Theater

»Mußt du in leichten Sprüchlein witzeln,

Statt rüstig hartes Holz zu bohren?« –

Wer dazu Schneid' und Kraft verloren,

Mag wohl Lichtspäne schnitzeln.

Als die Tragödie zuerst entstund,
War noch der Wunsch nicht allgemein,
Lieber ein lebendiger Hund,
Als ein toter Löwe zu sein.

[588] Hoher Stil

So mancher sich auf die Form verläßt,
Doch macht sie weder groß noch klein.
Und baute der Spatz ein Adlernest,
Er legte nur Spatzeneier hinein.
Wie sollen heute noch gedeihn
Politische Komödien,
Da, was zu belachen an groß und klein,
Witzblätter flugs erledigen?
Der echte Mime haßt, das merke,
Des echten Dichters Genius.
Er macht sich nichts aus einem Werke,
Draus er nicht erst was machen muß.
Gezündet habe das neue Stück,
So kalt der Stoff, so lahm der Vers?
Einschlug der Heldin Feuerblick
In die Strohköpfe des Parterres.
Ein Drama ist einer Geige gleich,
Fast nie gelingt's auf den ersten Streich.
Daß tiefer Vollklang dich erfreue,
Zerbrich's und leim es dann aufs neue.
Auf unsern Bühnen hat Ungeschmack
Die holde Muse vertrieben.
Sie spielen dir auf dem Dudelsack,
Was du für Flöte geschrieben.
Wer uns im heiteren Bühnenspiel
Den echten Beifall will entlocken,
Halt warm das Herz, die Stirne kühl
Und seinen Witz fein trocken.

[589] Historische Dramen

Frei magst du mit der Geschichte walten,
Beherz'ge nur die eine Lehre:
Bekannte Fakten darfst du umgestalten,
Nur nicht bekannte Charaktere.
Auch Vater Shakespeare nickt zuweilen,
Das pflegt die Gläubigen nicht zu kümmern.
Sie sehn dann zwischen seinen Zeilen
Ihre eigenen Träume schimmern.
Charaktere müssen im Lustspiel sein,
Nicht bloßer Witz, wie keck er sprühe.
Tu ein Stück Fleisch in den Topf hinein;
Das Salz allein gibt schlechte Brühe.
Das Trauerspiel hat einen bösen Stand.
Es lebt sich heute ja ganz charmant,
Sein Huhn im Topf hat jedermann,
Aufklärung schreitet strack voran,
Mit Dampf bequem für wenig Geld
Durchfährt man alt' und neue Welt,
Ißt aller Zonen Leckerbissen,
Kann aller Nationen Töchter küssen,
Und wenn dann satt des Abends spät
Der Biedermann ins Theater geht,
Wie sollt' ihm nicht absurd erscheinen
Ein Held, der, ohn' eine Träne zu weinen,
Dem lustigen Leben den Rücken kehrt,
Als wär's keinen roten Heller wert?
Mußt's auf der Bühne mit Silb' und Sinn,
Wenn es nur glänzt in die Ferne hin,
Allzu genau nicht nehmen:
Keine Theaterkönigin
Darf falscher Steine sich schämen.

[590] Antwort

Nur klingt ein Spruch mir in den Ohren:
Was glänzt, ist für den Augenblick geboren.
Griechen, Shakespeare und unsre Alten
Haben's doch auch mit dem Echten gehalten.
Kein Machtspruch soll die Völker leiten,
Der weiten Welt tut Freiheit not.
Doch jene Bretter, die die Welt bedeuten,
Regiert am besten ein Despot.

Dramatischer Symbolismus

Gibst einem Hund ein groß Stück Fleisch,
Verspeist er's ohne viel Geräusch.
Wirfst ihm einen magern Knochen hin,
Mit Knurren und Krachen zermalmt er ihn.
Nicht anders das liebe Publikum:
Wer's nährt und sättigt, hat wenig Ruhm.
Wer's reizt mit unverdaulichen Speisen,
Erregt ein Knurren im Gedärm,
Und alle wollen mit großem Lärm
Ihr scharf Gebiß an ihm erweisen.
Achtungserfolg – ein schlechter Spaß,
Kaum besser als: la mort sans phrase,
Wie wenn ein Mädchen zum Freier spricht:
Ich achte Sie, aber ich mag Sie nicht.
Leicht ist zweierlei angefangen:
Liebschaft und ein Bühnenspiel.
Schwerer, zum Ende zu gelangen;
Heikler Szenen gibt's so viel.
Und meint man, alles sei vorbei,
Folgt Kinder- und Rezensentengeschrei.

[591] Gewissen Schwärmern

Wie dünken sich so herrlich doch
Die Leute mit ihren Gaben.
Die zu fünf Sinnen den sechsten noch,
Den Sinn für Unsinn haben.
Ich mag nichts haben zu schaffen
Mit diesen »Zukunfts«pfaffen.
Auch sie, gleich andrer Pfaffenzunft,
Heischen das Opfer der Vernunft.
Trunken will die Menge sein,
Weltentrückt in sel'gem Dusel.
Rascher als ein edler Wein
Hilft dazu der süße Fusel.
Die Nebel, die über Wallhall liegen,
Scheucht kein bengalisches Bühnenlicht.
Mit Tönen, die Menschen in Schlummer wiegen,
Erweckt man schlafende Götter nicht.
Was heißt unendliche Melodie? –
Das ist doch leicht verständlich:
Von Takt zu Takt erwarten wir sie
Und täuschen uns doch unendlich.

Ars longa

Fünf Stunden lang mich ergeben
In euren Meistergesang?
Verzeiht! Kurz ist das Leben,
Und diese Kunst – zu lang.
»Was schiert dich also das tolle Treiben,
Bleibt nur dein Haus davor behütet?«
– 's ist auch unheimlich, gesund zu bleiben,
Wenn Cholera die Stadt durchwütet.
[592]
Torheit behält das Reich
Und Wahrheit wird Verbrechen.
Da ist's ein dummer Streich,
Ein kluges Wort zu sprechen.
Wenn aller Raketenspuk verweht,
Der hoch ergötzt die lieben Kleinen,
Dann werden in stiller Majestät
Die alten ewigen Sterne scheinen.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Heyse, Paul. Gedichte. Gedichte. Sprüche. Theater. Theater. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-68DF-C