[5] Liebe zwischen Eginhard und Fräulein Emma, Keyser Carlns des Grossen Geheimschreibern und Tochtern

Keyser Carl der Grosse hatte unter vielen Kindern auch ein Fräulein Emma genennet, nicht minder an Leibes als Gemüths Gaben von höchster Vollkommenheit. Nebenst andern Bedienten enthielt sich auch in seinem Hofe Eginhard, Geheimschreiber des Keysers, dem er wegen sonderbahrer Geschickligkeit mehr als mittelmäßig geneiget war. Ich weiß nicht wie dieser gute Mann in etwas übersichtig ward, und der alleine die Briefe seines Herren durchsehen sollte, auch auf die Schönheit der Tochter ein freyeres Auge warff. Die Frucht dieses Fürwitzes war die Liebe, und die Frucht der Liebe, die Gefahr, so in Warheit, wenn er einen strengern Herrn, als Keyser Carln, angetroffen, Ihn in Spott und Todt unfehlbahr würde gestürtzet haben. Die Ungedult seiner Flammen zwang ihn bey der Fräulein, mit der er sonst niemahl ausführlich reden konte, die Genade zu bitten, einmahl alleine bey ihr eingelassen zu werden, die dann auch mit nicht minderer Liebe gegen Ihm entzündet, sein Fürnehmen billigte, und ihm die Abendtzeit darzu bestimmete. Was sie in solcher Zusammenkunfft mit einander abgeredet, und wie sie ihre Stunden wohl angewendet werden haben, laß ich einen der iemals recht verliebt [5] gewesen, und in dergleichen Gelegenheit, wie Eginhard und Emma sich befunden, urtheilen, ich weiß nichts davon. Diß ist gewiß, daß sie beyde unvermercket fast der angehende Morgen überfallen wollen, und das Fräulein, als sie ihren lieben Nacht Gefehrten, weil dazumal ein unverhoffter Schnee kommen, auf dem Rücken aus ihrem Zimmer biß zu einem Scheidewege getragen, in Meinung, nachmals die männlichen Fußstapffen, so wegen der damals üblichen spitzigen Schuh sehr kentbahr waren, mit den ihrigen zuverscharren, von ihrem Herrn Vater, der, ich weiß nicht durch was vor einem [5] Zufall, sich um solche ungewöhnliche Zeit in ein Fenster geleget, unter ihrer süssen Bürde erblicket worden ist. Der gute Alte konte kaum seinen eigenen Augen trauen, musts aber doch endlich nothwendig vor war halten, was er so klar und deutlich gesehen. Er schlug sich etliche Stunden mit dem verwirrtesten Gedancken, so in eines Menschen Sinn kommen könten. Betrübnüß, Verwunderung, Zorn, Rache und Erbarmnüß hatten bey ihm einen unruhigen Sammel Platz, und er wuste bey dieser Bestürtzung nicht eigentlich, zu was er sich entschlüssen sollte. Nach weniger Zeit ließ er seine Räthe erfordern, und begehrete ein Gutachten, was ein Diener wohl verschuldet, der seines grossen Herren Tochter fleischlich zuverführen, und bey ihr eine gantze Nacht ohne alle andere Gesellschafft zuzubringen sich unterstanden hette. Die Meinungen waren ungleich, dieser rieth zum Tode, jener zu immerwährender Gefängnüß, ein ander zu was anderm. Als nun der Keyser sie sämtlich mit grosser Gedult angehöret, befahl er unversehens Eginhard und Emma hereinzuführen, sagende: Hier seind die Verurtheilten, ich weiß nicht, zu was ich mich wohl wenden soll. Auf der einen Seiten stehet die Missethat, die mich als Richter haben will, auf der andern die Erbarmnüß so mir als einem Vater wehmüthig zurufft. Diß ist am Tage, daß ihr beyde gröblich gesündiget und wider Eyd und Blut gehandelt habt. Doch muß ich auch wiederumb gedencken, daß Emma vormahls meine gehorsame Tochter und Eginhard mein treuer Diener gewesen, und dieses verbrechen unter diejenigen gehöret, welchen die hitzige Jugend, wie höchlich zuwünschen, nicht allemahl aus den Augen zu treten vermag. Ein anderer würde die Flecken mit Blut ausleschen wollen, ich aber will meine Väterliche Hand darüber legen. Und hat Emma und Eginharden mit folgenden Worten kürtzlich zusammen gegeben: Eginhard hat allhier seine trägerin, meine Tochter, zur Gemahlin, des tragens halben werdet ihr euch hinfort anderwege mit einander vergleichen.

Eginhard an Emma

Eginhard an Emma

Des grossen Carles Knecht ist die Gedult entrissen,
Ich schreibe was vielleicht mein Leben kosten kan,
Doch darf ich nur einmal dein schönes Auge küssen,
So trett ich wohlvergnügt hernach die Marter an.
Dein hoher Purpur läst mich nicht vom Tode dencken,
[6]
Die steiffe Zuversicht streicht allen Kummer hin:
Beliebt dir einen Blick auf meinen Brief zu lencken,
So mein ich, daß ich schon der Sonne gleiche bin.
Mein Fräulein straffe nicht mein eyfriges Beginnen,
Und reiß das treue Blat nicht vor der Zeit entzwey,
Erwege vor die Noth und Schwachheit meiner Sinnen,
Hernach mach einen Spruch, ob ich zutadlen sey.
Ich weiß, das meine Gluth sich denckt zu hoch zuheben,
Und daß mein Kieselstein zu Diamanten will,
Doch die Erfahrung wird vor mich die Antwort geben,
Der Stände gleichheit ist der Liebe Possenspiel;
Sie bindet Gold an Stahl und Garn zu weisser Seyde,
Macht daß ein Nesselstrauch die edle Rose sucht,
Zu Perlen legt sie Graus, zu Kohlen legt sie Kreyde,
Und pfropfft auf wilden Baum offt eine süsse Frucht.
Sie lachet, was die Welt von Blutverwandnüß saget,
Diß was man Ehlich heist, hemmt ihre Pfeile nicht,
Der Keyser wird ihr Knecht, der Jäger wird erjaget,
Man spührt wie ihre Macht in Stock und Closter bricht;
Ich schreibe, was ich muß, ich steh itzund gebunden,
Die Zeile, so du siehst, will selbst nicht meine seyn,
Der Gott, der alles kan, der hat sie auch erfunden,
Ich aber liefre sie dir nur gezwungen ein.
Diß was ich hier gesagt, ist kein so frembdes Wesen,
Das Fieber so mich plagt, ist dir genug bekant,
Aus meinem Auge hat dein Auge schon gelesen,
Was sie vor Liebes Schrifft hier eingeprägt befandt,
Vor Seufftzen kont ich offt kein rechtes Wort beginen,
Die Augen branten mir, das Hertze ward mir kalt,
Die Hände böbeten, es irrten alle Sinnen,
Ich war ein rechtes nichts, an Farb und an Gestalt,
Du weist wie offtmals ich der Zeilen Reyh verlohren,
Wann ich dem grossen Carl geheime Schreiben laß,
Es fehlten manchesmahl mir Augen, Zung, und Ohren,
Wann meine Herrscherin mir gegen über saß.
Es drang das heisse Blut aus meinen Liebes Wunden,
Wann meine Mörderin auf mich Ihr Auge warff,
Hat deine schöne Hand, O Emma, mich gebunden,
So laß mir doch nur zu, daß ich mich regen darf,
[7]
Ich fall itzund als Knecht zu deinen zarten Füssen,
Ich ruff als Göttin dich mit bleichen Lippen an,
Laß einen milden Strahl auf meinen Scheitel schüssen
Und zeige daß bey dir auch Wehmuth wohnen kan!
O Göttin stürtze mich doch nicht durch deinen Blitzen
Und denck' ein treuer Knecht ist eines Blickes werth:
Du wirst mit mehrern Ruhm auf deinem Throne sitzen,
Wenn deiner Demuth Glantz auch in die Thäler fährt,
Die Flamme, so mich treibt, daß ist ein Zug von Oben,
Ich muß dasselbe thun, was mein Verhängnüß heist,
Es wird die Nachwelt noch den heissen Fürsatz loben,
Der mich itzund verblend't zu deinen Knien reisst;
Will denn dein schöner Grimm mich gantz und gar verterben,
Bricht deine zarte Hand die Hoffnungs-Seulen ein,
Thust du den Freunden diß, wie wollen diese sterben,
Die deinem Vater Feind und dir zuwieder seyn?
Mein Fräulein weigre nicht der Liebe Platz zugeben,
Es ist ein solcher Gast, der Freude mit sich bringt,
Es will der Balsam seyn vor unser junges Leben,
Der in die Augen träufft, und zu dem Hertzen dringt.
Es schmückt der schöne Trieb die Blumen unsrer Jugend,
Und führt uns in das Feld der rechten Frühlings-Zeit,
Man nennt die Liebe zwar die süsse Gifft der Tugend,
Doch der Verleumbder selbst lobt Ihre Liebligkeit;
Es ist die edle Saat so von den Himmel kommen,
Und auf der Erde nichts als Zucker Früchte trägt,
Es ist der beste Leim aus Gottes Hand genommen,
So Mensch zu Menschen fügt, und uns zur Lust bewegt;
Mein Fräulein, meine nicht daß solches dich beflecket,
Es ist ein solches Werck, so Gott uns selber hieß,
Ein Etwas, so Er uns im Paradieß erwecket,
Und mit dem Athem tieff in Adams Nase bließ;
Ich rede wohl zu kühn, Ach Fräulein! diese Flammen
Verzehren was von Furcht und Schrecken übrig war,
Lust und auch Ungedult verbinden sich zusammen,
Und meine Zuversicht verkleinert die Gefahr;
Laß diese heisse Gluth doch nicht vergebens brennen,
Und dencke Liebe sey allein der Liebe werth,
Soll ich mich ohne Frucht stets deinen Sclaven nennen,
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Der ohne deinen Mund sich durch sich selbst verzehrt?
Sprich, sprich ein süsses Wort, laß mich mit meinen keten,
In tieffster Dienstbarkeit für deinen Augen stehn,
Ich komme; darff ich auch vor dein Gesichte treten?
Ach sollt ich doch vergnügt von dir zurücke gehn,
Und eines Kusses darff dein Purpur sich nicht scheuen,
Es soll ein Geissel seyn von meiner Dienstbarkeit,
Laß dich die hohe Gunst, O Fräulein, nicht gereuen,
Die Kette so mich druckt, durchdringt kein Biß der Zeit.
Sprich doch ein süsses Wort, benenne Stell' und Stunde,
Ruffst du, so hält mich auch der Himmel selbst nicht auf;
Dein Willen wird mein Schluß: ein Spruch aus deinem Munde
Soll ein Verhängnüß seyn vor meinen Lebenslauf;
Itzt will ich meinen Brieff, doch nicht die Hoffnung schlüssen,
Er hat, ich neid' ihn fast, weit mehr Gelück als Ich,
Er will von mir zu dir; Ich muß euch beyde küssen,
Zwar mit den Lippen Ihn, und in Gedancken dich.

Emma an Eginhard

Wär Ich, mein Eginhard, was Ich zuvor gewesen,
Und müst ich nicht itzund in Brand und Banden stehn,
So soltest du ein Wort von meinen Händen lesen
Das auch dem Donner würd an Würckung gleiche gehn;
Ich schriebe: kahler Knecht, dein Hals ist nun verlohren,
Was Purpur fleckigt macht, das fällt dem Tod anheim,
Es hat des Himmels Schluß zum Feuer dich erkohren,
Vor Wespen, gleich wie du, ist nich mein Honigseim;
Was aus dem Scepter sprost, das soll kein Knecht entführen,
Und Keyser Kronen seyn vor deinen Garten nicht,
Du sollt des Keysers Brief, doch nicht sein Kind berühren,
Es muß was höhers seyn, so hier ein Siegel bricht.
Auff dieser hohen Bahn wirst du den Todt erjagen,
Wenn Wachs zur Sonne kompt, so wird es bald verzehrt,
Die Hoffnung die du hast, soll dich zu Grabe tragen,
Auch nur ein Traum davon ist aller Hencker werth.
Des Keysers Schreiber soll des Keysers Tochter küssen,
[9]
Wie, leß ich? schlaf ich halb? wer irrt? ich oder du?
Des Königs Farbe soll mit Ruß gemischt seyn müssen,
Daß lasse Gott und auch mein Vater doch nicht zu.
Ein Mensch, der nicht zuwohl darf seinen Anfang nennen,
Und der mehr Dint' als Bluth vor uns vergossen hat,
Soll gegen mich, O Spott, in Liebesbrunst entbrennen,
Seyn Folltern auch genug vor solche Frevelthat?
Es müß ein schnödes Beil dir deinen Hals zuschmeissen,
Es reiß ein kalter Stahl den heissen Fürsatz ein,
Dann wolt' ich deinen Brief in tausend Stücken reissen,
Und sagen, Eginhard muß auch zerrissen seyn.
So schrieb ich, Eginhard, wär ich noch ungebunden,
Nach dem ich aber Magd, ja Sclavin worden bin,
Und mich das süsse Garn der Liebe hat ümbwunden,
So nimm von meiner Faust die schlechten Wörter hin.
Ich bin itzt hochbestürtzt mein Feuer zu entdecken,
Doch wahre Liebes Brunst ist voll Verrätherey,
Und konte dein Gesicht hier diesen Brand erwecken,
So weiß ich nicht, was dir mehr zu verhölen sey.
Mein Irrthum, wie mich deucht, ist trauren werth zu schätzen,
Ich weiß nicht wie ich doch in diese Flammen kam,
Ich wuste noch zur Zeit kein Wort von Liebesnetzen,
Als mich das schlaue Garn in Eyl gefangen nahm.
Es trat das heisse Blut mir in das Angesichte,
Als ich das erstemahl dich bey dem Vater fandt,
Es scheinet, daß daselbst ein Strahl von deinem Lichte,
Mich schon ersehen hat zu setzen in den Brandt.
Ich weiß nicht ob mein Geist dasselbemahl verspüret,
Daß ihm ein heisser Geist an seine Gräntze sprang,
Daß weiß ich, daß mein Blut sich überall gerühret
Und als ein strenger Fluß zu dem Gesichte drang.
Nach diesem hat es sich mehr als zuviel begeben,
Daß man mich hat gesehn vor dir erstarret stehn,
In deiner Augen Pech blieb offt mein Auge kleben,
Und konte sonder Pein nicht wohl zurücke gehn.
Drauff fühlt ich einen Trieb vermischt von Lust und Leiden,
Den ich bekennen muß, doch nicht zunennen weiß.
[10]
Ein Mengsel von Begier, Bedencken, Furcht und Freuden,
Bald ward mir wohl, bald weh, bald kalt, bald wieder heiß.
Mein mattes Hertze ließ viel tausend Seuffzer fahren,
Die Thränen füllten mir offt beyde Lichter an,
Und kanten doch nicht recht, was meine Feinde waren,
Und was mir unverhofft Gewalt hat angethan.
Drauff hat ein kühner Traum mich gäntzlich angezündet,
Der dich mir allzufrech und lieblich fürgestellt,
So man auch schlafende, Bandt, Kett, und Netze findet,
Wo bleibet endlich doch die Freyheit dieser Welt?
Itzund entdeck ich dir, bestürtzet meine Wunden,
Betrachte sie, mein Freünd, als Wercke deiner Hand,
Ein Krüpel dient wohl sonst zur Kurtzweil der Gesunden,
Doch deine Wehmuth ist mir allzuwohl bekant.
Denn darf ich deinem Brief und deinen Worten trauen,
(Verzeihe, wo allhier ein kleiner Argwohn steckt,)
So kan ich Sonnenklar die schöne Flammen schauen,
Die einen hellen Strahl nach meiner Seelen streckt.
Nicht bitte, dich forthin als einen Knecht zu lieben,
Du herrschest über mich, ich bleibe deine Magdt,
Du wirst mich eher sehn die gantze Welt betrüben,
Als ungehorsam seyn in dem das dir behagt.
Des Vaters Kronen-Goldt, sein Purpur, seine Schätze,
Das ist mir leichter Koth, ich trett es unter mich,
Dein Wort ist mein Geboth, dein Willen mein Gesetze,
Mein gröstes Armuth ist zu leben ohne dich.
Genug mein Eginhard, ich kan nicht ferner schreiben,
Die Finger zittern mir, du hast genug Bericht,
Wer Wort und Meinungen kan auf das höchste treiben,
Der stecket voll Betrug, gewiß er liebet nicht.
Kom, kom, und säume nicht! Die Armen stehn dir offen,
Dir, dir verschreib ich mich, nur fodre deine Schuld;
Mein Wünschen ist itzund vermählt mit deinem Hoffen,
Du bist dem Vater treu und auch der Tochter hold.
Der Himmel blase nun in unsre Liebes Flammen,
Es weh' uns dessen Gunst Ziebeth und Bisem zu;
Es hefft uns seine Hand durch einen Drath zusammen,
Der keinen Mangel hat und lieblich ist wie du.
Begehrst du eine Zeit, ich wart auf dich nach Achten,
[11]
Mein Zimmer wird alsdann ohn alle Riegel seyn,
Die Flammen lassen sich am füglichsten betrachten,
Wann uns entzogen ist der klahre Tages Schein.
Itzt schmeck ich allbereit die hochgewünschten Stunden,
Ach Sonne säume nicht, und ende deinen Lauff,
Du weist ja wie mir ist, du hast es auch empfunden,
Mein Briefflein schließ ich zu und meine Cammer auf.

Liebe zwischen Reinier Königen aus Dännemarck, und Einer Norwegischen Heldin Algerthe

Die Geschichte, woraus folgende Briefe entsprungen, scheinet einem Gedichte so ehnlich, als ein Ey dem andern zu seyn, und wann ich sie nicht in etlichen warhafften Schrifften gefunden, würde ich sie vor eine von den grösten Auffschneidereyen von der Welt halten. Sie ist aber unverfälscht, und dessentwegen desto höher zu schätzen, besonders weil sie voll wunderlicher Zufälle und Regungen zubefinden. Ein Schwedischer König Fro, dessen Leben nichts anders als ein lasterhaffter Zeitvertreib war, fiel ohn alle gegebene Ursach in Norwegen ein, verstelte alles mit Brandt, Blutt und Unzucht, und weil das Gelücke nicht allezeit der Tugend Gefehrte ist, so fügte es das Verhängnüß so wunderbar, daß er den Norwegischen König endlich in offentlicher Schlacht erlegte. Eine gute Anzahl Adelichen Frauenzimmers hatte sich vor dieser unzüchtigen Grausamkeit frey zu seyn tieff in das Land geflüchtet, und eine unter denselben, so neben fürtrefflicher Schönheit auch mit ungemeiner Hertzhafftigkeit begabet war, rieth der gantzen Versamlung Helm und Schwert zuergreiffen, und weil der Dänische König auch albereit im Anzuge war, diesem Wütterich die Spitze zubitten. Diesser Rathspruch ward von dem gantzen Hauffen zu einem Schlusse gemacht. Und dieses Jungfräuliche Heer wuchs dergestalt, daß Fro aus Furcht einer schimpflichen Neurigkeit diese Völcker durch Gesandten zur Ruh ermahnen ließ, so aber zum Zeügnüß der grossen Verbitterung an stat erfreuliche Antwort zuerlangen, erbärmlich umgebracht worden. König Fro brach über [12] dieser unverhofften Zeitung bestürtzet, eilend auff, seine Obersten und Knechte auf Gutt und Lust vertröstende. Und der Dänische König machte sich gleichfalls in das Feld, ehe sich die Schweden dessen vermutheten. König Fro ward zur Schlacht genöthiget, und diese tapfere Heldin, so zu diesen gestossen, thaten das Ihrige so wohl, daß die Feinde geschlagen, und mehr gedachter unzüchtiger König von Weiblicher Hand in Stücken gehauen ward. Reinier als ein junger Held wuste nicht wie er diesem Jungfräulichen Hauffen mit genugsamer Danckbarkeit entgegen gehen sollte; Besonders erlustigte er sich über das freudige Ansehen der Algerthe, (so hieß die fürnehmbste unter ihnen) welcher der Feinde Blut noch über Brust und Armen lieff. Die erhitzeten Geister, so dazumal wegen grosser Bewegung aus ihrem Leibe fuhren, steckten den König mit Liebes Flammen an, und diese muthige Heldin, so bey sich niemahls einem Manne unterthan zu werden festiglich beschlossen, muste endlich gleichsam genöthiget, sich mit dem Könige Reinier vermählen. Doch diese Liebe wehrete nicht lange, wie denn solches Feuer selten so beständig als hefftig ist. Nachdem Reinier dieser schönen Blüthe genossen, und durch sattsahme Ergetzung seine Regungen ziemlich gekühlet hatte, begunte er seine Augen auf etwas höhers zu wenden. Das Königliche Fräulein aus Schweden war das Ziel seines Absehens, und Algerthe, so dennoch zu zweyenmahlen Mutter worden, muste sich mit einem Scheidebriefe befriedigen. Nach Verlauff etlicher Zeit, als Reinier durch die sichere Ruhe seines Reichs verleitet, in Dennemarck und andern Landen wollüstig herümschweiffete, begab es sich, daß ein gefährlicher Handel in der Crone sich ereignete, und Harald ein fürnehmer Herr sich unversehens zum Könige aufwarff. Reinier bemühte sich dieses Feuer eilend auszuleschen, kehrete bestürtzt in sein Reich, brachte einen und den andern Stand auf seine Seite und ruffte die verstossene Algerthe um hülffe an. Diese, zu Bezeugung, daß einer rechten Liebe oft eine Beleidigung zu einer Befestigung dienet, führete in kurtzen eine Flotte von vielen Schiffen zusammen, und satze, gleich Reinier mit dem Haraldt in offentlicher Feldschlacht sich zu versuchen begonnen, glücklich über, da sie dann nicht verabsäumet zu ihres Königes Völckern, so allbereit auszureissen gedachten, mit ihren Leuten zu stossen, und durch ihre Tapfferkeit so viel auszurichten, daß der Feind in die Flucht gieng, und Reinier Cron und Scepter erhielt. Der Dänische König durch [13] diese scheinbare Danckbarkeit gleichsam aus dem Traume seines Irrthums erwecket, hette fast die andere Thorheit begangen, und den ersten Fehler auszulöschen die Schwedische Gemahlin sitzen lassen. Algerthe aber dieses zuverhindern, reisete nach Norwegen, allda sie Regentin wegen ihres Sohnes Friedleben, dem Reinier solches Land gewidmet, erkläret ward.

Algerthe an Reiniern

Algerthe, so zuvor die Crone hat getragen,
So deine kühne Hand ihr selbst hat aufgesetzt,
Die will ein neuer Stern von deiner Seite jagen,
Und wird der alten Gunst forthin nicht werth geschätzt.
Die dein erhitzter Mund begierig war zu küssen,
Als sie der Feinde Blut auf Brust und Armen trug,
Die wird ein Gauckelspiel der Feinde werden müssen,
Ach daß mich nicht das Schwerdt mit seiner Schärffe schlug!
Denn wär ich dazumahl in heisser Schlacht geblieben,
So hett' ein schöner Todt beschlossen meine Zeit,
Man hette mir vielleicht auf meinen Sarg geschrieben,
Hier liegt die Jungfrauschafft und auch die Tapfferkeit.
Verachtung ist itzund mein bestes Leibgedinge,
Die Thränen träncken mich, die Seuffzer seyn mein Brodt,
Vor war ich allzugroß, itzt werd' ich zu geringe,
Und hab auff dieser Welt sonst keinen Freund als Gott.
Ich muß ein Spiegel seyn, in dem die Jugend schauet,
Wie des Gelückes Mund nicht Wort und Farbe hält,
Wie alles was die Hand der Liebe hat gebauet,
Gar leichtlich Ritze kriegt und endlich gar zerfällt.
Wie offt der schönste Baum vergiffte Früchte träget,
Wie offt ein Donnerschlag aus lichten Wolcken dringt,
Wie offt auff stiller See sich Wind und Sturm erreget,
Ja daß der beste Wein den schärfsten Essig bringt.
Doch hätte meine Schuld hier deinen Zorn erwecket,
Hätt' ich durch Zauberey dir deinen Leib verletzt,
Hätt' ich durch frembde Brunst das Lager dir beflecket,
So lied' ich was das Recht darauf hätt' außgesetzt;
Das weiß ich daß kein Blick dich hat erzürnen können,
[14]
Ich habe nichts so sehr als diesen Spruch bedacht:
Algerth' umfasse stets mit Demuth deine Sinnen,
Du bist zur Königin auß einer Magd gemacht.
Bedenckt nicht Reinier wie er mich hat gefunden,
Als nach vollendter Schlacht er freudig zu mir kam?
Als tausend Tropffen Schweiß um meine Stirne stunden,
Und noch der Schweden Bluth auf meinen Armen schwam?
Als meine Brüste sich von Eyfer noch bewegten,
Die keines Mannes Hand aus Lust hat angerührt,
Und ihm, ich weiß nicht was vor einen Trieb erregten,
Der endlich seine Braut mit Purpur hat geziert.
Als mein gefärbtes Schwerdt noch von dem Feinde rauchte,
Und mein erhitzter Fuß auf warmen Leichen gieng,
Daß er der Höffligkeit bey seiner Magd gebrauchte,
Und mich als Königin durch einen Kuß empfieng?
Erwege was du da vor Antwort hast bekommen,
Als mich dein Auge hat verliebet angeschaut,
Und ich das erstemahl das frembde Wort vernommen,
Wo Seuffzer Worte seyn: Algerth ist meine Braut.
Sagt ich nicht dazumahl? ich will als Jungfrau sterben,
Der Keuschheit Bluhme soll mit mir zu Grabe gehn,
Ich will das schöne Lob auf dieser Welt erwerben,
Es kan Algerthe Freund und Feinden wiederstehn.
Mich hat zwar Mannes Bluth bespritzt, doch nicht beflecket,
Die Purpur Rose macht mich alles Tadels frey,
Doch hat mir dieses nicht den eiteln Wahn erwecket,
Daß ich vor Könige genug gezieret sey.
Nu laß mich deine Magd in erster Freyheit bleiben,
Ich weiß die Art der Brunst, und kenne diese Welt:
Denn ich erinre mich, was unsre Tichter schreiben,
Daß Männern kurtze Zeit ein ehlich Kuß gefällt.
Beschloß nicht dieses Wort dein brünstiges begehren:
Algerthen macht der Sieg mir auch im Stande gleich,
Es soll die gantze Welt mir solches nicht erwehren,
Ich schätze deine Gunst mehr als ein Königreich.
Nach diesem must ich nun in deine Flammen sincken,
Dein Lieben war ein Blitz, kein rechter Sonnenschein,
Ich wolte kaltes Gift aus deinen Händen trincken,
Solt ich mit solchen Schimpf nur nicht verstossen seyn;
[15]
Doch muß ich diesen Schlag mit Sanftmuth nur vertragen,
Und dencken unser Hoff der wütet wie das Meer,
Ich muß ohn Ungedult mit stillen Hertzen sagen:
Es kommt der gröste Fall von hohen Orthen her;
Wie die Gewonheit uns das Rudel leichter machet,
So wird vielleicht die Zeit erleichtern meine Roth,
Man schaut, wie mancher Mensch in seinen Banden lachet,
Und mancher Reiche weint bey Gelde, Wein und Brodt.
Des Geistes Friede komt nicht nur von Gold und Schätzen,
Der Geist find in sich selbst die allerbeste Ruh,
Er kan in seiner Burg gantz sicher sich ergötzen,
Und schauet Sturm und Brand mit trocknen Augen zu.
Hab' ohne Hochmuth ich die Crone tragen können,
So leg' ich endlich sie auch ohne Schmertzen hin,
Bezwinge durch Vernunfft die Regung meiner Sinnen,
Und werde wiederum, was ich gewesen bin;
Daß mich ein König hat auf seine Schoß genommen,
Daß Könige durch mich seyn worden umbgebracht,
Das Königliches Bluth aus meinem Leibe kommen,
Verlescht kein nasser Schwam, und tilget keine Nacht.
Ich speise mich annoch durch dieses Angedencken,
Die Noth macht endlich selbst mich edler als ich war,
Und ich verlerne fast mich ferner mehr zukräncken,
Die ich gewohnet bin zu leben in Gefahr.
Mein König lebe wohl, ich ehre deinen Willen,
Du hast mich aus dem Koth auf einen Thron gestellt,
Ich bin was du mir schafst begierig zuerfüllen,
Durch eine grosse Hand erhoben, und gefällt.
Ich bin mein schlechtes Bluth begierig zuvergüssen,
Warum, wann, wo und wie es mich ein König heist;
Es werden eher sich die Felsen biegen müssen,
Als sich Algerthe nicht dir treu zu seyn befleißt.

Reinier an Algerthen

Algerthe schreibt zu viel! Ich kenne kein verjagen,
Mein Kleinoth ist das Reich, und du sein bester Stein,
Es wird die Nachwelt mir nicht wissen nachzusagen,
[16]
Das deine Schönheit wird verstossen worden seyn.
Es soll dich meine Hand nicht aus dem Lande treiben,
Ich denck an deine treu und kenne meine Pflicht,
Du solt in meinen Reich und deinen Ehren bleiben,
Den meine neue Brunst verlescht die alte nicht.
Ich bin ein Held und weiß dich Heldin auch zu lieben,
Ich schau dich noch erhitzt und blutig vor mir stehn,
Den abgematten Feind für deinen Augen gieben,
Und deinen strengen Fuß durch blasse Leichen gehn.
Mich deucht ich spühre noch das Böben deiner Brüste,
Darauf der Schweden Bluth dir als Corallen stund,
Ich weiß was mir gefiel, als ich dich erstlich küste,
Und in der neuen Lust befeuchte deinen Mund.
Die süsse Kützelung laufft noch durch meine Lenden,
Als ich die Erstlinge von deinen Bluhmen brach,
Und mein Algerthe steht noch in Genaden Händen,
Ja geht, was Gunst betrifft, gewißlich keiner nach.
Die Pfänder so du mir hast auff die Welt gebohren,
Die mich in süsser Lust offt haben angelacht,
Verjüngen mir itzund diß, was ich dir geschworen,
Und stärcken mir den Bund, den ich mit dir gemacht.
So redet die Natur, doch muß Sie Sclavin werden,
Man schauet wie sie sich offt meistern lassen muß,
Wie offt Sie zinsbar wird den zeitlichen Beschwerden,
Und durch den Zufalls Trieb verändert Gang und Fuß
Du weist wie Könige ein schweres Eisen plaget,
Wie Ihre Crone Sie in Fessel hat gebracht,
Wie offt ein hoher Schluß Sie aus sich selber jaget,
Und stetig die Gefahr für Ihrem Throne wacht.
Diß alles nöthigt mich auf ander Art zu dencken,
Als wohl die Eigenschafft von meinen Hertzen will,
Die Liebe heißt mich zwar auf dich mein Auge lencken,
Doch meines Reiches Nutz verrückt mir Maß und Ziel.
Ein Wetter so mit Blitz und harten Donner dräuet,
Begint ein neues Joch, und meistert meinen Sinn,
Was ich zuvor gethan, hat mich zwar nicht gereuet,
Doch wird die Furcht forthin zu meiner Kuplerin;
Der Schweden starckes Reich muß ich zum Freunde haben,
[17]
Es ist ein eisern Schild der mir mein Land bedeckt,
Die Milch von ihrer Gunst kan meinen Adel laben,
Wie Wermuth ihres Grims Ihm alle Krafft ersteckt.
Und diese Freundschafft muß nur Eh und Blut verbinden,
Der Sachen Eigenschafft erfordert solches Pfand.
Wer rechnet in der Welt der Fürsten kleine Sünden,
Wann sie nur seyn gethan zu stärcken Stadt und Land?
Der Grund von meiner Ruh ist sonst auf nichts zu legen,
Als auf derselben Schoß, die Schweden Fräulein nennt;
Aus diesem kanstu nun den starcken Zug erwegen,
Der mich dir unverhofft von deiner Seite trennt.
Ich glaube leicht daß dich ein süsses Angedencken
Der abgelebten Zeit mit Dornen überstreut,
Doch konnten Cronen dich in Hochmuth nicht versencken,
So trag' auch mit Gedult der Dornen Bitterkeit.
Ich weiß sowohl als du diß was ich dir geschworen,
Wohl dem der seinen Eyd zu halten sich befleisst;
Doch bin ich vor das Reich mehr als vor dich gebohren,
So meine Mutter ist und mich doch Vater heisst.
Und laß' ich gleich itzund dich ferner zu berühren,
Beklagstu daß mein Mund den deinen meiden muß,
So wird doch keine Zeit dir diesen Ruhm entführen,
Daß dir ein König gab den ersten Liebes Kuß;
Die Früchte so durch mich aus deiner Schoß gestiegen,
Sind Zeugen was Ich dir zu leisten schuldig sey;
Die Tugend schlummert nicht, und bleibt auch nicht verschwiegen,
Sie kennet keinen Sarg, und ist vom Tode frey.
Was willt du mehr als diß, wenn ich die Nachwelt lehre,
Algerthe hat den Printz der Schweden ümbgebracht,
Ihr Tugendhaffter Geist erwarb' Ihr auch die Ehre,
Daß Sie mein Lager hat zu einer Frau gemacht.
Ich war ihr Mann und Freund und kan sie noch nicht hassen;
Wiewohl ich Ihren Leib, den schönen Leib verließ,
Der Schweden Fräulein must ich ja für sie ümfassen,
Dieweil es mich die Noth, doch nicht die Liebe, hieß.
Was aber laß ich doch? Den Leib mit seinen Gaben,
Diß alles wird ein Raub der leichten Zeit genennt;
Die Geister, so einmahl sich fest ümbwickelt haben,
[18]
Und mehr als Schwestern sind, verbleiben ungetrennt.
Mein Geist wird deinen Geist stets Freund und Bruder heissen,
Sie schmecken einen Kuß, den nichts vergällen kan,
Sie kan der Zeiten Sturm nicht von einander reissen;
Der Himmel legt sie selbst mit neuen Kräfften an.
Entgeht dir gleich mein Leib, so bleibt dir doch die Seele,
Die Schwedin soll mir Gold, du aber Silber seyn,
Und daß ich, liebster Schatz, ja nichts für dir verhöle,
Wir stellen nur die Eh' und nicht das Lieben ein;
Und unser lieber Sohn, die Frucht der ersten Küsse,
Friedleben sey ein Herr Norwegens mit der Zeit,
Ich will, das dieses Wort mit seiner Krafft versüsse,
Der Dräuung Ungemach, der Zeiten Bitterkeit.
Die neue Liebe wird die alte nicht verjagen,
Dein Angedencken ist zu tieff mir eingepregt,
Was ich zuvor geküst, das küst' ich mit Behagen,
Itzt küß ich was die Noth mir an die Seite legt.
Algerthe weine nicht, erfrische deine Sinnen,
Es wird dein Ehren Ruhm durch meine Hand bedeckt,
Und glaube, daß kein Kuß mich wird erfreuen können,
Dafern sein Zucker nicht nach deinen Lippen schmeckt.

Liebe zwischen Przetislauen, Fürsten in Böhmen, und Fräulein Jutta Keyser Ottens des Andern Tochter

Przetislaus, Fürst in Böhmen, einer von den hurtigsten Herren seiner Zeit, begunte einmahl schertzweise unter seinen liebsten Hofeleuten von Heyraths Sachen zusprachen, mit beygefügten vermelden, daß er niemahls dieses beschwerliche Joch ihm aufbürden zulassen gedächte; es sey denn, daß ihm ein Fräulein von sehr hohen Hause, fürtrefflichem Gemüthe, und sonderbahrer Schönheit, ja derer Beschaffenheit nach dem Abriß seiner Gedancken wehren, fürkommen solte. Als nun von gegenwärtiger Gesellschaft, einer dieses, ein ander einanders fürnehmes Fräulein nach vermögen herausstrich, begunte endlich des Fürsten Hofemeister Keyser Ottens des II. Fräulein Tochter über die massen zurühmen, und zugleich zugedencken, [19] daß keine, daferne nur solche auß dem Kloster, dahin sie gethan worden, zubringen möglich, mehr würdig, Przetislauens Gemahlin genennet zuwerden. Der Junge Fürst ließ die süsse Beschreibung gedachter Person ihme so wohl gefallen, und empfand eben so süsse Würckungen, als wenn derselbten Bildnüß ihm vollkommen in das Gesichte geschienen, und von dannen in das Hertze gesuncken wäre. Mit einem Worte, er ward in kurtzen so verliebet, als wenn Auge, Reden und Gebehrde, dazu langwierige Gelegenheit gegeben hetten. Den Hofemeister, als welchem solche frembde Begebenheit nicht lange verborgen seyn konte, gereuete fast, daß er die geringste Meldung darvon gethan, in mehrer Anmerckung, daß sein Fürst, weil er ihm dieser Schönheit, so allbereit zum Fechel gewidmet, anders nicht habhafft zu werden getrauete, solche auch mit Gefahr seines Lebens zu entführen sich gäntzlich entschlossen. Was vor weise Einwürffe, was für helle Abbildungen der daraus erwachsenden Gefahr man auch diesem hitzigen Herren für die Augen legte, so ward doch alles zu einem Oele die Flammen desto mehr aufzujagen. Daß auch endlich der Hofemeister allerhand schädliche Anschläge zu hintertreiben, sich mit einem Brief von dem Fürsten, unter dem Schein eines Geistlichen Gelübdes, nach Regenspurg begab, in das Nonnen-Kloster wo sich das Fräulein aufhilt, zukommen Gelegenheit suchte, und ihr nebenst Uberlieferung des Fürstlichen Schreibens und etlicher kostbahren Kleinodien, das Fürhaben des Fürsten Prtzetislauens weitläuftig entdeckte. Ich weis nicht durch was für Verhängnüß diese tugendhaffte und sonst vorsichtige Fürstin, der Nahmen, die Beschreibung, und das Begehren Prtzetislauen so unverhofft übermeisterte, daß sie die überreichten Geschencke nicht anders als freudig annahm, sich auch neben beantwortung gedachten Schreibens, seine allezeit getreue Freundin zu verbleiben erklärete. Erwehnter Hofemeister säumete nicht diesen unverhofften Bericht seinem Herren zurück zubringen, welcher dann über diesem Glück gleichsam aus sich selbsten die schöne Fräulein allbereit in seinen Armen zu haben sich bedüncken ließ. Einen Augenblick zuverschieben, schien ihm auf ein gantzes Jahr seine Liebesgeniessungen zuverliehren. Eilete dessentwegen nebenst seinem getreuen Hofemeister und etlich wenigen der witzigsten seiner Leuthe nach Regenspurg, und ließ ihm angelegen seyn die meisten Stiffter daselbsten zu besichtigen, [20] und zu beschencken. Der Ruff kam endlich auch in das Kloster, wo sich das Keyserliche Fräulein aufhilt, und die gute Aebtissin, so mehr Frömmigkeit als Nachdencken hatte, hofte allbereit auch ihr vertrauetes Gestiffte durch dieses Fürsten Freygebigkeit mercklich zubereichern. Przetislaus unterließ nicht diesen heyligen Ort so bald ihm möglich zu besuchen, und die Aebtissin empfieng ihn mit Thränen in den Augen vor freuden, in gäntzlicher Meinung, daß der Stern ihres Glückes nunmehr recht erschienen wehre. Sie zeigete ihm alle daselbst sich befindliche Sachen, und führete ihn endlich ohne bedencken der Fräulein Hände zu küssen. Beyde verliebten verhöleten im Anfang ihre Regungen so viel möglich, und weil der Hofemeister immittelst offtgedachte Aebtissin mit Gespräche unterhilt, so hatte der Fürst Gelegenheit, seine Liebe bey der Fräulein zuerfrischen. Der Innhalt ihrer Worte ist zu weitläufftig hier beschrieben zu werden. Doch ist dieses gewiß, das offt erwehnte Schöne, wohin sie auch der Fürst zu führen begehret, zu folgen sich erklähret, und die Reise auf folgenden Tag unter ihnen abgeredet worden ist. Wie nun nach Abrede dessen Przetislaues gleich umb die Zeit, als die anderen Jungfrauen sich im Gebethe aufhilten, in das Kloster kam, also unterließ die Fräulein nicht nebenst einer alten Nonne, so ihr zugegeben war, dem Fürsten entgegen zu gehen, und nach genommenen Abschiede ihn biß für das Thor zu begleiten. In deme nun diese einfältige Jungfrau einen Brief aus der Cammer zu holen sich überreden ließ, läßt sich die Fräulein schleunig zu Pferde setzen, und eilet mit ihren Geliebten in Böhmen, da sie dann Christlicher Verordnung nach zusammen gegeben worden seyn. Die wunderbahren Zufälle, so wegen dieser Entführung endlich entstanden, ferner zubeschreiben, wäre nichts anders, als den Anfang zu einer neuen Geschicht zumachen. Ich wende mich zu meinen Briefen und höre hier auf.

Przetislaues an Juthen

Przetislaues an Juthen

Hier schreibet, dessen Hand und Auge du nicht kennest,
Der dich nur durch Bericht allein hat angeschaut,
Erweg' eh' als du mich zu kühn und thöricht nennest,
Wie Lieb und Hoffnung uns viel fremde Schlösser baut.
Ich weiß es die Vernunfft reimt dieses nicht zusammen,
Ich war durch dich beraubt, und sahest mich doch nicht,
[21]
Doch dencke, daß die Brunst mit kräfftenreichen Flammen,
Durch Mauer der Vernunfft und der Gesetze bricht.
Ich muß es nur gestehn und schreib es unverholen,
Dieweil die Feder mir durch Liebe wird bewegt,
Du hast, dir unbewust, das Hertze mir gestohlen,
Und in das Kloster hin nechst den Altar gelegt.
Sucht mancher nicht mit Angst ein Schaf viel Tag und Wochen?
Ist mancher nicht bemüht zu finden einen Stein?
Wie sollt ich Armer denn nicht auch mein Hertze suchen?
Man weiß das ohne diß wir todt und nichtig seyn.
Doch nehm' ich ohne dich mein Hertze nicht zurücke,
Ich will die Räuberin und auch den Raub zugleich,
Nicht wundre dich darob, es seyn zwey liebe Stücke,
Ich achte sie vielmehr als meines Vaters Reich.
Es kan mein Hertz und Du nicht Kloster Luft vertragen,
Die Kutte, wie mich deucht, steht beyden übel an,
Der, dessen Psalm du singst, wird dir es selber sagen,
Daß Brunst und Jugend nicht gebunden werden kan;
Mein Fräulein, solt du dich die Glocke meistern lassen?
Solst du dem kalten Ertzt stets zu Gebothe stehn?
Soll denn dein zarter Arm nur Holtz und Stein ümfassen?
Willst du gesund und jung zu deinem Grabe gehn?
Willst du die Zelle dir vor einen Thron erwehlen?
Verwest dein schöner Leib im Kloster vor der Zeit?
Will dann dein süsser Mund nur Vater unser zehlen?
Soll deine Rose seyn im Frühling abgemeit?
Nein diese Blume war zu etwas mehr gebohren,
Es öffnet sich vor Sie das Paradieß der Welt,
Es hat der Thau der Lust ihr schönes Blat erkohren,
Und will als Perle hier auf Nacker seyn gestellt.
Der Klostergarten ist zuschlecht dich zu verschlissen,
Kein Auge kennt allhier die Hohheit deiner Pracht,
Und wilst du meinen Sinn in wenig Worten wissen,
Das Chor und alles diß ist nicht vor dich gemacht.
Das Alter sucht die Ruh, die Jugend liebt die Freude,
Der Winter Traurigkeit, der Frühling Spiel und Lust.
Was runtzlicht ist den Schleir; vor dich ist Gold und Seide,
[22]
Die Liebe bettet ihr auf deiner weissen Brust.
Sie läst sich wie es scheint auf Schwanen Federn wigen,
Dein süsser Athem ist ihr lieblicher Zibeth.
Dein Haar wird ihr zum Schirm, dein Aug' ist ihr vergnügen,
So wie ein lichter Stern bald auf- bald unter geht.
Ich weiß dein rother Mund wird mir entgegen setzen,
Daß man den Kloster Bund nicht leichtlich brechen kan,
Daß du für eine Braut des Himmels bist zuschätzen,
Und dessen Willen auch must leben unterthan.
Gewiß diß ist ein Wort umzirckt mit tausend Schrecken,
Waß aber schrecket uns, wenn Fleisch und Blut erwacht?
Ein brünstig Aug' erkießt nicht alle kleine Flecken,
Es ist auf seine Lust und sonst auf nichts bedacht.
Und dencke nur: wer kan sich gäntzlich binden lassen,
Viel Sachen seyn wie Glaß und scheinen trefflich wohl,
Man kan sie meisterlich in schöne Worte fassen,
Doch wann man nun den Spruch zuwercke richten soll,
So wird das höchste Gold uns oft zu Dunst und Winde,
So fehlt der Moses selbst, der die Gesetze trägt,
So wird was Lehrer war, zu einen schlechten Kinde,
Und oftmahls wird der Artzt in das Spital gelegt.
Ich lobe zwar die Hand so Klöster hat erfunden,
So hier den ersten Stein hat in den Grund gesenckt,
Ich lobe diesen Geist, der Fleisch und Bluth gebunden,
Und noch, als Engel, nicht auf heisse Regung denckt.
Wo aber ist doch wohl dergleichen Volck zu finden?
Die Mauren weiß ich zwar, den Orden kenn ich auch,
Viel tausend wollen sich der Keuschheit unterwinden,
Doch Dornen lassen nicht den edlen Rosen Strauch.
Daß einer dort und hier des Fleisches sich entrissen,
Das weiß ich, doch es seyn auch Sonnen ihrer Zeit;
Ach Fräulein, unser Schluß steht gar auf schwachen Füssen,
Wann uns die Hand der Lust mit ihren Körnern streut.
Es ist hier nicht genug die Hände rein zuhalten,
Es muß der edle Geist hier auch als Jungfrau stehn,
Was sonst zu Brande wird, muß wie das Eiß erkalten,
Und mit dem Willen stets in weissen Atlas gehn.
[23]
Das Fleisch nicht anzusehn, das Fleisch nicht zubegehren,
Muß warlich hier ein Wort und eine Meinung seyn,
Der auch der Träume sich nicht weißlich kan erwehren,
Der setze doch den Fuß nicht in das Kloster ein.
Und was man auch forthin vom Kloster Leben sage,
Ich rede hier als Mensch und Bürger dieser Welt,
Das Kloster und sein Joch ist nur der Jugend Plage,
In dessen Einsamkeit der Krantz der Lust zerfällt.
Mein Fräulein übe dich den Freudens Baum zu lieben,
Es hat das Paradieß diß Werck schon angeschaut,
Es hat es iederzeit die Jugend fort getrieben,
Eh' eine Nonne war, ward Eva zu der Braut.
Ein mehrers kan ich itzt der Feder nicht vertrauen,
Mehr saget dir ein Mund der meine Zunge trägt,
Der wird dir Sonnenklar die Regung lassen schauen,
So mich den kleinen Brief zuschreiben hat bewegt.
Ich leg ihn ohngescheut zu deinen Füssen nieder,
Es nehm ihn deine Faust mit gleichen willen an,
Doch gib vor einen Brief mir auch mein Hertze wieder,
Der ohne diß und dich nicht ferner leben kan.

Juthe an Przetislauen

Empfindst du, daß mein Brief dir nicht nach Rosen schmecket,
Ist dieses schlechte Blat nicht Biesemkuchen voll,
So dencke nur es ist mit Klosterstaub bedecket,
Und wer verstohlen schreibt, schreibt selten allzuwohl.
Ich bin gantz ungewohnt die Feder recht zu führen,
Ich kenne noch den Marckt der schönen Worte nicht,
Es weiß kein runder Spruch mein Schreiben recht zu ziehren,
Weil mir der Anfang auch des Schreibens fast gebricht.
Was aber sagest du? ich stehle hier die hertzen,
Und hätte deines selbst zu dem Altar gethan?
Es scheint der Fürst hat Lust mit seiner Magd zu schertzen,
Mein Finger rühret nichts als nur den Psalter an.
Die Bethe lieget itzt allein in meinen Händen,
In diese hab ich noch kein weltlich Buch gebracht,
Mein Auge weiß sich nur auf das Altar zuwenden,
[24]
Und ist nunmehr auf nichts als nur auff Gott bedacht.
Ich kenne fast nicht recht diß, was mein Fürst begehret,
Er haßt mein Element, darin ich leben muß,
Er sagt, ich werde hier nur durch mich selbst verzehret,
Er tadelt meinen Gang, und störet meinen Fuß.
Er will die Bethe mir aus meinen Händen bringen,
Er macht die Kloster Pflicht zu seinem Possen Spiel,
Er hat mich nie gehört und tadelt doch mein singen,
Und meint ich thäte nicht, was Bluth und Jugend will.
Diß und was ferner folgt, das seyn mir neue Sachen,
Ich kenn es nicht vielmehr, als Schrifft der frembden Welt,
Ich weiß nicht was ich soll aus deinen Worten machen,
Doch wo mich recht bedeucht, hier ist verboten Geld.
Du zeigst mir, wie es scheint, gar viel verfälschte Wahren,
Auf die des Höchsten Zorn das Feuer hat gesetzt,
Ich kan nicht allzuwohl die Gräntzen überfahren,
Nach dem der Himmel mich des Klosters werth geschätzt.
Und daß ich endlich nun hier sonder Fürhang spiele,
Und ohne Maßque dir nur zeige, was ich bin,
Mein Auge steht itzund nicht weit von deinem Ziele.
Ich kenne deinen Wunsch und spühre deinen Sinn.
Des Briefes Wolcke hat ein guter Freund vertrieben,
Er hat, was Nebel war, zur Sonne mir gemacht,
Ich hör', es will mein Fürst die arme Nonne lieben,
Und sein erhitzter Geist sey nur auf mich bedacht.
Er woll in kurtzer Zeit allhier mich selber schauen,
Und sagen, was kein Brief und Bothe melden kan,
Er woll ein solches Schloß der treuen Liebe bauen,
Dergleichen noch kein Fürst vor dieser Zeit gethan.
Ach Fürst ich bin verschenckt! und bin mir selbst entnommen,
Ein Fessel drücket mich, so schwerer ist als Ich,
Ich kan mit Ehren nicht aus meiner Zelle kommen,
Die Welt ist dein Enthalt, das Kloster ist vor mich.
Mein Namen ist nunmehr tieff in ein Buch geschrieben,
Das nichts, was irrdisch ist, in sich enthalten mag,
Ich muß vermöge diß nichts als den Himmel lieben,
Gott ist mein Bräutigam, itzt ist der Hochzeittag.
[25]
Hier soll der Haare Gold in Silber sich verkehren,
Mein Purpur soll allhier verschüssen seinen Glantz,
Der Jugend Rose soll sich in ihr selbst verzehren,
Und alles muß vergehn, doch nicht mein Ehrenkrantz;
Mein Ohre darff ietzund nichts ungereimtes hören,
Wann Bluth und Jugend ruft, und dis und das begehrt,
So muß ich ihren Trieb mit meinem Psalter stören,
Und schauen, daß man sich der ersten Gift erwehrt.
Ich bin nunmehr bemüht mich selber zubezwingen,
Denn keinen andern Feind verspühr ich fast allhier,
Mann kan so leichte nicht in unser Kloster springen,
Drüm beth' ich stets: O Gott behüte mich vor mir!
Ich unterrede mich allhier mit meinen Sinnen,
Der Schalckheit dieser Welt, der werd ich nicht gewahr,
Die beste Kundschafft ist sich selbst erkennen können,
Den frembde Kundschafft ist ümzircket mit Gefahr.
Und dencke doch, O Fürst, seyn das nicht grosse Sachen,
Ach grösser als die Welt, was Ehre heist und Gott;
Uns kan des einen Zorn zu Staub und Asche machen,
Ein Fleck deß anderen ist ärger als der Todt.
Auf den der Höchste zürnt, desselben ist vergessen,
Das Bley von seinen Grim beschwert uns allzusehr,
Die Ehre gleichet sich den prächtigen Cypressen,
Behaust du ihren Stamm, so grünen sie nicht mehr.
Doch weiß ich dieses auch, ich bin nur Mensch gebohren,
Die Tugend lieb ich zwar, doch auch die Höfligkeit,
Es hat die Freundschafft mich zum Kloster zwar erkohren,
Doch kenn ich noch allhier die Bluhmen dieser Zeit.
Dem Fürsten kan ich ja nicht seinen Wunsch zerstören,
Der mich hier sehen will, diß ist nicht Missethat,
Ich bleibe was ich war, und kan den Höchsten ehren,
Ob mich ein junger Fürst gleich angeschauet hat.
Ein Auge nimt mir nichts, die Tugend ligt im Hertzen,
Ein Blick, wie scharf er ist, dringt warlich nicht dahin,
Ich kan ohn alle Schuld zugleich mit Worten schertzen,
Und dencken daß ich hier als eine Nonne bin;
Ich bin (doch ungerühmt) mit Keuschheit so umschlossen,
[26]
Daß Wort und Blick für mir als todte Feinde seyn,
Denn wer die Liebligkeit des Himmels hat genossen,
Dem reist man nicht so bald der Tugend Vestung ein.
Doch weiß ich auch fast nicht, wie mir der Brief geflossen,
Mich deucht es führte mir hier etwas meine Handt,
Ich habe, weil ich schrieb, dergleichen Lust genossen,
Dergleichen Eva kaum im Paradies empfandt.
Inkünfftig wollen wir nichts durch Gesandte melden,
Es ist ein kaltes Werck und doch Verdachtes voll,
Mein Kloster ist gewiß kein Feind berühmter Helden,
Kom' sage mir nur selbst, wie ich dir dienen soll.

Liebe zwischen Rudolphen Königen in Burgundien und Einer fürnehmen Marckgräfin Ermegarden

Damals als es wegen Regierungs Sachen in Italien oder vielmehr in Lombardien ziemlich verworren hergieng, und einer dem andern entweder mit Gewalt oder mit List von dem Throne drang, geschahe es, daß nach Königs Berengars Tode, so vom Flamberten jämmerlich ermordet worden, Rudolph König in Burgundien, wie er albereit einen guten Anfang gemacht, sich des Reiches anmassete. Es lebete dazumahl eine junge Wittib, eines mächtigen Marckgrafens hinterlassene Gemahlin, eine von den anmuthigsten ihrer Zeit, und die ihr hochangelegen seyn ließ den Scepter der Liebe und des Regiments zugleich in ihren Händen zu führen. Die Großen, gegen die itzt gedachte Heldin nicht zu unbarmhertzig war, hielten es vor eine Ehre aus derselben Munde Gesetze zuempfangen, den sie so offt mit Liebligkeit zuvor geküst hatten, und der gemeine Mann billichte das Urtheil der Fürnehmen, wie dann auch mehr gedachte Marckgräfin sich allbereit der Hauptstadt in Lombardi Paviens bemächtiget, und in wenig anderer Beschaffenheit als Königin darin Hof hielt. Rudolphen, der wegen hochwichtiger Geschäfte auf etliche Zeit in sein voriges Königreich Burgundien gereiset war, gefiel diese Gefährliche Neuerkeit über die massen übel, wie er dann auch schleunig mit einer ziemlichen Kriegesmacht nach Italien rückte, und mit denen Völckern, [27] so ihm der Bischoff von Meilandt zugesendet, sich vor Pavie legte, in Meinung die Löwin nunmehr in ihren Lager zubesuchen. Ermegarde, so kein Mittel mehr übrig sahe, sich gegen diesen strengen Feind zuschützen, vertrauete endlich die Sache der Feder, und schrieb an Rudolphen durch eine gewisse Person einen Brief, der ihm auch, ich weiß nicht durch was verborgene Kraft, dahin trieb, das er die seinigen zuverlassen, und zu dieser süssen Feindin zu fliehen ihm fürnahm. So muß, wann das Verhängnüß will, der Harrnisch zu einem Hochzeitkleide, und der Wall zu einem Brautbette werden. Rudolph gieng selbige Nacht, als er ihm seine Flucht fürgenommen, zeitlich schlaffen, wenig Stunden hernach machte er sich auff, und flohe nebenst einen abgeordneten, der ihm den Weg zeigete, eilend auf Pavie. Wie ihn allda die hitzige Ermegarde wird empfangen haben, gebe ich diesen zuerwegen, so in dergleichen Sachen nachdencklicher als ich seyn. Dieses melden die Geschichtschreiber, daß seine Obersten bey angebrochenen Tage etliche Stunden nicht gewust, was sie wegen so langer Ruh ihres Königes ihnen gedencken solten, endlich aber aus Argwohn, daß er nicht etwa wie ein Holofernes ermordet seyn möchte, die Cammer eröffnet und ein leeres Bett angetroffen haben. Da denn auch bald erschollen, daß Rudolph sich nach keiner Judith, sondern einer Helenen umgesehen, weßwegen denn und aus Furcht eines geschwinden Uberfalles sich das gantze Läger verlauffen, diese zwey Liebhabende aber von diesem Reiche endlich nichts mehr genossen, als die liebreiche Hoffnung, das Sie haben regieren wollen.

Ermegarde an Rudolphen

Hier ist ein kleiner Brief mit Schertz und Ernst gefüllet,
Der Gall' und Honigseim in seiner Schoß enthällt,
Auß welchen, gläub es mir, dir Todt und Leben qvillet,
Erwehle dir nunmehr dieß was dir wohlgefällt.
Ich lasse dich itzund mich ohne Maßque schauen,
Ich stelle deinen Fall in hellen Farben für,
Und willst du alzuviel auf deine Reuter trauen,
So hab ich mehr als du: die Hertzen seyn bey mir.
Ein Wort, ein Blick von mir kann tausend Lantzen stehlen,
Die besten Bogen seyn auf mein Gebot gespannt,
Es wird mir nimmermehr an grossen Helden fehlen,
[28]
Als Schlangen hab ich sie zu meiner Fahn gebannt.
Waß nur zwey Finger rührt hat dir den Todt geschworen,
Du bist mir allbereit im Geiste hingericht,
Begrüst du mich als Feind, so halt dich vor verlohren,
Verschertze doch dein Volck und dich auch selber nicht.
Was nur nach Eisen reucht begehrt dich zuerdrücken,
Drum, dencke wo du bist, und endlich was du thust,
Ich darf nur einen Blick nach deinem Lager schicken,
So kehrt dein eigen Schwerdt sich gegen deine Brust.
Ach König, wilt du dich mit Hoffnungs Speisen nehren,
Sie blehen trefflich auf und geben keine Krafft,
Wer ohne rechten Grund will alzuviel begehren,
Dem wird auch was er hat noch endlich hingeraft.
Kein Spiegel treuget mehr, als den der Wahn uns zeiget,
Gefahr muß hier ein Zwerg, Gelück ein Riese seyn,
Man schaut wie unsre Lust aus Zucker Rosen steiget,
Man spühret keine Nacht, nur lauter Sonnenschein.
Es zeiget sich allhier ein Jahrmarckt voller Cronen,
Die Scepter scheinen uns wie ein gemeiner Stab,
Die Lorber Kräntze seyn gemeiner als die Bohnen,
Hier ist kein Helden Fall und auch kein Todten Grab.
Doch endlich will uns nur diß Lust Schloß gantz verschwinden,
Der Fürhang fällt herab, das Spiel ist ausgemacht,
Die Lampen leschen aus, es ist nichts mehr dahinden,
Man mercket nichts als Rauch, und spühret nichts als Nacht.
Dann steht man gantz betrübt, mit wunder-schlaffen Händen,
Und schaut was man gethan, mit neuen Augen an;
Wohl diesem der sich nicht die Hofnung läst verblenden,
Und seinen Irrthum noch vernünfftig ändern kann.
Vermeinst du daß ich hier mit blossen Worten schrecke,
Und dieses alles nur pappierne Feindschafft sey,
So bitt' ich dich, zerreiß der Augen faule Decke,
Und mache dich nun selbst der falschen Blendung frey.
Ich warne noch itzund, es ist ein Liebes Zeichen,
Hier ist noch Sonnenschein, und nicht ein Donnerkeil,
Allhier versuch ich noch ob ich dich kan erweichen,
Dann find ich keinen Feind, so brauch ich keinen Pfeil.
Wird durch mein Schreiben nu dein Schwerdt zur Ruh geleget,
So fahr ich Himmel an und wünsche das der Tag,
[29]
In welchen Rudolph hat die Waffen hingeleget,
In der Geschichten Buch der Nachwelt kommen mag.
Ich weiß des Ruhmes Hand wird dich mit Blättern zieren,
Die immer grüne stehn, die keine Zeit befleckt,
Und deinen Nahmen wird sein Flügel weiter führen,
Als wo der Elephant sich an die Sonne streckt.
Gedencke was du hast zu deinen Feind erkohren,
Und gegen was dein Volck itzund ein Lager schlägt;
Du weist es ohne mich, ich bin ein Weib gebohren,
Doch die ein Mannes Hertz in zartem Leibe trägt;
Ich bin es nicht gewohnt also bedient zu werden,
Geburth und Eigenschafft treibt mich zu höhern an,
Ach König glaub es mir, die Anmuth der Geberden,
Hat gegen Frauen mehr, als Schwerd und Helm gethan.
Was nicht sein Segel streicht, was nicht die Lantze sencket,
Dem bleibet Thor und Post verschlossen iederzeit,
Und welcher Held bey mir zu siegen ihm gedencket,
Der waffne seine Brust zuvor mit Höffligkeit.
Es wird dein gantzes Heer eh' alle Köcher leeren,
Als du bezwingen wirst das edele Pavi',
Du wirst durch solchen Streit nichts als dich selbst verzehren,
Drum so du siegen wilst, so sieg auch ohne Müh.
Ich lasse, bist du Freund, dir Hertz und Gatter offen,
Doch ließ auch dieses Wort, dir eintzig und allein,
Dergleichen hat dein Volck zu keiner zeit zu hoffen,
Du solt von mir geküßt und Sie geschlagen seyn.
Der Bothe, den du schaust, der wird dich sicher führen,
Der Außzug aller Lust erwartet deiner hier,
Und läßt du dir dein Haupt mit einer Crone ziehren,
So schau auch ob sie mir so zierlich steht wie dir.
Laß deinen hohen Geist dich nicht zurücke lencken,
Man kan nicht allezeit mit vollem Segel gehn,
Wer alle Stunden will auf Berg und Wippel dencken,
Wird offtmahls in dem Thal und bey der Wurtzel stehn;
Du bist, ich schwere dir, dißmahl zu weit gegangen,
Und wer ich, Feindin, nicht allhier dein bester Rath,
So hätte dich das Garn, als wie ein Wild gefangen,
Verachtest du die Hand, so dich erlöset hat?
[30]
Ich bin kein schlechtes Weib, wer rühmt nicht mein Geblüthe?
Ist meiner Ahnen Lob dir nicht genug bekannt?
Es lobt sich ohne mich; mein hurtiges Gemüthe
Wird endlich fast zugroß vor dieses weite Landt.
Kom, kom und säume nicht, itzt hast du Zeit zu eilen,
Schmach und Verrätherey will deiner Crone bey;
Auf Schwerdtern stehest du, und unter tausend Pfeilen,
Ach lerne daß dein Schutz bey deiner Feindin sey.
Dir beuth der stoltze Po den Silberweissen Rücken,
Die Vorburg, ja mein Schloß nimt dich mit Freuden an,
Der Weg ist dir gebähnt: dem mangeln kein Brücken,
Wer die Gelegenheit vernünfftig brauchen kan.

Rudolph an Ermegarden

Ich weiß nicht was dein Brief vor Regung in mich jaget,
Ein Wort das warnet mich, das andre dreuet mir,
Es scheint wie ieder Reim mir in die Ohren saget,
Ach Rudolph siehe dich auch vor dir selber für.
Ich sage wie es ist, ich kam hieher zufragen,
Was vor ein stoltzes Haubt die welsche Crone sucht,
Man schauet dieses Heer Schwerdt, Pfeil und Feuer tragen,
Es ward Pavie und du von iederman verflucht.
Mein heisses Hertze lag voll heisser Zornes Flammen,
Mich deucht, ein Blick von mir der steckte Dörfer an,
Wie reimt sich aber heut und gestern doch zusammen?
Wohl dem der allezeit beständig bleiben kan.
Ihr Frauen traget nur das Kraut in euren Händen,
So Stahl zu weichem Wachs und Stein zu Wasser macht,
Ihr könt, O schöne Kunst, den Himmel selbst verblenden,
Und seyd bey eurer Lust auf unsre Noth bedacht.
Ihr brauchet unsern Witz, als wie das Schilff im Strande,
Bald richtet ihr ihn auf, bald drücket ihr ihn ein,
Ihr baut euch eine Burg aus Steinen unsrer Schande,
Und heist uns offtermahls nur viertel Menschen seyn.
Ihr streicht oft unser Schwerd, damit ihr wollt verwunden,
Mit süssen Balsam an, schlagt und beklagt zugleich,
Der Krancken lachet ihr und schont nicht der Gesunden,
Und unsre Dienstbarkeit ist euer Königreich.
[31]
Das weigern wisset ihr mit Freundschafft zuverkleiden,
Ihr weint bey dessen Noth, der euch doch Thäter nennt,
Ihr überredet uns in Wehmuth selbst zu leiden,
Indem uns Hertz und Geist ohn alle Hülffe brennt.
Ihr seyd ja der Natur berühmte Wunderwercke;
Man nennt euch kalt von Arth, und steckt die Männer an,
Man heist euch schwachen Zeug, und spottet unsrer Stärcke,
Man braucht euch nicht in Krieg, und führt die Sieges Fahn;
Was wil ich aber euch noch Ehren Seulen bauen,
Es ist zuviel gebaut, man macht mich selbst dazu,
Ich meinte Pavie im Feuer anzuschauen,
Was itzo brennen soll, O Hertze, das bist du.
Ich bin nicht was ich war, ich bin mir frembde worden,
Mein Fessel lieb ich mehr als vormals Helm und Schwerdt,
Diß Leiden nennt mein Brief zwar einen strengen Orden,
Doch in den Hertzen schein ich nicht der Marter werth.
Die Wunden jucken mich, ich spiele mit den Banden,
Der Ketten scharffer Schall ist mir ein Lautenklang,
Ich lache, wenn mein Schiff der Freyheit komt zustranden,
Und Seuffzer seyn nunmehr der beste Lobgesang.
Nun, Ermegarde schau diß was du selbst erfunden,
Ließ diesen kleinen Brief, den deine List erdacht,
Die Dint' ist anders nichts als Blut aus meinen Wunden,
Durch heisse Liebes Brunst verbrennt und schwartz gemacht.
Für dir leg ich gebückt die steiffe Lantze nieder,
Mein Helm berührt itzund in Demuth deinen Fuß,
Und ist ein König dir nicht allzusehr zuwieder,
So geb ich als ein Knecht dir einen heissen Kuß.
Mein wohlgewapfnet Heer gedenck ich zuverlassen,
Und werde nu verblendt ein Possen Spiel der Welt,
Will mich dein schöner Arm mit seiner Gunst ümfassen,
So mein ich, daß ich sey dem Himmel zugesellt.
Der Purpur, den dein Mund auf seinen Lippen führet,
Das Gold, so die Natur in deine Haare flicht,
Und mehr, das süsse Gifft, so deine Briefe ziehret,
Hat mich, wie starck ich war, verborgen hingericht.
Mich deucht ein süsser Dampff stieg aus den kleinen Schreiben,
Es grief ein Nebel mich und meine Kräfften an,
Ich fühlte mich alsbald durch eine Regung treiben,
[32]
Der auch die Herrschafft selbst muß werden unterthan.
Sie riß mich aus mir selbst, sie brach mir Geist und Willen,
Und machte daß ich itzt mir nicht mehr ähnlich bin,
Sie hieß auch diesen Trieb, den du erweckst, erfüllen,
Und giebt mich endlich dir als einen Sclaven hin.
Es mag mein Heer nunmehr nach seinem Willen leben,
Als Feld Herr schau ich itzt nicht ihren Thaten zu,
Es mag ein ieder sich wohin er will begeben,
Die Lieb ist itzt mein Krieg, die Walstadt aber du.
Ich acht es nicht zuviel was der und jener saget,
Was trift auf dieser Welt der Menschen Urtheil nicht?
Wer alles tadeln will was andern wohl behaget,
Wird endlich durch das Schwerdt des Unmuths hingericht
Und wer auch alles fleucht, was der und jener hasset,
Erkieset nimmermehr, was rechte Freude heißt,
Ich folge diesem Zaum, an den ich bin verfasset,
Und der mich itzt erhitzt zu deinen Brüsten reißt.
In sieben Stunden will ich dein Gesichte schauen,
Ich wart' auff nichts so sehr als auff die Mitternacht,
Ich hoff auch, eh' es tagt, ein Lusthauß mir zu bauen,
Da die Ergetzlichkeit mit klaren Augen wacht.
Ich will auf deiner Brust in Freundschafft mich umschantzen,
Umbzirckt mit heisser Lust, entnommen der Gefahr,
Wir wollen mit bedacht des Friedens Oelzweig pflantzen,
Da vor der Krieges Dorn mit seinen stacheln war.
Es mag mein kühnes Heer sich wie es will ergetzen,
Es bleibt ein ieder ihm nur selbst der beste Rath,
Sie mögen ihren Fuß auf Woll' und Rosen setzen,
Nachdem sein Paradieß ihr Fürst gefunden hat;
Doch treibet sie die Lust zu mehrem Streit und Kriegen,
So wiederfahr' ihn' diß was itzt ihr Wunsch begehrt,
Ich trachte diese Nacht im Felde nicht zu siegen,
Und meine Freud ist mehr', als ihre Beuthe werth.
Und sagte gleich die Welt, ich hätte sehr gefehlet,
Wer fehlt und fället nicht? Ich bin ein Erdenkloß,
Es ist mir, fall' ich gleich, ein schöner Ort erwehlet,
Ich falle nirgends hin, als nur in deine Schoß.

[33] Liebe zwischen Aleran, einem Deutschen jungen Fürsten, und Adelheiten Keyser Ottens Fräulein Tochter

Nach Gewohnheit damahliger Zeiten, daß junge Fürsten und Herren, wenn sie ein wenig zu Kräften und Verstand kommen, sich in die Welt machten, und fürnehme Höfe besuchten, begab es sich gleichfalls, das Aleran, eines vornehmen deutschen Fürsten Sohn, in Keyser Ottens Hofe angelanget, seiner Jugendt eine gute Wissenschafft von allerhand Ritterspielen und höheren Tugenden beyzulegen. Sein Fürsatz war nicht ohne glücklichen Fortgang, und seine Vollkommenheit wuchs endlich der gestalt, daß Aleran vor ein Wunderwerck des Hofes, ja vor die Crone der Ritterschafft von männiglich gehalten ward. Wie aber alles den veränderlichen Zufällen unterworffen, so ward auch hier das Glück zu einem Springbronn tausenderley Ungemachs. Aleran, dessen Hand nichts wiederstreben konte, vermeinte unvollkommen zu seyn, wann er nicht auch ein Meister der Gemüther, und ein Beherrscher der schönen Adelheide seyn solte. Seine Blicke waren in nichts so sehr bemühet, als einen freyen Geist zubestricken, und seine Zunge bearbeitete sich auf das höchste ein ungebundenes Hertz in ein schlüpfriges Garn zuversetzen. Der Anschlag war nicht ohne fürgebildeten Außschlag. Es ging aber dem Aleran wie einem guten Fechter, der oft mit seinem Gegentheile zugleich fallen muß. Aleran überwindet Adelheiden, aber Aleran wird zugleich zu der Adelheiden Knecht gemacht, und beyde seuffzen bey ihren Wunden, die nunmehr ohne Rath und Hülffe zuseyn schienen. Wie aber das dürre Holtz am besten zum Kohlen dienet, das grüne damit zu entzünden, so begiebt es sich auch offt, daß die verlebtesten Weiber die Jugend durch ihre Listigkeit am meisten anstecken können. Dieses geschahe auch eben bey dieser Gelegenheit. Eine alte Hofmeisterin leitet den verliebten Fürsten in der Fräulein Schlafgemach, wird Zeugin ihres Ehegelübdnüßes und läst solches alsobald auch fleischlich versiegeln. Nach weniger Zeit betrauerte die Fräulein den Verlust ihres besten Schatzes, empfindet etliche ihr unbekante Zufälle, und verwilliget, wiewohl sie fast mit gewisser Bedingung dem damals regierenden König in Ungarn versprochen war, durch Aleran aus ihres Vatern Landt und Augen geführet zu werden. Ihr Weg ging nach Italien, ihre Reise war voll [34] Ungelückes, ihr Armuth zwang sie Kohlen in der Wildnüs zu brennen, und die Zeit ihrer Pilgramschafft wehrete zwantzig Jahr; Da sie durch einen ihrer Söhne, derer sie unterschiedliche in diesem Waldleben gezeuget, der sich ohngefehr unter das Keyserliche Heer, so damals in Italien stund, begeben, dem Vater entdecket, und mit Freuden wiederumb in ihren vorigen Stand gesetzet worden seyn.

Adelheid an Aleran

Ach ach! wie reimt sich ach, und Liebe doch zusammen?
Was aber reimt sich nicht, wann Zeit und Himmel schafft,
Der Furchte dickes Eiß bestrickt die Liebes Flammen,
Ich werde durch die Hand der Aengsten hingeraft.
Ich böbe wie ein Laub bewegt durch Kummer Winde,
Es plaget meinen Geist Verlust und auch Gewinn,
Ich werd' aus bleicher Noth zu einem rechten Kinde,
Ach daß ich nicht als Kind vorlängst gestorben bin.
Der Aeltern Nahmen ist in meinen dünnen Ohren,
Wie ein Beschwerungs Wort und wie ein Donnerschlag,
Ach wer' ich nur zuvor gestorben als gebohren!
Daß ich doch nicht alsbald ein Unding werden mag!
Mich deucht, der gantze Hoff erkent was ich begangen,
Mich deucht, ein ieder Mensch verweist mir meine That,
Die Bluhmen wachsen noch aus Scham auf meinen Wangen,
Die sonst mein schwacher Leib aus Lust verlohren hat.
Ich bin der Perle gleich, die Flecke hat bekommen,
Und von des Keysers Haubt an schlechte Hälse muß,
Mir ist nunmehr mein Glantz und auch mein Werth entnommen,
Und dieses alles fällt durch einen süssen Kuß.
Diß schwer' ich, daß mein Leib ein Garten ist gewesen,
Der stets verschlossen war als wie das Paradies,
Ich weiß das keine Hand hier Bluhmen hat gelesen,
Und daß kein geiler Wind durch meine Blätter bließ;
Was hilft uns aber doch zuseyn und nicht zubleiben,
Verflossen Wasser mahlt doch keine Körner nicht;
Es wird die Affter Welt nur meinen Fall beschreiben,
Und was ich guts gestift schaut nicht das Tage Licht.
Der Menschen Urthel Spruch vergleichet sich den Fliegen,
Sie fallen nur Geschwür und Eyter Beulen an,
[35]
Die Fehler unser Zeit, die werden nicht verschwiegen,
Nur diß bleibt unbekannt was man hat guts gethan.
Mein fromseyn machte mich zum Phönix in dem Lande,
Nachdem ich aber mich in böser Gluth verbrennt,
So giebt die Asche nichts als Eulen voller Schande,
Ach daß ein keusches Weib noch meinen Namen nennt.
Der Ungarn weites Landt wird ungern hören müssen,
Das nicht die Crone mir kan auf den Wirbel stehn,
Denn weil der Geilheit Hand mir hat den Krantz zurissen,
So kan ich ja forthin nicht mehr gekrönet gehn.
Ihr König wird bestürtzt die böse Zeitung hören,
Und sagen: Ehr und Glas zubrechen vor der Zeit;
Mein Zufall wird gewiß ihn diese Worte lehren:
Es paart sich nichts so schwer als Zucht und Freundligkeit.
Ich weiß er wird bestürtzt in die Gedancken schreiten,
Die Rose ladet uns zum pflücken selber ein,
Der süsse Zinamey gefällt uns auch von weiten,
Die beste Kuplerey ist schön und lieblich seyn.
Was spiel ich aber noch mit meinen schweren Ketten?
Auß Aengsten schreib ich diß, in Wahrheit nicht aus Lust,
Das Garn, darin mein Fuß aus Unbedacht getreten,
Verwörret mein Gemüth und naget meine Brust.
Ich schreib itzund vor dich, und was allhier zulesen,
Geht erstlich mich, dann dich, am allermeisten an,
Du weist was ich vollbracht, und was ich bin gewesen,
Ich weiß es daß dein Geist mich nicht verlassen kan;
Wo ist mein Aleran der Zucker dieser Stunden,
Da mich das erstemal dein lieber Arm umfieng?
Es ist die Liebligkeit als wie ein Wachs verschwunden,
So dazumahl mit Lust an meinen Lippen hieng;
Die süsse Kützelung der unbekanten Lüste,
Dazu mich unvermerckt dein Bitten hat geführt,
Verweiset mich itzund in eine dürre Wüste,
In welcher man sonst nichts als Angst und Noth verspührt.
Die Rosen seyn vorbey, mein Garten ist durchrissen,
Mein Stock ist abgepfluckt, ja Schande liegt dafür;
Und wilstu meine Noth mit wenig Worten wissen,
So schreib ich nicht als diß: zwey Hertzen seyn in mir,
[36]
Sie schlagen ohne Ruh als Wecker meiner Nöthen,
Ein ieder Augenblick verweist mir meine That,
Ach könte mich der Spott doch so geschwinde tödten,
Als meinen schwachen Leib dein Kuß verletzet hat!
Vergieb mir meine Schuld, wo meine Feder irret,
Und ein zuhartes Wort dir fast verdrieslich ist,
Mein Leib trägt frembde Last, die Geister sind verwirret,
Durch Kummer Dampf wird nicht des Witzes Licht erkiest.
Doch stöhrt diß alles nicht die Kräften meiner Flammen,
Verweist mir gleich die Zeit, was diese Brust gethan,
Schlegt Schrecken, Furcht und Spott gleich über mich zusammen,
So leb ich doch durch diß: Es lebt noch Aleran.
Kom, lencke dich zu mir, und auch zu deinem Pfande,
Ich nenn es wo du wilst, den Geisel deiner Gunst,
Kom, führe mich alsbald aus meines Vatern Lande,
Dann hier verzehret mich des Zornes heisse Brunst.
Ich will nach meiner Pflicht dich überall begleiten,
Und treulich mit dir gehn, wohin es dir gefällt;
Ich will mit dir getrost in solche Länder schreiten,
Wo nichts als Ungemach die bleiche Wohnung hält.
Ich mache mich mit dir zu den verbrandten Mohren,
Und wo der kalte Nord die weissen Bähren nährt,
Hat mich der Himmel gleich zu ihrer Kost erkohren,
So werd ich doch vielleicht auf deiner Schoß verzehrt.
Da wollen wir alsdann die Schuld der Jugend büssen,
Und zeigen was ein Geist mit Treu gekrönt vermag,
Ja muß ich gleich wie du mich in mich selbst verschlüssen,
So tritt die Tugend doch noch endlich an den Tag.
Es ist ein schwerer Grif den Pilgrams-Stab zufassen,
Und meiner Zärtligkeit will diß wie Wermuth ein;
Doch wer die Wollust See ihm hat belieben lassen,
Dem muß der Jammer Strand nur nicht zuwieder seyn.

Aleran an Adelheiden

Was schreibt man mir itzund? die Rosen seyn verlohren,
Und Adelheidens Glantz durch mich hinweg geraft?
Sie werden wie es scheint dir itzund neu gebohren,
Und deine Kummer Fluth erfrischet ihre Krafft.
Es scheint die Liebligkeit die kan dich nicht verlassen,
[37]
Sie bittet allezeit dir freye Taffel an,
Dein Auge will mich itzt in nasse Garnen fassen,
Nachdem sein Feuer mir Gewalt hat angethan.
Doch weine nicht zuviel, wir haben nichts begangen,
Was Folter, Eisen, Strang, und Feuers würdig sey;
Wir haben keinen Krieg zusammen angefangen,
Und unser Bündnüß weiß nichts von Verrätherey.
Die Schuld so uns betrifft, besteht in Lust und lieben,
Es hat ja die Natur nicht Straff auf diß gestellt,
Der Himmel ließ es frey die ersten Völcker üben;
Es war ein Zeitvertreib und Spiel der alten Welt;
Seyd fruchtbar hat zwar Gott in Marmel nicht gegraben,
Doch schrieb Er in das Bluth diß Paradies Geboth,
Was will man bessern Grund von dieser Sache haben?
Die Taffel war der Mensch, der Schreiber aber Gott.
Nach diesem haben wir durch Schärffe der Gesetze,
Das schwere Joch verstärckt: wie irrt die Sterbligkeit!
Sie strickt ihr durch die Kunst selbst kummer-reiche Netze,
Und frist sich der Gestalt durch Klugheit vor der Zeit.
Die Eh' war erstlich nur ein Schluß in dem Gemüthe,
Der endlich auch den Leib zu einen Zeugen nahm,
Wer sprachte dazumal von Stand und von Geblüthe,
Nachdem die erste Braut zu ihrem Manne kam?
Die Ehberedung war geschrieben in den Hertzen,
Die Tinte war das Bluth, das Siegel war ein Kuß,
Sie hatten sonst kein Licht, als nur des Himmels Kertzen,
Und liebten keine Pracht bey diesem Uberfluß;
Braut- und auch Trauring kam aus eines Meisters Händen,
Denn Gold lag dazumahl noch in der Mutter Schoß,
Ihr Bette knackte nicht und war nicht umzuwenden,
Der Himmel war die Deck', ihr Pfühl der Erdenkloß.
Doch kan man freylich nicht Gebräuche hintertreiben,
Sie meistern die Natur und seyn der hohe Rath;
Sie seyn fast Müntzen Arth, ihr Werth der muß verbleiben,
Nachdem der Ruf der Zeit ihn ausgesetzet hat.
Ich weiß was itzt die Welt von Liebe pflegt zu halten,
Die ohne Priesters Hand zufleischlich worden ist,
[38]
Ich weiß es das die Gunst der Aeltern muß erkalten,
Wann wieder sie ein Kind hat einen Mann erkiest.
Es wird der gantze Hof von Zorn und Feuer brennen,
Wann er erfahren wird, was ich und du vollbracht,
Es wird uns iedermann mit einem Nahmen nennen,
Den unsre Vorwelt hat zum Hohn und Schimpf erdacht.
Mich deucht ich höre schon: Sind das die edlen Sachsen?
Ist diß der fremde Stern, der meinen Hof geziehrt?
Ist diß der junge Fürst, durch meine Gunst erwachsen?
Daß er der Tochter Krantz, und meinen Schatz entführt?
Du Schlange, hab ich dich in meiner Schoß genehret,
Auf daß mich endlich nu die falsche Zunge sticht?
Diß was dein Hochmuth sucht, das wird dir nicht gewehret,
Und deinem Haubte wächst hier keine Crone nicht.
Verfolgung, Ungemach, Schwerdt, Foltern, Grimm, und Rache,
Das sey das Hochzeit Gift, daß ich dir geben kan,
Der Himmel führe selbst das Recht von meiner Sache,
Und greiffe meinen Feind mit Donner Waffen an.
Diß schöne Hochzeit Lied, wird mir dein Vater singen,
Bey dem sich ohne diß der Eifer leicht erregt,
Es wird der gantze Hof mir ein Geschencke bringen,
So die Verachtung hat mit ihrer Hand gepregt.
Der Neid hat noch bißher von weiten sich gehalten,
Itzt wird er aber keck in voller Rüstung stehn,
Der besten Freunde Gunst wird als ein Eiß erkalten,
Und keiner wird mit mir gedencken ümzugehn.
Denn Freunde halten stets der Schwalben falsche Weisen,
Des Glückes Sonnenschein der führt sie bey uns ein,
Des Unfalls kalter Nord befiehlt ihn abzureisen,
Noth will das Schiboleth der rechten Freundschafft seyn.
Doch dieses Klagen kan den Noth Stand nicht vertreiben,
Hier ist kein Pfennig mehr zu zahlen unsre Schuld,
Und die Errettung steht in keinen langen Schreiben,
Was hier uns helffen kan, ist Gott, Flucht, und Gedult.
Ich weiß dein zarter Fuß und deine reine Brüste,
Da nichts als Rosen Blut und Lilgen Milch geschwebt,
Die seyn fast ungewohnt zu wandeln in der Wüste,
[39]
Da nichts als Schlangen Gift und Trachen Geifer klebt.
Du soltest billich nichts als edles Rauchwerck schmecken,
Der Frühling sollte nur bekleiden deine Bahn,
Es solte dir ein Rock die schönen Lenden decken,
So Seide nichtig macht und Gold beschämen kan.
Doch das Verhängnüß läst sich nicht durch Menschen zwingen,
Man muß gehorsam seyn wenn dessen Stimme ruft,
Und will dich gleich dein Land mit Ach und Weh verdringen,
Vielleicht grünt dein Gelück in einer fremden Lufft.
Nun Liebste säum dich nicht mit mir die Flucht zunehmen,
Und in die frembde Luft zu setzen deinen Fuß,
Bemüh' itzt in Gedult der Zeit dich zubeqvemen,
Es ist ein schweres Wort auf dieser Welt: Man muß!
Umb viere wirst du mich in deinem Garten finden,
Ach Liebster Schatz vergiß der frühen Stunde nicht,
Es wird der saure Schritt dich mir, mich dir verbinden,
Die Noth ist unser Stab, die Lieb ist unser Licht.
Der dir mein Schreiben gibt, der wird dich auch begleiten,
Er stellet sich bey dir als treuer Führer ein,
Du kanst ohn' alle Furcht auf seine Worte schreiten,
Bist du dann Helena, so muß ich Paris seyn.

Liebe zwischen Graf Ludwigen von Gleichen und einer Mahometanin

Folgende Geschicht ist nicht eine von den jüngsten, und ich muß nur bekennen, daß ich gar vor einen andern diese Stelle meiner Helden Briefe gewidmet habe. Aber ein Bedencken, und besonders die richtgierige Zeit, darinnen wir leben, hat mich von meinen ersten Gedancken abgezogen, und dieses, was im Anfange nicht meine Meinung gewesen, hier aufzusetzen angeleitet. Doch will ich von diesem nichts ferners melden, sondern die Sache so gut sie ist zu Pappier bringen. Graf Ludwig von Gleichen brachte etliche Zeit mit seiner Gemahlin im Ehestande zu. Die damahls angesponnene Türcken Kriege nötigten auch diesen Helden sein [40] Heil unter den Christlichen Fahnen zuversuchen, aber dieser Anschlag gerieth nicht der Seinigen Wunsch und seinem eigenen Fürsatze nach. Er ward in einen Treffen von dem Alcairischen Sultan gefangen. Des Vortheils seiner Geburth ward damahls gäntzlich vergessen, an statt der goldenen Sporn legte man ihm mehrentheils Fessel an, und ward gezwungen an stat der muthigen Pferde, so er zuvor beschritten, die Ochsen zutreiben, und dem Pflug zuführen. Waß ingemein gesagt wird, daß ein annehmlich Auge, und ein gerader Leib die beste Empfehlungs Briefe seyn, das ward hier wiederumb aufs neue wahr gemacht. Eine junge Tochter gemeldeten Sultans, so ihrer Ergetzung halber auf dem Felde gieng, erblickte auch diesen Fremdling mit Staub gefärbet, und alten Lumpen überzogen. Sie begunte aus etzlichen Blicken seiner Augen, und auch etzlichen Wendungen seines Leibes leicht zu urtheilen, daß etwas würdigers an ihm were, als daß er zu einem Ochsentreiber gebrauchet werden solte. Es zog eine ungewisse Kraft ihr Auge auf daß seinige, und sie fühlte eine Regung von Wehmuth, und Belustigung zusammen vermenget. Kürtzlich, sie verspührte leichtlich, daß hier unversehens eine Perle auf den Mist kommen, und der Purpur zufälliger weise unter Kutzentuch geworffen worden. Diß was sie des Tages erblickt, erfrischten ihr die Gedancken, als sie nach Hause gelanget, und die Träume, als sie sich zur Ruh begeben hatte. Es nöthigte sie endlich ein ungedultiger Fürwitz sich alleine auf das Feld zu machen, und diesem Frembdling ohne Nebenaugen zubeschauen. Der nechste Tag darauf ward zu dieser Sache gewidmet; Sie machte sich durch eine verborgene Tühre aus der Stadt, und erkühnete sich unsern Grafen um seine Geburth, Stand und Gelegenheit zufragen. Die anmuthige Antwort, so er ihr ertheilte, war in den Hertzen der Mahometanin wie ein Funcke, der auf einen dünnen Zunder fället. Sie ließ erstlich ein paar heisse Thränen über die Wangen rollen, entdeckte mit kurtzen und halbverbissenen Worten ihr hohes Mitleiden, und versprach mögliche Hülfleistung und Rettungs Mittel. Sie unterließ folgende Zeit nicht so oft es sich nur fügte ihren Frembdling heimlich zubesuchen, und die Vertrauligkeit kam endlich so weit, daß sie ihn oft mit ihrer Hand speisete, ihm die Ochsen treiben halff, und den Schweiß mit ihren Fürtuche von seiner Stirnen wischete. Dieses alles war nur ein Erleichterungs-doch kein Heylungs [41] Mittel. Die inbrünstige Liebe zwang sie endlich, Ihm, dafern er ihr die Ehe zusagen, und sie mit sich in sein Land führen wolte, Erlösung aus den Banden zuversprechen, auch ihn, als den die Christlichen Gesetze schreckten, über vorige Gemahlin noch eine beyzufügen, auf allerhand Art zu solchem Fürnehmen zu ermuntern. Mit einem Worte, der Handel ist leicht geschlossen, wann die Waare schön ist, und Kauffer und Verkauffer einig seyn. Ein Handschlag und ein Kuß verknüpften ihre Hertzen, sie eileten nach den Christlichen Landen. Der Graf verständigte seine Gemahlin seiner Erlösungs Freundin Ankunfft. Der Pabst ließ diesen ungemeinen Fehl ohne Buße geschehen. Sie kamen glücklich nach Hause, die Gemahlin empfing die Mahometanin freundlich, und räumete ihr Bett und Hertz ein. Einigkeit und Seegen, wiewohl ohne Leibes Erben, schwebeten über dieser Liebe, und das Grab zu Erfurth, da sie alle drey die Asche unter einem Stein vermischet haben, zeiget gnugsam wie edel ihr Feuer hat müssen gewesen seyn.

Graf Ludwig an seine Gemahlin

Ein Brief aus frembder Luft doch von bekanten Händen,
Begrüßt und küßt dich itzt, so gut er küssen kan,
Es heißt die grüne Treu mich dieses übersenden,
Ich weiß du nimbst es auch mit solchen Hertzen an.
Ich darf dir nicht zuviel von meinem Namen sagen,
Die kleinste Silbe hier entdeckt dir wer ich bin,
Sie denckt mein Hertze dir, wo möglich, fürzutragen,
Und reicht, so gut sie kan, auch diß im Briefe hin.
Du kennst die alte Schrifft und auch die alten Sinnen,
Die noch kein Saracen hat in die Fessel bracht,
Ich schwere daß sie dich so eifrig lieben können,
Als in dem Hochzeit Tag und in der ersten Nacht.
Du weist die Liebe läst sich nicht durch Meilen messen
Sie wächst nicht ungemein in unbekanter Luft,
Was recht gegründet ist, das läst sich nicht vergessen,
Und ihre Wurtzel dringt biß in die kalte Gruft.
Durch Hitze kan sie nicht wie Blum und Gräser sterben,
Die Kälte hemmt sie nicht wie einen Wasserfluß,
Die Nässe weiß sie nicht wie Farben zuverderben,
Man schaut wie Staal und Stein ihr oftmalhs weichen muß,
[42]
Die wahre Freundschafft kan kein Saracen beschneiden,
Es stöhrt der Alcoran getreue Liebe nicht,
Es kan der Mahomet Sie in dem Tempel leiden,
Und keine Satzung ist, so ihr zuwieder spricht.
Mein Schatz, itzt heisset mich ein Zufall klährer schreiben,
Es mindert wie es scheint, sich nun das alte Joch,
Ich kan mit mehrer Lust itzt meine Rinder treiben,
Und mein Gelücke blüht auch untern Heyden noch.
Ein Edles Weib von mehr als Fürstlichen Geblüthe,
(Ich weiß nicht ob sie mir Weib oder Engel ist)
Die hat vor kurtzer Zeit mit traurigem Gemüthe
Mein schweres Joch betracht, und meine Noth erkießt.
Es schien, sie ward durch mich und meine Qvaal gebunden,
Kein Striemen lief mir auf, den sie nicht auch empfand,
Die Schäden so ich trug die wurden ihr zu Wunden,
Und meine Dinstbarkeit war ihr gemeines Bandt.
Der Schweiß auf meiner Brust hat Thränen ihr erreget
Mein Seuffzer hat bey ihr die Wehmuth angesteckt,
Und meine Knechtschafft hat sie in ein Joch geleget,
Das nach der Tugend reucht, und keinen Hals befleckt,
Sie hat gar manchesmahl in einem schlechten Kleide,
In Sicherheit zugehn, mich armen Knecht besucht,
Die Tugend war ihr Gold, die Wehmuth ihre Seyde,
Und ihr erhitzter Wunsch bestand in meiner Flucht.
Sie half mir manchesmahl die faulen Ochsen treiben,
Wann sie zugegen war, so hatt' ich halbe Müh,
Sie ließ mich leichtlich nicht zu matt und hungrig bleiben,
Doch wünscht ich ihre Kost noch nicht so sehr als Sie.
Ihr Fürtuch hat mir oft den sauren Schweiß vertrieben,
Und ihr gemeinstes Wort war diß: Dich laß ich nicht.
Wie sollt ich, liebstes Weib, nicht eine Seele lieben,
Die mich dir wiederbringt, und meine Fessel bricht?
Nicht meine, daß mich hier ein Geist der Wollust treibet
Zeit und auch Ungelück hat solches längst verjagt.
Denn wem der Tugend Stam recht an der Brust bekleibet,
Der höret leichtlich nicht, was ihm ein Laster sagt.
Itzt soll ich ihren Dienst durch meinen Leib belohnen,
Die Müntze, so sie sucht, ist meines Mundes Kuß,
Sie acht mein Hertze mehr als ihres Vatern Cronen,
[43]
Und liebst du deinen Mann so lieb auch ihren Schluß.
Ich werd in künfftig sie mit deinem Namen nennen,
Scheint dir die Zahlung groß, die Schuld ist ungemein,
Wer nur vernünftig ist muß diß mit mir bekennen,
Der Gott so Zucht befiehlt, heist uns auch danckbar seyn.
Dein Glimpf muß ihre Treu wie sichs gebührt bezahlen,
Daß du mich schauen wirst hat ihre Hand gethan,
Dir bleibet doch der Kern, sie sättigt sich mit Schalen,
Du hast das beste Brodt, sie nimmt die Brocken an.
Kan sie von wegen mein des Vatern Hof verlassen,
Und führt mich wiederumb zu Hause freudig ein,
So mustu warlich sie als Schwester auch umfassen,
Und eben so wie mir auch ihr gewogen seyn.
Doch Eyfer wird bey dir sich nicht ereignen können,
Denn dieses ist ein Trieb der unsre Geister kränckt,
Wenn etwas neben uns sich heimlich will entspinnen,
So dieses was man liebt uns zuentziehen denckt.
Ein frembdes Weib so dich und mich nicht weiß zunennen,
Verläst des Vatern Burg und ihrer Mutter Schoß,
Und macht, was selten ist, du wirst es ja erkennen,
Nach langer Dinstbarkeit mich meiner Bande loß.
Die Rauigkeit der Luft, Stein, Wasser, Berg und Hecken,
Wild, Regen, Nebel, Schnee, Wind, Hagel, Eiß und Frost,
Durst, Hunger, Finsternüß, Sand, Wüste, Furcht und Schrecken,
Trieb ihren Fürsatz nicht aus der getreuen Brust.
Sie läst die Crone stehn, mit Lust dich zu umkräntzen,
Sie will in Armuth seyn zufüllen deine Handt,
Sie trägt der Aeltern Zorn, sie weicht von ihren Gräntzen,
Und läst, dir guts zuthun, ihr rechtes Vaterlandt.
Du must, geliebtes Weib, das Hertze mit ihr theilen,
Empfähst du mich, so nim auch meinen Leitstern an,
Und dencke: daß ich kan zu Weib und Kindern eilen,
Hat diese Frembdlinge, fast mehr als ich, gethan.
Ein mehrers will ich dir bey meiner Ankunfft sagen,
Die Feder reimet sich zu vielen Reisen nicht;
Kanst du im Herzen Treu, und Witz im Geiste tragen,
So ist der kurtze Brief dir gar genug Bericht.
[44]
Laß unterdessen mir Hertz, Hauß und Lager offen,
Ich schreite schon im Geist bey dir mit Freuden ein;
Doch will ich auch, mein Schatz, diß ungezweiffelt hoffen,
Daß Lager, Hertz, und Hauß wird vor die Frembde seyn.

Die Gemahlin an Ludwig

Es bringt der kleine Brief dir mehr getreuer Grüsse,
Als Freude sich itzund in meinem Hertzen regt,
Ich schwere, daß ich dich recht in Gedancken küsse,
Und meine Seite sich an deine Seite legt.
Verzeihe, Liebster Schatz, doch meinen schlechten Schreiben,
Daß Wort und Zeilen nicht in rechter Ordnung stehn;
Wem Freud und Zuversicht die schwachen Finger treiben,
Dem will die Feder nicht in gleicher Wage gehn.
Bald lesch' ich etwas aus, bald mach' ich neue Zeilen,
Bald werd' ich halb entzuckt, bald schlaf ich drüber ein,
Bald wird die Feder faul, bald will sie fertig eilen,
Und heist offt einen Kleck an statt der Wörter seyn.
Ich weiß nicht wie mir ist, und kan mir selbst nicht trauen,
Ob mein Gesichte hier den wahren Zweck erkiest?
Ob meine Hoffnung auch recht feste weiß zubauen?
Ob nicht ein schlechter Dunst itzund mein Grundstein ist?
Bald reiß' ich wiederum aus diesen falschen Schrancken,
Und schaue deinen Brieff mit scharffen Augen an,
Umbschlüsse mit Vernunfft die flüchtigen Gedancken,
Weil solche Klarheit ja mich nicht verblenden kan.
Ich schaue klar genug und küsse mein Gelücke,
So itzt mit seiner Hand die öden Nächte stöhrt,
Ich spühre wiederum des Himmels warme Blicke,
Der dich mir auf das neu aus seiner Schoß verehrt.
Was hab ich nicht bißher in Einsamkeit erlitten?
Was hat mir nicht vor Angst gefesselt Geist und Sinn?
Was hat mich nicht vor Furcht zu mancher Zeit bestritten?
Daß ich, wie mich bedeucht, mir fast nicht ehnlich bin.
Wie hab ich manchesmahl nach deinem Abereisen,
Wenn ich erwachet bin, die Hand nach dir gestreckt?
Wie offtmahls hat ein Traum dich mir in Band und Eisen
Erschrecklich fürgestellt, und denn mich aufgeweckt?
[45]
Bald hab ich schlaffende gemeinet dich zuküssen,
Und meinen Irrthum denn aus leerer Lufft vermerckt,
Man schaut die Menschen ja am allermeisten büssen,
Indem der Mangel uns die alte Lust versterckt.
Bald hat dein Hochzeit Kleid, bald haben deine Ringe,
Die Pfänder erster Gunst, mir Zähren ausgeprest,
Kein Mensch berichte mich, wie dir es noch ergienge,
Ich schrieb ohn alle Frucht nach Nord, Süd, Ost und West.
Wenn nur ein Thor aufgieng, so meint' ich dich zu hören,
Was eine Tasche trug, das must ein Bothe seyn,
Ich ließ mich iedes Kind, ja ieden Ruf bethören,
Und blieb doch iederzeit verwittibt und allein.
Wenn ich zu Tische gieng und schaute deine Stelle,
Da wir uns oft erfüllt mit Speisen, Wein und Lust,
So ward das Zimmer mir zu einer rechten Hölle,
Zu Galle ward mein Wein, zu Wermuth meine Kost.
Der freudenreichen Lust verliebtes Angedencken
War diß, so meinen Geist recht auff die Folter nahm,
Nichts konte mich so sehr in meinem Hertzen kräncken
Als wenn dein Bildnüß mir in das Gesichte kam.
Der Kinder stetes Wort: Wo muß der Vater bleiben?
War mir ein herber Stoß, den meine Seel empfing,
Des Jammers ist zuviel, ich kan dir nicht beschreiben,
Was vor ein harter Wind durch meine Geister ging.
Itzt ziehn die Wolcken weg, mein Stern begint zu scheinen,
Der Himmel streicht mein Hauß mit lichten Farben an,
Und er verbeut mir fast dich ferner zubeweinen,
Ach daß ich dich mein Schatz nicht bald umfassen kan!
Was aber schreibest du und trachtest itzt zuwissen,
Ob die Erlösungs Arth mir auch verdrießlich fällt?
Wie sollt ich nicht die Hand zu tausendmahlen küssen,
So mir mein Bette füllt, und dich in Freyheit stellt?
Ich will sie warlich nicht nur vor ein Weib erkennen,
Die bloß in Fleisch und Bluth, wie ich und du besteht,
Ich will sie ungescheut stets einen Engel nennen,
Der nur zu unserm Schutz mit uns zu Bette geht.
Ich will mich ihr als Magd, zu ihren Füssen legen,
Ihr wollen soll forthin mir ein Gesetze seyn,
Ich halte sie in Ernst vor unsers Hauses Seegen,
[46]
Und geb' Ihr selbst mein Hertz zu einem Zimmer ein.
Wie solt' ich thörichte die Schale nicht verehren,
Darauf der Himmel dich mir überreichen will?
Mein Ohre soll ihr Wort wie die Gebothe hören,
Für dem der Alten Volck auf das Gesichte fiel.
Ich will nach ihrer Arth das Lager zubereiten,
Ich laß ihr billig halb, was sie mir gantz geschenckt,
Mein Fuß wird nur allein nach derer Wincken schreiten,
Die mir noch unbekant, doch auf mein bestes denckt.
Nun kom Geliebter Schatz! des Glückes weiche schwingen,
Wo nichts verderben kan, umschlüsse deinen Leib,
Es wolle dich erfreut in diese Stelle bringen,
Da dich empfangen kan Land, Freunde, Kind und Weib.
Es müsse Sicherheit entsprüssen auf den Wegen,
Dahin du setzen must den abgematten Fuß,
Und wo du wirst dein Haubt zuruhen niederlegen,
Da rege sich zugleich der Seegensüberfluß.
Es müsse dich die Kraft gesunder Luft begleiten,
Die Dornen müssen nicht verfälschen deine Bahn,
Er lasse dich gesund in meine Stube schreiten,
Daß auf den Lippen ich die Rosen brechen kan!
Vor Freuden tritt mir itzt das Wasser ins Gesichte,
Und rollet unvermerckt wie Perlen ums Papier,
Ich weiß du hält'st das Wort nicht etwan vor Getichte,
Die Silben seyn verlescht, du schaust die Zeugen hier.
Dein Leitstern sei gegrüst! doch will ich Ihrentwegen
Auf kein zu grosses Bett' immittelst seyn bedacht;
Denn wird die Liebe sich mit uns zu Bette legen,
So wird der kleine Raum bald werden weit gemacht.

Liebe zwischen Graf Balduin und Judithen, König Carls in Franckreich Tochter

Balduin, sonst Eisern Arm genennet, Graf oder nach der Alten Arth, Forstmeister in Flandern, war nicht allein wegen seiner Leibesgestalt, sondern auch wegen seiner Fürtreffligkeit in [47] Rittermässigen Ubungen, einer von den Berühmtesten seiner Zeiten. König Carl in Franckreich, ingemein der kahle geheissen, wie auch sein Sohn Ludovic, bedienten sich gedachten Heldens Tapfferkeit, in dem Krieg gegen die Nordmänner; und die Saracenen erfuhren, daß er nicht minder wieder Auß- als Inländische Glück hätte. Bey dieser Gelegenheit konte er sich der Liebe nicht erwehren, wiewohl er seiner angebohrnen Hohheit nach, Augen und Hertz allezeit nach dem Purpur wendete, und ihm die Königs Farbe der brennenden Liebe am meisten gefallen lies. Die gröste Meisterin seiner Seelen war Judith, hochgedachten Königs Carls Tochter. Er liebete sie als Fräulein in ihres Vatern Hofe, wiewol in höchster Behutsamkeit, konte aber ihrer nicht eher theilhafftig werden, biß Adolph König in Engelland sie zu einer Frau, und der Tod ihres Gemahls sie zu einer Wittib gemacht hatte: Da denn die alten Funcken, bey Balduin wieder herfür brachen. Wie er nun sein Anliegen schriftlich erfrischet, also erkühnte er sich diese verwittibte inbrünstig zuersuchen, sich mit ehester Gelegenheit nach ihres Vatern Reich zumachen, da er dann, dafern es ihr nicht gäntzlich entgegen, Sie zuentführen sich entschlossen. Judith beantwortet seine Gedancken ziemlich kaltsinnig, redet von ungleichen Regungen Balduins und aller Männer, entschuldiget sich daß sie ihm als ihrem alten Freunde besonders in diesem Wittben Stande, nicht mit mehrer Höfligkeit entgegen gehen könte, und gibt, wiewohl in etwas tunckeler Arth zuschreiben, genugsam zuerraten, daß sie ihm, und seinem Vornehmen nicht gäntzlich zu wiederstreben gesonnen, massen dann sie sich auch bald darauf nach Franckreich aufmacht, und ohne grossen Wiederstandt entführet, und Balduin vermählet worden ist.

Balduin an Judith

Kan Judith durch den Dunst des Traurens etwas lesen,
Beschwemmt die heisse Fluth nicht gantz ihr schönes Licht,
So fall auf dessen Brief, der stets ihr Knecht gewesen,
Ein angenehmer Blick, der Sinn und Siegel bricht.
Mein weinen solte zwar zu deinen Thränen flüssen,
Und durch ein gleiches Ach begleiten deine Noth,
Es solte dieser Brief von nichts, als Seuffzen wissen,
Und bloß in dem bestehn, ist denn dein Adolph todt?
Ich weiß, ich solte nicht die treuen Seuffzer stöhren, –
[48]
Die ihrem Könige bezahlen wahre Schuldt,
Doch heisse Liebe will nichts von Verzuge hören,
Du kennst ihr Feuer wohl, es ist voll Ungedult.
Und Judith dencke doch wer diesen Brief geschrieben,
Du weist es gar genung, es ist desselben Handt,
Der durch der Jahre Lauf dir rein und treu verblieben,
Ja stets gefochten hat vor deines Vatern Landt.
Gedencke Königin auf unsrer Jugend Flammen,
Wie mich das zarte Garn der schönen Augen fieng,
Wie uns offt unverhofft der Vater fand beysammen,
Da nichts als Lieb und Lust mit uns zu Rathe gieng.
Erwege, wie ich dich oft in den Morgenstunden
Als der gekröhnte Lentz mit Bluhmen sich geziert,
Dich Bluhme dieser Zeit bey Rosen habe funden,
Und deine Hand geküst, die hundert Lilgen führt.
Wie oft hab ich gesagt: von tausent Nachtigalen
Ist deiner Stimme Klang, O Schöne, zugericht,
Wie schön auch die Natur kan die Granaten mahlen,
So gleichen sie gewis doch deinen Lippen nicht.
Wie ofte hab ich dir die flüchtigen Narzissen
Mit Rosen untermengt auf deine Brust gelegt?
Und hab aus Schertz gesagt: Ihr Bluhmen solt' es wissen,
Daß auch der Winter hier Euch gleichen Zierath hegt.
Daß hier ein warmer Schnee mit Bluhmen ist umgeben,
Dem Luft und Jahres Zeit kein Blat versehren kan;
Und daß den Rosen, so auf gleichen Bergen schweben,
Kein Nordwind noch zur Zeit hat einig Leid gethan.
Wie wünscht ich dazumahl ein Lusthauß hier zubauen,
Doch das Verhängnüß riß den ersten Grundstein ein,
Ich muste dich betrübt in fremden Händen schauen,
Du soltest Königin und ich ein Sclave seyn.
Doch dieser Sclave führt auch Feuer in dem Hertzen,
Er liebt und dient zugleich, beklagt und suchet dich,
Erkennst du seine Treu, so glaub auch seinen Schmertzen,
Ist meine Pein von dir, so kom und heile mich.
Es steht dir übel an üm Todte stets zuweinen,
Wer fodert solches doch von deiner Augen Pracht?
Die schöne Sonne soll mit mehrern Strahlen scheinen,
Die meines Geistes Trieb zu einer Göttin macht,
[49]
Dem Todten hat dein Mund in Wahrheit nicht geschworen,
Kein Eyd verbindet uns auch in den Sarg zugehn,
Die Schätze deiner Brust sind vor kein Grab gebohren,
Der Himmel heisset Sie stets in dem Lichte stehn.
Die Todten und zugleich sich selbst darzu begraben,
Ist zwar ein Wunderwerck, doch keines Ruhmes werth,
Wer tod ist kan durch Leid nicht Hülf und Rettung haben,
Und keine Freundschafft hat dergleichen Dienst begehrt.
Wer ewig weinen will, beweint des Himmels Willen,
Und trägt das grosse Joch mit nasser Ungedult,
Die höchste Traurigkeit muß endlich sich bestillen,
Und sagen, dieses hat des Himmels Spruch gewolt.
Verlaß die Leiche nun mit Thränen wohl genetzet,
Auch dieser Balsam fault, und modert mit der Zeit;
Du hast mit treuer Hand sie traurig beygesetzet,
Was willst du ferner thun in dieser Sterbligkeit;
Vergiß dich selber nicht und deines Leibes Gaben,
Die Blüthe wird beklagt, die ohne Frucht erstirbt,
Und dencke das ein Stein, der ewig liegt vergraben,
Zwar seinen Werth behält, doch keinen Ruhm erwirbt.
Darf ich, O Königin, mich endlich noch erwegen,
Fünff Wörter beyzuthun: Nimm mich zu Diensten an!
Mein Willen soll sich dir zu deinen Füssen legen,
Weil Balduin so gut als Adolph lieben kan.
Hat dieser dazumahl mich schmertzlich weggetrieben,
Als deinem Vater Er gekrönt zuwohl gefiehl,
So kanst als Wittbe du mich kühnlich wieder lieben,
Es ist kein neues Werck, es ist das alte Ziel.
Ich bin kein König zwar, doch reine Lieb und Tugendt
Ist älter in der Welt, als diß, was Krone heißt,
Du kennest ungerühmt das Ansehn meiner Jugendt,
So auf den Grund gericht sich nicht nach Firnüß reist.
Erlaube mir daß ich dich darf Gemahlin nennen,
Dein Wort vergnüget mich, den Vater frag ich nicht,
Sein Eyfer ist zuschwach den Knoten aufzutrennen,
Der durch die heisse Hand der Lieb ist zugericht.
Verlaß, so bald du kanst, den weissen Strand der Britten,
[50]
Und nim den nechsten Weg zu deines Vatern Land,
Und darff ich ferner dich um etwas grosses bitten,
So schäme dich doch nicht vor deines Dieners Hand;
Ich werde dich alsdann aus deinem Wege leiten,
Der Liebe Nordstern muß getreue Kühnheit seyn;
Wer in der glatten Welt stets nach der Schnur will schreiten,
Der stelle nur forthin das gehen gäntzlich ein.
Laß einen engen Brief mich lehren deinen Willen,
Dein Wincken ist mein Schluß, ich lebe nur durch dich,
Ein halbes Wort wird mich bewegen und bestillen,
Nach deinen Silben regt des Geistes Nadel sich.
Willst du zwey Leichen nicht zu Grabe sehen tragen,
So nimm als Wittib dich verlaßner Seelen an,
Und zeige, daß dein Mund die Todten zwar beklagen,
Doch auch was Leben hat empfindlich lieben kan.

Judith an Balduin

Kan Balduin denn noch der Judith nicht vergessen,
Und streicht sein alter Wunsch auch endlich über See!
Du bist in frembder Lufft und weit von mir gesessen,
Doch stöhrt dein kühner Brieff mein heisses Ach und Weh,
Wer bey der Leiche sitzt soll nicht von Liebe hören,
Es schickt sich Aloë zu Bisemkugeln nicht:
Es solte deine Brunst nicht meine Seuffzer stören,
Noch deiner Kühnheit Trieb verrücken meine Pflicht
Ich lasse mich itzund mit Trauerflor ümschlüssen,
So streut dein kecker Geist verliebte Blumen aus,
Und weil mein Auge läßt die Wasserperlen flüssen,
So dringt dein freyer Schertz in mein betrübtes Hauß.
Kein Freuden Pflaster dient vor die gekränckten Hertzen,
Die Wehmuth stünde dir am allerbesten an,
Ein Freund, der sich ergetzt bey seiner Freundin Schmertzen,
Hat zwar nach seiner Lust, doch nicht nach Pflicht gethan.
So geht es Balduin; was liebst du? deine Lüste;
Mein Ruhm, ja ich dazu, mag bleiben wo ich will,
Du suchst ein Freuden Feld und läst mich in der Wüste,
Dieß, was Vergnügung heist, ist dein erwehltes Ziel.
Du lachest, ob die Welt auf meinen Nahmen fluchet,
[51]
Du schaust auf deine Lust, nicht meinen Ehren Ruhm,
Wann Balduin erhitzt die Freuden Rosen suchet,
So meint er, Lust und Leid sey gleiches Eigenthum.
Darff ich die Warheit hier mit rechten Nahmen nennen,
(Doch dieses stehet mir bey meinem trauren frey,)
So muß ich nur für dir und aller Welt bekennen,
Daß auf der Männer Wort nicht viel zubauen sey.
Was liebt ihr? euch, nicht uns; ihr spielt mit Schwur und Eyde,
Und sucht durch Falschheit Wind den Hafen euer Lust,
Ihr kleidet euer Wort in schwanenweisse Seyde,
Indem der Boßheit Ruß erfüllet eure Brust.
Ihr wünscht das Gottes Zorn euch schleunig soll verzehren,
Dafern ein Tropfen List vergället euren Sinn,
Und gebet da und dort vertiefft in solchen Schweren
Vor einen halben Kuß den gantzen Himmel hin.
Ihr bauet mit Gefahr auf unsers Ruhmes Grunde,
Der oftmals sehr beschwert in tausend Stücken bricht,
Ihr blaset falschen Dunst aus eurem geilen Munde
Und schont in eurer Gluth der reinsten Seelen nicht.
Zuletzte stirbt die Lust, nicht aber unser Schande,
Ihr schaut uns dann erstarrt als todte Bilder an,
Und rühmt euch offtermahls in einem frembden Lande,
Was, wo, wie, und bey wem ihr böses habt gethan;
Denn euer Laster dürfft ihr nicht, wie wir, verdecken,
Gewohnheit hat das Werck schon in den Schwung gebracht,
Daß dieses, was uns kan in Ewigkeit beflecken,
Euch oft bey Schertz und Wein zu grossen Helden macht;
Vergieb mir, Balduin, so ich zu deutlich mahle,
Und ohne Vorhang dir entblösse meinen Geist,
Die Antwort, so du schaust, kommt aus dem Trauer Saale,
Der bundte Farben mich itzt gar vermeiden heist.
Du hofst vielleicht von mir viel angemachte Speisen,
Und Worte so von nichts als Balsam trächtig stehn,
Du wünscht, ich solte dir, als wie du mir, erweisen,
Das rechte Liebe nicht so leichtlich kan vergehn;
Doch dieses schickt sich nicht zu meinem Wittben Stande,
Wer hier zufertig ist, fällt leichtlich in verdacht,
Ich lebe wie du weist in einem frembden Lande,
[52]
Da oft ein Tropfen Lust zu Laster wird gemacht;
Doch scheu ich mich auch nicht dich meinen Freund zu nennen,
Denn Wehmuth scheinst du mehr als Zornes werth zu seyn.
Wer kan sich endlich gantz von seiner Regung trennen?
Der Himmel preget uns selbst das Erbarmnüß ein.
Ich werde nimmermehr dein Sinnen Fieber rühmen,
Und dieses was itzund benebelt deinen Geist;
Doch will sich dieses auch nicht alzuviel geziehmen,
Daß ein gesunder Arm den Krancken niederreist.
Mein Freund, trag mit Gedult, bestille dein Gemüthe,
Und laß Vernunfft und Rath stets bey dem Ruder stehn,
Der Himmel der uns kennt, ist noch von alter Gütte,
Er heist der See und auch des Glückes Sturm vergehn.
Nicht zwinge, was du wünscht, der Höchste muß es geben;
Wer allzustrenge rennt, kombt langsam an das Ziel;
An dessen Faden wir und unsre Sachen schweben,
Verfügt nicht allezeit was Blut und Regung will.
Im Alter seyn wir noch den Kindern gleich gesinnet,
Für Rosen greifen wir offt heisse Nesseln an,
Und wenn das kalte Gift uns aus den Händen rinnet,
So meynen wir alsdann es sey uns Leid gethan.
Ein mehrers will mir Flor und Boy nicht wohl vergönnen,
Es ist genung von der, die ihren Mann beklagt,
Ich tadle, Balduin, dein eyfriges Beginnen,
Ob die Beständigkeit mir gleich nicht mißbehagt;
Den Schluß, den du gefast, soll keine Wittib hören,
Die Mann und Könige bezahlet ihre Pflicht,
Die bleiche Schuldigkeit will mich was bessers lehren,
Ein weinend Auge lobt dergleichen Zeilen nicht.
Bleib Freund, doch bleib auch stets in reiner Freundschafft Schrancken,
Denn Freundschafft dieser Welt ist offt nur Mummerey,
Meinst du, du köntest nicht von alter Liebe wancken,
So glaub auch daß mein Leid nicht so vergänglich sey;
Du lachst, ich bin betrübt, du schreibst von Gluth und Flammen,
Indem die Trauer Bach beschwemmet meine Brust,
Es schickt sich ich und du so ungereimt zusammen,
Als sich verbinden läst der Schmertzen mit der Lust.
Nicht zürne daß mein Schluß zu sehr nach Myrrhen schmecket,
[53]
Es haftet der Zibeth auf meinem Briefe nicht,
Wer weiß es ob die Zeit, so Lust und Leid erwecket,
Nicht nach dem Wermuth Spruch ein Zucker Urthel spricht.

Liebe zwischen Siegreich und Rosemunden

Die Art der meisten von meinen bißher aufgesetzten Briefen und Geschichten ist verhoffentlich so klar und offenbahr, daß niemand einer Verstelligung mit recht mich beschuldigen wissen wird. Nunmehro aber muß ich aufs neu wieder meinen Willen hinter den Fürhang, und werde gleichsam gezwungen, mich der Maßque auf kurtze Zeit zu gebrauchen; Wann alle Welt so urtheilen wolte, wie sie billich solte, und man nicht bißweilen Gemüther antreffe, so auch aus den besten Bluhmen Gifft zusaugen sich bemüheten, würde ich niemahls von meinem ersten Wege abzuweichen mich unterfangen haben. Es seyn aber die Laster der Welt bekannt, und dieses eben nötigt mich etwas verdeckter zu spielen. Aber zum Zweck! Siegreich, einer der fürtrefflichsten Helden, unsers deutschen Landes, dessen Leben ein rechtes Ebenbild Menschlicher Vollkommenheit gewesen, befand sich einmahl in einer fürnehmen Stadt, derer Nahmen allhier aufzusetzen unnötig ist. Etzliche schwere Händel verunruhigten selbes mahl sein Gemüthe, und die Räthe waren höchstbemühet, ihn so viel möglich davon abzulencken. Durch sonderbahre Schickung füget es sich, daß hochgedachter Heldt ohngefehr eine Schönheit erblickte, die theils wegen ihrer sonderbahren Gestalt, theils wegen ihrer lieblichen Stimme, welche sie doch mehr zu ihrem eigenen Zeitvertreib als anderer Uppigkeit gebrauchte, ein Wunderwerck genennet zuwerden würdig war. Eine gewisse Regung nötigte diesen grossen Herren Gelegenheit zu suchen, derselben Stimme zuhören, derer Augen ihm so lieblich zuseyn geschienen; Und diese junge Heldin, so wir Rosemunden nennen wollen, wird durch ein Schreiben, so bald folgen soll, nach Hofe gefodert, Sie stellet sich nach vorhergegangener schrifftlicher Beantwortung dienstschuldigst ein. Siegreich siehet, höret, verliebet sich, und weil die Stege der Liebe schlüpffrig seyn, gleitet er nicht allein in fleischliche Gedancken, sondern auch dergleichen Wercke, darauß nachmahls ein berühmter Held, durch dessen Hand sich das Meer mit Türcken Bluth gefärbet, [54] und für dem die Mohren sich bücken müssen, entsprungen ist. Erkennet nun iemand durch diese dicke Maßqve, was ich verbergen wollen, der entschuldige meine Kühnheit, und ich hoffe, es wird mir eine Sache tunckel zumelden nicht verarget werden, die albereit in offene Geschichtbücher kommen, und auch darinnen geduldet worden ist. Der Mensch ist nur wie der weisse Atlas, es muß wunderlich zugehen, daß man nicht einen Flecken darinnen sehen solte: Wiewohl gedachten hohen Heldens Abtritt so bewand ist, daß er seinen hohen Tugenden, und reinem Leben keine Vertunckelung wird bringen können.

Siegerich an Rosemunden

Dir wünschet Siegerich mehr freudenreiche Stunden,
Als Rosen, Jungfrau, dir auf deinen Wangen stehn,
Als Lilgen die Natur um deinen Hals gewunden,
Und Zucker Silben stets aus deinem Munde gehn.
Könt ich was ich gewünscht, dir auch zugleiche geben,
So öffnet ich itzund dir völlig meine Handt,
Der Himmel lasse doch umb deine Scheitel schweben,
Was keine Schönheit nicht bey einem Helden fandt.
Nicht wunder dich darob, was ich itzund geschrieben,
Betrachte dich nur recht, kenst du dich selber nicht?
Der Spiegel will, du solst dich in dich selbst verlieben,
Und dein Gesichte lehnt den Sternen Krafft und Licht;
Es hat das lange Jahr vier Zeiten, du nur eine;
Es blüht der Frühling stets um deinen frischen Mund,
Kein Winter ist bey dir, für deiner Augen Scheine
Ist fast der Sonne selbst zuscheinen nicht vergunt.
Die Tugend trägest du in purpurreichen Schalen,
Geziehret wie es scheint, durch weisses Helffenbein,
Dein Mündlein ist ein Orth von tausend Nachtigalen,
Wo Engels Zungen selbst Gehülffen wollen seyn.
Diß, was der kleine Brief itzund an dir gepriesen,
Diß hat dein Siegerich von weitem nur erblickt,
Durch Wolcken hat sich itzt die Sonne mir gewiesen,
Wie daß mir nicht ihr Glantz frey in die Augen rückt?
Ich habe mehr von dir, als du vermeinst, gehöret,
Du kennest nicht den Ruhm, den dir die Warheit giebt,
[55]
Und meine hohe Gunst wird gegen dich vermehret,
Weil deiner Jugend nicht der Jugend Lust beliebt.
Ich weiß von guter Handt wie du dich hast bemühet,
Auf einen reinen Grund zubauen deinen Ruhm,
Auf derer keuschen Brust die Tugend Rose blühet,
Die hat bey Dürfftigkeit ein reiches Eigenthum.
Mein Aug' und Ohre wünscht, O züchtige Sirene,
Zuhören und zusehn, was deine Jugend ziehrt,
Mich deucht, wie albereit dein liebliches Gethöne,
Der Ohren Wachs zerschmeltzt, und nur uns selbst entführt.
Mich deucht, ich schaue schon wie deiner Augen Blicke
Bald freudig, bald bestürtzt, bald lieblich, bald betrübt
Begleiten deinen Thon, und deine Wunderstücke,
Daß sich der Himmel selbst in deine Kunst verliebt.
Du darffst dich, Schönste, nicht vor meinem Scepter scheuen,
Er richt die Demuth auf, und reist nur Hoffarth ein,
Ein Tritt in meinem Hof, der kan dich nicht gereuen,
Du wirst ein lieber Gast für meinen Augen seyn.
Denn meine Faust weiß mehr als Schwerd und Helm zutragen,
Sie liebt zwar Knall und Blitz, und scheut nicht Sturm und Streit,
Doch glaub? ich will dir nichts von Krieg und Feuer sagen,
Laß nur die Funcken aus von deiner Liebligkeit.
Ich will den schönen Blitz und keine Feuerballen,
Ich will kein Feld Geschrey, ich will ein Lied von dir,
Du darfst mir nicht bestürtzt zu meinen Füssen fallen,
Du findest nichts als Freund, ja mehr als Freund an mir.
Laß nichtigen Verdacht nicht deinen Sinn bethören,
Ein ungefälschtes Wort bereitet dir die Bahn,
Und dencke, will dein Haupt ein starcker Adler ehren,
Daß dir gewiß forthin kein Habicht schaden kan.
Der Stand worin ich bin, muß nicht Erklärung leiden,
Ich will, das ist genug; Dein Antwort sey: Ich soll;
Ich setze nichts dazu, du wirst dich selbst bescheiden,
So bleibest du Gelück und ich Genaden voll.
Der dir mein Schreiben gibt, der soll dich sicher leiten,
Was er dir weiter sagt, das nim genau in acht,
Er wird dir eine Bahn von Wolle zubereiten,
[56]
Zu der man nicht zuvor den Schlag hat aufgemacht.
Entschließ dich Jungfrau nun und mache mir zuwissen,
Wenn du ein schönes Lied vor mich bestimmet hast,
Wenn deine Liebligkeit soll in mein Ohre flüssen,
So mich entbinden soll der schweren Sorgen Last.
Schreib nur ein süsses Wort und laß mein Auge schauen,
Ob deine Feder auch den Lippen ähnlich sey,
Schreib itzt ohn alle Scheu, du kanst mir sicher trauen,
Mein Nahmen machet dich von allen Sorgen frey.
Der Kummer muß itzund aus deinem Herzen weichen,
Du hast ein schönes Pfand mein hohes Wort von mir,
Das Glücke muß nunmehr vor dir sein Seegel streichen,
Und was ein grössers ist, auch anckern neben dir.
Ich fasse was du schreibst mit hochgeneigten Händen,
Und deinem Briefe will ich selbst entgegen gehn,
Ich weiß du wirst mir nichts als Zucker übersenden,
Der wohl mit Würden kan auf meiner Tafel stehn.
Mich deucht ich schmecke schon die süsse Götter Speise,
Die Gott den Menschen auch vor Menschen machen heist,
Und spühre durch den Brief der Lieder süsse Weise,
Die dein berühmter Mund zusingen sich befleißt.
Doch schreib mir nicht allein, denn Schreiben seyn nur Schreiben,
Und wer alleine schreibt, der thut nicht allzuviel,
So du bey mir begehrst in guter Gunst zu bleiben,
So kom wie ich gesagt, und singe wie ich will.
Ich weiß die Höfligkeit, so mit dir ist gebohren,
Verbietet dir itzund zu brauchen Nicht und Nein,
Denn was mein Sinn ihm hat zu seiner Gunst erkohren,
Das muß bey stetem Ja ihm auch gehorsam seyn.
Kom Schönste, glaube mir, mein Thor das steht dir offen,
Und wilst du mehr als diß, mein Hertze selbst dazu,
Diß was du nur ersinnst, das hastu auch zuhoffen,
(Schreib, eil' und singe mir, Ach was verweilest du?)
Die Flügel meiner Gunst die sollen dich bedecken,
Was hier nicht sicher ist kan nirgend sicher stehn;
Wo eine Crone liebt, da werden keine Flecken,
Und weren Flecken da, so müsten sie vergehn.

[57] Rosemunde an Siegreichen

Mein Held sey itzt ümkräntzt von tausend Lorberzweigen,
Es stellen Ost und West sich zinsbar bey dir ein,
Es müsse sich die Welt vor deinem Throne neigen,
Und aller Völcker Gold dir Cron und Scepter seyn.
Wünscht deiner Mägde Magd die nichts hat zugewehren,
Und auch nichts würdig ist: Was aber will ein Brieff,
Von ungemeiner Hand und eyfrigen Begehren,
Der heut' üm sieben Uhr in meine Hände lieff?
Mich daucht' ich säße schon umbzirckt von Nacht und Schatten,
Es blickte mich kein Stern mit seinen Zwinckern an,
So darf ich, wie es scheint, fast in ein Licht gerathen,
Dem auch die Sonne selbst sich nicht vergleichen kan.
Ich hofft' ich lege nu in meiner Ruh vergraben,
Es kennte mich vielleicht der nechste Nachtbar nicht,
So soll ich nunmehr selbst in mir Verräther haben,
Und zeucht ein schlechtes Lied mich in das Tage Licht.
Ich weiß nicht wie mir ist und was ich soll beginnen,
Ob Aug' und Ohre mir die Zauberey bestrickt,
Ob mich ein todter Schlaf hat überreden können,
Daß Siegerich mich kennt, und mir ein Schreiben schickt.
Wie woll' ich aber doch nicht meinen Augen trauen?
Ich wach' und schlafe nicht, ich rede mit Verstandt,
Ich kann den kleinen Brief erbrechen und beschauen,
Und höre diesen Freund, den du hast abgesandt.
Es ist kein Bild vor mir, ich fühl' ein wahres Wesen,
Ich weiß das dieses Wachs ein hohes Siegel ist,
Ich küsse was ich itzt von grosser Hand gelesen.
Wie aber, daß man mich zuschauen auserkiest?
Mich, eine schlechte Magd, und arm von allen Schätzen,
Die sonsten die Natur den Frauen beygelegt,
Mich, die sich schämen muß sich in den Orth zusetzen,
Wo Schönheit und Verstand zusammen seyn gepregt.
Mein schwaches Auge kan die Strahlen nicht vertragen,
Ein schlechter Zeug, wie ich wünscht keinen hellen Tag,
Es darf sich ja das Wachs nicht in die Sonne wagen,
Man weiß wohl das ein Glaß die Gluth nicht leiden mag.
[58]
Der Schatten ist mein Freund, dazu ich bin gebohren,
Es bleibt die Einsamkeit mein bestes Vaterland,
Ich habe zu der Fahn der Dürfftigkeit geschworen,
Und bin, wie mich bedeucht, der Welt durch nichts bekant;
Ich habe mich bemüht in mich mich zuverschlüssen,
Und meine gröste Lust war nicht bey Lust zuseyn,
Mein Geist hat nicht gewünscht die Pracht der Welt zuwissen,
Der Einfalt stelt ich mich zu einer Sclavin ein.
Mein gantzes Trachten war mein Armuth zuverhölen,
Mein enges Zimmer hieß ich eine weite Welt,
Der Schatten bleibet doch der Port geringer Seelen,
Und kein gemeines Fleisch wird Göttern fürgestellt.
Es will ein Held mich itzt aus meinem Lager treiben,
Und meine Freyheit soll nunmehr zu Hofe gehn,
Wie soll ein schwaches Kraut in frembder Lufft bekleiben,
Wie soll ein Schwefel Licht bey grossen Fackeln stehn?
Wie soll ich arme Magd doch grosse Herren speisen?
Ich weiß kein Keyser Brodt, und kan kein Himmels-Lied,
Man saget allzuviel von meinen schönen Weisen,
Ich weiß nicht, wer zu erst auf diesen Wahn gerieth.
Bißweilen hab' ich zwar ein kurtzes Lied ertichtet,
So schlecht von Weis' und Art mir gleich und ähnlich war;
Es scheint das Sprichwort sey nu gantz auf mich gerichtet,
Die Stimme bringet oft den Vogel in Gefahr.
Wiewohl mein schlechter Mund gewißlich nichts gesungen,
Was sich erkennen kan der Helden Ohren werth,
So machet doch itzund der Lobspruch frembder Zungen,
Daß meinen schlechten Thon ein grosses Haubt begehrt.
Darff ich mich noch ein Wort zumelden unterwinden,
Ist eine Zeile noch itzt deiner Magd erlaubt,
So laß mich Arme doch bey dir Genade finden,
Und wirf den Strahl der Gunst doch auf ein höher Haubt.
Laß mich doch unbekand in meinem Hause sterben,
Und zeuch mich Arme nicht aus meiner tieffen Nacht,
Ich mag kein ander Lob auf dieser Welt erwerben,
Als das kein Herren Hof mich hat bekant gemacht.
In Wolle will ich mich und nicht in Seide kleiden,
Und warten biß mich Gott von dieser Erden rückt,
Die Amberkuchen kan ich ohne Schaden meiden,
[59]
Und meine Lenden seyn zum Purpur nicht geschickt.
Mein Held, sprich mich doch loß, und laß mir meine Hütte,
An mir ist umb und umb gewißlich nichts vor dich,
Erwehle dir ein Weib vom Fürstlichen Geblüthe,
Kan auch was schlechters seyn, auf dieser Welt als Ich?
Doch alles ist umsonst, mein Bitten ist verlohren,
Mein sorgenreicher Wunsch erreicht kein rechtes Ziel,
Mein Schreiben das verdirbt, ich singe harten Ohren,
Der Helden Wort begehrt den Wiederschall: Ich will.
Ihr Bitten ist umbzirckt mit tausend Donnerkeilen,
Das Weigern ist vor Sie ein neuer Apffelbiß,
Ihr Wollen ist Geboth, ihr Wincken heist uns eilen,
Und was unmöglich scheint, das machet uns gewiß.
Ich komme weil ich muß, doch voll von Angst und Zagen,
Und mein Belieben ist entfernt von meiner That,
Ich soll mich auf das Eiß des glatten Hofes wagen,
Da mancher junger Fuß vor mir geglitten hat.
Der ungemeine Glantz verblendet mein Gesichte,
Und was geschehen kan, macht mir das Hertze kalt,
Denn bey der Hofekost ist fast kein gut Gerichte,
Und eine Jungfrau wird zu Hofe selten alt.
Ach Held! bedecke mich mit Flügeln deiner Tugendt,
Ich laß' auf dein Geboth, Gespielen, Freund und Hauß,
Und dir vertrau ich itzt die Rosen meiner Jugendt,
Doch läßt du Bluhmen ein, so laß auch Bluhmen aus.

Liebe zwischen Hertzog Tugenand, und Zuchtheiminen

Hertzog Tugenand, ein Herr wegen gutes Gemüthes und Schönheit des Leibes bey männiglich berühmt, hielt sich eine ziemliche Zeit zu Keysersburg auf. Mir ist unwissende, durch was vor Gelegenheit er, unter andern einer schönen jungen Geschlechterin, mit Namen Zuchtheimine, ansichtig war, und in selbte, als bey welcher der Grundt der Tugend der Jugend Annehmligkeit nicht wenig vergrösserte, sich dermassen verliebete, daß er ihm ohne sie Augspurg zuverlassen nicht wohl getrauete. Auf andere Arth als [60] durch zuvorhergehendes Eheverbündnüß dieser Schönheit theilhafftig zu werden, ließ die Eigenschafft dieses grossen Herrns, und der erbahre Wandel des berühmten ehrliebenden Geschlechtes nicht wol zu. Weßwegen er dann auch ordentlich umb sie anhielt. Wiewohl nun theils bey der jungen Tochter, theils bey deroselben lieben Eltern, dieses unversehene Ansuchen allerhand Verdacht nach sich zog, so erfolget doch endlich, in Betrachtung des Hertzogs untadelhafften Wandels, ein schuldiges Jawort, und oft erwehnte berühmte Geschlechterin, ward diesen grossen Helden, zwar mit Mißbehagen seines Herrn Vatern verehlichet. Ihre Ehe ward glückseelig, fruchtbar, und langwierig, wie sie dann in anmuthiger Einbahrung der Gemüther zwantzig Jahr zusammen gelebet, und unterschiedene Kinder gezeuget.

Tugenand an Zuchtheiminen

Laß Zuchtheimine dich mein Siegel nicht erschrecken,
Und nenne meine Hand nicht einen frembden Gast,
Der Adler, den du schaust, der kan dich nicht beflecken,
Er wird dir unterthan, weil du sein Hertze hast.
Er will dich wo er kan, der Sonne gleiche führen,
Mein Flügel soll ein Schild vor deinen Feinden seyn,
Er will dein schönes Haubt mit einer Crone ziehren,
Für der sich scheuen soll der goldnen Sternen Schein.
Ich kenne deine Zucht, und mache mir Gedancken,
Daß Zuchtheimine nicht wird ohne Schrecken stehn,
Sie ist so sehr vertieft in ihrer Keuschheit Schrancken,
Und will auf dieser Bahn mehr als behutsam gehn.
Sie nennet Buhlerey den Fall Strick zarter Jugendt,
Sie schaut ein geiles Aug' als einen Irrwisch an,
Sie hält ein freches Wort für Räuber wahrer Tugend,
Und meinet daß ein Traum sie auch beflecken kan.
Die Bluhme so von Lieb und brennen wird genennet,
Ist ihr den Dornen gleich und nicht von ihren Krantz,
Sie meint das Liebestück als eine Nessel brennet,
Und heisst den Venus Stern die Fackel ohne Glantz.
Doch, Zuchtheimine laß Verdacht und Kummer fahren,
Die Flamme die mich treibt, ist reine gleich wie du,
[61]
Nicht prüfe so genau, hier seyn nicht falsche Wahren,
Es leget der Betrug hier kein Gewichte zu.
Es soll mir mehr an dir als Fleisch und Blut behagen,
Ich weiß die Schönheit ist ein Gauckelspiel der Zeit,
Wir schauen sie vor uns fast stets zu Grabe tragen,
Und machen uns zur Gruft derselben Eitelkeit.
Ein ungeschmückter Schmuck, die Gleichheit der Geberden,
Ein Firnisloses Werck, mit Amber unvermengt,
Ein Blick, der niemahls will durch Kunst verbessert werden,
An dem die Einfalt noch mit beyden Armen hängt.
Ein Purpur, welchen Scham, nicht Kunst hat angestrichen,
Ein Schnee der feurig ist und keine Hülffe kennt,
Ein Gang von welchem nicht die Sitsamkeit gewichen,
Ein Auge so von Scham und nicht vor Liebe brennt.
Ein himmelreiner Geist, wiewohl mit Zucht vermählet,
Ein keusches Freundlichsein, darauß die Tugend lacht,
Ein Sinn so vor den Witz nur seine Fehler zehlet,
Und sich durch dieses auch zu einem Engel macht.
Diß ist der feste Grund von meinem reinen Feuer,
Kein geiler Schwefel hat denselben mir erweckt,
Du hast (sag ich zuviel?) O schönes Ungeheuer,
Durch keusche Funcken mir die Geister angesteckt.
Die Gluth nun, so von dir, mir in das Bluth geflogen,
Lauft als ein neuer Gast verwörret hin und her,
Sie nötigt mich zu dir, ich werd itzund gezogen,
Mit mir bey dir zu seyn ist eintzig ihr Begehr.
Ein Trieb von Ungedult, ein unbekanter Schmertzen,
Den ich nicht nennen kan, entführt mich selber mir,
Mein Geist beweinet mich, und wünscht mit dir zu schertzen,
Wann ich entschlaffen bin, so sprachet er von dir.
Er baut alsdann vor dich ein Lusthauß von Jeßminen,
Wo keine Liebligkeit und hohe Macht gebricht,
Er wünscht bey deiner Lust zu Tische dir zu dienen,
Und alle seine Krafft ist nur auf dich gericht.
Er heist mich manchesmahl dich in den Schlafe küssen,
Was küß ich? schlechten Wind; was faß ich? dünne Luft;
Wann ich erwachet bin, so muß ich solches büssen,
Und werde wie ein Wild, so nach dem Wasser ruft.
Erwege meine Noth geliebte Zuchtheimine,
[62]
Verbirg dein Auge nicht, entzieh nicht deine Handt,
Und glaube daß ich dir mit vollem Hertzen diene,
Willst du versichert seyn, erforderst du ein Pfandt.
Mein Hertze wolt' ich dir zwar itzt zum Geissel geben,
Doch wie zuvor gesagt, du hast es mir entführt,
Und dencke, wo ein Mensch kan ohne Hertze leben,
Das keinem mehr als dir, was übrig ist gebührt.
Drum schreib ein süsses Wort, und laß dir diß belieben,
Was meine treue Hand dir hier zuwissen macht,
Mich heist die Lieb', und dich die Ehre nicht verschieben,
Tritt Zuchtheimine doch aus der gewölckten Nacht.
Tritt an das Sonnen Licht, O Sonne meiner Sinnen,
Mein Bluth streicht dein Geschlecht mit neuen Farben an,
Soll denn alleine dich der Ruhm nicht beugen können,
Der sonst das Frauen Volck so leicht bezaubern kan?
Ich zeige keine Gunst die nur will heute wehren,
Und wie manch Fligen-Wurm sich nur zwölf Stunden speist,
Der Faden meiner Treu, der läst sich nicht verzehren,
Und wilst du mehr als diß, dir soll was ehlich heist;
Du sollst in meiner Schoß nicht mit Verachtung sitzen,
Mein Stammbaum wird dich sehn auf seinen Aesten stehn,
Dich will nicht Tugenand durch leichte Brunst erhitzen,
Du wirst mit ihm zu Bett' und auch zu Grabe gehn.
Ein gleiches Ja und Nein soll unsern Geist ergetzen,
Ein Joch von Einigkeit des Himmels zugericht,
Wird in das Paradiß der Freuden uns versetzen,
Da tausend Engel seyn, und keine Schlange sticht.
Erwege was ich will, und laß die reinen Flammen,
Durch einen heissen Zug nunmehr verflochten seyn,
Der Himmel führet uns durch seine Krafft zusammen,
Wer stellt, wenn dieser schaft, nicht alles Weigern ein?
Ein kräfftenreicher Stern der heist mich dich umfangen,
Der irret, wer zufrech dem Himmel wiederspricht,
Denn er muß seinen Schluß, ich seine Gunst erlangen,
Und denck' auf dieses Wort: Die Liebe feyret nicht.
Ließ wohl und liebe wohl, weil dein Gelücke blühet,
Was dich erheben soll, das steht in deiner Handt,
Ich bin von wegen dein mehr als du denckst bemühet;
Schreib nur vier Wörter hin: Ich will wie Tugenand.

[63] Zuchtheimine an Tugenand

Ein Brieflein deiner Magd fällt hier zu deinen Füssen,
Und wünschet: Tugenand, sey alles Seegens voll;
Weil du mir es geschafft, so hab ich schreiben müssen,
Sonst weiß ich, daß ich nicht mit Fürsten reden soll.
Ich bin wie dir bewust von gar geringen Stande,
Und weiß nicht was ein Brief so grosser Hand begehrt,
Man ehrt als einen Gott dich in den Deutschen Lande,
Ich aber bin gewiß nicht deiner Knechte werth.
Ich schreibe wie gesagt, doch mit verwörrten Sinnen,
Ich bin nicht Adlers Art, mich blend' der Sonnen Licht,
Ich weiß nicht wie mir ist, und waß ich soll beginnen,
Vor Strahlen deiner Gunst kenn' ich mich selber nicht.
Ein grosser Hertzog soll ein arme Magd erkiesen,
Die keinen andern Schmuck, als Tugend in sich führt,
Von Stande schlecht berühmt, von Schönheit ungepriesen,
Von Weißheit unbekandt, von Reichthum ungeziehrt.
Scham, Furcht und auch verdacht läst mich nicht Worte finden,
Daß ich wie sichs gebührt recht Antwort schreiben kan;
Wem Angst und Blödigkeit die schwachen Finger binden,
Der greift die Feder nur mit grossen Zittern an.
Es träget mir itzund dein wohlgeziehrtes Schreiben,
Die Bluhmen hoher Gunst in Ruhmes Schalen für,
Laß dich zu deiner Magd doch nicht die Liebe treiben,
Denn was du hast gerühmt, das findst du nicht allhier.
Es soll der Purpur sich mit Purpur nur vermählen,
Den besten Ring beschämt ein falscher Diamant,
Ich weiß dein Bitten ist ein höffliches Befehlen,
Doch glaub, ich bin zuschlecht vor eines Fürsten Handt.
Das Hauß von Sonnenreich, so schwer von Cronen worden,
Und dem der Purpur Rock fast angebohren ist,
Vergist sich endlich selbst, und seinen hohen Orden,
In dem mich Tugenand vor andern ausserkiest.
Ich weiß nicht was ich wohl soll für Gedancken führen,
Und ob dein Feuer nicht zu meinem Schimpffe brennt;
Oft pflegt der Ehrenkrantz die Bluhmen zuverliehren,
Wenn eine schlechte Magd die grossen Herren kennt.
[64]
Ein Tritt in unser Hauß von solchen hohen Füssen,
Ist ein Genaden Werck, begleitet mit Verdacht,
Der Mund so heute sich läst einen Fürsten küssen,
Wird morgen Kinder Spott und hönisch ausgelacht.
Ihr Gold macht oftermahls uns arm an Lob und Ehre,
Ein Strahl von ihrer Gunst verzehrt oft unsern Ruhm,
Was hilfft es, das ich mich verdächtig loben höre,
Es ist entlehntes Werck, und nicht mein Eigenthum.
Wie manch erlauchter Kuß hat Bluhmen weggerissen,
Wo Nesseln mit der Zeit dafür gewachsen seyn.
Und manche muß itzund mit heissen Thränen büssen,
Daß sie sich hat erwärmt an grosser Sonnen Schein.
Darf meine Kühnheit noch was mehrers hier vermelden,
Die Lieb' ist voll Gefahr, die Macht und Waffen trägt,
Die Keuschheit wird zu nichts für einen edlen Helden,
Der auf Verweigerung bald einen Krieg erregt.
Da Ja muß Schuldigkeit, und Nein Verbrechen heissen,
Und dessen Traum alsbald in Wercke wird verkehrt,
Der wegen seiner Lust nur will den Krantz zerreissen,
Und durch der Liebe Gluth oft sich und uns verzehrt.
Da schaut man, daß alsdenn von grosser Herren Feuer
Nichts, als der Ruß verbleibt, der unsern Nahmen schwärtzt,
Gedencke Tugenand, ein Kuß ist allzutheuer,
Der unsre Ehre nimmt, wenn er hat ausgeschertzt.
Dann kan man unsern Spott an allen Wänden lesen,
Und unser Nahme muß der Lust zu Dienste stehn,
Ja wo ein solcher Held vor diesem ist gewesen,
Da will alsdenn ein Knecht nicht wohl zu Bette gehn.
Vergieb mir, was ich itzt aus freyer Einfalt schreibe,
Die Früchte, so du schaust, die hastu aufgebracht,
Und dencke, dieser Brief der komt von einem Weibe,
Die dein Erniedrigung hat allzukeck gemacht.
Ich gründe mich nun gantz, mein Fürst, auf deine Tugendt,
Du heist bey iederman ein Spiegel dieser Welt,
Ich muß dir stille stehn, so fern in meiner Jugendt,
Wo nichts zu etwas wird, dir etwas wohl gefällt.
Ich hoffe deine Gunst, die wird mich nicht beflecken,
Denn wie die Sonne schwärtzt, und doch auch bleichen kan,
So wirstu einen Strahl der Keuschheit auf mich strecken,
[65]
Mich deucht er streicht mich schon mit edlern Farben an.
Ich lasse Gott nunmehr und deine Tugend walten,
Ist dieses nechst bey mir, so leb ich Kummers frey;
Ich weiß du trachtest mehr dein Ehre zu erhalten,
Als wie dein Liebes Wunsch recht zuerreichen sey.
Was Eh' und Ehrlich heist, hast du mir zugesaget,
Ein wort von deiner Hand ist mir ein theurer Eydt,
Ich muß gehorsam seyn, weil dir es so behaget,
Und du Belieben hast an meiner Dürfftigkeit.
Man wird mir zwar alsdenn ein scheles Auge zeigen,
Und dencken Sonnenreich sey viel zu hoch vor mich.
Ja deinem Vater will diß Werck zu Hertzen steigen,
Er saget: Tugenand will itzund unter sich;
Ich werde neben dir manch schnödes Urtheil hören,
Doch unverdienter Haß ist wohl gegründter Ruhm;
Und ein vergälltes Wort, das wird mich nicht versehren,
Bleibt deine hohe Gunst nur stets mein Eigenthum.
Itzt hoff ich mehr Befehl von deinen werthen Händen,
Und schlüsse mich nun gantz in deinen Willen ein,
Ein Geist, der züchtig ist, den kan ich übersenden,
Sonst weiß ich keinen Schatz, der um mich konte seyn.
Itzt höre noch ein Wort von deiner Zuchtheimine,
Weil ich nicht zweiffeln kan an dem, was du gesagt,
So schwer' ich daß ich dir mit gantzem Hertzen diene,
Und will mein Tugenand, so sterb ich seine Magdt.

Liebe zwischen Graf Friedenheim und Fräulein Sittenoren

Graf Friedenheim ward von seinem Herren Vater ziemlich jung in eines vornehmen Königes Hof gethan, dessen hohe Gunst er alsbald wegen seiner Tugend und sonderbahren Geschickligkeit in damahls üblichen Ritterspielen ihm zu eigen machte. Wie nun freudige Gemüther der Liebe mehrentheils etwas näher, als andere zugräntzen pflegen, also begab sich gleichfals, daß Graf Friedenheim sich in Sittenoren des Königs Fräulein Schwester verliebte, [66] die dann auch ziemlich merckliche Gegengewogenheit blicken zulassen nicht Bedencken trug. Weil denn dazumahl der König entschlossen, sich aus seinen Erblanden nacher Sicilien seiner Regierung halben zuerheben, als schien Graf Friedenheim diese wenige Trennung, besonders weil ihm ein absonderliches Schiff zu seiner Reise angewiesen worden, unerträglich zu seyn. Welchen Schmertz dann die unterschiedlich erschollenen Reden nicht wenig vermehreten, als wenn hochermeldte Fräulein dem verlebten König Erimal in Silutanien vermählet werden solte. Weswegen dieser junge Fürst aus Trieb seiner inbrünstigen Liebe einen Brief an die Fräulein abgehen ließ, darin er sich über sein Unglücke beklaget, der Trennung auf der See schmertzlich gedencket, vor andern aber seinen Eyfer gegen obgedachten König klar an Tag giebet, mit angehengter Bitte, daß sie ihren Zustand wohl überlegen und reifflich erwegen sollte, ob es nicht thulicher were, mit ihm in Deutschland zuverbleiben, als sich der Reise und viel daraus erwachsenden Ungelegenheit zu unterwerffen. Die Fräulein so bald sie den Brief überkommen, stecket sie ihn schleunig zwischen die Brüste, nichts mehr wünschende, als eine bequeme Gelegenheit, solchen mit guten Nachdencken zuüberlesen. Ich weiß nicht wie solches Beginnen eine fürnehme Cammer-Frau, mit Namen Theisa, der sonst die Fräulein die geheimsten Sachen zuvertrauen pflegte, innen worden, so solches alsobald dem Herren von Sifer, unter welchen König Carl gäntzlich aufgewachsen, und dieser mit vielen Umständen, was aus sothaner Vertrauligkeit endlich werden würde, dem Könige selbsten, als der Fräulein Herrn Bruder zuwissen machte. Der König gehet alsobald zu der Fräulein Schwester Zimmer, reist ihr den Brief von den Brüsten hinweg, überlieset ihn, und würde, wenn er nicht mehr Vernunfft, als Eyfer gehabt hätte, wunderlich in der ersten Hitze verfahren seyn. Nach reiffer Erwegung aber, daß nichts verfängliches in gedachten Schreiben enthalten, und alles in den Schrancken ehrlicher Liebe geblieben, ward dem Grafen, iedoch mit gutem Glimpf, der Abschied gegeben, das Fräulein aber in Spanien geführet, da sie ihres so hochgeliebten Grafen vergessen, auch erstlich dem König Erimal, und hernach dem König in Ligalen vermählet worden ist.

[67] Friedenheim an Sittenoren

Dein Friedenheim schreibt hier, geliebte Sittenore,
Der mehr itzund in dir als in ihm selber lebt,
Komt gleich mein Seufftzer dir nicht stündlich vor das Ohre,
So schwer' ich daß mein Hertz an deinem Hertzen klebt.
Ich lebe nur in dir und bin mir abgestorben,
Ich bin dem Monden gleich der ohne Sonn' erblast.
Bist du zu weit von mir, so bin ich auch verdorben,
Wie leb' ich ohne dich, die du mein Hertze hast?
Doch mag ich nicht zuviel von meiner Liebe sagen,
Mein Auge das verrieth dir erstlich meine Pein,
Und was ich dir hernach verständlich fürgetragen,
Das wird dir ja nicht mehr verborgen können seyn.
Du weist, wie offte mir ein heisser Blick entgangen,
Wann ich die Lantze dir zuehren eingelegt,
Ich hoffte dazumahl ein Kleinod zuerlangen,
In das der Himmel selbst sein Bild hat eingepregt.
Dein schönes Auge gab dem Pferde Muth und Flügel,
Es machte mich behertzt, und meine Lantze scharf,
Es führte mehr als ich die wunderleichten Zügel,
In dem ich mein Gesicht auf deine Brüste warf:
Ich weiß wie offte mich dein Namen hat verrathen,
Und mir das leichte Blut zum Schimpf herauf gebracht,
Du wahrest Führerin von allen meinen Thaten,
Mein Sinnen war auf nichts als nur auf dich bedacht.
Ich schwur auf deine Treu, ich hoffte hier zu sterben,
Ich wollte Jason seyn, bey dir, mein golden Flüß,
Gedancken ohne Frucht! Ich fühle mein Verderben,
Und meine Hoffnung kriegt hier einen Todes Riß.
Ein unverhoffter Schluß, der überall erschollen,
Jagt meinem Hertzen itzt den Frost des Schreckens ein,
Es scheinet, daß die Lust so vor aus mir gequollen,
Mir frembde werden will, und nicht kan Nachbar seyn.
Wir sollen auf die See durch tausend wilde Wellen,
Doch dieses Wasser lescht der Liebe Feuer nicht,
Ich darf mich zwar allhier nicht wohl zu dir gesellen,
[68]
Doch schau' ich warlich kaum, was unsern Fürsatz bricht.
Ich soll mich in ein Schiff weit weit von dir begeben,
Das gehet nur den Leib und nicht die Geister an,
Mein Wunsch und Seuffzer soll in deinem Seegel schweben,
Ich lobe dessen Macht, der diß verwehren kan.
Stalitien, so Schätz und süsse Früchte zieren,
Da nur der Frühling will in den Jeßminen gehn,
Das wird mich wiederum zu diesen Rosen führen,
Die in dem Himmel Thau der süssen Lippen stehn.
Ich werd' alsdann mit Lust dein helles Auge schauen,
So meiner ersten Brunst getreuer Leitstern war.
Was soll ich aber doch ein Schloß der Hoffnung bauen,
Gegründet auf den Sand der schlipfrigen Gefahr?
Das reiche Boleniß' erschüttert meine Glieder
Der alte Velemon will deiner Tugend bey,
Es scheint, dein Bruder selbst ist meiner Lust zuwider,
Und glaubt, daß Reichthum mehr als reine Tugend sey.
Mich deucht ich schaue schon das Silber seiner Haare,
Geflochten in dein Gold, dem Gold auch selber weicht,
Das Lieben ist vor dich, ihm dienet eine Bahre,
Ich weiß nicht wie dein Lentz sich seinem Winter gleicht.
Es macht der alte Greiß mir Sturm in meinen Sinnen,
Und richtet Schiffbruch auch auf trucknen Lande zu,
Ach Sittenore kom und endre dein Beginnen,
In Boloniße blüht dir nicht der Baum der Ruh.
Gold ist ein todtes Ertzt, und Perlen seyn die Thränen,
So die erzürnte See zu Steinen hat gemacht,
Was wiltu Fräulein dich nach solchen Sachen sehnen,
Da nichts als nur Verdruß und dürrer Eyfer wacht.
Das Wagen macht den Sieg, laß Rein-Land dir belieben,
Laß doch dein Auge sich nicht blenden Glantz und Schein,
Vertraue dich nur mir, wir müssen nicht verschieben,
Laß Lieb' und meine Hand nur deine Führer seyn.
Vergleicht sich Traubenach nicht Bolenissens Schätzen,
Komt mir kein reiches Schiff aus einer fremden Welt,
So wird die gleiche Lufft des Landes dich ergetzen,
Das Gold und Silbers werth in grünen Armen hält.
Laß Friedenheimes Treu vor Perlen dich umkräntzen,
Denn meine Seele trotzt den harten Diamant,
[69]
Nicht nenne Leidenberg, dir unbekante Gräntzen,
Ich öffne dir mein Hertz, und auch mein gantzes Land.
Die Reben sollen sich zu deinen Füssen neigen,
Die Flüsse bieten dir den nassen Rücken an,
Kraut, Bluhme, Staud und Baum, soll dienstbar sich erzeigen,
Und wie ihr treuer Herr, dir werden unterthan.
Doch können wir itzt nicht des Himmels Fürsatz zwingen,
Und muß ich gehn, wohin mich das Verhängnüß lenckt,
So wollen wir den Geist doch mit Gedult beschwingen,
Wer weiß es, ob nicht Gott auf unser Bestes denckt.
Oft schaut man wie der Sturm ein Schiff in Hafen treibet,
So vor auf gleicher See ein Wind zurücke hielt,
Wohl dem der mit Gedult bey dessen willen bleibet,
Der auch der Menschen Zorn wie wilde Wellen stillt.
Der Dorn so heute sticht, kan morgen Rosen bringen,
Wann ein geneigter Blick von oben her sich regt,
Die Sonne schaut man offt aus einer Wolcken dringen,
Die, wie man meinet, nichts als Donner mit sich trägt.
Trennt Schiff und Schiff uns gleich auf wüster See vonsammen,
Und schau ich gleich alsdann dein helles Auge nicht,
So brennet doch die See von unsern Liebes Flammen,
Die durch die Brust der See und tausend Stürme bricht.
Mir scheint noch allezeit der Hoffnung leichte Kertze,
Ich schiffe wo ich muß, und liebe wo ich will,
Mein Schiff führt meinen Leib, und dieses führt mein Hertze,
Denn Sittenore bleibt mein Hafen und mein Ziel.

Sittenore an Friedenheim

Mein Freund, ach gute Nacht! was sag ich gut? was meine?
Weil du mich hassen solst, und ich dich lassen muß?
Der Himmel wolle doch daß meine Feder weine,
Und dir verkündige des Jammers Uberfluß.
Ein Wetter voller Angst zeucht über mir zusammen,
Es stürmt das Ungemach aus Nord, Süd, Ost, und West,
Ich schaue sonsten nichts, als Donner, Blitz und Flammen,
Ach daß der Himmel mich dergleichen melden läst!
Der angenehme Brief, den du mir hast geschrieben,
Ligt itzt zu unsern Spott in Bruder Carles Handt,
Dein Brief und meine Brust verrathen unser lieben,
[70]
Und was verborgen lag, wird aller Welt bekant.
Dein Schreiben schwärtzt der Hof mit giftigen Gedancken,
Der Neid geust überall gefährlich Oele bey,
Es glaubt nicht iederman, daß unsrer Liebe Schrancken,
Zugleich ein Paradieß der Lust gewesen sey.
Man kräncket Silb' und Wort mit doppelten Verstande,
Man leget ab und zu, und prest die Falschheit aus,
Dein Lieben heist man List, und meines heist man Schande;
Ja vieler Hoffarth nach, befleckst du unser Hauß;
Es schlägt der gantze Hof vor mir die Augen nieder,
Mein Frauen Zimmer selbst spricht mich mit Furchten an,
Es scheinet Sonn und Luft die werden mir zuwider,
Doch bleibet diß mein Trost, ich habe nichts gethan.
O hartes Donner Wort, ich soll dich gäntzlich hassen,
Du solst forthin nicht mehr ins Königs Zimmer gehn!
Ach wolte mich der Arm des Todes doch umbfassen,
Und könt ich in der Grufft der lieben Aeltern stehn!
Hand und auch Feder sinckt aus Schwachheit zu der Erden,
Ich mercke wie die Kraft zum Schreiben mir gebricht,
Und so die Tinte mir zu fahl beginnt zuwerden,
So dencke nur sie wird auß Thränen zugericht.
Es scheidet uns die Noth: du solt in Deutschland reisen,
Und ich soll ohne dich in meines Brudern Landt,
Kanst du nicht Leit Stern seyn und mir die Strasse weisen,
So lauft mein schwaches Schiff auf Klippen und auf Sand.
Mir träumet albereit von Brausen, Sturm und Wellen,
Es zeiget mir der Schlaf was Wind und Wetter kan,
Verachtung, Angst und Furcht, seyn meine Schifs-Gesellen,
Die Thränen melden mir schon einen Schifs Bruch an.
Doch glaube, muß ich gleich dein schönes Auge meiden,
Und reist ein grosser Spruch den treuen Fürsatz ein,
So solst du dennoch nicht aus meinem Hertzen scheiden,
Denn dieses soll ein Schif vor dich alleine seyn.
Hier solst du neben mir durch Fluth und Wellen dringen,
Was sag' ich neben mir? ja in mir selber stehn,
Man kan mir zwar den Leib doch nicht die Geister zwingen,
Des Königs harter Schluß weiß nicht so tieff zugehn.
Wir können ungestöhrt uns im Gemüth ergetzen,
Und hier verknüpffet seyn, wiewohl man uns getrennt,
[71]
Wir können unsre Lust auf eine Tafel setzen,
Die sich den hohen Trutz des bleichen Todes nennt,
Hier weiß man nichts was sonst muß Zwang und Trennung heissen,
Hier ist der Wittwer Stand ein unbekantes Ding,
Es kann kein Helden Arm des Geistes Band zerreissen,
So von dem Himmel selbst entlehnte Krafft empfing.
Kein Herrscher dieser Welt ist Herrscher der Gedancken,
Die Freyheit hat allhier ihr rechtes Vaterland,
In diesem zeiget sich de Liebe grüner Schrancken,
Und was man hier verübt, wird keiner Welt bekannt.
Der wunderreiche Platz verachtet die Gesetze,
Stand, Reichthum, Majestät, ist ihm ein Gauckel-Spiel,
Die Freyheit so ihn ziehrt ist mehr als tausend Schätze,
Wann alles dienen muß so thut er was er will.
Was aber speiß ich mich mit Schatten, Dunst und Winde?
Und baue mir ein Schloß hoch in die weite Lufft?
Was mach ich mich itzund mit Fleiß zu einem Kinde?
Und lache wenn die Noth mich in ihr Netze ruft.
Diß ist ein Gauckel Spiel der innerlichen Sinnen;
Des Geistes Kützelung und klahrer Selbstbetrug,
Weil ich dich, treuer Freund, nicht mehr soll schauen können,
So hat mein Aug' und Geist zutrauren rechten Fug.
Ich soll in dieser Welt nicht mehr zu dir gelangen,
Ein Abscheid dieser Arth ist ja ein rechter Todt,
Dich ferner nicht zusehn, zuhören,4 zuempfangen,
Schmeckt nach der Höllen Pein und nach der letzten Noth.
Was hilft des Geistes Bild und alles Angedencken?
Bild bleibet nur ein Bild, Gedancken speisen nicht,
Kan sich mein Auge nicht forthin auf deines lencken,
So werd ich durch das Schwerdt des Sehnens hingericht.
Das Schwerd, so ich gedacht, dringt schon auf meine Seele,
Mich drücket albereit die lange Todes Nacht;
Wo kann mir besser seyn als in der kalten Höle,
Dahin sich nicht der Tag mit seinen Strahlen macht?
Genug! geliebter Freund; die leichten Seegel pausen,
Man ruft: der Wind ist gut; Ach! alzu gut vor mich,
Ich macht itzt einen Schertz aus aller Winde sausen,
[72]
Und reiste wolgemuth und frölich, schaut' ich dich!
Man rufft mir; solt ich dich doch auch zu Schiffe ruffen!
Vergebens! anders nichts, als Liebster lebe wohl!
Ich sey auch wo ich sey, so kanstu sicher hoffen,
Daß deiner nimmermehr vergessen werden soll.
Dein Tugendhaffter Schertz und tausend andre Gaben,
Die nicht zuzehlen seyn, besitzen meinen Geist,
Du kanst um deinen Ruhm noch das Gelücke haben,
Das mehr als Hybla dir zu dienen sich befleist.
Ich weiß kein Wort nicht mehr, man löset itzt die Stücke,
Ich stelle mein Pappier getreuen Händen ein,
Der Himmel kröhne dich forthin mit mehr Gelücke,
Als Thränen in den Brief allhier gefallen seyn.

Liebe zwischen Hertzog Tibald und Lettire von Hort

Unter Hertzog Tibalds Frauen Zimmer, mit welchen seine Gemahlin zum Uberfluß versehen war, befand sich auch eine Adeliche Jungfrau, mit Nahmen Lettice von Hort; Sie war die Sonne unter den andern, die blödesten Augen erkieseten hier etwas sonderbahres, und es schien, die Natur hätte versuchen wollen, was ihre Hand, wann sie alle ihre Kräften darstrecket, hervorzubringen vermöchte; Der Hertzog fieng selbst etliche gefährliche Funcken, und es wehrete nicht lange, daß er sich mit der hitzigen Kranckheit angesteckt befand, so wir den erfahrnesten Aertzten und besten Freunden nicht leichtlich zuentdecken pflegen. Er eröffnete sein Anliegen derjenigen so es verursachete, und es ließ sich ansehen als wann solche allbereit eine Ehre suchete, ihre Hertzogin bey guter Gelegenheit zuvertreten. Für den Augen des Hofes, besonders der Gemahlin merckte der Hertzog leicht, das es unmöglich sein würde, sonder bösen Nachklang, seinen Flammen ferner freye Luft zugeben; solche aber auch in dem engen Behältniß des Hertzens länger zubeschlüssen, war ihm ein wenig erträglicher, als die Höllen Pein. Wie sinnreich ist aber die Liebe? Auf gutachten des Hertzogs bittet obgenente Jungfrau Erlaubnüs ihre liebe Eltern zu besuchen; Pferd und Wagen werden fertig gehalten. Sie machet sich auf die Reise, wird aber alsobald, ohne [73] iemahls ihrer Eltern Hauß zuberühren, in ein Fürstliches Schloß auf dem Lande gebracht. Der Hauptmann selbigen Orthes, der schon gewissen Befehl dessentwegen überkommen, empfähet sie freundlich, und ordnet ihr etzliche vertraute Frauen zu. Es ward aber kurtz zuvor aus Schnitz Werck ein Bild zugerichtet, so an Augen, Hals und Brust der krancken vollkommen ähnlich sahe. Das übrige theil so Leib seyn solte, war nichts anders als ein Hembde mit Wolle und andern Zeuge künstlich ausgestopft. Dieses Bild, so ich itzt beschrieben, wird, als sich niemand fremdes bey der Krancken befindet auf die Erde geleget, und zum Uberfluß bald ein Geschrey gemacht, Lettice von Hort, welche sich unterdessen in einem verborgenen Zimmer verschlossen, sey plötzlich verschieden; Der Schloß Haubtmann, so Meister des gantzen Spiels war, befiehlet schleunig einen Sarg zubestellen, und die vermeinte Leiche, als man sie zuvor wohl geräuchert, und den Fürwitz zuverjagen, außgesprenget hatte, die Todte were in der Pest gestorben, wird auf die Bahre gebracht. In allen Hertzoglichen Schlössern werden Leichgepränge ansehnlich gehalten, wie dann auch der Hertzog zusamt der Gemahlin und gantzen Hofstadt sich in Leidkleidern sehen lassen. Unterdessen, weil dis, was nicht gestorben, zur Erden bestattet wird, beginnet obgemelte Schöne erst recht zuleben. Ihr Hertzog nimt Gelegenheit seiner Geliebten kräftiglich die Flammen zuentdecken, und wiewohl die Gemahlin, wie verborgen auch dieses Spiel geführet war, mit Unwillen endlich diesen Handel verstanden, hat sie doch nicht erwehren können, daß der Hertzog die vielmahls gedachte Schönheit, mit welcher er nach und nach sieben Kinder erzeuget, iemahls verlassen.

Tibald an Lettice von Hort

Lebt meine Todte noch? ist nichts an ihr verblichen?
Greift die Verwesung ihr nicht Brust und Lippen an?
Du sturbest nur der Welt, mir bistu nicht entwichen,
Du weist wohl, daß dein Fürst dich nicht entbehren kan.
Ich darf dir noch zur Zeit nicht eine Grabschrifft machen,
Ich denck itzt an den Sarg, und an den Marmel nicht,
Du kanst mit frischem Muth itzt deines Grabes lachen,
Und schaust noch, dem du gleichst, das schöne Tages-Licht.
Zu Flammen magstu wohl, doch nicht zu Asche werden,
Denn jene zieren dich, diß ist zu früh vor dich,
Den Mund, den schönen Arm, die Anmuth der Gebehrden,
[74]
Begehret nicht der Todt, er läßt es noch vor mich.
Du bist der werthe Zoll, den mir die Schönheit giebet,
Wann durch mein Hertzogthum, sie ihre Wahren führt,
Es scheint, der Himmel selbst hat deinen Leib geliebet,
Dieweil er ihn so reich mit seinen Gaben ziehrt.
Kan nun des Himmels Hand sich deiner nicht enthalten,
Wie solte denn der Mensch dir ungewogen seyn?
Die Liebe heist mich itzt des Himmels statt verwalten,
Ich stelle mich bey dir mit meinem Hertzen ein.
Wie aber lebestu? was kanstu schönes schauen?
Nichts als die Einsamkeit, des Todes Ebenbild,
Du siehest ihre Hand ein Schloß der Schwermuth bauen,
Und bist wie mich bedeucht mit Schwermuth selbst erfüllt;
Ich wolte dich also in diesen Schatten legen,
Dieweil ich deinen Leib hab allzuwerth geacht,
Es wird ein Diamant von seiner Hoheit wegen,
Mit Riegeln wohlverwahrt, und unter Schlösser bracht.
Das Licht ist nicht vor dich, du kennst den Lauf der Zeiten,
Des Hofes Auge sieht vor mich und dich zu scharf,
Es weiß der Baum der Gunst sich hier nicht recht zu breiten,
Ach das ein Hertzog nicht die Satzung brechen darf.
Wir sollen Fürsten seyn und dienen den Gesetzen,
Man bücket sich vor uns, und stöhrt doch unser Lust,
Wir können ohne Fleck uns nirgends recht ergetzen,
Und was man Freyheit heist, das bleibt uns unbewust.
Dein Auge zwinget mich, ich kan dich nicht verlassen,
Man tadelt diß an mir, was ich nicht ändern kan,
Es heist mich die Natur dich hitzig zu ümfassen,
Und das Gesetze sagt es sey nicht recht gethan.
Drum muß ich diesem nur dich aus den Augen bringen,
Und diß verborgen thun, was die Natur begehrt,
Der Himmel wird mich ja nicht über Kräfften zwingen,
Er hat der Sterbligkeit nicht alle Lust verwehrt.
Jetzt weiß ich was es sey im Hertzen zuentbrennen,
Und aus dem Munde stets zu blasen Eiß und Schnee,
Den Nahmen der uns zeucht, zu keiner Zeit zunennen,
Zu seegeln wie man will auf dieser trüben See.
Mit Maßquen wohl verdeckt zu Leid und Lust zugehen,
Des Auges Herr zu seyn, so stets Verräther ist,
[75]
Wenn uns die Liebe führt, in gleicher Schnur zustehen,
Daß aus den Taumeln man nicht unsern Trunck erkießt.
Ich weiß es was es sey, was aber hilft das Wissen?
Welch Kluger hat sich klug bey Liebes Brunst erzeigt?
Dann wenn man diese Gluth im Hertzen will verschlüssen,
So spührt man, daß sie uns in das Gesichte steigt.
Sie dolmetscht unvermerckt bey Freunden, Weib und Kinde,
Sie steckt oft auf ein Wort die hohe Blut Fahn aus,
Wer ist auf dieser Welt der ihre Kräfften binde?
Sie steiget auf das Dach, verbeut man ihr das Hauß,
Es gehe wie es will ich weiß dich nicht zuhassen,
Und noch zur Zeit ist Uns der Himmel wolgeneigt,
Man sagt von deinem Todt allhier auf allen Gassen,
So der Gemahlin auch genug zu Hertzen steigt.
Es hat mein gantzer Hoff den Purpur hingeleget,
Man klagt, daß die von Hort itzt fault in schwartzer Gruft,
Und durch die Priesterschaft wird dieses Land beweget,
Daß iederman vor dich zu dem Erlöser rufft.
Die Glocken klingen scharf, man fragt: wer ist gestorben?
Die Antwort folgt darauff: Des Hofes Zierd und Pracht;
Du hast bey vielen dir ein schönes Lob erworben,
So dich zur Heiligen und mich zum Ketzer macht.
Ein ieder schwatzet itzt von deiner Art zuschertzen,
Die durch ein süsses Gift den Hertzog selber fing,
Der als dein Opferknecht verknüpft mit Hand und Hertzen,
Mit süssem Weirauch dir gebückt entgegen ging.
Man sagt wie sanffte du das Leben hast beschlossen,
Wie sich so zierlich dir gestreckt hat Hand und Fuß,
Und wie du nun vielleicht des Himmels hast genossen,
Die Liebe macht, daß auch die Cantzel lügen muß.
Der Himmel zürnet nicht, daß ich mich unterwinde,
Durch Messen und Gebeth zu blenden dieses Landt,
Der Höchste kennet mich, und auch die schöne Sünde,
Diß, was dein Auge kan, ist ihm nicht unbekannt.
Ich weiß genug, was uns hat Moses fürgeschrieben,
Mit was das strenge Recht uns arme Menschen schreckt,
Wer aber schreibt mir nun ein Mittel für das Lieben,
Wenn dieser scharffe Brandt in Hertz und Adern steckt.
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Man saget, Salomon der habe von den Kräfften,
Die in den Kräutern seyn, ein grosses Buch gemacht,
Er starb vielleicht verliebt bey Pulvern und bey Säfften,
Denn vor die Liebe hat noch keiner was erdacht.
Ich bleibe was ich bin, bleib du in deinen Schaten,
Und stirb der grossen Welt und deinen Freunden ab,
Du sollst durch meine Hand noch in ein Licht gerathen,
So dir erleuchten kan das schwartze Trauer Grab.
Ich will die Leiche dir mit Diamanten ziehren,
Ich will mit starcker Hand zubrechen diesen Stein,
Ich will dich wohl geküst aus deinem Sarge führen;
Getrost, in kurtzen soll dein Aufferstehung seyn.

Lettice von Hort an Tibalden

Diß was der Himmel noch gedenckt aus mir zumachen,
Und was mein Hertzog ietzt in seinem Schilde führt,
Ist allzuhoch für mich, es seyn mir frembde Sachen,
Ich habe noch allhier den Zweck nicht recht gespührt.
Ich muß gestorben seyn, doch darf ich nicht verwesen,
Ich lerne wie mich hat der gantze Hoff beklagt,
Ich kan ietzt den Bericht von meinem Tode lesen,
Und hören was mir hat die Grabschrifft nachgesagt.
Dort laütet man mir aus, hier soll ich Briefe schreiben,
Die Todten Messe geht mich noch zur Zeit nicht an,
Ich kan noch unverblast bey andern Menschen bleiben,
Die Fäulnis hat mir noch kein grosses Leid gethan.
Wird aber dieses Spiel zuletzt uns auch gelingen?
Ein Mensch der gläubet oft was er nicht tadeln darf,
Wir können wohl den Mund, doch nicht die Hertzen zwingen,
Und die verschmitzte Welt schaut itzund allzuscharf:
Der Hof, so mich vielleicht zum Scheine will beklagen,
Und der so meinen Tod dem Volcke kund gethan,
Spricht etwan bey sich selbst, was hat man hingetragen,
Diß, was der Hertzog liebt und nicht verlassen kan.
Und die Gemahlin selbst, so meinen Todt beweinet,
Die weint wohl, daß sie mich nicht recht für Leiche hält,
Wer alles was er sieht, gantz wahr zuseyn vermeinet,
Erkennet noch nicht recht die Farben dieser Welt.
Wir dencken manchesmal den Nechsten zuberücken,
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Und er, ja wir durch ihn berücken uns zugleich,
Granaten seyn voll Kern', und Menschen voller Tücken,
An Wercken bettelarm, und an Gedancken reich.
Du meinst, der Fürhang sey vernünfftig fürgezogen,
Und dieses, was du spielst, verstünde keiner nicht.
Ach dieser Spiel Platz hat den Spieler oft betrogen,
Und unser Heimligkeit gestellet an das Licht.
Gesetzt mich hielte nun der Schatten gantz umgeben,
Es glaubte Nord und West ich leg' in einer Gruft,
Es hiesse wich die Zeit ohn alle Sorgen schweben,
Wir hätten alles diß was unser Seele ruft.
Wie lange wird uns wohl die dicke Wolcke wehren?
Wie lange wird uns wohl umhüllen diese Nacht?
Die Brunst wird endlich selbst bekand zu seyn begehren,
Die nach Gewohnheit sich zu einer Glocke macht.
Du weist es, Lieb und Gluth läst selten sich verdecken,
Es ist ihr heisser Grund von gleicher Eigenschafft,
Sie findet Raum und Luft an allen End und Ecken,
Und suchet durch den Zwang offt ihre beste Krafft.
Beym Fürhang unsrer Brunst irrt vielmahl Hand und Hertze,
Inwillens fürzuziehn, so ziehn wir alles auf,
Wir fassen für den Stab oft eine helle Kertze,
Und unsre Tämmung macht oft einen Wasser Lauf.
Anstatt verhüllt zuseyn läst man den Mantel fahren,
Vor Riegel kommen uns die Schlüssel in die Handt,
Vor dem Beschauer zeigt man oft verbothne Wahren,
Und ein zufreyes Nein, macht unser Ja bekannt.
Es scheint uns manchesmahl, es ist der Liebe Weise,
Besonders, wo sie recht die Wurtzel hat gestreckt,
Als giengen wir auf Filtz, und thäten wunderleise,
Und würden durch den Schild von unsrer Kunst bedeckt.
Da doch ein iedes Kind auf uns mit Fingern zeiget,
Und saget: Dieser ists, der dis und jenes sucht.
Wir armen Menschen seyn uns allzusehr geneiget,
Und hören oft ein Lob wenn uns die Welt verflucht.
Es spielt der Selbstbetrug uns stetig um das Hertze
Er setzt uns Prillen auf, dadurch man nichts erkiest,
Und daß ich nicht zusehr auf Eiß und Stacheln schertze,
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Der Himmel hasset dis, was unsre Wollust ist.
Wird dieser, der mit Blitz und scharffen Donner schrecket,
Auch dieses geile Spiel zustöhren mit der Zeit?
Vor dem, der alles sieht, bleibt keine that verdecket,
Und hätt' auch Atlas sie mit seinen Schnee bestreut.
Der kan den Zucker uns zu herben Wermuth machen,
Und dessen Liebligkeit verkehren in ein Gift,
Er kan in Ach und Weh verwandlen unser Lachen,
Und schaffen, daß uns Spott und aller Jammer trift.
Doch weiß, mein Hertzog, ich dir nicht zuwiederstreben,
Ich weis, wie hoch ich dir als Magd verbunden bin,
Es hieß mich deine Gunst in Gold und Purpur leben,
So nim was dir behagt auch wieder von mir hin.
Denn deiner Hände Werck will ich mich ewig nennen,
Du hast mich aus dem Thal auf Zinnen hingestellt,
Auf Wincken deiner Lust soll dir mein Hertze brennen,
So dir, so gut es kan, auch itzt zu Fusse fällt.
Auf deinem Brunst Altar in Asche zuverstieben
Soll meiner treuen Pflicht an statt des Himmels seyn,
Beschleust der Hertzog mich als seine Magd zulieben,
So stell' als Opffer ich mich seinen Flammen ein.
Ich will immittelst, hier in meinem Grabe bleiben,
Wo diß dem Grabe gleicht, wo Gold und Perle gläntzt,
Wo mir die schöne Zeit die Langmuth kan vertreiben,
Und grüner Bäume Pracht das hohe Schloß umgräntzt.
Ich will mir auch ein Schloß in diesem Schlosse bauen,
Dahin ich mit der Zeit den Hertzog führen will,
Du solst alsdenn mit Lust den süssen Willen schauen,
Trifft meine Dürfftigkeit gleich nicht das rechte Ziehl.
Könt' ich in Honigseim mir meinen Mund verkehren,
Könt' ich in Schwanen doch verkleiden meine Brust,
Könt' ich mit linder Hand dir eine Lust gewehren,
Die auch die Liebligkeit zuvor nicht hat gekost.
Könt' ich als Balsam doch auf deiner Schoß zerflüssen,
So meint' ich, daß das Weib, durch die die Sonne muß,
Mir an der Würdigkeit wohl würde weichen müssen,
Denn Ich bin mehr als Sie, Sie krieget keinen Kuß.

Notes
Erstdruck in: C.H.V.H. Deutsche Übersetzungen und Getichte, Breslau (Jesaja Fellgiebel) 1679 (Neue Ausgabe, die als Ausgabe letzter Hand zu betrachten ist). Druck als eigenständige Sammlung: Heldenbriefe, Leipzig und Breslau (Jesaja Fellgiebel) 1680.
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TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Sinnreiche Heldenbriefe. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6BE9-D