[190] Die Freiheit 1

Die Freiheit lächelte: »In allen Zungen
Von wie viel Dichtern ward ich schon besungen!
Wie preist ihr unermüdlich meinen Sinn,
Den unvollkommnen – einzig weil ich bin.
Wenn ich durch dieses kampfumhüllte Leben
Des Mantels Sonnenschleier lasse schweben,
Viel weiße Rosen, rote Nelken streue
Von Pfad zu Pfad, daß sich die Jugend freue,
Die Menschheitsjugend, die das Haupt sich schmückt,
Von solchen Gaben, ach, so gern beglückt ...
Wie schallen mir aus Lauben und aus Hallen
Gesänge reich, mir liebend zu gefallen!
Bald brausend tief, bald zart und strahlenfein,
Bald überschwenglich wirr, bald sphärenrein.
Ein Gruß nur im Vorübergehn – da schauen
Voll seliger Sehnsucht mich die Menschen an,
Sie möchten hoffend mir ihr Glück vertrauen
Und fühlen, daß ich ihnen helfen kann.
Vielleicht ... ein wenig ... doch Geduld bescheidet
Mir meine gar zu strenge Mutter Not,
Ich muß oft weinen, wie die Menschheit leidet,
Doch darf ich lächeln, sprießt das Morgenrot ...«

Fußnoten

1 Epilog zum »Buch der Freiheit«


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Henckell, Karl. Die Freiheit. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-4DCB-0