Liebe zwischen Graf Friedenheim und Fräulein Sittenoren

Graf Friedenheim ward von seinem Herren Vater ziemlich jung in eines vornehmen Königes Hof gethan, dessen hohe Gunst er alsbald wegen seiner Tugend und sonderbahren Geschickligkeit in damahls üblichen Ritterspielen ihm zu eigen machte. Wie nun freudige Gemüther der Liebe mehrentheils etwas näher, als andere zugräntzen pflegen, also begab sich gleichfals, daß Graf Friedenheim sich in Sittenoren des Königs Fräulein Schwester verliebte, [66] die dann auch ziemlich merckliche Gegengewogenheit blicken zulassen nicht Bedencken trug. Weil denn dazumahl der König entschlossen, sich aus seinen Erblanden nacher Sicilien seiner Regierung halben zuerheben, als schien Graf Friedenheim diese wenige Trennung, besonders weil ihm ein absonderliches Schiff zu seiner Reise angewiesen worden, unerträglich zu seyn. Welchen Schmertz dann die unterschiedlich erschollenen Reden nicht wenig vermehreten, als wenn hochermeldte Fräulein dem verlebten König Erimal in Silutanien vermählet werden solte. Weswegen dieser junge Fürst aus Trieb seiner inbrünstigen Liebe einen Brief an die Fräulein abgehen ließ, darin er sich über sein Unglücke beklaget, der Trennung auf der See schmertzlich gedencket, vor andern aber seinen Eyfer gegen obgedachten König klar an Tag giebet, mit angehengter Bitte, daß sie ihren Zustand wohl überlegen und reifflich erwegen sollte, ob es nicht thulicher were, mit ihm in Deutschland zuverbleiben, als sich der Reise und viel daraus erwachsenden Ungelegenheit zu unterwerffen. Die Fräulein so bald sie den Brief überkommen, stecket sie ihn schleunig zwischen die Brüste, nichts mehr wünschende, als eine bequeme Gelegenheit, solchen mit guten Nachdencken zuüberlesen. Ich weiß nicht wie solches Beginnen eine fürnehme Cammer-Frau, mit Namen Theisa, der sonst die Fräulein die geheimsten Sachen zuvertrauen pflegte, innen worden, so solches alsobald dem Herren von Sifer, unter welchen König Carl gäntzlich aufgewachsen, und dieser mit vielen Umständen, was aus sothaner Vertrauligkeit endlich werden würde, dem Könige selbsten, als der Fräulein Herrn Bruder zuwissen machte. Der König gehet alsobald zu der Fräulein Schwester Zimmer, reist ihr den Brief von den Brüsten hinweg, überlieset ihn, und würde, wenn er nicht mehr Vernunfft, als Eyfer gehabt hätte, wunderlich in der ersten Hitze verfahren seyn. Nach reiffer Erwegung aber, daß nichts verfängliches in gedachten Schreiben enthalten, und alles in den Schrancken ehrlicher Liebe geblieben, ward dem Grafen, iedoch mit gutem Glimpf, der Abschied gegeben, das Fräulein aber in Spanien geführet, da sie ihres so hochgeliebten Grafen vergessen, auch erstlich dem König Erimal, und hernach dem König in Ligalen vermählet worden ist.

[67] Friedenheim an Sittenoren

Dein Friedenheim schreibt hier, geliebte Sittenore,
Der mehr itzund in dir als in ihm selber lebt,
Komt gleich mein Seufftzer dir nicht stündlich vor das Ohre,
So schwer' ich daß mein Hertz an deinem Hertzen klebt.
Ich lebe nur in dir und bin mir abgestorben,
Ich bin dem Monden gleich der ohne Sonn' erblast.
Bist du zu weit von mir, so bin ich auch verdorben,
Wie leb' ich ohne dich, die du mein Hertze hast?
Doch mag ich nicht zuviel von meiner Liebe sagen,
Mein Auge das verrieth dir erstlich meine Pein,
Und was ich dir hernach verständlich fürgetragen,
Das wird dir ja nicht mehr verborgen können seyn.
Du weist, wie offte mir ein heisser Blick entgangen,
Wann ich die Lantze dir zuehren eingelegt,
Ich hoffte dazumahl ein Kleinod zuerlangen,
In das der Himmel selbst sein Bild hat eingepregt.
Dein schönes Auge gab dem Pferde Muth und Flügel,
Es machte mich behertzt, und meine Lantze scharf,
Es führte mehr als ich die wunderleichten Zügel,
In dem ich mein Gesicht auf deine Brüste warf:
Ich weiß wie offte mich dein Namen hat verrathen,
Und mir das leichte Blut zum Schimpf herauf gebracht,
Du wahrest Führerin von allen meinen Thaten,
Mein Sinnen war auf nichts als nur auf dich bedacht.
Ich schwur auf deine Treu, ich hoffte hier zu sterben,
Ich wollte Jason seyn, bey dir, mein golden Flüß,
Gedancken ohne Frucht! Ich fühle mein Verderben,
Und meine Hoffnung kriegt hier einen Todes Riß.
Ein unverhoffter Schluß, der überall erschollen,
Jagt meinem Hertzen itzt den Frost des Schreckens ein,
Es scheinet, daß die Lust so vor aus mir gequollen,
Mir frembde werden will, und nicht kan Nachbar seyn.
Wir sollen auf die See durch tausend wilde Wellen,
Doch dieses Wasser lescht der Liebe Feuer nicht,
Ich darf mich zwar allhier nicht wohl zu dir gesellen,
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Doch schau' ich warlich kaum, was unsern Fürsatz bricht.
Ich soll mich in ein Schiff weit weit von dir begeben,
Das gehet nur den Leib und nicht die Geister an,
Mein Wunsch und Seuffzer soll in deinem Seegel schweben,
Ich lobe dessen Macht, der diß verwehren kan.
Stalitien, so Schätz und süsse Früchte zieren,
Da nur der Frühling will in den Jeßminen gehn,
Das wird mich wiederum zu diesen Rosen führen,
Die in dem Himmel Thau der süssen Lippen stehn.
Ich werd' alsdann mit Lust dein helles Auge schauen,
So meiner ersten Brunst getreuer Leitstern war.
Was soll ich aber doch ein Schloß der Hoffnung bauen,
Gegründet auf den Sand der schlipfrigen Gefahr?
Das reiche Boleniß' erschüttert meine Glieder
Der alte Velemon will deiner Tugend bey,
Es scheint, dein Bruder selbst ist meiner Lust zuwider,
Und glaubt, daß Reichthum mehr als reine Tugend sey.
Mich deucht ich schaue schon das Silber seiner Haare,
Geflochten in dein Gold, dem Gold auch selber weicht,
Das Lieben ist vor dich, ihm dienet eine Bahre,
Ich weiß nicht wie dein Lentz sich seinem Winter gleicht.
Es macht der alte Greiß mir Sturm in meinen Sinnen,
Und richtet Schiffbruch auch auf trucknen Lande zu,
Ach Sittenore kom und endre dein Beginnen,
In Boloniße blüht dir nicht der Baum der Ruh.
Gold ist ein todtes Ertzt, und Perlen seyn die Thränen,
So die erzürnte See zu Steinen hat gemacht,
Was wiltu Fräulein dich nach solchen Sachen sehnen,
Da nichts als nur Verdruß und dürrer Eyfer wacht.
Das Wagen macht den Sieg, laß Rein-Land dir belieben,
Laß doch dein Auge sich nicht blenden Glantz und Schein,
Vertraue dich nur mir, wir müssen nicht verschieben,
Laß Lieb' und meine Hand nur deine Führer seyn.
Vergleicht sich Traubenach nicht Bolenissens Schätzen,
Komt mir kein reiches Schiff aus einer fremden Welt,
So wird die gleiche Lufft des Landes dich ergetzen,
Das Gold und Silbers werth in grünen Armen hält.
Laß Friedenheimes Treu vor Perlen dich umkräntzen,
Denn meine Seele trotzt den harten Diamant,
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Nicht nenne Leidenberg, dir unbekante Gräntzen,
Ich öffne dir mein Hertz, und auch mein gantzes Land.
Die Reben sollen sich zu deinen Füssen neigen,
Die Flüsse bieten dir den nassen Rücken an,
Kraut, Bluhme, Staud und Baum, soll dienstbar sich erzeigen,
Und wie ihr treuer Herr, dir werden unterthan.
Doch können wir itzt nicht des Himmels Fürsatz zwingen,
Und muß ich gehn, wohin mich das Verhängnüß lenckt,
So wollen wir den Geist doch mit Gedult beschwingen,
Wer weiß es, ob nicht Gott auf unser Bestes denckt.
Oft schaut man wie der Sturm ein Schiff in Hafen treibet,
So vor auf gleicher See ein Wind zurücke hielt,
Wohl dem der mit Gedult bey dessen willen bleibet,
Der auch der Menschen Zorn wie wilde Wellen stillt.
Der Dorn so heute sticht, kan morgen Rosen bringen,
Wann ein geneigter Blick von oben her sich regt,
Die Sonne schaut man offt aus einer Wolcken dringen,
Die, wie man meinet, nichts als Donner mit sich trägt.
Trennt Schiff und Schiff uns gleich auf wüster See vonsammen,
Und schau ich gleich alsdann dein helles Auge nicht,
So brennet doch die See von unsern Liebes Flammen,
Die durch die Brust der See und tausend Stürme bricht.
Mir scheint noch allezeit der Hoffnung leichte Kertze,
Ich schiffe wo ich muß, und liebe wo ich will,
Mein Schiff führt meinen Leib, und dieses führt mein Hertze,
Denn Sittenore bleibt mein Hafen und mein Ziel.

Sittenore an Friedenheim

Mein Freund, ach gute Nacht! was sag ich gut? was meine?
Weil du mich hassen solst, und ich dich lassen muß?
Der Himmel wolle doch daß meine Feder weine,
Und dir verkündige des Jammers Uberfluß.
Ein Wetter voller Angst zeucht über mir zusammen,
Es stürmt das Ungemach aus Nord, Süd, Ost, und West,
Ich schaue sonsten nichts, als Donner, Blitz und Flammen,
Ach daß der Himmel mich dergleichen melden läst!
Der angenehme Brief, den du mir hast geschrieben,
Ligt itzt zu unsern Spott in Bruder Carles Handt,
Dein Brief und meine Brust verrathen unser lieben,
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Und was verborgen lag, wird aller Welt bekant.
Dein Schreiben schwärtzt der Hof mit giftigen Gedancken,
Der Neid geust überall gefährlich Oele bey,
Es glaubt nicht iederman, daß unsrer Liebe Schrancken,
Zugleich ein Paradieß der Lust gewesen sey.
Man kräncket Silb' und Wort mit doppelten Verstande,
Man leget ab und zu, und prest die Falschheit aus,
Dein Lieben heist man List, und meines heist man Schande;
Ja vieler Hoffarth nach, befleckst du unser Hauß;
Es schlägt der gantze Hof vor mir die Augen nieder,
Mein Frauen Zimmer selbst spricht mich mit Furchten an,
Es scheinet Sonn und Luft die werden mir zuwider,
Doch bleibet diß mein Trost, ich habe nichts gethan.
O hartes Donner Wort, ich soll dich gäntzlich hassen,
Du solst forthin nicht mehr ins Königs Zimmer gehn!
Ach wolte mich der Arm des Todes doch umbfassen,
Und könt ich in der Grufft der lieben Aeltern stehn!
Hand und auch Feder sinckt aus Schwachheit zu der Erden,
Ich mercke wie die Kraft zum Schreiben mir gebricht,
Und so die Tinte mir zu fahl beginnt zuwerden,
So dencke nur sie wird auß Thränen zugericht.
Es scheidet uns die Noth: du solt in Deutschland reisen,
Und ich soll ohne dich in meines Brudern Landt,
Kanst du nicht Leit Stern seyn und mir die Strasse weisen,
So lauft mein schwaches Schiff auf Klippen und auf Sand.
Mir träumet albereit von Brausen, Sturm und Wellen,
Es zeiget mir der Schlaf was Wind und Wetter kan,
Verachtung, Angst und Furcht, seyn meine Schifs-Gesellen,
Die Thränen melden mir schon einen Schifs Bruch an.
Doch glaube, muß ich gleich dein schönes Auge meiden,
Und reist ein grosser Spruch den treuen Fürsatz ein,
So solst du dennoch nicht aus meinem Hertzen scheiden,
Denn dieses soll ein Schif vor dich alleine seyn.
Hier solst du neben mir durch Fluth und Wellen dringen,
Was sag' ich neben mir? ja in mir selber stehn,
Man kan mir zwar den Leib doch nicht die Geister zwingen,
Des Königs harter Schluß weiß nicht so tieff zugehn.
Wir können ungestöhrt uns im Gemüth ergetzen,
Und hier verknüpffet seyn, wiewohl man uns getrennt,
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Wir können unsre Lust auf eine Tafel setzen,
Die sich den hohen Trutz des bleichen Todes nennt,
Hier weiß man nichts was sonst muß Zwang und Trennung heissen,
Hier ist der Wittwer Stand ein unbekantes Ding,
Es kann kein Helden Arm des Geistes Band zerreissen,
So von dem Himmel selbst entlehnte Krafft empfing.
Kein Herrscher dieser Welt ist Herrscher der Gedancken,
Die Freyheit hat allhier ihr rechtes Vaterland,
In diesem zeiget sich de Liebe grüner Schrancken,
Und was man hier verübt, wird keiner Welt bekannt.
Der wunderreiche Platz verachtet die Gesetze,
Stand, Reichthum, Majestät, ist ihm ein Gauckel-Spiel,
Die Freyheit so ihn ziehrt ist mehr als tausend Schätze,
Wann alles dienen muß so thut er was er will.
Was aber speiß ich mich mit Schatten, Dunst und Winde?
Und baue mir ein Schloß hoch in die weite Lufft?
Was mach ich mich itzund mit Fleiß zu einem Kinde?
Und lache wenn die Noth mich in ihr Netze ruft.
Diß ist ein Gauckel Spiel der innerlichen Sinnen;
Des Geistes Kützelung und klahrer Selbstbetrug,
Weil ich dich, treuer Freund, nicht mehr soll schauen können,
So hat mein Aug' und Geist zutrauren rechten Fug.
Ich soll in dieser Welt nicht mehr zu dir gelangen,
Ein Abscheid dieser Arth ist ja ein rechter Todt,
Dich ferner nicht zusehn, zuhören,4 zuempfangen,
Schmeckt nach der Höllen Pein und nach der letzten Noth.
Was hilft des Geistes Bild und alles Angedencken?
Bild bleibet nur ein Bild, Gedancken speisen nicht,
Kan sich mein Auge nicht forthin auf deines lencken,
So werd ich durch das Schwerdt des Sehnens hingericht.
Das Schwerd, so ich gedacht, dringt schon auf meine Seele,
Mich drücket albereit die lange Todes Nacht;
Wo kann mir besser seyn als in der kalten Höle,
Dahin sich nicht der Tag mit seinen Strahlen macht?
Genug! geliebter Freund; die leichten Seegel pausen,
Man ruft: der Wind ist gut; Ach! alzu gut vor mich,
Ich macht itzt einen Schertz aus aller Winde sausen,
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Und reiste wolgemuth und frölich, schaut' ich dich!
Man rufft mir; solt ich dich doch auch zu Schiffe ruffen!
Vergebens! anders nichts, als Liebster lebe wohl!
Ich sey auch wo ich sey, so kanstu sicher hoffen,
Daß deiner nimmermehr vergessen werden soll.
Dein Tugendhaffter Schertz und tausend andre Gaben,
Die nicht zuzehlen seyn, besitzen meinen Geist,
Du kanst um deinen Ruhm noch das Gelücke haben,
Das mehr als Hybla dir zu dienen sich befleist.
Ich weiß kein Wort nicht mehr, man löset itzt die Stücke,
Ich stelle mein Pappier getreuen Händen ein,
Der Himmel kröhne dich forthin mit mehr Gelücke,
Als Thränen in den Brief allhier gefallen seyn.

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TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Liebe zwischen Graf Friedenheim und Fräulein Sittenoren. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6B65-4