11. Abriß eines gemeinen Schulmannes

Itzt zeucht ein Hencker auf, der ehrlich steupt und hauet,
Ein Bergmann, der allein auf alte Gründe bauet,
Ein Feind von allem dem, so nicht nach Grichen reucht,
Ein Fuchs, der in sein Loch auf recht Lateinisch kreucht.
Ein König, wo er lehrt, ein Scheusaal auf den Gassen,
Ein Atlas, der noch mehr, als Atlas, wil umfassen,
Ein Buhler, der zugleich neun alte Mägde liebt,
Ein Kaufmann, der sein Geld für alte Lumpen giebt.
Ein Cicero, wenn er auf seinem Neste schwebet,
Ein rechter Tacitus, wenn er bey fremden lebet,
Ein Gärtner, wo der Mensch an statt der Propfer ist,
Ein Reise-Mann, so ihm die Flügel hat erkiest,
Ein Held, wo ABC muß zu Soldaten werden,
Ein Igel, wenn er zürnt, ein Affe von Geberden,
Ein schwartzgefärbtes Ziel, den Schützen vorgesetzt,
Ein Fechter, der allzeit das Hintertheil verletzt.
Ein lebendiges Buch, besudelt eingebunden,
Ein Bergmann, der sein Geld hat durch die Ruthe funden,
Ein groß Comödiant, der die Personen führt,
Durch die der weite Platz der Erden wird geziert.
Er lebet ohne Ruh mit Reymen bey dem Tische,
Paßt eine Sylbe nicht, so macht er ein Gezische,
Verachtet Speiß und Tranck, verstellet Nas' und Mund,
Und führet ein Gesicht als ein erzürnter Hund,
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Der auf den Jungen liegt. Reist Morpheus ihn darnieder,
So führet ihn der Traum auf seine Tages-Lieder;
Bald schreyt er Barbara; bald muß Celarent her,
Bald rufft er Tytiro; bald leufft er über Meer,
Führt Aristotelen und tausend alte Griechen
Um seine Feder her; bald schmeißt er um die Züchen,
Trifft seiner Frauen Mund, und dessen Hintertheil,
Der nechst aus Schelmerey ihm einen langen Keil
Durch seinen Sessel schlug. Bald fängt ihm an zuträumen,
Wie er das Ungemach der Schule möcht versäumen,
Greift auf die Hosen zu, und kehrt sich mit der Hand,
Streicht Speichel um den Schlaff, und druckt sein bestes Pfand,
Ein alt Vocabel-Buch mit den beschmierten Armen,
In Hoffnung von der Kunst desselben zu erwarmen,
Läuft sobald schnarchende in sein Regierungs-Hauß,
Und trinckt vor böse Luft ein Glaß Gebrantes aus.
Trit er auf seinen Thron, so muß ihm Cato weichen,
So ist an Tyranney ihm Nero nicht zugleichen;
Da streicht er, rauft und schlägt, biß seine Stirne schwitzt,
Biß das vertraute Volck auf bösem Leder sitzt,
Und seine Hand beklagt. Drum bleibt er ungeliebet,
Hört, wie das Schulgeschrey ihm böse Nahmen giebet,
Und schilt ihn öffentlich für einen solchen Mann,
Der andre führen wil und selbst nicht sehen kan.
Der Schwindel dreuet ihm mit einer Todten-Bahre,
Und frist er sein Gehirn im Grimm von Jahr zu Jahre,
Der Schlag kommt endlich selbst, lescht seine Lichter aus,
Und schickt ihn unbeweint hin in das Todten-Hauß;
Denn kommt das junge Volck, und hilft ihn selbst verscharren,
Doch will ihr leichter Fuß beym Grabe nicht verharren,
Aus Furchten: daß er nicht aus seinem Grabe steigt,
Und ihnen wie zuvor die strenge Rute zeigt.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Gedichte. Gedichte. 11. Abriß eines gemeinen Schulmannes. 11. Abriß eines gemeinen Schulmannes. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6BB5-1