[228] Alte Heimat

Fuhr ich jüngst durch Hannoverland,
Wo das Heim meiner Väter stand.
Grüne Saatfelder, Halme, Gräser
Säumten strichweis die stille Weser,
Buchenwälder warfen Licht
Über der Talflur ernst Gesicht.
Wie der Dampfer so ruhig ging
Und die Seele der Zeit nachhing,
Schien das Leben mir wie ein Traum,
Ob es meines war, wußt' ich kaum.
Sturm und Strudel, ringend durchmessen,
Schier verbrandet und wie vergessen,
Aber auf tiefstem Herzensgrund
Schloß sich Frieden und Kampf zum Bund:
»War's nicht leidenschaftliches Lieben,
Was dumpfgrollend dich fortgetrieben?
Was durch Bitternisse dich trug,
War's nicht glühender Herzenszug?
Mußtest mächtigen Götzen fluchen,
Deines Wesens Heimat zu suchen,
Was ihr Bild verzerrt und entstellt,
Hast du zerschlagen und zerschellt.
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Der du zahltest mit eigenem Blute,
War dir je verrätrisch zumute?
Hieltest zäh deiner Art die Treu,
Trägst drum nimmer der Jugend Reu.«
So die Seele der Zeit nachhing,
Wie der Dampfer ruhig ging.
Über der Talflur ernst Gesicht
Warfen Buchenwälder ihr Licht.
Strichweis säumten Halme, Gräser,
Grüne Saaten die stille Weser,
Wo das Heim meiner Väter stand,
Fuhr ich jüngst durch Hannoverland.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Henckell, Karl. Alte Heimat. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-505A-4