Versöhnung

»Ist nicht heute Aller-Seelen?
Ja, ich will zur Kirche geh'n,
Und was Menschen mir versagen,
Von dem Himmel mir erfleh'n.
[272]
Meine Mutter kann nur weinen,
Hat nicht Trost für meinen Schmerz;
Krank geworden ist der Vater,
Das zerreißt mir ganz das Herz!«
Und sie stellt des Vaters Suppe
Sorgsam zu des Heerdes Glut,
Sagt der Mutter guten Morgen,
Geht dann fort in trübem Muth.
Vor der Nachbarinnen Augen
Bebt das ihre scheu zurück,
Aber frei hinauf zum Himmel
Wendet sie den reinen Blick.
In ein Haus der Anverwandten
Tritt sie nur mit Angst und Pein,
Aber in des Ew'gen Tempel
Geht sie ohne Zagen ein.
Am Altar der Mutter Gottes
Knie't sie still und glühend hin,
Doch um was sie bitten dürfe,
Kommt ihr nimmer in den Sinn.
Milde Mutter, Gnadenmutter,
Neige dich und sprich sie los;
Ihr Versöhner und ihr Mittler
Ist das Kind in ihrem Schooß.
Wird es doch gekreuzigt werden
Von der Wiege bis an's Grab,
Und so zahlt es überreichlich
Alle ihre Schulden ab.
[273]

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hebbel, Friedrich. Gedichte. Gedichte (Ausgabe letzter Hand). Vermischte Gedichte. Versöhnung. Versöhnung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-3C65-6