2. Lob der Vergnügung

1.
Wohl dem, der sich vergnüget,
Und Freudigkeit stets seine Freundin nennt,
Der an Begierd und Geitz nicht als an Ketten lieget,
Den frembde Wohlfahrt nicht, wie eine Nessel brennt;
Freud und Vergnügung kan den Wermuthsafft versüssen,
Und Traurigkeit verbleibt des Teufels Schulterküssen.
2.
Nichts kan hier ewig währen,
Sturm und Orkan muß endlich doch vergehn,
Des Unfalls Fessel will der Zeiten Rost verzehren;
Die Morgenröthe selbst mus aus der Nacht entstehn,
Den Strauch, darauf man itzt nur Dornen kan verspüren,
Wird bald ein Rosenknopff von hundert Blättern zieren.
3.
Ein auffgeweckt Gemütte
Verzaget nicht, wenn scharffer Donner kracht,
Es anckert stets getrost auf seines Schöpffers Gütte,
Der mehrmahl Last zur Lust, und Gift zur Labsal macht,
Ein Centner Ungeduld ist kein so kräfftig Stücke,
Daß er vertilgen könt ein Quintlein Ungelücke.
[81] 4.
Sein eigen Hertze fressen
Ist eine Kost, die Fleisch und Witz verzehrt,
Der hat gantz Gottes Macht, und Menschen Pflicht vergessen,
So sich durch Kummerbrodt, und Thränenwasser nährt,
Ein leichter Fliegenfuß kan Narren traurig machen,
Und ein gesetzter Geist wird auf den Dornen lachen.
5.
Der Schönheit edles Prangen
Schaut Eifersucht, wie Schierlingsblumen an,
Die ungezähmte Lust, was neues zu erlangen,
Macht, daß das Alte man nicht recht genüssen kan;
Wer ihm Begierd und Geitz läßt Hertz und Sinnen binden,
Der wird Gebruch und Angst in Lust und Reichthum finden.
6.
Ein Hertze voller Freude
Heißt scharffes Saltz Canarizucker seyn,
Sein Wasser wird zu Wein, sein Garn zu weisser Seide:
Ein bleicher Mondenblick wird ihm zu Sonnenschein;
Wer sich vergnügen kan, schmeckt nichts als Amber-kuchen,
Und Unvergnüglichkeit macht lauter Marterwochen.
7.
Was nutzen Schätz und Gütter?
Was hilfft uns doch viel Schönheit, Ehr und Pracht?
Vergnügung ist allein das Reichthum der Gemütter;
Der bleibet ewig arm, der stets nach mehrem tracht;
Wem nicht durch Unlustgifft des Geistes Kräffte schwinden,
Der wird sein Paradis auch in der Wüste finden.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Gedichte. Gedichte. 2. Lob der Vergnügung. 2. Lob der Vergnügung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6CB8-F