[7] Frühlings-gedancken

C.H.v.H.


Kom/ Cynthia/ der frühling tritt heran/
Die blume wil nicht in der knospe bleiben/
Die nachtigal stimmt ihre lieder an/
Und will die zeit mit liebligkeit vertreiben;
Der weinstock weint zum zeugen seiner lust/
Daß Phöbus ihn mit neuen augen grüsset/
Feld/ thal und berg schmückt lenden/ schooß und brust/
Wenn Flora sie mit buntem munde küsset.
Es rühren sich die kräffte der natur/
So durch den frost vor diesem war verschlossen/
Was adern hat/ kommt auff der liebe spur/
Und was der thau des himmels hat begossen.
Cupido reist auff seine laute zu/
Die saiten sind des leibes beste sehnen/
Ich/ Cynthia/ verliehre trost und ruh/
Bewegen dich nicht meine heisse thränen?
Komm/ Cynthia/ bewege geist und fuß/
Und komm mit mir in einen schlechten garten/
Der blumen schar empfindet fast verdruß/
So lang auff dich/ mein schönes licht/ zu warten.
Was noch der frost mit schlechten banden drückt/
Und eine lufft des weissen nordens bindet/
Wird alsobald erlöset und erquickt/
Wenn sich der glantz von deinen sonnen findet/
Trit fröhlich zu/ denck auff die blumen nicht/
Dieselben durch die füsse zu verderben/
Es ist ihr wunsch also seyn zugericht/
Und durch den fuß/ der himmlisch ist/ zu sterben.
Doch liebest du vielmehr die süsse ruh/
Und bist gesinnt dich in das graß zu setzen/
So läst es dir auch diese freyheit zu/
Wie solte sie das schöne theil verletzen.
So trachte nur/ weil erd und himmel lacht/
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Die schöne zeit nicht schläfrig zu verliehren.
Erwege doch, was jener sperling macht/
Es will der schalck uns in die schule führen.
Schau was man dort mit jener schmate thut/
Man nimt den stock und pfropffet in die krinne/
Es regt in mir sich adern geist und blut/
Komm/ daß ich auch dergleichen spiel beginne.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Frühlings-gedancken. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6B51-0