Im Frühling

O laß sie träumen den Kaiserwahn,
Alt-Deutschlands Ritter und Recken;
Wie werden sich vor dem roten Hahn
Die rotern Adler verstecken!
O laß sie träumen noch eine Nacht!
Dann wetzen wir aus die Scharte,
Dann werden Fidibusse gemacht
Aus der europäischen Karte.
Die Völker kommen und läuten Sturm –
Erwache, mein Blum, erwache!
Vom Kölner Dome zum Stefansturm
Wird brausen die Rache, die Rache.
Vom Stefansturm zum stillen Prag
Und weiter, weiter nach Polen –
Das ist der Könige Jüngster Tag;
Der Teufel, er wird sie holen.
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Die alten Kohorten am Tiberstrom
Stehn auf beim Klang der Trompeten;
Die Glocken schweigen, du ewiges Rom
Vergiß dein Singen und Beten!
Die Glocken schweigen, die Pfaffen schrein
In ihren zertrümmerten Hallen;
Den Heiligen wird der goldne Schein
Vom zitternden Haupte fallen.
Die Henker falten, vor Schrecken bleich,
Die blutigen Hände zusammen;
Und aus dem stürzenden Österreich
Hoch lodern werden die Flammen.
Das alles, das alles soll geschehn
In kommenden Frühlingstagen –
Herrgott, laß die Welt nicht untergehn,
Eh die Nachtigallen schlagen!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Herwegh, Georg. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. Im Frühling. Im Frühling. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-5F51-D