Neuer Wein
O Rebenhügel dicht gereiht
Voll lachenden Sonnenscheines!
Das ist die Zeit der Trunkenheit,
Die Zeit des neuen Weines.
Ein Mosthauch durch die Lüfte zieht
Aus Kellern und Spelunken;
Von jeder Kelter schallt ein Lied,
Ein jedes Aug' sprüht Funken.
Die Wagen schwanken hoch daher
Mit vollen Traubenkufen;
Das Ochsenpaar ist auch nicht mehr
Ganz sicher auf den Hufen.
Hast du den langen Storch gesehn?
Er naschte vom jungen Weine.
Nun kann er nicht mehr grade stehn
Wie sonst auf einem Beine.
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Sogar das mürrische Borstentier
Grunzt fröhlich in seiner Klause;
Es dünkt sich wie ein König schier
Beim üppigen Trebernschmause.
Am tollsten lärmt das Spatzengeschlecht,
Die Jungen wie die Ältern.
Sie haben sich alle stark bezecht
Und taumeln um die Keltern.
Weg, altes Herz, mit Sorg' und Harm!
Gib acht, nur über ein kleines
Mitjauchzest du im trunknen Schwarm
Das Lob des neuen Weines!
(Am Rhein)