Sittenore an Friedenheim

Mein Freund, ach gute Nacht! was sag ich gut? was meine?
Weil du mich hassen solst, und ich dich lassen muß?
Der Himmel wolle doch daß meine Feder weine,
Und dir verkündige des Jammers Uberfluß.
Ein Wetter voller Angst zeucht über mir zusammen,
Es stürmt das Ungemach aus Nord, Süd, Ost, und West,
Ich schaue sonsten nichts, als Donner, Blitz und Flammen,
Ach daß der Himmel mich dergleichen melden läst!
Der angenehme Brief, den du mir hast geschrieben,
Ligt itzt zu unsern Spott in Bruder Carles Handt,
Dein Brief und meine Brust verrathen unser lieben,
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Und was verborgen lag, wird aller Welt bekant.
Dein Schreiben schwärtzt der Hof mit giftigen Gedancken,
Der Neid geust überall gefährlich Oele bey,
Es glaubt nicht iederman, daß unsrer Liebe Schrancken,
Zugleich ein Paradieß der Lust gewesen sey.
Man kräncket Silb' und Wort mit doppelten Verstande,
Man leget ab und zu, und prest die Falschheit aus,
Dein Lieben heist man List, und meines heist man Schande;
Ja vieler Hoffarth nach, befleckst du unser Hauß;
Es schlägt der gantze Hof vor mir die Augen nieder,
Mein Frauen Zimmer selbst spricht mich mit Furchten an,
Es scheinet Sonn und Luft die werden mir zuwider,
Doch bleibet diß mein Trost, ich habe nichts gethan.
O hartes Donner Wort, ich soll dich gäntzlich hassen,
Du solst forthin nicht mehr ins Königs Zimmer gehn!
Ach wolte mich der Arm des Todes doch umbfassen,
Und könt ich in der Grufft der lieben Aeltern stehn!
Hand und auch Feder sinckt aus Schwachheit zu der Erden,
Ich mercke wie die Kraft zum Schreiben mir gebricht,
Und so die Tinte mir zu fahl beginnt zuwerden,
So dencke nur sie wird auß Thränen zugericht.
Es scheidet uns die Noth: du solt in Deutschland reisen,
Und ich soll ohne dich in meines Brudern Landt,
Kanst du nicht Leit Stern seyn und mir die Strasse weisen,
So lauft mein schwaches Schiff auf Klippen und auf Sand.
Mir träumet albereit von Brausen, Sturm und Wellen,
Es zeiget mir der Schlaf was Wind und Wetter kan,
Verachtung, Angst und Furcht, seyn meine Schifs-Gesellen,
Die Thränen melden mir schon einen Schifs Bruch an.
Doch glaube, muß ich gleich dein schönes Auge meiden,
Und reist ein grosser Spruch den treuen Fürsatz ein,
So solst du dennoch nicht aus meinem Hertzen scheiden,
Denn dieses soll ein Schif vor dich alleine seyn.
Hier solst du neben mir durch Fluth und Wellen dringen,
Was sag' ich neben mir? ja in mir selber stehn,
Man kan mir zwar den Leib doch nicht die Geister zwingen,
Des Königs harter Schluß weiß nicht so tieff zugehn.
Wir können ungestöhrt uns im Gemüth ergetzen,
Und hier verknüpffet seyn, wiewohl man uns getrennt,
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Wir können unsre Lust auf eine Tafel setzen,
Die sich den hohen Trutz des bleichen Todes nennt,
Hier weiß man nichts was sonst muß Zwang und Trennung heissen,
Hier ist der Wittwer Stand ein unbekantes Ding,
Es kann kein Helden Arm des Geistes Band zerreissen,
So von dem Himmel selbst entlehnte Krafft empfing.
Kein Herrscher dieser Welt ist Herrscher der Gedancken,
Die Freyheit hat allhier ihr rechtes Vaterland,
In diesem zeiget sich de Liebe grüner Schrancken,
Und was man hier verübt, wird keiner Welt bekannt.
Der wunderreiche Platz verachtet die Gesetze,
Stand, Reichthum, Majestät, ist ihm ein Gauckel-Spiel,
Die Freyheit so ihn ziehrt ist mehr als tausend Schätze,
Wann alles dienen muß so thut er was er will.
Was aber speiß ich mich mit Schatten, Dunst und Winde?
Und baue mir ein Schloß hoch in die weite Lufft?
Was mach ich mich itzund mit Fleiß zu einem Kinde?
Und lache wenn die Noth mich in ihr Netze ruft.
Diß ist ein Gauckel Spiel der innerlichen Sinnen;
Des Geistes Kützelung und klahrer Selbstbetrug,
Weil ich dich, treuer Freund, nicht mehr soll schauen können,
So hat mein Aug' und Geist zutrauren rechten Fug.
Ich soll in dieser Welt nicht mehr zu dir gelangen,
Ein Abscheid dieser Arth ist ja ein rechter Todt,
Dich ferner nicht zusehn, zuhören,4 zuempfangen,
Schmeckt nach der Höllen Pein und nach der letzten Noth.
Was hilft des Geistes Bild und alles Angedencken?
Bild bleibet nur ein Bild, Gedancken speisen nicht,
Kan sich mein Auge nicht forthin auf deines lencken,
So werd ich durch das Schwerdt des Sehnens hingericht.
Das Schwerd, so ich gedacht, dringt schon auf meine Seele,
Mich drücket albereit die lange Todes Nacht;
Wo kann mir besser seyn als in der kalten Höle,
Dahin sich nicht der Tag mit seinen Strahlen macht?
Genug! geliebter Freund; die leichten Seegel pausen,
Man ruft: der Wind ist gut; Ach! alzu gut vor mich,
Ich macht itzt einen Schertz aus aller Winde sausen,
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Und reiste wolgemuth und frölich, schaut' ich dich!
Man rufft mir; solt ich dich doch auch zu Schiffe ruffen!
Vergebens! anders nichts, als Liebster lebe wohl!
Ich sey auch wo ich sey, so kanstu sicher hoffen,
Daß deiner nimmermehr vergessen werden soll.
Dein Tugendhaffter Schertz und tausend andre Gaben,
Die nicht zuzehlen seyn, besitzen meinen Geist,
Du kanst um deinen Ruhm noch das Gelücke haben,
Das mehr als Hybla dir zu dienen sich befleist.
Ich weiß kein Wort nicht mehr, man löset itzt die Stücke,
Ich stelle mein Pappier getreuen Händen ein,
Der Himmel kröhne dich forthin mit mehr Gelücke,
Als Thränen in den Brief allhier gefallen seyn.

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TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Gedichte. Sinnreiche Heldenbriefe. Liebe zwischen Graf Friedenheim und Fräulein Sittenoren. Sittenore an Friedenheim. Sittenore an Friedenheim. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6B3F-B