[175] Johann Peter Hebel
Vermischte Gedichte und aus dem Nachlaß

Beim Friedensschluß

Jez, Fliege, lönt mi all ungheit
und meld si keini wit und breit;
der sehnt jo, aßi d'Zitig lis,
und chöm mer ein', i triff si gwis.
Gönnt, schaffet au ne halbe Tag
vo Glockeschlag zu Glockeschlag:
was gilt's, der lueget anderst dri,
und 's wird ich nümme gumperig si.
I ha ne schweri Arbet gha;
drum lacht mi jez mi Chrüsli a.
Gang, Jergli, reich e Chäs zum Brot:
's schmeckt besser, wenn's selbanger goht.
Jowol, se hen sie Friede gmacht,
und 's het en End mit Chrieg und Schlacht.
Gott Lob und Dank für Mensch und Vieh!
's wäre nümme lang z' prästire gsi.

[176] Der Sperling am Fenster
1

Zeig, Chind! Wie het sel Spätzli gseit?
Weisch's nümme recht? Was luegsch mi a?
»'s het gseit: ›I bi der Vogt im Dorf,
i mueß von allem d'Vorles ha‹.«
Und wo der Spötlig seit: ›'s isch gnueg!‹
Was tut mi Spatz, wo d'Vorles het?
»Er liest am Bode d'Brösli uf,
sust müeßt er hungerig ins Bett.«
Und wo der Winter d'Felder deckt,
was tut mi Spatz in siner Not?
»Er pöpperlet am Fenster a
und bettlet um e Stückli Brot.
Gang, gib em, Muetter! 's friert en sust.«
Zeig, sag mer z'erst, 's pressiert nit so,
wie chunnt's der mit dem Spätzli vor?
Meinsch nit, es chönnt eim au so goh?
Chind, wird's der wohl, und 's goht der guet,
sag nit: ›I bi ne riche Her‹,
und iß nit Brotis alli Tag!
's chönnt anders werde, handumcher.
Iß nit der chrosplig Ranft vom Brot,
und loß die weiche Brosme stoh!
– De hesch's im Bruuch – es chunnt e Zit,
und wenn de's hättsch, wie wärsch so froh!
Ne blaue Mentig währt nit lang,
und d'Wuche het no mengi Stund,
und mengi Wuche lauft durs Dorf,
bis jedem au si lezti chunnt.
Und was men in sim Früehlig lehrt,
me treit nit schwer, und het's emol,
und was men in sim Summer spart,
das chunnt eim in sim Spötlig wohl.
[177]
Chind, denk mer dra, und halt di guet!
»O Muetter lueg, der Spatz will goh!«
Se gang er! Leng die Hirse dört,
und streu em! Er wird wieder cho!

2

Wie het im Summer 's Spätzli gseit?
Chind, bsinn di, – fallt's der nümmen i?
»'s het gseit: ›I bi ne riche Bur,
die Garbe do sin alli mi.‹
Es isch gar sölli semper gsi,
es het vo allem 's Fürnehmst gno,
's het jedwed Chörnli dreimol bschaut
und hinterher erst liege lo.«
Und wo der Spötlig ufgruumt het,
mi riche Burst, was het er to?
»Am Bode Gsöm und Brösli gsucht
und ebe nit viel übercho.«
Und jez, wo's schneit, was schneie mag,
was tut mi Spatz in siner Not?
»Er pöpperlet am Fenster a:
›He, numme au ne Stückli Brot!‹
Gang, gib em Muetter! 's friert en sust!«
Chumm, sag mer z'erst, 's pressiert nit so:
wie chunnt's der mit dem Spätzli für?
Meinsch nit, es chönnt der au so goh?
Chind, wird's der wohl, und 's goht der guet,
sag nit: ›I bi ne riche Ma!‹
und iß nit Brotis Tag für Tag,
und schaff nit gli ne Sackuhr a!
Schel nit der chrosplig Ranft vom Brot!
Loß nit die weiche Brosme stoh!
(De hesch's im Bruuch), es chunnt e Zit,
o wenn de's hetsch, wie wärsch so froh.
[178]
Und wenn der's nümme schmecke will,
se gang ins Feld, schaff druf und dra!
Der Hunger isch e gute Choch,
er sträut eim Gwürz und Zucker dra.
Ne blaue Mentig währt nit lang,
und d'Wuche het no mengi Stund,
und mengi Wuche lauft durs Dorf,
und niemes weiß, wie's witers chunnt.
Und was men in sim Früehlig lehrt,
me treit nit schwer, und het's emol,
und was men in sim Summer spart,
das chunnt eim in sim Spötlig wohl.
Chind, denk mer dra, und halt die guet!
»O Muetter lueg, der Spatz will goh!«
Se gang er! Leng die Hirse dört,
und streu em! Er wird wieder cho.

Der Geist in der Neujahrsnacht

Tochter, such e Strumpf, und stopfen do hinten ins Fenster,
wo hüt 's Büebli mittem Stecke d'Schibe verheit het.
Gschicht ich im neue Johr kei größer Unglück, as das isch,
chönneter z'friede si. Doch weiht's mer so frostig im Äcke,
und i bi die letzti Nacht e wengeli z'jung gsi
für mi Alter, doch mit Zucht, und eimol isch keimol.
Will me Geister erblicken und heimligi Sachen erfahre,
mueß me, wenn's Zwölfi schlacht, nit in de Federe liege.
Nu mer hen is verspötet mit allerhand fründlige Gspröche
z'Heiterschen an der Stroß, und Uhr und Zeiger isch gstande;
[179]
d'Uhr het im alte Johr no welle ne wengeli Frist lo,
oder hani's verhört. – »Guet Nacht, ihr Nochbere«, sagi,
»mi Weg wird am witschte si go Chrotzige«, sagi,
»gebis Gott e glücklich Johr und freudigi Sinne!«
»Das geb Gott der Her«, so sage die andre, »und schick di,
sust trappiert di der Geist no näumen, eb de deheim bisch,
wo mit sim Chind im Arm am lezte Dezember an d'Stroß stoht.
d'Postknecht wisse's alli, und rite lieber im Feldweg.«
's isch so cho, und zmitts im Dorf, und woni ums Eck gang,
nebe 's Xaveris Huus, bim Bluest! do stoht er am Brunne,
groß bis fast ans Dach und inneme duftige Mantel,
gwoben us Wulken und Liecht, und mitteme Bendel im Chnopfloch,
und het in den Armen und halber im Mantel verborge
wunderschön e Büebli gha mit fründligen Auge,
chüßt's und lächlet's a us sinen ernstlige Miene,
wie us nächtligem Gwülch der Vollmond lieblig in d'Welt luegt.
»Siehsch mi nit, so tuesch mer nüt«, – so denki und weih mi
mit em heilige Chrütz, und stell mi hinter de Brunnstock,
und will lose, was er seit, und wienerem zuspricht.
Wenig hani z'erst verstande; 's Wasser het bruuschet
us de Röhren in Trog und us em Brunntrog ins Gräbli.
»Chilchhof« – hani verstande, und – »Nüt darf ewige Bstand ha.«
Und – »Jez gohsch in d'Welt mit dine Schmerzen und Freude.
[180]
Teil sie verständig us, und was ich nümme cha schlichte,
bring zum gueten End. Sie hen e freudige Herbst gha.
Trinkt ein z'viel, und sizt er lang im nächtlige Wirtshuus,
gang, und bietem heim und führ en, aß er kei Bei bricht!
Nimm di der Armet a, und sorg mer für Witwen und Waise,
mach mer die Chranke gsund. – Die brave Saldate han ich no
mit Trumpeten und Pauken und Ehrechränzen ins Land gfüehrt.
Loß du Freuden und Tanz und Öpfelchüchli nit fehle,
wenn sie im Urlaub sin deheim bi Vater und Muetter.
Seig kei Fabelhans, und denk nit, wil e Kosmetstern
duftig am Himmel hangt, se müeßisch Feldzug und Schlachte,
Hungersnot und Sterbet bringe, Zetter und Elend.
Siehsch mi Ehrestern? Siehsch nit mi Bändel im Chnopfloch?
Roserot isch Freud, und Grüen isch liebligi Hoffnig.
Gang, verdien der au so ein mit dine Merite,
und schmück Jung und Alt mit frumme Sitten und Tate!«
Drüber schnurrt's im Turn in alle Räder am Schlagwerk,
und wie's Zwölfi schlacht, so stellt er's Büebli an Bode,
wie der Engel so schön, und wie der Morge so lieblig,
und seit: »Das walt Gott! Jez gang uf eigene Füeße!
Gib mer frei wohl Acht zum güetige Fürste in Karlsrueh,
zu de Friburger Here, und zu de Landen im Brisgau,
aß sie kei Leid erfahren, und bringene Freuden und Gsundheit!«
Süeß, wie Sunneblick, het's Büebli glächelt und Jo! gseit.
[181]
Aber mittem lezte Schlag im luftige Chilchturn
goht er in große Schritte 's Dorf us, und gegenem Rhi zue,
alliwil gschwinder und größer, und alliwil bleicher und dünner,
wie ne Nebelduft am Feldberg oder am Belche.
Und wie nootno in der Mitternacht d'Glocke verbrummt het,
het si der Duft verzogen, und isch vergangen und weg gsi.
Chunnsch bald mittem Strumpf? 's zieht alliwil schärfer und chüeler.
Wenni lang verzehl, stohsch lang do ummen und gohsch nit.

Hephata, tue dich auf!
1

Woni am Sunntig früeih in mine Gidanke dohi gang,
's isch so lieb und heimlig gsi, und d'Sunne het gschiene
rechts und links an d'Dörfer und an die gwiisgete Chilchtürn,
und die Chilchtürn stöhn und bschauen enander vo witem
übers Weizefeld und über die duftige Matte
und 's will ken der Afang mache: »Nochber fang du a!
Bisch du nit der ältst und hesch die chräftigste Glocke?«
»'s het jo no nit Nüni gschlage«, seit er zum Nochber,
»und dört stoht e Burst im Feld, und lueget an d'Birbäum,
denkwol i will warte, se bringi 'n au no in d'Chilche.«
Drum es het e Vögeli pfiffen uffeme Birbaum,
woni gstande bi, druf denki, woni em zuelos:
Predigt echt der Fink uf siner laubige Chanzle.
[182]
's chunnt eim schier so vor, und d'Blümli sitzen und lose.
Nei, wie lost das Glockeblümli, weger es schnuft nit,
wenni 's nummen au verstünd! Er wirdene sage,
wie sie der himmlisch, Vater do usem saftigen Erdrich
nährt und chleidet und puzt mit allerlei lieblige Farbe,
wenn sie scho nit spinnen und überbindlige neihe;
und es gangem selber so. Si Röckli seig gwachse,
wiener größer worde seig, er trag's doch afange
menge Monet Tag und Nacht und Sunntig und Werchtig,
und es seig no nagelneu, wie ehnen am Schilfmeer
's Plunder blibe seig, wo d'Chinder Israel treit hen,
d'Schnider seigen all verlumpt, wo unterne gsi sin,
und er heig kei Schüren und heig kei Zehnten im Etter,
und kei Burgergob; doch gang der Vater im Himmel
nie verbei, er geb em näumis z'Morgen und z'Mittag;
het er nit so gseit, se hani mer's eso vorgstellt.
Woner ufghört het und woner's Schnäbeli puzt het,
d' Immli hen scho Orgle gspilt, se denki, jez gangi
do dur d'Rebberg uf, und woni oben am Gupf bi,
lütet's übersmol mit alle Glocken in d'Chilche.
Jo do bini, denki, 's isch ordli, aß der au wartet,
bis me chunnt, und gang in d'Chilche. Was i drin ghört ha,
will i jez verzehle. – Gang, Vreni, leng mer e Stuhl her! –
Chani 's nit sage, wie er, se willi 's sage, wie i 's cha.
Betet hen sie wie bi üs und gorglet und gsunge;
wo sie gsunge hen, se chunnt der Pfarer uf d'Chanzle
und dreiht's Stundeglas und rüttlet's e wenig und chlopft druf –
's het nit welle laufen – und druf wo d'Orgle verbrummt het,
fangt er z' predigen a, vo sellem Tauben und Stumme,
[183]
wo ne fremde Ma am galiläische Meer her
gwandlet seig und heig dem Chranke d'Finger ans Ohr gleit
und an d'Zungen au, und wiener ›Hephata‹ grüeft heig,
›Hephata, tue dich auf!‹ druf seig dem Chranke uf eimol
's Wasser in d'Auge gschosse: ›Nei, loset, wie brusche die Welle‹,
heig er gseit, wie pfift der Wind so lieblich im Schilfrohr,
und wie singt der Fischer dört so lieblig am Ufer!‹
Und der Vater und d'Mutter seig schier vor Freude vergange,
's seig e himmlisch Wunder gsi. Der Dokter chönnt's nit so,
's seig e chräftig Wort, das Hephata, seit er, vom Himmel.
Jo, 's mueß chräftig si! I möcht's wol au nemol höre,
hani denkt, und woni's denk, se frogt er: »Und tönt's nit,
wome numme lost, an allen Enden und Orte
und uf alle Matte, in alle menschliche Herze?
Stöhnt emol im Winter ufs Feld und lueget wie's ussieht!
Alles isch harte Stei, und alli Pflanze vertrochnet,
alli Bäch sin gfroren, und mühsam dreiht si no's Mühlrad,
alli Fenster verschlossen und alli Türe mit Strau deckt,
und kei Trostle singt, ke Summervögeli sunnt si;
's isch scho Liechtmeß – 's wird nit anderst, – d' Fasten isch au do
und me meint, es blib jez so, und weiß em nit z'helfe,
bis im Merz en andere chunnt, und ›Hephata‹ usspricht:
[184]
›Hephata, tue dich auf!‹ – ›Wie weiht der Tauwind so lieblig‹,
seit der Vater zum Suhn, wo uffe Stauffemer Mert chunnt,
und chnüpft's Brusttuch uf. ›Wie wird der Bode so lucker,
los, wie's rieslet und tropft, und lueg do, wie alles so grün wird!‹
Und deheim seit d'Mutter: ›Gang Töchterli weidli ans Fenster,
loß der Früeihlig in d'Stuben und sag em fründli Gottwilche,
und lönt d'Schöfli us, der Hirt fahrt ebe durs Dorf ab.‹
Jez chunnt alles in Trieb und schießt in heimlige Chnospen
in de Gärten am Hag und an de laubige Bäume;
und der Vogel, wo vor churzem d'Wegstür nit gha het,
isch e riche Ma, und het in alle Reviere
Würmli uf der Weid, uf alle Bündtene 's Zehntrecht,
het si eige Huus und Hof; die flißigi Huusfrau
baut e Bettli dri, und wemme näume derzu chunnt,
nei, se bhüetis Gott, was lit im Bettli verborge:
goldni Eili rund und chli, mit Düpflene gsprenklet.
Was isch in de Chnospe, was isch im Eili verborge?
Niemes weißt's und niemes luegt und nieme cha's uftue;
's Vögeli selber it, doch sizt es geduldig und wartet,
bis die Stimm vom Himmel chunnt und ›Hephata‹ usspricht.
Und es tönt jez Tag und Nacht und Sunntig und Werchtig:
›Hephata, tue dich auf!' und alli höre's und folge;
und me het nit Auge gnug zum freudige Bschaue;
's hangt an alle Hürsten, an alle luftige Bäume,
's duftet in alle Gärten und stoht in prächtige Gstalte.
[185]
Goldeni Chäfer schwirre. Sie hen das Hephata au ghört.« –
Druf lengt der Pfarer in Sack und nimmt e Prisen und schnupften
und luegt no nem Stundeglas und pöpperlet wieder –
»Hephata, tue dich auf!« – – – – –

2

Anneme Sunntig früeih, se gangi in mine Gidanke
uf der Stroß spaziren, und wie's eim eppen au go cha,
chummi witer, as i weiß und as i ha welle.
Drum 's isch au so heimlig gsi und d'Sunne het gschiene
rechts und links an d'Dörfer und an die gwiißgete Chilchtürn,
und die Chilchtürn stöhn und bschauen enander vo witem,
über 's Weizefeld und über die duftige Matte,
und 's will kein der Afang mache: »Nochber, fang du a!
Bisch rat du der ältst und hesch die chräftigste Glocke?« –
»'s het jo no nit Nüni gschlage«, seit er zum Nochber,
»und sie tränke no an alle Brunne und hole
in der Metzg no Fleisch und flechte de Chindere d'Zupfe.«
Sieder gangi und gang, und los, wie d'Vögeli froh sin,
wil es Sunntig isch und wil sie elleinig im Feld sin,
und pfif au mi Morgepsalm und d'Vögeli lose,
luege nenander an und denke, das isch e Lehrjung,
seig er, wer er well in sine plüschene Hose.
Nu i gang dur d'Rebberg uf in mine Gidanke,
– 's het scho weichi Trübli gha und zitige Beeri –
[186]
bis es zsemmelütet an allen Enden und Orte
übers Stoppelfeld und über die grasige Matte;
und es lüpft mer's Herz und 's Wasser schießt mer in d'Auge:
»Gohsch jez in kei Chilche, und goht der Sunntig di nüt a?«
sagi zu mer und lauf und chumm no, ebe wil's Zit isch,
anne Chilchhof uffem Gupf und schlenkere 's Gertli,
woni gha ha, weg und denk: Jez gangi uf Grotwohl
zue der nächste Türen in und setz mi, wo's Platz isch,
zu de Mannen oder Bueben oder uf d'Orgle.
Und jez loset, was der Pfarer predigt und gseit het;
chani 's it sage wie er, se will is sage, wie i 's cha. –
Vreneli, leng mer e Stuhl und jag z'erst d'Hühner zur Tür us.
Betet hei sie, wie bi üs und gorglet und gsunge.
Wo sie gsunge hen, se stigt der Pfarer uf d'Chanzle
und dreiht's Stundeglas und rüttlet's e wenig und chlopft druf;
's het nit welle laufe, und druf, wo d'Orgle verbrummt het,
fangt er e Predig a vo sellem Tauben und Stumme,
wo ne fremde Ma am galiläische Meer her
gwandlet seig und heig dem Chranke d'Finger ins Ohr gleit
und uf d'Lefzgen au, und wiener ›Hephata‹ grüeft heig:
›Hephata, tue dich auf!‹ se seig dem Chranken uf eimol
's Wasser in d'Auge gschosse. ›Nei loset, wie brusche die Welle!‹
heig er gseit, wie pfift der Wind so lieblig im Schilfrohr!
Nei, wie singt der Fischer dört so lieblig am Ufer!‹
Und der Vater und d'Mutter seig schier vor Freude vergange.
[187]
»'s isch e chräftig Wort, das Hephata«, seit er, »vom Himmel,
's tut's kei Dokter no, kei Apotheker vo Sulzburg.«
Jo 's mueß chräftig si; wol möchti 's au nemol höre,
hani denkt, und wie n is denk, se seit er: »Und tönt's nit
wo me numme loset, an allen Enden und Orte
und uf alle Matten, in alle menschliche Herze?
Am Dreikünigtag wie isch der Bode mit Schnee deckt,
hart und chalt, voll Gsöm und Gwürm e leidige Chilchhof.
Tribt e Gräsli, lacht e Blüemli, zittigt e Chörnli?
's duuren ein die arme Vögel, Spatzen und Finke,
und die arme Lüt in ihrem verrissene Plunder.
Wuchen um Wuche vergoht. Es isch scho Pauli Bikehrung,
's wird nit anderst, numme d'Not wird größer und herber,
d'Liechtmeß chunnt, 's isch no wie almig; d'Fasten isch au do,
und der Vogt und 's Gricht, der Kaiser und sini Saldate
zwinge 's nit. Kei Menschewort dringt aben in Bode,
bis im Merz en andere chunnt und ›Hephata‹ usspricht,
›Hephata, tue dich auf!‹ ›Wie weiht der Tauwind so liebli‹,
seit der Vater zum Suhn, wo mit enander in Wald göhn,
und chnüpft 's Brusttuch uf, – ›wie wird der Bode so lucker!
Loos, wie's rislet und tropft, und lueg doch, wie alles so grün wird.‹
Und deheim seit d'Mutter: ›Gang, Töchterli, weidli ans Fenster,
loß mer de Früehlig in d'Stube mit sine heitere Auge
und löhnt d'Schöfli us, der Hirt fahrt ebe durs Dorf ab.
[188]
Jez chunnt alles in Trieb und schießt in heimlichi Chnospe,
in de Gärten, im Feld, an alle Bäumen und Hecke;
und der Vogel, wo vor churzem d'Wegstür nit gha het,
isch e riche Buur. Er het in alle Reviere
Würmli uf der Weid, in alle Bündtene 's Zehntrecht,
hat si eige Huus und Hof. Die flißige Huusfrau
baut e Bettli dri, und wemme näume derzue chunnt,
nei, se bhüetis Gott, was lit im Bettli verborge?
Goldni Eili, rund und chli, mit Düpflene gsprenklet.
Was isch in de Chnospe, was isch im Eili verborge?
Niemes weißt's und niemes luegt und nieme cha's uftue.
Tag um Tag vergoht, der Ostermentig und -zistig,
bis die Stimm vom Himmel tönt und ›Hephata‹ usspricht.
Und jez rüeft es Tag und Nacht und Sunntig und Werchtig:
›Hephata, tue dich auf!‹ und 's höre 's alli und folge.
Und me het nit Auge gnug zum freudige Bschaue:
's Chnöspli tut si uf. O lueg die schöne Zirinkli!
's Vögeli fliegt vom Nest; o lueg e Stübli voll Chinder! –
He, es währt vom Ostertag e freudige Firtig
bis zum Pfingstfest, Tag und Nacht und Sunntig und Werchtig;
's glitzeret zendum wie Gold und Silber und Demant,
's weiht e Blüteduft ab alle Bäumen und Hecke,
's tönt, me weiß nit was, in alle Gärten und Matte
wie Klavier- und Harfeton und silberne Glöckli;
wo me lost und wo me luegt, isch Leben und Lebe,
d'Gluckere goht selbzwölft und d'Lämmli weiden im Grüne,
d'Halme schieße, d'Ähre schwankt, d'Sägese juckt scho,
und me seit Gottlob und Dank und wartet afange
uf e warme Rege. Was seit der Barometer?
Obe will er usen und 's Rüttle bringt en nit abe,
und der Himmel isch zu, wie zu den Zeiten Eliä,
zweites Buch der Könige Kapitel das siebzehnt. – –

[189] Das Liedlein vom Kirschbaum

Der lieb Gott het zum Früehlig gseit:
»Gang, deck im Würmli au si Tisch!«
Druf het der Chriesbaum Blätter treit,
vil tausig Blätter grün und frisch.
Und 's Würmli us em Ei verwacht's,
s het gschlofen in sim Winterhus.
Es streckt si, und sperrt 's Müüli uf
und ribt die blöden Augen us.
Und druf se het's mit stillem Zahn
am Blättli gnagt enanderno
und gseit: »Wie isch das Gmües so guet!
Me chunnt schier nimme weg dervo.«
Und wieder het der lieb Gott gseit:
»Deck jez im Immli au si Tisch.«
Druf het der Chriesbaum Blüte treit,
viel tausig Blüte wiiß und frisch.
Und 's Immli sieht's und fliegt druf los,
früeih in der Sunne Morgeschin.
Er denkt: »Das wird mi Caffi si;
si henn doch chosper Porzelin.
Wie sufer sin die Chächeli gschwenkt«
Es streckt si troche Züngli dri.
Es trinkt und seit: »Wie schmeckt's so süß,
do muß der Zucker wohlfel si.«
Der lieb Gott het zum Summer gseit:
»Gang, deck im Spätzli au si Tisch!«
Druf het der Chriesbaum Früchte treit,
viel tausig Chriesi rot und frisch.
Und 's Spätzli seit: »Isch das der Bricht?
Do sitzt me zu, und frogt nit lang.
Das git mer Chraft in Mark und Bei
und stärcht mer d'Stimm zum neue Gsang.«
Der lieb Gott het zum Spötlig gseit:
»Ruum ab, sie hen jez alli gha!«
[190]
Druf het e chüele Bergluft gweiht,
und 's het scho chleini Rife gha.
Und d'Blättli werde gel und rot
und fallen eis im andere no,
und was vom Boden obsi chunnt,
mueß au zum Bode nidsi go.
Der lieb Gott het zum Winter gseit:
»Deck weidli zu, was übrig ist.«
Druf het der Winter Flocke gstreut –

Die Flucht

Es chunnt e Burst mit blutigem Rock
mit sölligem Schnufe und Schwitze
ins Wirtshus z'laufe zum goldene Bock,
wo preußische Werber sitze:
»Her Werber, Her Werber, o rettet mi gschwind;
verstoche hani mis Vaters Chind,
mi Schätzli, das hani verstoche.«
»Und wenn du dein Schätzlein verstochen hast,
ist alle sein Leiden vollendet.«
»Her Werber, das bringt mer kei Ruh und kei Rast,
im Böse bini verpfändet.
I gehr jo kei Handgeld, o rettet mi gschwind,
's chunnt hinter mer z'laufe wie Wetter und Wind,
furt über Bahnstei und Gränze.
I ger ke Handgeld, Euch gib i no
vier Taler, wenn der mi rettet.
O chömmet, o chömmet enanderno,
sust isch mi Lebe verwettet.«
Der Werber gürtet si Sebel a,
druf henkt er si Rauchtubaksblotere dra
und ladet sini Pistole.
[191]
Sie wandlen uf unvertrauter Bahn
's Land ab und alliwil abe.
Sie luegen enander bald freudig a:
»Jez wäre mer überem Grabe.«
Dört stoht der Bahnstei im grasige Feld,
der Bursch lengt in d'Täschen und chnüslet im Geld:
»Her Werber, vier bairische Taler.«

Der Landwehrmann nach dem Frieden

Nei lueg, nei lueg am Mattebach
wer wäscht so spot,
so blutig rot
si Plunder us mit Weh und Ach?
Er luegt si alte Säbel a,
verschrickt frei drab
und wäscht en ab
vom Blut, und luegt en wieder a.
Er lengt si Sack, er chert en um:
's isch alles us,
's fallt nit me drus,
i gäb ke halbe Chrützer drum.
E bitzeli Tubak muß er no
im Pfifli ha:
er zündet's a;
du arme Tropf! 's will nümme goh.
Jez fahrt's en wie ne Schrecken a;
er schlicht dervo.
's wird öpper cho:
de muesch e sufers Gwisse ha.
Nei lueg, was springt dört übere Hag
mit frischem Sprung,
so lieb und jung

[192] Trost

Bald denki, 's isch e bösi Zit,
und weger 's End isch nümme wit;
bald denki wieder: loß es goh,
wenn's gnug isch, wird's schon anderst cho.
Doch wenni näumen ane gang
und 's tönt mer Lied und Vogelsang,
so meini fast, i hör e Stimm:
»Bis z'fride! 's isch jo nit so schlimm.«

Bruchstücke

1
Es lütet Bettzit überal,
der Himmel dunklet no und no,
und 's flimmeret im Himmelssaal
e Sternli dört, e Sternli do.
2
Der Wächter rüeft der Morgen a:
»Wacht auf, wacht auf, der Tag beginnt!«
Druf luegt ei Sternli 's ander a:
»Wär's mügli? Wie doch d'Zit verrinnt!«
Der Mond luegt, was si Zitli seit,
er traut em nit, er hebt's ans Ohr,
er seit, der Wächter isch nit gscheit,
si Uhr goht um zwo Stunde vor.
Druf sitze d'Sternli alli nieder
und nehme's Rad und spinne wieder.
3
Bat, mer sin so still, und 's isch so wit no go Basel
bis ans Bläsitor und uf di lustigi Rhibruck.
Giget der Sepli zum Tanz, viel lustiger tanzt men und ringer.
Spröchet men unterwegs, viel ringer chunnt me go Basel.
Rot mer hi und rot mer her: was chaufi mer z'Basel?

[193] Der allzeit vergnügte Tabakraucher

Im Frühling

's Bäumli blüeiht, und 's Brünnli springt.
Potz tausig los, wie 's Vögeli singt!
Me het si Freud und frohe Muet,
und 's Pfifli, nei, wie schmeckt's so guet!
Im Sommer

Volli Ähri, wo me goht,
Bäum voll Öpfel, wo me stoht!
Und es isch e Hitz und Gluet.
Eineweg schmeckt 's Pfifli guet.
Im Herbst

Chönnt denn d'Welt no besser si?
Mit sim Trübel, mit sim Wi
stärcht der Herbst mi lustig Bluet,
und mi Pfifli schmeckt so guet.
Im Winter

Winterzit, schöni Zit!
Schnee uf alle Berge lit,
uffem Dach und uffem Huet.
Justement schmeckt 's Pfifli guet.

Die glückliche Frau

Erhalt mer Gott mi Friedli!
Wer het, wer het e brävere Ma,
und meld si eini, wenn si cha!
Er sizt so gern bi siner Frau,
und was mi freut, das freut en au;
und was er seit, und was er tuet,
es isch so lieblig und so guet.
[194]
Wie sieht er nit so gattig us
in sine Locke schwarz und chrus,
mit sine Backe rot und gsund,
und mit de Gliedere stark und rund!
Und wenn mi näumis plogt und druckt,
und wenn e Weh im Herze zuckt,
und denk i wieder an mi Ma,
wie lacht mi nit der Himmel a!
Erhalt mer Gott mi Friedli!
Erhalt mer Got mi Gütli!
I ha ne Garte hinterm Hus,
und was i bruuch, das hol i drus.
Im Feld in feiste Fure schwankt
der Halm, an warme Berge hangt
der Trübel, und im chleine Hof
regiere Hühner, Gäns und Schof.
Was bruuchi, und was hani nit?
Frog, was de weisch, lueg, wo de witt!
Und wemme meint, 's well Mangel cho,
isch Gottes Sege vorem do.
Und wenn der Friedli müed und still
vom Acker chunnt und z'Obe will,
se stoht mit Chümmi, rein und frisch,
e guete Ziger uffem Tisch.
Im grüne Chrüsli stoht der Wi,
i lueg en a, und schenk em i;
druf trinkt er, und es schmeckt em guet,
und füllt em 's Herz mit Chraft und Muet.
Erhalt mer Gott mi Gütli!
Erhalt mer Gott mi Stübli!
Es isch so heiter und so nett,
as wenn's en Engel zimmert hätt,
und puzt, aß wenn's e Chilchli wär,
und wo me luegt, isch's niene leer.
Jo weger, und wenn's blizt und chracht,
und wie mit Chüblen abe macht,
[195]
wenn usem Nebel fücht und chalt
der Riesel an de Fenstere prallt,
und wenn no Wiehnecht chalt und rot
der Jänner uf de Berge stoht,
und duftig an de Bäume hängt,
und Brucken übers Wasser sprengt,
und wenn der Sturmwind tobt und brüllt,
und 's Dolder ab den Eiche trüllt,
isch's Stübli bheb und warm und still,
turnier' der Sturm, so lang er will.
Erhalt mer Gott mi Stübli!
Doch will mer Gott mi Friedli neh,
und chani nit, und mueß en ge,
sollsch, Chilchhof, du mi Gütli si,
und bauet mer e Stübli dri.
Erhalt mer Gott mi Friedli!

Zufriedenheit

's schwimmt menge Ma im Überfluß
het Huus und Hof und Geld
und wenig Freud und viel Verdruß
und Sorgen in der Welt.
Und het er viel, se gehrt er viel
und neeft und grumset allewil.
Und 's seig jo doch so schön im Tal,
in Matte, Berg und Wald,
und d'Vögeli pfifen überal
und alles widerhallt,
e rueihig Herz und frohe Mut
isch ebe doch no 's fürnehmst Gut.
So het's Margretli gsunge, und o chönnti's nonemol höre.
Chönnti's nonemol seh! Gott geb em Freuden und Gsundheit.

Notes
Dieser Teil umfasst Gedichte, die zu Hebels Lebzeiten in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht und nicht in die 5. Auflage mit aufgenommen wurden. Außerdem einige Gedichte, die erst aus dem Nachlass bekannt geworden sind.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Hebel, Johann Peter. Vermischte Gedichte und aus dem Nachlaß. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-428B-5