todes hinausgewiesen, ich, ich bin schuld, daß sie nicht wieder umgekehrt ist. Er dachte, als er ihren Jammer ahnte, an die Zungen, die hinter ihm herzischeln würden, aber nicht an die Nichtswürdig keit der Schlangen, denen sie angehören, da sprach Er ein Wort aus, das sie zur Verzweiflung trieb; ich, statt sie, als ihr Herz in namenloser Angst vor mir aufsprang, in meine Arme zu schließen, dachte an den Buben, der dazu ein Gesicht ziehen könnte, und – nun, ich bezahls mit dem Leben, daß ich mich von einem, der schlechter war, als ich, so abhängig machte, und auch Er, so eisern Er dasteht, auch Er wird noch einmal sprechen: Tochter, ich wollte doch, du hättest mir das Kopfschütteln und Achselzucken der Pharisäer um mich her nicht erspart, es beugt mich doch tiefer, daß du nun nicht an meinem Sterbebett sitzen und mir den Angstschweiß abtrocknen kannst!

MEISTER ANTON.
Sie hat mir nichts erspart – man hats gesehen!
[381]
SEKRETÄR.
Sie hat getan was sie konnte – Er wars nicht wert, daß ihre Tat ge lang!
MEISTER ANTON.
Oder sie nicht!

Tumult draußen.
KARL.
Sie kommen mit ihr – Will ab.
MEISTER ANTON
fest, wie bis zu Ende, ruft ihm nach.
In die Hinterstube, wo die Mutter stand!
SEKRETÄR.
Ihr entgegen! Will aufstehen, fällt aber zurück. O! Karl!
KARL
hilft ihm auf und führt ihn ab.
MEISTER ANTON.
Ich verstehe die Welt nicht mehr!

Er bleibt sinnend stehen.

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TextGrid Repository (2012). Hebbel, Friedrich. Dramen. Maria Magdalene. Maria Magdalene. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-3A19-F