3.

Alle Wunden hören auf, zu bluten,
Alle Schmerzen hören auf, zu brennen,
Doch, entkrochen seines Jammers Fluten,
Kann der Mensch sich selbst nicht mehr erkennen,
[289]
Mund und Auge sind ihm zugefroren,
Selbst des Abgrunds Tiefe ist vergessen,
Und ihm ist, als hätt' er Nichts verloren,
Aber auch, als hätt' er Nichts besessen.
Denn das ewige Gesetz, das waltet,
Will die Harmonie noch im Verderben,
Und im Gleichmaaß, wie es sich entfaltet,
Muß ein Wesen auch vergeh'n und sterben.
Alle Theile stimmen nach dem einen
Sich herunter, den der Tod beschlichen,
Und so kann es ganz gesund erscheinen,
Wenn das Leben ganz aus ihm gewichen.
Ja, ein Weh giebt's, das man nicht ertrüge,
Wenn es nicht sein eig'nes Maaß zerbräche,
Und, wie einer abgeschmackten Lüge,
Der Erinn'rung selber widerspräche.
Dann, vergessend in der innern Oede,
Daß einst frisch das Herz geschlagen habe,
Ist ein Mensch der Nessel gleich, die schnöde
Wuchert über seinem eig'nen Grabe.

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TextGrid Repository (2012). Hebbel, Friedrich. Gedichte. Gedichte (Ausgabe letzter Hand). Vermischte Gedichte. Dem Schmerz sein Recht. 3. [Alle Wunden hören auf, zu bluten]. 3. [Alle Wunden hören auf, zu bluten]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-3B3F-4