19. Der Sächsische Prinzenraub
Ein Bergmannslied
Deutsch

Ich liefre dies Bergmannslied und das Nachfolgende nur zur Probe, wie die Deutschen Lieder aufnehmen, die, wie diese Beide (Nr. 19 und 20), ein zum Bewundern treues Gemählde der Sprache, Denk- und Sehart einer Provinz, theils an sich, theils insonderheit über den und jenen bekannten Vorfall, sind. Schon in solchem Betracht sind Gesänge der Art höchst schäzbar: sie sagen mehr als eine lange Karakteristik des Geschichtschreibers. Und überdem sollte dies Lied nicht mehr werth seyn, als Trillers große Epopee über diesen Vorfall?


Wir woll'n ein Liedel heben an,
Was sich hat angespunnen,
[145]
Wie's im Pleißnerland gar schlecht war b'stallt,
Als den jungen Fürst'n geschah Gewalt,
Durch Kunzen von Kauffungen,
Ja Kauffungen!
Der Adler hat uf'n Fels gebaut
Ein schönes Nest mit Jungen;
Und wie er einst war g'flogen aus,
Holt ein Geyr die Jungen heraus,
Drauf ward's Nest leer gefungen,
Ja gefungen!
Wo der Geyer auf'm Dache sizt,
Da deihen die Küchlein selten,
'S war Werl! ein seltsam Narrenspiel.
Welch'r Fürst sein'n Räthen getraut so viel,
Muß oft der Herr selbst entgelten,
Ja entgelten!
Altenborg, du feine Stadt,
Dich thät er mit Untreu meinen,
Da in dir war'n all' Hofleut voll,
Kam Kunz mit Leitern und Buben toll,
Und holt die Fürsten so kleine,
Ja so kleine!
Was blaßt dich, Kunz, für Unlust an,
Daß du ins Schloß 'nein steigest?
Und stielst die zarten Herren heraus,
Als der Kurfürst eben nit war zu Haus,
Die zarten Fürstenzweige,
Ja Fürstenzweige!
Es war wohl als ein Wunderding,
Wie sich das Land beweget.
Was da uf'n Strassen waren für Leut,
[146]
Die den Räubern folgten nach in Zeit,
All's wibbelt, kribbelt, sich beweget,
Ja beweget!
Im Walde dort ward Kunz ertappt,
Da wollt he Beeren naschen,
Wär he in der Hast facken fortgeretten,
Daß 'm die Köhler nit geleppischt hetten,
Hätt he sie kunnt verpaschen,
Ja verpaschen!
Ab'r sie worden ihm wed'r abgejagt,
Und Kunz mit sinen Gesellen
Uf Grünhain in unsers Herrn Abts Gewalt
Gebracht, und darnach uf Zwicka gestallt,
Und musten sich lahn prellen,
Ja lahn prellen!
Darvor fiel ab gar mancher Kopf,
Und keiner, der gefangen,
Kam aus der Haft ganzbeinicht davon,
Schwert, Rad, Zang'n, Strick, die war'n ihr Lohn,
Man sah die Rümper hangen,
Ja hangen!
So gehts, wer wider die Obrigkeit
Sich unbesonnen empöret,
Wer's nicht meint, schau an Kunzen,
Syn Kop thut z' Freiberg noch 'runter schmunzen,
Und jed'rmann davon lehret,
Ja lehret!
[147]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Herder, Johann Gottfried. Liedsammlung. Volkslieder. Erster Theil. Drittes Buch. 19. Der Sächsische Prinzenraub. 19. Der Sächsische Prinzenraub. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-5814-2