Letztwillig

Und schließ' ich einst die Augen zu,
Nie wieder aufzuwachen,
So gilt mir's gleich, wo man zur Ruh
Mir wird das Bette machen.
Doch schlüge mein letztes Stündlein hier
An dieser Seeflut Borden,
So wünscht' ich, man erließe mir
Die Brennerfahrt gen Norden.
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Man grübe mir ein stilles Grab
Dort unter den Zypressen,
Wo ich in wonnigen Träumen hab'
So manchesmal gesessen.
Mein Deutschland, immer liebt' ich dich
Vor allen Ländern der Erden,
Doch nach Italien flüchtet' ich
Gar oft, um warm zu werden.
Es heißt, ein armer Toter soll
Manchmal vom Schlaf erstehen,
Neugierig und gedankenvoll
Ein bißchen spuken gehen.
Im Norden sind die Nächte rauh,
Da schlotterten mir die Gebeine.
Hier unten weht die Luft so lau
Nachts im Zypressenhaine.
Da säß' ich nieder in guter Ruh
An meines Sees Gestade
Und hörte dem Rauschen der Wellen zu,
Dem Zirpen der Zikade;
Und grüßt' hinüber, wo dämmrig glänzt
Das Berghaupt schlummertrunken
Des Monte Baldo, die Stirn umkränzt
Von kleinen Sternenfunken.
Italiens Himmel strahlte herab
Ins Tal der Tränen so heiter –
Da schlüg' es Eins. Zurück ins Grab
Schlüpft' ich und schliefe weiter.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Heyse, Paul. Gedichte. Gedichte. Italien. Frühling am Gardasee. Letztwillig. Letztwillig. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6842-C