Das Fieberspital

1.

Die bleiche Leinwand in den vielen Betten
Verschwimmt in kahler Wand im Krankensaal.
Die Krankheiten alle, dünne Marionetten,
Spazieren in den Gängen. Eine Zahl
Hat jeder Kranke. Und mit weißer Kreide
Sind seine Qualen sauber aufnotiert.
Das Fieber donnert. Ihre Eingeweide
Brennen wie Berge. Und ihr Auge stiert
Zur Decke auf, wo ein paar große Spinnen
Aus ihrem Bauche lange Fäden ziehn.
Sie sitzen auf in ihrem kalten Linnen
Und ihrem Schweiß mit hochgezognen Knien.
Sie beißen auf die Nägel ihrer Hand.
Die Falten ihrer Stirn, die rötlich glüht,
Sind wie ein graugefurchtes Ackerland,
Auf dem des Todes großes Frührot blüht.
Sie strecken ihre weißen Arme vor,
Vor Kälte zitternd und vor Grauen stumm.
Schon wälzt ihr Hirn sich schwarz von Ohr zu Ohr
In ungeheurem Wirbel schnell herum.
[166]
Dann gähnt in ihrem Rücken schwarz ein Spalt,
Und aus der weißgetünchten Mauerwand
Streckt sich ein Arm. Um ihre Kehle ballt
Sich langsam eine harte Knochenhand.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Heym, Georg. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. Das Fieberspital. 1. [Die bleiche Leinwand in den vielen Betten]. 1. [Die bleiche Leinwand in den vielen Betten]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6304-B