Liebe und Freude

»Hüte Dich,« sprach einst die Weisheit,
»Du, der Liebe schöner Sohn,
Und Du, seine Schwester, Freude,
Weil Euch Beiden Uebel drohn.
Flieh, o Knabe, jene blinde
Schlaugesinnte Eifersucht;
Und Du, Mädchen, flieh den Reichthum,
Der, auch blind, Dir immer flucht!«
Also sprach die gute Weisheit;
Doch vergebens war ihr Wort;
Reichthum riß so bald die Freude,
Eifersucht den Amor fort.
Und seitdem sie zu Gesellen,
Zu Geliebten Die gewählt,
Wer ist, der die Uebel alle
Dieser Trugverbindung zählt?
Eifersucht betrog den Amor
Und gab Qualen ihm zu Lohn,
Nahm ihm seine holden Augen,
Denen nie ein Herz entflohn.
[36]
In des blinden Reichthums Armen
Ward die Freud' ein blindes Glück,
Und an ihrem todten Bilde
Schärft' sich ihres Mörders Blick,
So daß Eifersucht und Reichthum
Jetzt allein scharfsehend sind.
Ist es Wunder? Die Betrognen,
Amor und das Glück, sind blind.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Herder, Johann Gottfried. Gedichte. Gedichte. Erstes Buch. Liebe und Freude. Liebe und Freude. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-5E6E-6